Rock Hard Festival 2006 - Gelsenkirchen
07.07.2006 | 00:2502.06.2006, Amphitheater
Sonntag, 04.06.
CRUCIFIED BARBARA
Hallooo Schwestern! Wer die "Tiny Toons" kennt, weiß was ich meine ;-). Denn genau das trifft auf CRUCIFIED BARBARA zu, zumindest wenn man(n) sie zum ersten Mal sieht. So ergeht es auch einem Großteil der Festivalbesucher, die sich den Augen- und (späteren) Ohrenschmaus "morgens" um 11.15 Uhr nicht entgehen lassen wollen. Das hat aber wiederum zur Folge, dass ich mitsamt der halben POWERMETAL.de-Belegschaft die ersten zwei Minuten vom Opener 'Play Me Hard' verpasse. Nachdem wir uns vor der Bühne positioniert haben, sind die meistenteils männlichen Besucher von der Optik mehr als angetan. Dabei treten die Mädels mindestens genauso viel Arsch wie in Langen. Zwar sind die Besucher zu Beginn eher zaghaft, was sich aber im Laufe des Sets legt. Ab 'Goin' Down' taut die Menge langsam auf, aber zu wahren Begeisterungsstürmen reicht es noch nicht. Auch diesmal unterhalten sich Ida (b.) und Klara (g.) während der Songs unentwegt. Ich weiß zwar nicht, was sie sich erzählen, aber so nebenbei zocken ultratight ihre Parts runter. Wieder einmal ein Beleg dafür, dass man(n) Frauen in Sachen Multitasking nichts nachmachen kann. Im Vergleich zum Langener Gig ist die Setlist ein bisschen gekürzt, aber das macht das Quartett durch ihre Spielfreude mehr als wett. Spätestens beim finalen MOTÖRHEAD-Cover 'Killed By Death' haben sich die Mädels in die Herzen des Rock Hard Festivals gespielt. Die "Ernte" können sie in Form von "Zugabe!"-Rufen und einem gut gefüllten Amphitheater einstreichen.
In der Form haben CRUCIFIED BARBARA mehr Rotzigkeit bewiesen als manch ein männlicher Vertreter der selben Zunft an diesem Wochenende.
[Tolga Karabagli]
Setlist:
Play Me Hard (The Bachelor's Guitar)
Hide 'Em All
I Wet Myself
Going Down
In Distortion We Trust
Motorfucker Losing The Game
Killed By Death (MOTÖRHEAD-Cover)
VOLBEAT
Boom baby! CRUCIFIED BARBARA hatten schon zum vollständigen Öffnen der Augen bewegen können (was immer alle an den Blondchen finden ... die Sängerin ist doch viel leckerer! ;-)), VOLBEAT hingegen waren dann so etwas wie eine eiskalte Dusche am Morgen. Und zwar eine wunderbar erfrischende! Ich hätte nie im Leben gedacht, dass die Jungs in der Lage sind, das famose Material von "The Strength, The Sound, The Songs" auf der Bühne noch besser zu intonieren als auf Platte. Scheiße, diese Songs sind für die Bühne geschrieben worden! Allen voran Sänger Michael, dessen Gesangsleistung irgendwo zwischen "überirdisch" und "nicht aus diesem Sonnensystem" eingestuft werden muss. Zwar erinnern mich die Kompositionen immer noch an ein Treffen von Elvis mit LIFE OF AGONY, das aber keineswegs in negativer Art und Weise. Nur dass hier nicht, wie bei Caputo und Freunden, die traurigen Seiten des Lebens besungen werden, nein, hier herrscht Lebensfreude pur. Hier wird dem Geist der Musik Tribut gezollt, hier wird Rock'n'Roll gelebt, und das nicht nur mit Weibsvolk und Getränken, sondern mit jeder einzelnen Note, die angeschlagen wird. Meine Fresse, sind die Jungs tight.
