Rock Hard Festival 2006 - Gelsenkirchen

07.07.2006 | 00:25

02.06.2006, Amphitheater

Samstag, 03.06.

MYSTIC PROPHECY

MYSTIC PROPHECY gebührt in diesem Jahr die Ehre, den Reigen im Gelsenkirchener Amphitheater zu eröffnen, und die Jungs beweisen einmal mehr, dass ihr Bekanntheitsgrad völlig zu Unrecht weit hinter der Qualität ihres Songmaterials zurücksteht (warum es nach der Veröffentlichung des 2003er "Regressus"-Albums für den Fünfer nicht mächtig abging, wird mir auf ewig ein Rätsel bleiben). Wenn eine Band den Begriff "Power Metal" mit Sinn füllt, dann definitiv dieses Quintett. Kein Keyboard-Geklimper, keine dünnen Viertklässler-Vocals, sondern satte Klampfen-Power und kraftvoller Gesang. Die schon relativ zahlreich vor der Bühne versammelten Fans honorieren diese klischeefreie Metal-Vollbedienung, indem sie zu Spitzenklasse-Tracks wie 'Evil Empires', 'Eternal Flame' (immer wieder geil!) und 'Burning Bridges' die Matten kreisen lassen. Sänger R. D. Liapakis kommuniziert während des Gigs zwar nicht allzu viel mit dem Publikum (was vielleicht auch daran liegt, dass sich die Ränge erst nach und nach füllen), aber ein souveräner Frontmann war und ist er ohne Zweifel. Und gesanglich leistet er sich zudem kaum einen Fehler, so dass 'In The Darkness' und 'Nightmares Of Demons' (vom aktuellen "Savage Souls"-Dreher) sowie die Bandhymne 'Mystic Prophecy' bestens in die Öhrchen flutschen.
Die Combo dürfte mit dieser überzeugenden Vorstellung einige neue Fans gewonnen haben, was ihr absolut zu gönnen wäre und sich hoffentlich in den Verkaufszahlen der kommenden Scheiben niederschlägt. Ein würdiger Opener für die Hauptbühne!
[Oliver Schneider]

LEGION OF THE DAMNED

Zwei Minuten vor dem "offiziellen" Start kommt das holländische Thrashquartett auf die Bühne. Im Prinzip könnte ich genau dasselbe schreiben, was ich schon beim "No Mercy"-Festival in die Tasten gehauen habe: Die Jungs klingen, so leid es mir auch tut, immer noch wie ein SLAYER-Klon. Aber eines muss man ihnen schon lassen, sie spielen mit Hingabe, und die kleine, aber feine Menge im Innenraum frisst ihnen förmlich aus der Hand. Ich müsste lügen, wenn ich behaupte, dass mich das Geschehen auf der Bühne kalt lässt. Ob man's will oder nicht, man wird förmlich zu rhythmischen Kopfbewegungen gezwungen. Klar, allen voran das Drumming ähnelt dem von Dave Lombardo (SLAYER) 1:1, aber was solls. Wer mit solch einer Hingabe alte SLAYER-Sounds (bis einschließlich "Reign Of Blood") zelebriert, wird von der Publikumsseite auf jeden Fall belohnt, was durch die "Legion Of The Damned"-Chöre mehr als unterstrichen wird. Apropos Drummer: Dieser ist der Einzige, der mit einer Glatze ideal für die sommerlichen Temperaturen gerüstet ist. Bei den übrigen Mitstreitern kann man im Laufe des Sets erahnen wie sie aussehen, da sie fast unentwegt ihre Matte kreisen lassen.
Bleibt festzuhalten, dass ich persönlich den Hype um LOTD nicht verstehen kann, was aber dem Publikum egal ist, das den knapp vierzigminütigen Auftritt mit "Zugabe!"-Rufen quittiert.
[Tolga Karabagli]

