SUMMER BREEZE 2023: For The Glory! - Dinkelsbühl
22.09.2023 | 02:0217.08.2023, Flughafen Sinbronn
Das Breeze ist wieder da, groß, laut und heftig. Diesmal sogar ohne Matsch. Toll!
August ist die Zeit für das "Summer Breeze Open Air"-Festival. Diesmal ist es viel entspannter als sonst, denn diesmal sind wir zu fünft! Luxus, ja, aber Luxus wird ja im Allgemeinen sowieso unterbewertet. Für PM.de waren diesmal Andre Schnittker, Katharina Jäger, Noah-Manuel Heim und Frank Jäger von der festen Crew am Start, unterstützt von Lennart Günter.
Eigentlich gibt es über die Anreise nicht viel zu sagen, alles klappt perfekt, vom Bändchenstand in den VIP-Bereich sind es gerade einmal 26 Minuten. Top. Wir sind sogar viel zu früh da, aber dann kann man sich mal umsehen, doch außer einem Re-Design des VIP-Bereiches ist alles beim Alten geblieben. So langsam treffen die Bekannten ein, großes Hallo, Umarmungen in der Fotografen-Clique, ein kühles Craft-Bier zur Begrüßung und dann sagt irgendjemand: "Los jetzt, ab zu Illenschwang!" Na gut, lasst die Spiele beginnen.
BLASMUSIK ILLENSCHWANG hat einen neuen Dirigenten, leider habe ich den Namen nicht verstanden. Ansonsten bleibt alles so wie immer. Und deswegen ist mein Urteil auch wie immer: Sie kommen bei den Anwesenden gut an, werden gefeiert, freuen sich sichtlich ob des Zuspruchs, aber ich finde ein Blasmusik-Normalprogramm irgendwie fehl am Platze. Wo in Wacken noch Blasmusikversionen bekannter Metalklassiker ertönen, kommt hier eben "bei uns in Tirol". Das "Kufsteinerlied", Crowdsurfer, Sprechchöre, Moshpit. Dabei ein herzlicher Gruß an alle Metaller "aus nah und fern". Okay, macht ihr euch gerne warm, ich dagegen habe bereits genug gesehen und gehört und gehe, ich muss ja nicht den Spielverderber mimen, sollen die doch feiern, ich warte auf die erste richtige Band.
TRAITOR aus Balingen ist ein großartiger Auftakt. Thrash mit schwäbischer Klasse, sozusagen. Ich hatte die Jungs schon mal auf dem "Bang Your Head"-Festival gesehen und wusste, dass die gut sind, aber heute trifft schneller Metal auf meinen Enthusiasmus, dass es endlich losgeht. Da kann nichts schiefgehen! Die Süddeutschen sind nicht zum ersten Mal auf dem Summer Breeze und konnten sich den Opener-Slot ergattern, auf dem sie die metalhungrige Gemeinde erstmals warm machen dürfen. Dementsprechend ist auch schon einiges los vor der kleinen Bühne, der Wera Tool Stage, benannt nach dem Sponsor. TRAITOR hetzt die Menge durch ein nur vierzigminütiges Set, macht dabei aber keine Gefangenen. Riff um Riff feuert die Band ab, beschwört die goldene Zeit des Thrash und wirkt auch heute noch authentisch, selbst wenn die Musikwelt sich weiterentwickelt hat. Lange Haare, schwarze Metal-T-Shirts, Gitarrengepose, was daran könnte man nicht lieben? Diesen Sound könnte ich immer hören und als die Band mit dem passend betitelten 'Total Thrash' ihren Auftritt beschließt, sehe ich glückliche Schweißperlen auf den umstehenden Gesichtern.