Spätestens nach einem Takt gibt's nur noch Abtanzen, Grinsen bis es weh tut, Friede, Freude und auch ein Stück Eierkuchen. Und noch ein Bier. Eine der mit Abstand besten Bands, die ich so weit vorne in der Running Order erlebt habe.
Und ich bin mir sicher: Das ist bei VOLBEAT erst der Anfang.
Was danach kam, war mindestens ebenso beeindruckend und wunderbar. Nur auf einem anderen Level. Mund auf für GOJIRA...
[Rouven Dorn]
Guten Morgen, jetzt gibt's Rock'n'Roll: VOLBEAT aus Dänemark knüpfen passenderweise dort an, wo die schwedischen Rockgören CRUCIFIED BARBARA aufgehört haben. Der rockige Morgen vertreibt auch noch die letzten Reste von Müdigkeit und Kater und beim ersten (bzw. zweiten Bier) im Sonnenschein ist man zu den Klängen von VOLBEAT bestens aufgehoben. Sänger und Gitarrist Michael Poulsen klingt nicht nur wie Elvis, er sieht mit seiner Gelfrisur auch ein bisschen so aus und beweist mit Elvis-Tattoos und Elvis-Shirt auch, dass er ein großer Fan des Meisters ist. Die Elvis-Portion im Sound von VOLBEAT ist jedenfalls genial und die Dänen haben enorm viel Spaß dabei, bei Gute-Laune-Songs wie 'Caroline Leaving' oder dem Ohrwurm 'Rebel Monster' über die Bühne zu wuseln und zu posen. Sensationell mutet da fast das absolut unpassende SLAYER-Riff mitten im Set an, das für manch erstaunte Gesichter und amüsierte Fans sorgt. Eine herrliche Überraschung! Danach gehts rockig weiter und Michael gibt die Gitarre sogar mal an einen Bekannten der Band ab, um sich nur aufs Singen zu konzentrieren, was er ohne Klampfe mit Vorliebe im Graben und zusammen mit den Fans tut. Als dann noch das ultimative Saufliedchen 'Pool Of Booze, Booze, Booza' ertönt ist die Partystimmung perfekt und man möchte am liebsten in den Pool springen und 'nen Cocktail saufen. Die Ohrwürmer von VOLBEAT lassen uns auf jeden Fall den ganzen Tag nicht mehr los!
[Caroline Traitler]
GOJIRA
Was Caro schreibt, ist nix als die reine Wahrheit, denn nach der mächtigen und völlig geilen Rock'n'Roll-Dosis von VOLBEAT habe ich eigentlich gar keine große Lust auf sehr technischen, brachialen Death Metal. Schließlich brennt die Sonne im Nacken und ich wippe immer noch meinen Fuß zu dem im Ohr klebenden 'Pool Of Booze, Booze, Booza'. Doch schon mit den ersten Walgesängen und den dazugehörigen Takten von 'Ocean Planet' werde ich in den Bann gezogen von der anspruchsvollen Melange, die GOJIRA auf die Headbanger loslassen. Unglaublich mit welcher Präzision die Band zwischen Blastparts und schweren Death-Metal-Riffs pendelt und dabei auch die Zeit findet über die Bühne zu springen. Ich habe bisher nicht viele Bands gesehen, die technisch komplexe Mucke auch noch so agil rüberbringen können. Beste Bespiele dafür sind Songs wie 'Backbone', 'Love', 'The Heaviest Matter Of The World' oder 'From The Sky'. Die Meute vor der Bühne sieht es genauso und schüttelt kräftig die Matten und feiert GOJIRA mächtig ab. Wer Bands wie DEATH, ANACRUSIS oder VOIVOD großartig findet und es gerne auch noch eine ganze Spur heftiger mag, der liegt bei GOJIRA goldrichtig. Ganz großes Kino, das dazu führt, dass Kollege Rouven stundenlang nur noch mit herunter geklappter Kinnlade und leicht sabbernd über das Areal läuft.
