Rock Hard Festival - Gelsenkirchen

20.06.2007 | 00:35

25.05.2007, Amphitheater

Freitag, 25.05.

Am Morgen erwache ich gegen 8 Uhr auf einer halbfremden Liege, ca. 100 Meter Luftlinie von unserem Camp entfernt. Da muss ich wohl irgendwie eingeschlafen sein ... naja, erstmal zu sich kommen, Käffchen, Saft und lecker Frühstück einschmeißen, um dann das erste Bier des Tages auch richtig würdigen zu können. Immerhin gilt es, die Zeit bis zur ersten Band am Nachmittag rumzubringen.
[Rouven Dorn]

Sicherlich sind CATARACT eine der besten SLAYER-Kopien auf dem Erdball. Was ich aber nicht gedacht hätte: Die Jungs freuen sich über dieses Kompliment. Zu ihrem Gig kommen wir ja später noch, was die Gitarrenarbeit angeht, kann ich aber bereits jetzt schon vorweg nehmen, dass nicht viel bis gar nix an den Schweizern vorbei geht, wenn die Sprache auf thrashigen Metal der Old-School-Schmiede geht. Was aber noch old-schooliger ist: Wenn man am ersten Festivaltag um 16 Uhr bereits so steif ist, dass man sich beim Pinkelversuch mit der rechten Hand an der Scheißhausspülung festhalten muss, mit der anderen sein Zielfernrohr minutenlang ausrichtet, sich wie ein Brummkreisel um die eigene Achse dreht, um sich im Anschluss auf seinen linken, mit Sandalen flankierten Fuß zu pissen, ohne auch nur mal wenigstens kurz den Strahl in die direkt daneben hängende Schüssel zu bekommen. Das nenn ich kompromisslos, einfach nur Metal ...
[Alex Straka]

BULLET

Da unsere Redaktions-Old-Schoolerin Bianca leider kurzfristig ihre Teilnahme absagen muss, ereilt mich die zweifelhafte Ehre, die erste Band des Tages unter Augen- und Ohrenschein nehmen zu dürfen. Nachdem endlich auch alle Nachzügler eingetrudelt sind, eile ich zum Ort des Geschehens, um vom Auftritt BULLETs noch etwas mitzubekommen.
Vor Ort angekommen, wünsche ich mir, dass dieser Kelch doch an mir hätte vorübergehen können, denn mit der Mucke der Schweden werde ich nicht wirklich warm. Zwar wirkt das Ganze as true as fuck, ganz egal, ob man den Blick auf die Instrumente oder deren Bediener richtet. Aber der kauzig-schräge Gesang und die in meinen Ohren sehr dürftigen Instrumentalleistungen machen den Gig zumindest für mich nicht gerade zu einem Genuss. Etliche Festivalbesucher sehen das wohl ähnlich, denn das Amphitheater füllt sich erst mit dem Auftritt von CRUCIFIED BARBARA zunehmend. Auch wenn mich einige Traditionalisten nun gerne pfählen würden: Muss man absolut nicht gesehen haben.
[Rouven Dorn]

CRUCIFIED BARBARA

Nach truem Schwermetall ist das schwedische Damenquartett CRUCIFIED BARBARA an der Reihe. Punkt 16.53 Uhr legen die "Ischen Impossible" mit einer lockeren Jamsession los, um direkt nahtlos in den eigentlichen Opener 'Play Me Hard' überzuleiten. Mittlerweile seh ich die Damen zum dritten Mal, und erst jetzt fällt mir persönlich der mehr als offensichtliche GUNS'N'ROSES-Einschlag auf, nur mit dem Unterschied, dass die Rocksuppe ohne Sleaze-Anleihen und dafür umso mehr mit einer ordentlichen Rotzrock-Attitüde daherkommt. Die Mädels posen und räkeln förmlich um die Wette, um beim Sonnengott eine gute Figur aufs Parkett hinzulegen. Derweil haben sich zwei Besucher mit alten schwedischen Flaggen eingefunden, die sie in den nächsten Tagen ebenfalls vor der Bühne spazieren tragen.