PRIMORDIAL

Wenn Alan Nemtheanga und sein musikalisches Gefolge die Bühne betreten, ist das immer ein besonderer, ja fast elegischer Augenblick. Alan mit wilder Kriegsbemalung und tragischen Gesten dominiert das Geschehen, doch auch Mick, Simon, Paul und Ciaran (der endlich mal wieder mit der Band live auftritt) sind heute in Bestform. PRIMORDIAL sind bei Tageslicht zwar nicht ganz so beeindruckend wie bei Dunkelheit, doch spätestens nach den ersten Hymnen ist man voll und ganz von der Musik vereinnahmt und kommt ohne den Zauber der irischen Söhne nicht mehr aus. Alan verneigt sich vor der Geschichte seines Landes, erzählt wieder von der irischen Hungersnot und der Tragödie seines Volkes und lässt mit dem grandiosen 'Coffin Ships' eine Gänsehaut nach der anderen aufkommen. PRIMORDIAL stützen sich heute ganz auf die Songs des aktuellen Albums "The Gathering Wilderness" und erobern mit ihren düsteren Pagan-Melodien schnell eine begeisterte Fanschar. Auch wenn das Publikum teilweise mit Zurückhaltung reagiert, so ist die Atmosphäre eindeutig auf Seiten der Iren und die meisten Fans üben sich eher im stillen Genießen und Mitfühlen. Und ja, Mitfühlen ist hier das Schlüsselwort, denn all die wunderbaren Melodien, die theatralische Mimik von Alan, der einfühlsame, klagende Gesang und die irischen Akzente in der Musik machen es fast unmöglich, sich nicht in die Heimat PRIMORDIALs entführen zu lassen. Mit 'Sons Of The Morrigan' schraubt man das Tempo etwas hoch und als am Ende noch 'Gods To The Godless' ertönt, wird auch vielen Nichtkennern der Band klar, dass die Iren etwas ganz Besonderes sind!
[Caroline Traitler]

Ein Kollege meinte, Alan wirke auf der Bühne wie "Saruman, der seine Uruk-Hai in die Schlacht schickt" - ich habe selten eine derart passende Beschreibung des Spektakels namens PRIMORDIAL-Liveauftritt gesehen, und besser auf den Punkt bringen kann man es auch nicht. Wenn man ein einziges Mal diese unglaubliche, magische Energie in sich aufgesaugt hat, nur ein Mal mit der Band auf der Bühne in der Zeit zurückgereist ist, dann kann man sich diesem Erlebnis vermutlich nie wieder entziehen. So auch wieder in Gelsenkirchen: vom ersten Akkord an marschieren die Gänse schnurstracks den Rücken hinunter, der Impuls, die Augen zu schließen um diese wunderbare Musik noch besser aufnehmen zu können, kommt auf. Und dazu muss man nicht einmal in der ersten Reihe stehen. Faszinierend.
[Rouven Dorn]

CALIBAN

Stilbruch galore: nach der ergreifenden PRIMORDIAL-Show hieß es kurz umdenken, denn nun war Zeit für Metalcore. CALIBAN waren an der Reihe. Und wie immer boten die Jungs live das volle Brett. Manch einer hält die Band ja für Weicheier, aber vor allem die thrashigen Parts der neuen Songs wie 'It's Our Burden To Bleed' oder 'The Undying Darkness' klangen ziemlich aggressiv und sorgten für ordentlich Stimmung im Pit vor der Bühne. Der war übrigens zwar hart, aber trotzdem friedlich, d.h. kein übertriebendes Kickboxgehabe und wer zu Boden fiel, stand zwei Sekunden später wieder. CALIBAN heizten die Stimmung dann mit Krachern wie 'Moments Of Clarity', dem eingängigen 'The Beloved And Hatred' oder 'Stigmata' weiter an, gaben auf der Bühne Gas und schafften es sogar, einen Circle Pit in Gang zu bringen. Lohn dafür waren verdammt gute Reaktionen der Anwesenden, so dass die Jungs nach ihrem finalen Track 'Goodbye', der die letzten Kraftreserven mobilisierte, zufrieden die Bühne verlassen konnten. In einem kleinen Club kommt die Band zwar noch etwas besser rüber, aber auch so zählten CALIBAN ganz klar zu den Gewinnern des Festivals!
[Herbert Chwalek]