[Peter Kubaschk]
Hast du diesen Drummer gesehen? Raaah! Sabber!
Oh, und Öko-Technik-Death ist mal unschlagbar. Es lebe Walgesang!
[Rouven Dorn]
BEYOND FEAR
Auch meine Wenigkeit hatte die Geiferfäden aufgrund des GOJIRA-Infernos so gerade erst lässig über die Schulter gelegt, als es gegen 14.30 Uhr heißt: Rotkäppchen-Sekt statt Champagner, Tageslicht statt Lightshow und harte Arbeit statt Arsch nachtragen lassen. Vorbei sind die Zeiten, als Tim "Ripper" Owens mit JUDAS PRIEST auf einem Festival als letzter Act die Bühne betrat und auf zig tausend Köpfe herunterblicken konnte. Sowohl mit ICED EARTH als auch BEYOND FEAR heißt es, kleinere Brötchen zu backen. Dass der Bursche damit keinerlei Probleme hat, beweist er bei gleißender Hitze im Amphitheater. Er streunt wie ein Tiger im Käfig über die Bretter und singt schlicht fehlerlos. Mit 'Burn In Hell', 'Blood Stained' und dem FLEETWOOD MAC-Cover 'The Green Manalishi (With The Two-Pronged Crown)' haben er und seine Bandkollegen gleich drei von PRIEST interpretierte Songs im Gepäck, was im Festival-Kontext eventuell Sinn macht, aber für meine Begriffe trotzdem nicht nötig gewesen wäre. Viel lieber hätte ich noch die übrigen Nummern des starken "Beyond Fear"-Debüts gehört. Aber sei's drum: Tracks wie die extrem geilen 'And... You Will Die' und 'Words Of Wisdom', das eingängige 'Coming At You', der die Nackenmuskeln nicht schonende Brecher 'Save Me' und das verschachtelte 'Your Time Has Come' werden extrem druckvoll ins Publikum gefeuert. Und auch in den Live-Versionen übertrumpfen diese Stücke das "Angel Of Retribution"-Material ohne Probleme. Meine absoluten Favoriten an diesem Nachmittag sind aber genau wie auf Platte das höllisch groovende 'Telling Lies' und das thrashige, vom Opener zum Rausschmeißer umfunktionierte 'Scream Machine' (wie heißt noch gleich der aktuelle PRIEST-Sänger?).
Ohne Zweifel: In dieser Verfassung wünsche ich mir weitere BEYOND FEAR-Tourneen und -Alben. Dieser Auftritt war den Sonnenbrand wert!
[Oliver Schneider]
Kann man durchaus so sehen. Ich will auch gar nicht bestreiten, dass der gute Tim Owens seine Sache ausgezeichnet macht. Zumindest das, was er uns heute bieten will, sitzt absolut perfekt. Er screamt wie ein junger Gott, meistert die höchsten Schreie fehlerlos und auch seine Band kann spielerisch voll überzeugen. Trotzdem fehlt mir was, und zwar ganz entscheidend: Die Sache ist mir einfach zu eindimensional. Statt uns eine Dreiviertelstunde lang permanent beweisen zu müssen, was für eine geniale Sirene er in den Stimmbändern hat, könnte der gut Herr Owens ruhig auch mal richtig singen. Ein paar melodischere Songs mit tollen Gesangsmelodien! Das hat er doch auch drauf, das konnte er mit JUDAS PRIEST immer zeigen! Heute fährt er live wie auf Platte fast zu 100% die Aggro-Schiene. Das macht er zwar alles andere als schlecht, und für sich genommen gefallen mir auch die meisten Stücke des Debüts von BEYOND FEAR, aber trotzdem fehlen mir die großen Hooks, die Hymnen, die einfühlsamen Töne, die er auch drauf hat. Das wird mir auf der Heimfahrt noch mal so richtig wehmütig bewusst, als ein altes, selbst zusammengestelltes Tape die Überhymne 'Blink Of An Eye' von WINTER'S BANE erklingen lässt. Warum bringt der gute Mann heute keine so großartigen Gesangsmelodien mehr? Können müsste er es doch noch! Es bleibt für mich ein zwiespältiger Eindruck: Ein toller Sänger und eine sehr gute Band, denen aber leider ein vielseitiges Songwriting-Talent fehlt.