Setliste: Exiled To The Surface; Toxic Death; Knee-Deep In The Dead; Thrash Command; Ebola; Reactor IV; Zordrak; Mad Dictator; Venomizer; F.U.A.D.; Total Thrash
Soll er doch thrashen, ich möchte CORVUS CORAX sehen, eine Band, auf die ich sehr neugierig bin, habe ich doch den Abkömmling TANZWUT auf dem diesjährigen M’era Luna gesehen, der ja aus CORVUS CORAX entstanden ist. Somit beginnt gleich die erste Band, die ich am heutigen Tag unbedingt sehen will, das Main-Stage-Programm. Das erste, das mir auffällt, als die Band die Bühne betritt, sind die altertümliche Kleidung und der Dudelsack. Ungewöhnlich, aber wir bereisen nun einmal das Mittelalter. Mit Gesichtsbemalung und einem blutverschmierten Oberteil fordert der Sänger, der sich Castus nennt, das Publikum zum Mitmachen auf, das begeistert und tatkräftig seinen Aufforderungen Folge leistet. Der Höhepunkt ist erreicht, als das Publikum wie die Wikinger in ihren Drachenbooten rudern soll. Über die Zeit des Auftrittes entdecke ich immer wieder neue Instrumente, deren Namen ich nicht kenne. So sehe ich das erste Mal eine Drehleier, einen Zink, eine Citole und viele weitere merkwürdige Instrumente aus dem Mittelalter. Die Lieder werden immer mit interessanten Geschichten zur Bedeutung des jeweiligen Stückes verknüpft. Danke, Castus, das bildet einen schönen Faden durch den ganzen Auftritt, der mir sehr gut gefallen hat.
Ich darf wieder auf der T-Stage weitermachen, da spielt parallel zu den Mittelalter-Raben GATECREEPER. Die Jungs machen Death Metal, also nicht direkt mein tägliches Hörfutter, aber mir wurde mitgeteilt, die wären ziemlich gut. Tatsächlich gibt es neben den zu erwartenden Speed-Attacken auch gelegentlich langsameren, schwerfälligen Death, den die Burschen aus Arizona ansprechend zelebrieren. Mir gefallen sie mit diesem Stil tatsächlich besser, die schweren Riffs wirken intensiv und walzen, aber die schnellen Stücke überwiegen bei weitem. Manche scheinen gar zu Ende zu sein, kaum dass sie begonnen haben. Seltsam, entweder bin ich gelegentlich geistig abwesend oder die Fünf sehen sich in der Tradition von HIRAX. Der Sänger klingt recht monoton, aber musikalisch ist das schon gut. Nach einer Dreiviertelstunde ist es aber auch genug, die Band scheint zufrieden zu sein, das Publikum auch..
Es geht tödlich weiter, aber mit einem größeren Namen der Szene, nämlich der kanadischen Band KATAKLYSM. Die Burschen habe ich schon mal gesehen und weiß daher, was mich erwartet. Der Sound ist gut, klar, der Beginn des Konzerts aber eher verhalten im Tempo. Sänger Maurizio Iacono begutachtet den ersten Circle Pit vor der Hauptbühne, wirkt aber etwas statisch und taut erst langsam auf, während vor allem Bassist Stéphane Barbe wild die Haare kreisen lässt. Bisher gab es nur Double Bass und die beiden ersten Lieder fand ich jetzt auch eher überschaubar spannend, aber mit 'Edge Of The World' ändert sich das, jetzt geht die Band über einem messerscharfen Riff echt ab. Ja, genau so finde ich die Kanadier klasse! Zwar könnte die Performance wirklich mitreißender sein, außer schwarzgekleideten Musikern vor schwarzen Hintergrund, deren Haare fliegen, findet recht wenig statt, aber musikalisch hat das eine ganz andere Qualität. Nach den ersten drei Liedern muss ich raus aus dem Fotograben und schaue mir das Ganze noch zwei Lieder lang an, dann folgt der erste Track des neuen Albums "Goliath", das ja von unseren Death-Kennern eher unterkühlt aufgenommen wurde. Tatsächlich erntet auch bei mir 'Bringer Of Vengeance' keine Begeisterungsstürme, schon gar nicht nach dem coolen 'Underneath The Scars' zuvor. Klingt da tatsächlich ein Core-Einfluss durch? Nach einem Lied, das ich einmal höre, kann ich mir kein Urteil erlauben, dem Publikum scheint es zu gefallen, denn Crowdsurfer gibt es trotzdem. Ich weiß wieder, warum ich KATAKLYSM zu den für mich besseren Death-Metal-Bands zähle, aber ich muss jetzt trotzdem mal rüber zur anderen Bühne.
Es ist eher ungewöhnlich, dass eine Band zwei Mal hintereinander auf einem Festival auftritt. Doch die Veranstalter des Summer Breeze haben aus einer Not eine Tugend gemacht. Da wenige Tage vor dem Event ENVIG aus Schweden den Auftritt absagen musste, wurde THE PROPHECY 23 angefragt und bestätigt. Dieser Coup erwies sich als absoluter Glücksfall, sowohl für die Band, als auch für die Crowd. Vor ziemlich genau einem Jahr haben die Thrash-Metaller aus Mannheim auf genau diesem Gelände ein Livealbum aufgenommen und eine Woche vor dem jetzigen Summer Breeze veröffentlicht.