Es ist immer wieder erstaunlich, dass ein Großteil des männlichen Publikums - gebannt von dem Sexappeal der Gören - erstmal perplex auf die Bühne schaut, um spätestens nach dem dritten Song die Matte zu schütteln. Genau so ist es auch heute, denn nach und nach werden die vorderen Reihen weich geklopft, was darin mündet, dass im Laufe des Gigs mehr und mehr Fans sich zum Mitklatschen berufen fühlen. In erster Linie kommen heute wieder die Songs vom Debüt "In Distortion We Trust" zum Zug. Sei es 'Going Down', 'Bad Hangover' oder 'Losing The Game': bei solch starken Songs muss man(n) automatisch mindestens mit dem Fuß wippen. Interessant ist auch die Tatsache, dass sich der Blick bei jedem Auftritt auf ein anderes Mitglied versteift. Diesmal hat es mein Kollege Alex auf die Bassistin abgesehen. Ida Evileye kommt - eigentlich wie immer - mit ihrer hautengen Lederhose auf die Bühne, um locker-lässig mit einem Fuß auf der Monitorbox zu posen und sich mit Gitarristin Klara Force zu duellieren. Mia Coldheart wirkt von Auftritt zu Auftritt immer mehr wie das weibliche Pendant zu Lemmy und kommt heut ohne Hut daher.

Wo wir schon bei MOTÖRHEAD sind: Auch heute lässt es sich die Truppe nicht nehmen, eine rotziges 'Killed By Death'-Cover hinzulegen, bei der sie von BULLET im Chorus stimmlich unterstützt werden. Keine vierzig Minuten später ist der Auftritt leider vorbei, aber nicht nur mir wurde erst jetzt das Ohrschmalz rausgeblasen. Ideale Ausgangsbedingungen für den nächsten Act.

Setlist:
Play Me Hard
Going Down
Bad Hangover
Sun Is Taking Over
Motorfucker
In Distortion We Trust
Rock'n'Roll Passion
Losing The Game
Killed By Death

[Tolga Karabagli]

CATARACT

Wer nach den schönen Schwedinnen immer noch nicht wach ist oder sich sabbernd vor der Bühne verloren hat, der bekommt jetzt von CATARACT eine geballte Ladung Energie ins Hirn geblasen. Und wer an das Klischee des langsamen Schweizers glaubt, wird hier eines Besseren belehrt. Denn bis auf VADER macht kaum eine Band mehr Druck, mehr Krach und mehr Spaß auf der Bühne! Sänger Fedi ist kaum zu bremsen, hüpft wie wild durch die Gegend und beweist sich als pures Energiebündel. Da wirken seine Mitstreiter fast schon ruhig dagegen, aber nur fast, denn auch Neuzugang Tom (den manche vielleicht auch von den Schweizer Frickel-Deathern DISPARAGED kennen) ist ebenfalls gut in Form, wenns ums Headbangen geht - und dass der Mann einfach großartig an der Klampfe ist, braucht man nicht extra zu erwähnen, oder? Ja, CATARACT walzen das Amphitheater platt und zeigen mit ihrem modernen Thrash, dass nicht alles, was ein bisschen nach SLAYER klingt, einfallslos ist. Und nicht alles, was ein bisschen modern ist, gleich Metalcore sein muss. Die Mischung macht's ... und danach sind garantiert alle Augen auf die Bühne gerichtet, auf der HEAVEN SHALL BURN schon in den Startlöchern stehen.
[Caroline Traitler]