[Rüdiger Stehle]
EVERGREY
EVERGREY zählen seit ihrem herrlichen Zweitwerk "Solitude Dominance Tragedy" zu meinen absoluten Lieblingen. Und während sie mich bei ihren zahlreichen Hallenkonzerten, sei es allein oder im Vorprogramm von zum Beispiel James LaBrie immer restlos überzeugen konnten, fiel mein einziger Festivaleindruck der Band auf dem Bang Your Head!!! 2000 eher mittelmäßig aus. Umso gespannter war ich also heuer, ob der melancholische Gänsehaut-Metal der fünf Schweden denn dieses Mal bei grellem Sonnenschein und schweißtreibenden Temperaturen funktionieren würde. Gleich der Opener 'Blinded' vermochte eine eindeutige Antwort darauf zu geben: Ja! Bestens aufgelegt zog die Band um den singenden Gitarristen Tom S. Englund die recht zahlreich aufgelaufenen Freaks sehr schnell auf ihre Seite. Entgegen seiner sonstigen Attitüde sabbelte der hünenhafte Frontman zwischen den einzelnen Songs mit dem völlig begeisterten Publikum. Und auch die restlichen Musiker rockten sich auf der Bühne förmlich den Arsch ab. Wie immer fiel hierbei vor allem Drummer Jonas Ekdahl optisch aus dem Rahmen, da er wie ein ganz Großer hinter seinem Schlagzeug poste. Der Junge hat definitiv Spaß, an dem, was er da veranstaltet. Und es macht einen Höllenspaß im dabei zuzuschauen. Aber auch Tastendrücker Rikard Zander und Gitarrist Henrik Danhage duellierten sich mit einer erfrischenden Hingabe und verstanden es hervorragend die Menge zu animieren. Basser Michael Hakansson hingegen schien völlig in sein Instrument vertieft zu sein, verfiel aber gelegentlich in extremstes Headbanging. Neben dieser exquisiten Optik, die sich die Jungs wohl während ihrer extensiven Tourneen in der Vergangenheit angeeignet haben, überzeugte aber auch die leicht schräge Setlist. Fröhlich wurde hier ein Gleichgewicht aus neuen und alten Klassikern feilgeboten. So gab es mit 'Obedience' und 'Still In The Water' zwei herausragende Nummern des aktuellen Werkes "Monday Morning Apocalypse", die von der feiernden Meute vor der Bühne genauso frenetisch abgefeiert wurden, wie Standards der Marke 'Mark Of The Triangle' oder 'I'm Sorry'. Mein absolutes Highlight war die rein akustisch intonierte Version des Tränendrückers 'Words Mean Nothing'. Als wäre diese Komposition nicht in der Studiofassung schon emotional genug, addiert die veränderte Umsetzung auf der Bühne derartig viel Tiefgang, dass ich in einen dunklen Konzerthalle und entsprechender Beleuchtung an dieser Stelle sicherlich ein Taschentuch benötigt hätte. Ich könnte jetzt natürlich herumnörgeln, dass es weder 'Nosferatu' noch 'The Masterplan' zu hören gab, aber das würde diesem Auftritt nicht gerecht werden. EVERGREY haben in Gelsenkirchen bewiesen, dass sie bald viel weiter hinten im Billing der Festivals stehen werden. Wie sagte eine genießerische Stimme aus einem verqualmten Zelt doch vor dem Auftritt so treffend: "EVERGREY sind besser als eine Bong!"