BRAINSTORM

Ich weiß echt nicht mehr, welche Band auf welchem Festival in welchem Jahr mit dem Blödsinn angefangen hat. Mittlerweile scheint es quasi in zu sein, dass irgendein Fan/Roadie/sonstiger entfernter Mitarbeiter von irgendwem, der was zu melden hat, während eines Festival-Auftritts auf die Bühne darf, um seiner Ische einen Heiratsantrag zu machen, den sie natürlich gerührt/peinlich berührt/unter Druck stehend annimmt und von da an mit ihrem Auserwählten glücklich lebt bis an's Ende ihrer Tage. Auf dem Rock Hard Festival anno 2006 dürfen also BRAINSTORM fünf Minuten lang betreten in die Luft gucken und dieses Spektakel über sich ergehen lassen, während im eben noch hart rockenden Publikum rote Herz-Luftballons in die Luft steigen. Immerhin verzichtet man darauf, Götz Kühnemund an Ort und Stelle die Ehe, äh, Trauung vollziehen zu lassen. Mensch Leute, das ist ein Festival und nicht der Pariser Eifelturm!

Somit wäre der wirklich einzige Kritikpunkt des einstündigen Auftritts der vermutlich besten deutschen Power-Metal-Formation schon mal abgehakt. Denn ansonsten bietet der Fünfer um Front-Strahlemann Andy B. Franck genau das, was man von ihm kennt und liebt: Eine energiegeladene Show, tolle Songs und eine demzufolge verdammt gute Stimmung im Publikum. Andy, dessen Mundwinkel ihm förmlich zum Dauergrinsen festgetackert scheinen, ist aber auch ein begnadeter Entertainer, der sich noch dazu lustige Wasserflaschen-Weitwurf-Spielchen mit einem der Roadies liefert. Die Fans sind ihm zu weit weg? Gut, geht er doch mal runter vor die Absperrung und schüttelt die Hände derer, die sich bis in die ersten Reihen vorgekämpft haben. Oder er sucht den Blickkontakt mit einigen besonders euphorischen Anhängern und bringt sie durch lobende Gesten dazu, noch mehr auszurasten. Das gesamte Publikum zwischen Bühne und den ersten Stufen des Amphitheaters reckt zum Dank dafür ständig die Arme in die Höhe, macht brav eine vom Sänger angezettelte La-Ola-Welle mit oder wedelt im Takt von links nach rechts und zurück. Und selbst nach der eingangs geschilderten Aktion reißt Andy mit einem ironischen "Will noch jemand heiraten?" die Stimmung sofort wieder nach oben. Im Anschluss an ein wahres Hit-Feuerwerk schmeißt sich der Sympathikus zu 'Doorway To Survive' sogar selbst in die Menge und gibt nach einer Runde Crowdsurfen begeistert zu, dass er das gerade zum ersten Mal gemacht habe. Na denn, macht euch bei den nächsten Hallengigs auf was gefasst! Die "Oh Oh"-Chöre nach dem finalen 'All Those Words' ertönen noch Minuten später, nachdem der letzte Takt verklungen ist. "Wir sind BRAINSTORM - und ihr seid scheiße geil!". Ihr aber auch!
[Elke Huber]

Setlist:
Worlds Are Comin' Through
Blind Suffering
The Leading
Invisible Enemy
Highs Without Lows
Shadowland
Shiva's Tears
Painside
Hollow Hideaway
Doorway To Survive
All Those Words