Die Setliste ist die gleiche wie im letzten Jahr, was aber nicht negativ zu werten ist, ganz im Gegenteil. Die Stimmung vor der mittlerweile zu klein werdenden Wera Tool Stage war noch mal einen Tacken geiler, euphorischer als 2022. Die Zahlen der Crowdsurfer und Circle Pits haben sich deutlich erhöht. Auch heute ist nach neun Songs viel zu früh Schluss. Bitte eine Wiederholung auf einer der größeren Stages mit einer erweiterten Setliste. Die weiter wachsende Fangemeinde wird dies zu schätzen wissen.
Metalcore ist angesagt auf der T-Stage, auch hier wurde mir aufgetragen, unbedingt hinzugehen. Die Briten MALEVOLENCE starten mit 'Bad Boys' und gehen dann direkt dazu über, uns anzubrüllen. Sänger Alex Taylor ist aktiv und holt das Publikum ab, ein starker Kontrast zu KATAKLYSM zuvor. Trotzdem ist das unnachgiebige Schlagzeuggewitter und der Fakt, dass man schon früh im Midtempo watet und Breakdowns einsetzt, irgendwie wenig spannend. Zumal das erste Stück auch noch gefühlt ewig dauert. Danach spricht Alex mit dem Publikum und verlangt nach Energie. Nun, fang doch erstmal an und zeig uns, dass du selbige hast. Das Gitarrenspiel von Josh Baines ist gut, aber so ganz kann ich nicht nachvollziehen, warum man mir MALEVOLENCE so sehr ans Herz gelegt hat. Gut, die Lieder sind wohl hauptsächlich vom letzten Album, vielleicht sind die älteren Sachen ja fetziger, aber wenn der sehr aktive Frontmann nicht so einen Alarm machen würde, wäre das hier gerade einmal nett. Trotzdem, alle Gute zum Geburtstag, Gitarrist Konan Hall, aber ich mache dann doch jetzt mal eine Trinkpause.
Direkt im Anschluss an MALEVOLENCE startet auf der Main Stage ein niederländisches Symphonic-Metal-Schwergewicht: EPICA. Musikalisch gibt es hier die klassische "Beauty and the Beast"-Kombi, mit Klargesang von Sängerin Simone Simons und Growling von Mark Jansen. Kombiniert wird das mit einem ansprechenden Live-Auftritt mit allem, was auf der Main Stage dazugehört: Pyros, Pyros und nochmal Pyros. Platz findet all das in einem sorgfältig designten Set aus teils beweglichen metallischen Ornament-Strukturen und zwei großen, Feuer und Rauch spuckenden, Schlangen. Das Publikum wärmt sich jedoch gerade noch auf, es gibt ein paar Crowdsurfer und etwas Kopfgeschüttel, aber viele stehen noch relativ verhalten herum. Das hält Coen Janssen, den Keyboarder von EPICA, jedoch nicht davon ab, mit seinem gebogenen mobilen Keyboard einmal selbst über die Menge zu surfen. Der Rest der Band ist auf der Bühne aktiv und bangt fleißig den Kopf, eine besonders gute Figur macht hier Frontfrau Simone Simons. EPICA ist dieses Jahr die erste Band, die ich auf der Main Stage sehe, und sie setzt die Latte hoch für alles Nachfolgende. Es ist schön, endlich richtig auf dem Summer Breeze angekommen zu sein! Auch wenn Teile des Publikums wohl noch nicht so weit sind. Aber das wird im Laufe des Tages schon noch.
Nachdem niemand auf der Wera Stage vorbeischauen will, mache ich eine Stippvisite bei SCHIZOPHRENIA. Die Entscheidung entpuppt sich als eine ausgesprochen gute Idee. Die jungen Belgier haben zwar einen growlenden Frontmann, vor allem aber fette Thrashriffs am Start. Da der Sound auch nicht schlecht ist, machen die Burschen eine ziemlich gute Figur. Auch wenn ich auf Blastbeats ja sonst verzichten kann, hier passt das sogar mal. Volle Pulle, da fliegt dem Gitarristen beinahe der Siebziger-Jahre-Schnauzbart aus dem Gesicht. Und wer glaubt, dass die Jungs dann irgendwann mal nachlassen würden, sieht sich getäuscht, die Vier brettern mit Volldampf durch ein Set, nach welchem dem Schlagzeuger eigentlich einfach die Arme abfallen müssten. Ich meine, ich hätte sogar eine Coverversion gehört, kann mich aber schon kurz darauf nicht mehr erinnern, was es gewesen ist. Sorry.