[Holger Andrae]
FINNTROLL
Nach den verdammt langweiligen EVERGREY war es dann Zeit für Party. (*hüstel* ... verdammt langweilige EVERGREY? Die Meinung hast Du aber exklusiv. - Peter) Die Finnen von FINNTROLL machten bei strahlendem Sonnenschein schon mit dem ersten Song ein Fass auf und hielten die Stimmung locker bis zum Ende. Klar, die Mischung aus trashig-schmissigen Keyboards, Gegrunze, Humppa und Extreme Metal ist sicherlich nicht jedermanns Sache, mit ein paar Bier in der Blutbahn macht das einfach Spaß und zaubert automatisch ein Grinsen ins Gesicht des Zuhörers. Zumal FINNTROLL mittlerweile zur guten Liveband gereift sind, die eine gute Show quasi garantiert. Fand auch die Meute vor der Bühne, die bei Hits wie 'Jaktens Tid' oder 'Trollhammaren' gut mitging. Im Endeffekt wars zwar nicht die ganz große Offenbarung, aber zumindest mir und einem Teil der Anwesenden hat es definitiv Freude bereitet, dazu abzurocken. Insofern Daumen hoch für FINNTROLL!
[Herbert Chwalek]
Eine gute Show haben Finntroll in der Tat bisher immer garantiert, aber so ganz kann ich das bezüglich des Auftritts auf dem Rock Hard Festival nicht bestätigen. Neuzugang Mathias "Vreth" Lillmåns, der hier seinen Einstand als Fronter hinlegt, leidet nämlich sichtlich an Startschwierigkeiten, klammert sich anfangs allzu sehr an seinem Mikroständer fest und schüttelt nur hin und wieder kurz sein Wella gepflegtes Haupthaar. Während der erste Ober-Finntroll Katla klein und quirlig im Fellkostüm über die Bühne flitzte und sein Nachfolger Wilska mit mächtiger Bierplautze alles in Grund und Boden stampfte, präsentiert sich Vreth als austauschbarer schmächtiger Hänfling, der zwar stimmlich durchaus mit seinen Vorgängern mithalten kann, dem es aber noch deutlich an der nötigen Bühnenpräsenz fehlt. Parallel zum eher hüftsteifen Auftritt der Finnen marschiert ein nur mit einem Fell bekleideter Festivalbesucher durch's Publikum, der willig mit jedem posiert, der seine Kamera schnell genug zückt, und dabei mehr Stimmung und Charisma verbreitet als alle Trolle zusammen. Ich gebe zwar zu, dass ich nie der große FINNTROLL-Fan gewesen bin, aber so lahm wie hier habe ich die Band noch nie erlebt - und deswegen nach drei Stücken das Weite gesucht. Falls danach noch die von Herbert zitierte Party gefeiert wurde, habe ich sie wohl verpasst.
[Elke Huber]
SOILWORK
Am Vorabend sind SOILWORK für die ausgefallenen CELTIC FROST eingesprungen. Dabei haben die Jungs 'Stabbing The Drama' (mit Warrel Dane als Co-Sänger), 'Rejection Role' und 'Stalemate' dem verdutzten Publikum vor den Latz geknallt. Der Sound war dabei um einiges besser und auch von der Spielfreude her konnte die Truppe auf jeden Fall punkten.