NEVERMORE

Nach dem hammergeilen Auftritt von BRAINSTORM ist die Stimmung bei den Fans erstmalig auf dem Siedepunkt. Dazu scheint die Sonne und man wird als "wohl derzeit beste Metal-Band" angekündigt. Viel bessere Voraussetzungen können NEVERMORE gar nicht haben. Und so sind die folgenden 60 Minuten auch ein einziger, brachialer Triumphzug. Ohne eine einzige, melodische Verschnaufpause prügeln sich Warrel Dane, Jeff Loomis & Gefolge durch eine brettharte Setlist. 'Final Product', 'Engines Of Hate' und 'I, Voyager' machen den Anfang und sind deutliche Belege dafür, dass NEVERMORE heute keine Gefangenen machen. Warrel Dane wirkt trainierter und motivierter denn je zuvor und ist zudem auch stimmlich voll auf der Höhe. Die Rhythmussektion um Van Williams (dr.) und Jim Sheppard (b.) steht felsenfest und stopft zudem das ein oder andere Loch, welches das Fehlen des zweiten Gitarristen Steve Smyth, der krankheitsbedingt den Gig canceln musste, verursacht. In erster Linie ist dieser Gig aber die finale Demonstration dafür, dass Jeff Loomis zur Zeit schlicht und ergreifend der beste Gitarrist im Bereich Power/Thrash Metal ist. Nicht wenige Fans kommen gar nicht zum Bangen, weil sie mit sperrangelweit geöffneten Mündern die Griffbrettkünste dieses begnadeten Langhaardackels bestaunen. Unglaubliche Soli, famose Breaks, tolle Leads. Der Mann hat es einfach drauf. Begutachten kann man das alles bei Songs wie 'Narcosynthesis', 'The River Dragon Has Come', 'The Seven Tongues Of God', 'This Godless Endeavor' und 'Born'. Da heute auch der Sound bei einem NEVERMORE-Gig endlich mal wieder richtig gut ist, können die Jungs aus Seattle die von BRAINSTORM hoch gelegte Latte locker überspringen und liefern in meinen Augen und Ohren den besten Auftritt des Tages ab.
[Peter Kubaschk]