HEAVEN SHALL BURN

HEAVEN SHALL BURN überraschen mich heute, und ich muss ganz ehrlich sagen, als die Jungs vor zwei Jahren schon mal das große Rund gerockt haben, fand ich den Auftritt eher lahm und uninteressant. Was aber durchaus daran liegen könnte, dass sich die Band bei ihrer Show 2005 den MAROON-Sänger Andre "ausborgte" und dieser stimmlich nicht wirklich ins Bild passte. Überraschend ist aber auch das Intro, für das sich die sympathische Truppe ausgerechnet einen PARADISE LOST-Song ausgesucht hat und damit die Stimmung in eine ganz bestimmte Richtung lenkt. Ja, auch moderner Death Metal kann Gänsehaut verursachen und ja, auch HEAVEN SHALL BURN können neben ihren moshenden Parts mal auf Melodien achten und diese Paarung aus purer Live-Energie und Gefühl kommt heute besonders gut an. Metalcore meets Schweden-Death - so macht moderne Mucke Spaß, und die Spielfreude von HEAVEN SHALL BURN kennt keine Grenzen, vor allem dann nicht, wenn Sänger Matthias sich mal ins Publikum stürzt und eine runde Crowdsurfing übt, oder wenn er sich zwischen jedem Song für das tolle Feedback am Rockhard Festival bedankt. So viel Fannähe kommt gut an, und die Moshpits werden spätestens ab diesem Zeitpunkt zu einem ständigen Begleiter der überzeugenden Show.
[Caroline Traitler]

Das diesjährige RH-Festival beginnt für Herrn K. aus M. und mich mit einem dicken Hals auf der A2. Wir hätten es uns ja denken können - Pfingsten bleibt man im Stau stecken. Und so ist es nur Herrn K. aus M.s wenig defensiver Fahrweise zu verdanken, dass wir kurz vor knapp noch die letzte Autobahnausfahrt vor dem totalen Stillstand erwischen und damit tatsächlich gegen 18 Uhr unser Hotel erreichen. Doch auch dies birgt wieder sonderbare Überraschungen: Nachdem wir vor zwei Jahren in Gelsenkirchen-Bismarck mit der albanischen Automafia untergebracht waren, finden wir heute ein wenig einladendes Haus vor, dessen Fenster mit Brettern zugenagelt sind. Drinnen an der Rezeption sitzt ein hilfloser polnischer Mensch, der unsere Buchung nicht finden kann. "Musst du warten Chef", stößt er hervor und verdrückt sich dann in ein Hinterzimmer, um nicht meinen Fragen ausgesetzt zu sein. Sonst eher diplomatisch gestimmt, bin ich jetzt kurz vor 180. "Chef" kommt dann doch noch und quartiert uns in seinem Landgasthaus ein. Es liegt näher am Festivalgelände und hat wenigstens keine zugehämmerten Fenster. Gespenstisch bleiben wir in den nächsten drei Tagen dort die einzigen Gäste ...
[Erika Becker]

GRAVE DIGGER

Gegen 20 Uhr erreichen wir dann endlich das Amphitheater, in dem offenbar schon seit einigen Stunden die Party läuft. Gerade noch Zeit, sich den ersten von x Cafe au laits rein zu ziehen, für die ich an diesem Wochenende sicher insgesamt 16€ bei den drei hübschen Hasen vom Crèpes-Stand ausgebe, bevor wir uns erstmals für GRAVE DIGGER vor der Bühne einfinden.
Zum Akklimatisieren beginnt die Show mit einer kleinen Spielerei. Götz K., seines Zeichens Chefredakteur des festivalveranstaltenden Magazins, begrüßt den Gewinner von Manni Schmidts speckiger Lederjacke. Beim Preisrätsel "Wie hieß Mannis erste Platte?" wusste der glückliche Held mit "Perfect Man" die richtige Antwort. Wahrscheinlich freut er sich mehr über Mannis Händedruck als über die hübsche Jacke ...

Aber nun geht es wirklich endlich los. GRAVE DIGGER präsentieren sich unter dem Banner ihrer aktuellen Scheibe "Liberty Or Death", von der sie im Verlaufe des Abends allerdings nur zwei Songs spielen. Einer davon ist 'Silent Revolution', während der Titelsong des Longplayers sich erst im Zugabenteil wieder findet. Stattdessen wird eine bunte Palette gemischter Stücke aus dem Gesamtrepertoire der Totengräber dargeboten. Dabei bedient man sich sogar der ganz alten Schinken und bringt 'Headbanging Man' vom allerersten Album "Heavy Metal Breakdown" aus dem Jahre 1984 zu Gehör. Zum Mittsingen animieren wie üblich 'Excalibur', 'Valhalla' und auch 'Knights Of The Cross'. Chris Boltendahl freut sich zwischendurch immer wieder mal, in der geilen Location des Amphitheaters spielen zu dürfen. Ist dies doch nicht weit von seiner alten Heimat Gladbeck entfernt, und auch Mannis Wurzeln als Essener Ruhrgebietsgewächs werden beschworen. Die Fans interessieren sich allerdings mehr für 'The Last Supper' und natürlich das viel gehörte 'Rebellion', das einige wie schon so oft zu lustigen Tänzchen herausfordert.