Wie sich die Dinge bei Tageslicht doch ändern können. Auch SOILWORK legen zwei Minuten vor dem angesetzten Beginn mit 'Stabbing The Drama', um 18.28 Uhr los. Dabei fällt gleich zu Beginn der viel zu laute und vor allem matschige Sound auf. Klar, an der Spielfreude mangelt es nicht, aber der Sound zerstört jegliche Konzertfreude. Vielleicht mag es daran liegen, dass die Schweden ihren eigenen Soundmann am Start haben, denn bei allen übrigen Bands gab's Soundtechnisch nix zu beanstanden. Da wirkt die immer wiederholte Frage "Are you with us?" von Speed auf die Dauer nervig und wird zur Zerreißprobe für die Diehard-Fans der Truppe. Die Stimmung im Innenraum ist gut, und auch einige Crowdsurfer werden gesichtet, aber das ist's auch schon gewesen. Auf den Rängen ist so gut wie keine Stimmung auszumachen, was sich aber keinen Zentimeter auf die Spielfreude der Akteure auf der Bühne auswirkt. Hinzu kommt, dass einem die Sonne den Schädel wegbrennt. Die Dusche unmittelbar vor dem Gig ist umsonst, da nicht nur ich aus allen Poren schwitze. Neben den Songs vom aktuellen "Stabbing The Drama"-Output wie 'One With The Files' und 'Nerve', finden auch Klassiker von "Figure Number Five" und "Natural Born Chaos" ihren Weg in die Setlist. Am meisten Stimmung herrscht am Anfang von 'As We Speak', als der komplette Innenraum mithüpft. Nach einer knappen Stunde ist dann Schluss.
Ich für meinen Teil hab ehrlich gesagt mehr erwartet, aber anscheinend haben SOILWORK ein Dauerabo in punkto "schlechter Sound". Traurig, aber wahr!
[Tolga Karabagli]
FATES WARNING
Keine Frage. FATES WARNING sind der Grund, warum ich auf diesem Festival bin. Ähnlich sehen es diverse Kollegen, Freunde und Fremde. Alles, was bis jetzt kam, war nur das lange Vorspiel. Ganz egal, wie großartig NEVERMORE, VOLBEAT, GOJIRA oder EVERGREY auch waren. Logisch, dass bei der versammelten Redaktion und den Fans dann auch eine gewisse Spannung zu spüren ist. Diese ist aber mit den ersten Tönen des Intros 'Disconnected, Pt. I' verflogen und weicht einer Euphorie, die schon mit den ersten Takten von 'One' in Ekstase umschlägt. Dies liegt auch an dem brillanten Sound, der den fett groovenden Bass von Joey Vera direkt in die Beine fahren lässt und der Gitarrenarbeit von Jim Matheos und Frank Aresti alle nötigen Freiheiten gibt. Dazu kommt das akzentuierte Drumming von Nick D'Virgilio (SPOCK'S BEARD) und die kraftvolle Stimme von Ray Alder, der zudem mit modischem Kurzhaarschnitt überrascht. Spätestens mit den Auszügen aus 'A Pleasant Shade Of Gray‘ und 'Still Remains' ist die Meute vor der Bühne nur noch eine Ansammlung zuckender Leiber, die im wilden Rausch die progressiven Klänge verfolgt. Diese sind dazu auch noch äußerst clever ausgewählt. Denn FATES WARNING finden genau die richtige Mischung aus alten Klassikern wie dem meterdicke Gänsehaut erzeugenden 'The Eleventh Hour' oder den eingängigen 'Life In Still Water' und 'Point Of View', aktuellen, eher geradlinigen Songs wie 'One' oder 'Simple Human' und progressiven Nummern wie 'Monument', 'Heal Me' oder den bereits genannten Auszügen aus ihren Mammutwerken.
Wie gut FATES WARNING heute sind, ist auch am absoluten, kollektiven Redaktionsausflippen festzumachen, an dem Menschen mit so unterschiedlichen Geschmäckern wie Elke, Rüdiger, Alex, Holg, Oliver, Rouven, Tolga, Caro und ich mit sehr hohem Energielevel teilnehmen. Da ist nix mit relaxtem Fußwippen. Es wird nur gesungen, gebangt, Luftgitarre gespielt und in allererster Linie sich gefreut. Selten habe ich bei einem Konzert einen so großen Haufen Menschen mit dieser totalen Glückseligkeit im Gesicht gesehen. Völlig unglaublich.