SODOM
Vielleicht bin ich als Freund von verfrickelter Kopfmusik nicht unbedingt der richtige Rezensent, um ein SODOM-Konzert ordnungsgemäß zu besprechen. Aber auch ich habe meine Momente, in denen ich Musik brauche, die über gerade Rhythmen, eine klare Aussage und brachiale Energie verfügt. "Agent Orange" und "Persecution Mania" sind zwei Alben, die mir in dieser Hinsicht häufig gute Dienste erwiesen haben. Also, dachte ich mir, ich gebe mir nach langen Jahren mal wieder ein Konzert vom guten Onkel Tom, der in heimischer Kulisse das zehnjährige Beisammensein mit Bernemann und Bobby Schottkowski feiern wollte. Vor der Bühne tummeln sich auch massig langhaarige Bombenleger, die gut angeheitert auf das Trio Infernale warten und dann beim ersten Song auch gleich erwartungsgemäß mächtig Party machen. Der Sound ist amtlich und die drei Jungens auf der Bühne haben sichtlich Freude an dem Treiben vor der Bühne. Dort kloppen zwei Freaks mit aufblasbaren Wikinger-Keulen aufeinander ein und sind aus der Vogelperspektive eine wahre Augenfreude.
Aber es soll hauptamtlich um das Geschehen auf der Bühne gehen. Dort ballern SODOM Hits der Marke 'Outbreak Of Evil' und 'The Saw Is The Law' in die freudig erregte Menge, die bis in hintere Tribünen-Ränge mächtig mitgeht. Die aus jubilierendem Anlass großspurig angekündigte Pyroshow reduziert sich dann zwar auf ein paar gut aussehende Feuersalven zum Beginn von 'Napalm In The Morning', geben den Fans aber offensichtlich genügend optische Untermalung, um das Trio so richtig abzufeiern. Lediglich Toms Ansagen stoßen nicht beim gesamten Publikum auf positive Reaktionen. So philosophiert er von einem Meisterschafts-Sieg der Schalker Mannschaft im nächsten Jahr, was der eine oder andere Fußballfreund von weiter weg mit dem Mittelfinger beantwortet. Dem singenden Bassisten ist das natürlich völlig egal, scheint er eh davon auszugehen, dass ein Großteil des lustigen Völkchens vor ihm aus Gelsenkirchen stammt. Da mich Fußball so gar nicht interessiert, amüsiert mich diese Einlage mehr, als dass sie mich stören würde. Weniger erfreut bin ich allerdings von der Tatsache, dass vom orangefarbenen Agenten lediglich 'Remember The Fallen' auf dem Programm steht. Dieses versetzt den Rezensenten dann allerdings auch in eine kurzzeitige Bang-Stimmung. Hätte ich mir vorher auch nur ein siebzehntel meiner Hirnzellen lang Gedanken darüber gemacht, dass es um ein zehnjähriges Jubiläum geht, welches besagtes Album gar nicht einschließt, hätte ich mich weniger geärgert. Wer kommt aber auch auf den Gedanken, dass man sich vor einem SODOM-Gig Gedanken machen sollte? Eben. Weitere Oldies gibt es dann in Form von 'Bombenhagel' und 'Ausgebombt', bei welchem vor der Bühne noch mal so richtig der Bär steppt. Zwischendrin bekommt der geneigte Fan auch noch aktuelles Material der Marke 'Blood On Your Lips' und 'Axis Of Evil' über die Ohren gebraten.
Nach einer Stunde amtlichen Geholzes kommt es zu der vorher großartig angekündigten Überraschung: Wir erleben die Band RANDALICA, bei der Bornemann und Bobby bekanntlich ebenfalls mitwirk(t)en und deren restliche Mitglieder sich - ebenfalls bekannt - aus der Rock-Hard-Redaktion rekrutiert. So steppt der gute Götz im feinen Anzug über die Bretter und rülpst die drei Bandhymnen 'Tote auffe Tanzfläche', 'Nach uns die Sintflut' - bei welchem passenderweise der einzige Regenschauer des Wochenendes über das Gelände saust - und abschließend 'Potent, willig und solo' ins Mikrophon. Sicherlich war es amüsant die Chaotentruppe auf der Bühne zu erleben, dies aber im Vorfeld als Riesen-Überraschung anzupreisen, fand ich dann doch etwas überzogen. Auch wenn man nicht ernsthaft an einen Auftritt von FATES WARNING mit Original-Sänger John Arch rechnen durfte, wäre dies natürlich einer derartigen Ankündigung gerechter geworden. Anyway, vielleicht hatte ich auch nur nicht ausreichend Alkohol intus, um den gesamten Kult dieser Band wahrzunehmen, vielleicht bin ich aber auch einfach nur völlig humorlos - andere würden witzlos sagen. Ein Großteil des Publikums sang auf jeden Fall fröhlich mit und RANDALICA zauberten zumindest ein breites Grinsen auf viele Gesichter. Sicherlich auch ein Erfolg.
[Holger Andrae]

BOLT THROWER

Vor dem BOLT THROWER-Gig geht's nochmal kurz ins Pressezelt, Kollegen einsammeln, Bier holen und dann lecker englischer Panzer gucken gehen. Der Plan hat jedoch nur so lange Bestand, bis ich erfahre, dass CELTIC FROST angeblich heute Abend nicht spielen. Warum? Tom Fischer liegt im Krankenhaus, alles ganz plötzlich und akut, muss etwas Schlimmes sein, mutmaßt man. Nichts genaues weiß man nicht, und so bleiben nur noch die Vermutungen übrig. Mal ehrlich: das hätte ebensogut ein Herzinfarkt wie eine Blinddarmentzündung, ein Schlaganfall ebenso wie 'ne akute Mandelentzündung sein können.
Und so fliegt sie dahin, die Vorfreude auf BOLT THROWER, die Anfang des Jahres auf ihrer sagenhaften Tour mit MALEVOLENT CREATION, NECROPHAGIST und anderen so ziemlich jede Konzerthalle in Europa in Schutt und Asche gelegt hatten. Ein Blick von oben ins weite Rund des Amphitheaters bestätigt die Vorahnung: Es ist brechend voll, langsam wogen rhythmisch die Haare, unzählige Fäuste recken sich Karl Willetts und seinen musikalischen Soldaten entgegen, Death-Metal-Granaten der Marke 'For Victory' oder 'Mercenary' treffen wie immer zielsicher, der Sound klingt hier angenehm drückend und fett - kann diese Band überhaupt einen schlechten Gig spielen? Erstaunlich finde ich wie bereits bei den Hallengigs, dass sich die Jungs und das Mädel derart ins Zeug legen, als zählten sie irgendwo Mitte zwanzig und nicht vermutlich bald das doppelte an Lenzen. Respekt!
Doch wahre Begeisterung kann bei mir nicht aufkommen, denn da ist noch die Hiobsbotschaft im Hinterkopf. Nicht dass ich ein besonders großer Frostie wäre, aber ich habe mich sehr darauf gefreut, endlich mal ein Warrior-"Uh!" livehaftig zu hören. Von den Bandklassikern und den starken neuen Nummern mal ganz zu schweigen. Doch am schlimmsten wiegt die Info, dass wieder mal ein Mitglied der Szene im Krankenhaus liegt, die Unwissenheit weshalb macht es nur noch schlimmer. Als Götz nach BOLT THROWER bedröppelt von der Nierencholik des FROST-Masterminds erzählt, fällt sicherlich nicht nur mir eine Zentnerlast Steine vom Herzen.
[Rouven Dorn]