Insgesamt bieten GRAVE DIGGER in rund 75 Minuten ein solides Programm, ohne jedoch durch aufregende Neuerungen hervorzustechen. Das soll jedoch kein Grund zur Klage sein. Dem Festivalpublikum scheint es hauptsächlich darum zu gehen, die populären Ohrwürmer der Band abzufeiern und nicht das Rad neu zu erfinden. Und dass 'Heavy Metal Breakdown' hier als letzte Zugabe schlicht dazugehört, versteht sich von selbst.
[Erika Becker]

HAMMERFALL

Nach diesem angenehmen warming up bereiten wir uns dann seelisch langsam auf HAMMERFALL vor. Die schwedischen Wiederentdecker des wahren Metals treten heute nach dem Weggang ihres bisherigen Bassisten Magnus Rosén mit dem zurückgekehrten Fredrik Larsson auf, der bereits in den 90er Jahren zur Band gehörte.
Wie zu erwarten war, zeigen sich HAMMERFALL heute Abend wieder als große Poser. Joacim Cans beschwört gleich zu Beginn die wahren Fans des Heavy Metals und feiert das zehnjährige Jubiläum der ersten HAMMERFALL-Scheibe "Glory To The Brave". Noch mal zehn Jahre sollen es werden, bis man sich mit dicken Bäuchen und grauem Haar wieder sieht. Zum Schmunzeln ist das ja schon, was er da loslässt, und so schwätzen dürfen auch nur HAMMERFALL, deren Botschaften man ja zum Glück nicht ernst nehmen muss.

Ebenso wie GRAVE DIGGER beglücken die Schweden ihre wahren Fans mit einer Art Best-Of-Programm, in dem nach 'Threshold' und 'Rebel Inside' vom aktuellen Album mit älteren Hits á la 'Bloodbound', 'Riders Of The Storm' und 'Heeding The Call' aufgewartet wird. Zwischendurch schickt Joacim ein dickes fuck-off an alle, die über HAMMERFALL meckern und begibt sich mit seinen Selbst- und Metal-Beweihräucherungsvorträgen fast gefährlich in die Nähe von MANOWAR. Aber wir wollen ja nicht böse sein darüber. Sind es doch nur HAMMERFALL, das wollten wir doch nicht so ernst nehmen. Etwas nervig kommt dann aber dennoch die langatmige Vorstellungsrunde herüber, bei der die Fans auf Joacims Kommando die Namen aller Musiker herausposaunen sollen. Da hätte mal gut mindestens ein Song in die Zeitspanne gepasst, von dem wir mehr gehabt hätten.
Nun ja, als Ausgleich für das große Kaspertheater gibt's noch mal ordentlich auf die Zwölf mit 'Glory To The Brave und 'Let The Hammer Fall'. Und selbstverständlich darf auch hier die typische HAMMERFALL-Zugabe 'Hearts On Fire' nicht fehlen, bevor die Helden sich nach rund anderthalb Stunden verabschieden.

Im Ergebnis ist es den Posern aus Schweden trotz teils aufgeblasenen Kettengerassels wieder mal gelungen, mit ihren Ohrwürmern gute Laune zu verbreiten. Wenn man auch die Songs für schlicht und die Lyrics für noch schlichter halten mag, so haben HAMMERFALL dennoch das Zeug zu eingängigen Melodien, die ihnen auch heute wieder Recht gegeben haben. Und zu guter Letzt bleibt Sänger Joacim doch ein guter Entertainer.
[Erika Becker]

Redakteur:
Rouven Dorn

Login

Neu registrieren