Ganz klar: FATES WARNING waren der Höhepunkt des Festivals und dieser Auftritt dürfte vielen Menschen lange, lange Zeit im Gedächtnis bleiben. Perfekt.
[Peter Kubaschk]
EDGUY
Mutiert Tobias Sammet etwa zum deutschen Jon Bon Jovi? Seine Haare sind deutlich kürzer, und das schwarze Outfit wirkt erschreckend seriös. Nein, keine Sorge - der Humor des Fuldaer Spaßvogels ist immer noch ziemlich gewöhnungsbedürftig, und für die Kuhflecken ist dieses Mal Schlagzeuger Felix Bohnke verantwortlich. Gewöhnungsbedürftig ist zu Anfang leider auch die Show. 'Lavoratory Love Machine' ist zwar ein gut gewählter Opener, aber das darauf folgende 'Babylon' ist meiner Meinung nach der schwächste Song des ganzen Sets und wird entsprechend weniger begeistert aufgenommen. Trotzdem bekundet der Fronter im Anschluss: "Das Wetter ist geil, wir sind so ein bisschen geil, und ihr seid supergeil!"
Nach einigen weiteren verbalen Albernheiten (der Schlagzeuger ist aus welchen Gründen auch immer doof, die WM wird versehentlich zur EM degradiert und "es gibt nur einen Rudi Völler" gesungen) reißen die Hessen mit den aktuellen Songs 'Fucking With Fire' und 'Sacrifice' sowie dem "Vain Glory Opera"-Kracher 'Fairytale' (aus "der Zeit, wo wir noch Heavy Metal gemacht haben" - O-Ton Tobi) die Stimmung schließlich doch noch nach oben. Spätestens zu 'Tears Of A Mandrake' liegt sich die halbe POWERMETAL.de-Redaktion grölend in den Armen. Der nächste Song 'Save Me' ist dann "eine schwule Ballade" (O-Ton Tobi) des "Front-Eunuchen" (O-Ton Programmheft), der diese Aussage allerdings mit seinem gewohnten Humor nimmt. Unsere Stimmbänder werden mit 'Out Of Control', 'Superheroes' ("unser autobiografischer Song" - O-Ton Tobi) und 'Mysteria' gleich dreifach strapaziert. Noch ein Sammet'scher Kalauer gefällig? Anspielend auf die Fußball-Rivalität zwischen Dortmund und Schalke meint der Scherzkeks, dass man doch eine Gemeinsamkeit habe - man stehe immer hinter Bayern München. Zu 'Vain Glory Opera' erscheint ein großes Drachenvieh hinterm Schlagzeug, und ein paar Fans veranstalten beim abschließenden 'King Of Fools' eine kleine Polonaise durch's Publikum. Hessen lacht zur Fassenacht...
[Elke Huber]
DIO
Nach dem gecancelten Auftritt der Frosties am Vorabend fieberten jede Menge Festivalbesucher dem "kleinen Mann mit der großen Stimme" entgegen. Und womit? Mit Recht! Denn, seien wir mal ehrlich, habt ihr jemals einen schlechten Gig von DIO erlebt? Ich zumindest nicht, wobei ich das zweite Mal das Vergnügen habe, ihn livehaftig zu erleben (letztes Jahr auf dem BYH war das erste Mal, und schon damals hat's mich nur aus den Socken gehauen).