CELTIC FROST

Nachdem BOLT THROWER selbst mich völlig überzeugen konnten, begann das aufgeregte Warten auf eine der spannendsten Reunions der letzten Jahre: CELTIC FROST sollten ihren ersten Auftritt nach über einer Dekade auf deutschem Boden spielen. Und da ich das neue Machwerk "Monotheist" für absolut gelungen halte, war ich mehr als gespannt darauf, ob Martin Ain und Thomas Gabriel Warrior mit neuem Line-Up auch livehaftig überzeugen würden. Etwas nervös wurde ich bereits als BOLT THROWER trotz perfekt eingehaltenem Zeitplan nach offizieller Spielzeit noch mit einer schlagkräftigen Zugabe weitermachen durften. Als danach dann Götz zusammen mit Martin Ain auf die Bühne stieg und ansagte, dass man Thomas Gabriel Warrior mit einer Nierenkolik auf dem Weg zum Gelände ins Krankenhaus fahren musste und der Auftritt leider nicht stattfinden würde, war die Enttäuschung natürlich sehr groß. Allein der Fakt, dass es sich Martin selbst nicht nehmen ließ erklärende Worte an die Fans zu richten, zeugt von absoluter Ehrlichkeit und dürfte der Band einige Sympathiepunkte eingebracht haben. Wir alle können uns nur wünschen, dass Tom in Kürze wieder auf einer Bühne stehen wird. Wie aber beendet man einen mehr als gelungenen Festival-Tag, wenn der Headliner plötzlich ausfällt? Die Jungs vom Rock Hard haben während der verlängerten Spielzeit des britischen Dampfhammers in Erfahrung gebracht, welche Bands komplett auf den Gelände waren und trotz alkoholischer Erheiterung obendrein noch in der Lage waren ein paar Nummern zu spielen. So kam die Menge zum späten Abend noch in den Genuss kurzer Auftritte von NEVERMORE, SOILWORK, BRAINSTORM und SODOM. Während SOILWORK wohl schon sehr tief in die eine oder andere Flasche geschaut hatten und deshalb etwas "übermotiviert" wirkten, qualifizierten sich vor allem NEVERMORE ein weiteres Mal für die Supreme League Of Metal. Die Jungs waren schlau genug, drei Nummern zu spielen, die im regulären Set nicht vertreten waren und heizten so dem vollem Amphitheater noch einmal mächtig ein. Sehr geil! Aber auch bei den nachfolgenden BRAINSTORM, die ein weiteres Mal eine extrem agile Figur auf der Bühne abgaben und den Tagesschlusslichtern von SODOM war die Stimmung sehr gut. Besser hätte man die Situation wohl kaum retten können. Respekt dafür!
[Holger Andrae]

Redakteur:
Rouven Dorn

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