Mit zwanzig Minuten Verspätung legen DIO mit 'Children Of The Sea' von BLACK SABBATHs Klassiker "Heaven And Hell" los. Mit der Backingband in Form von Craig Goldy (Ex-ROUGH CUTT & GIUFFRIA) an der Gitarre, Rudy Sarzo (Ex-WHITESNAKE & OZZY OSBOURNE) am Bass, Scott Warren (Ex-WARRANT & KEEL) am Keyboard und Simon Wright (Ex-AC/DC) hat sich Ronnie James DIO eine solide Truppe an Bord geholt. Und schon nach dem zweiten Song 'I Speed At Night' ist klar, dass die Festivalbesucher einen würdigen Headliner geboten bekommen. Die Lightshow kommt im Dunkeln besonders gut zum Tragen, aber auch die Band ist bestens aufgelegt. Und dann diese Setlist! Wer der Meinung ist, dass der "Metal-Opa" die selbe Setlist im Gepäck hat wie letztes Jahr in Balingen, der wird ohrenscheinlich eines Besseren belehrt. Die ersten Hälfte des Sets werden Klassiker von "Holy Diver" und "The Last In Line" auf's Vortrefflichste zelebriert. Dabei erweist sich Ronnie als bescheidener "Star" der immer wieder das Publikum lobt und nach so vielen Jahren im Metalzirkus ein ganz normaler Mensch geblieben ist. Nach dem eher unspektakulären Drumsolo von Simon Wright (die erste Verschnaufpause für Ronnie), geht's mit den Klassikern 'Don´t Talk To Strangers' und 'Rainbow In The Dark' weiter, was danach in ein sehr langweiliges Gitarrensolo von Craig Goldy mündet (zweite Pause für den Altmeister), wo die restliche Band später ebenfalls mit einsteigt. Wer sich die "Still Of The Night"-DVD von WHITESNAKE reingezogen hat, weiß, dass auch ein Solopart seine Reiz hat und allein am seidenen Saitenfaden des Gitarristen hängt.
Danach folgt die erste Überraschung in Form von 'I' vom '92er "Dehumanizer"-Album, das wohl nicht nur DIOs Meinung nach vollkommen unterbewertet ist. Wer nun denkt, der kleine Mann hat sein Überraschungspulver verschossen, muss sich glücklicherweise erneut eines Besseren belehren lassen. Mit 'All The Fools Sailed Away' kam ein absoluter Klassiker von dem ansonsten eher durchschnittlichen "Dream Evil"-Album aus den Boxen gewummert, der eher weniger als oft seinen Weg in die Setlist findet. Dass ich das noch erleben darf! Kollektives Schunkeln und Mitgrölen des Chorus' ist bei dem Song eine Selbstverständlichkeit.
Nach den obligatorischen Klassikern 'Man On The Siver Mountain', 'Long Live Rock'n'Roll' und 'Heaven And Hell' ist um ein Uhr viel zu früh Schluss. Die Band selbst will schon noch Songs spielen, aber durch den zu langen Soundcheck bleiben ein paar Klassiker auf der Strecke.
Zum Abschluss kann man nur schreiben, dass DIO den Status des Headliners verdient inne haben. Das liegt zum einen an der Tatsache, dass aus dem Fundus an Klassikern DIO für dieses Konzert die richtigen rausgepickt haben und es auf der anderen Seite her erfreulich ist, dass nicht immer das selbe Programm abgespult wird. An den Auftritt von ACCEPT letztes Jahr an der selben Stelle kommen die Jungs nicht heran, aber trotzdem hat es verdammt viel Spaß gemacht, die alten Klassiker mitzugrölen.
Es gibt viele Sachen, derer ich mir absolut nicht gewiss bin, aber eines weiß ich ganz genau: Nächstes Jahr bin ich wieder dabei, auf dem geilsten, freundlichsten und besten Festival in Deutschland!
[Tolga Karabagli]
Setlist:
Children Of The Sea
I Speed At Night
One Night In The City
Stand Up And Shout
Holy Diver
Gypsy
Drum Solo
Don't Talk To Strangers
Rainbow In The Dark
Guitar Solo
I
All The Fools Sailed Away
The Man On The Silver Mountain
Long Live Rock And Roll
Heaven And Hell
- Redakteur:
- Rouven Dorn