Mein absolutes Highlight des ersten Tages ist BLEED FROM WITHIN. Ein außergewöhnliches Backdrop, das meine Neugierde weckt, zieht mich zur Bühne. Als die Band dann unter Jubel und Geklatsche die Bühne betritt und der Sänger erst einmal seine ersten Zeilen ins Mikro grölt, begleitet von frühabendlichen Pyros, weiß ich, dass mir die Band gefallen wird. Die Schotten spielen einen sehr schönen Metalcore und sowohl die rauen Passagen des Sängers Scott Kennedy, als auch die vom Gitarristen Steven Jones sauber gesungenen Passagen sind klasse und stimmlich absolut top. Während des dritten Lieds unterbricht die Band auf einmal ihr Spiel und Kennedy ruft die Sanitäter ins Publikum, wo ein Mann im Pit zu Boden gegangen ist und ernster verletzt zu sein scheint. Die feiernde Meute stoppt umgehend und macht den Sanitätern unverzüglich Platz, die sich sofort über die Absperrung begeben. Durch diese Aktion gewinnt die Band einiges an Sympathie, denn das ist natürlich das Verhalten, das gerne gesehen ist, sowohl von der Band, als auch von den Core-Fans. Nachdem der Sänger sicher gegangen ist, dass es dem Rest des Publikums gut geht, verspricht er dem zu Boden gegangenen Mann ein T-Shirt der Band und weiteren Merch, den er diesem auch später am Tag übergibt. Danach lobt und dankt er den Sanis für ihren Einsatz und betont, dass Metal wie eine Familie füreinander sei und man aufeinander aufpassen müsse. Danach startet er das Lied neu und fordert das Publikum auf, mitzusingen, nachdem dieses den Refrain nun bereits mehrfach gehört hat. Der Rest des Auftritts vergeht ohne weiteren Unfall, jedoch keinesfalls ruhig, denn das Publikum macht tatkräftig mit. Die Aussage, dass Metal wie eine Familie ist, wird nochmal bestätigt, als ich am nächsten Tag lese, dass am gleichen Tag ein Mann bei einem Rap-Festival in Hannover stirbt und die Polizei dort Gaffer und Handyfilmer zurückdrängen musste. Mein Beileid den Hinterbliebenen, das sollte bei einem Musikfestival nicht passieren. Aber ich weiß: Ich bin hier wohl viel besser aufgehoben.
Ja, BLEED FROM WITHIN war großartig! Ich war auch dort und kann nur bestätigen, was Katharina über den Auftritt schreibt. An dieser Stelle ein Tipp an die Daheimgebliebenen: Einige Konzerte des Summer Breeze sind auf Arte Concert kostenlos im Stream verfügbar. Darunter auch der Auftritt von BLEED FROM WITHIN. Doch nun weiter auf die Wera Stage. Dort spielt AD INFINITUM aus dem Hause Napalm Records. Meine zweite Symphonic-Metal-Band heute. Musikalisch steht AD INFINITUM der großen Band EPICA in nichts nach, die Stimme von Melissa Bonny gefällt mir live sehr! Sie singt nicht nur klar sehr schön, sondern kann auch growlen. Das wird dosiert eingesetzt und passt so prima. Der Auftritt hat Energie, die Band wirft sich in ein paar Posen und nimmt das Publikum gut mit. Dort herrscht eine grandiose Stimmung: Es wird mitgeklatscht, crowdgesurft und natürlich fleißig der Kopf und die Pommesgabel betätigt. All das passiert in einer Menge, die eigentlich zu groß für die Wera Stage ist – die Leute stehen über den halben Platz! Also Summer Breeze: Holt sie nächstes Mal auf eine größere Bühne!
Eine Thrashlegende kommt auf die Hauptbühne, denn niemand geringeres als MEGADETH schwingt sich an, einen völlig anderen musikalischen Akzent zu setzen. Mit neunzig Minuten hat Dave auch ordentlich Spielzeit bekommen, ich bin gespannt, wie er sie nutzen wird. Allerdings beginnt das Konzert wieder mal mit 'Hangar 18'. Das macht MEGADETH jetzt seit gefühlten dreißig Jahren, oder? Danach zückt man glücklicherweise mit 'Dread And The Fugitive Mind' mal etwas eher selten Gespieltes. Mit der Ausnahme, dass es letztes Jahr bei der Festivaltour genauso war. Trotzdem, super, schließlich hat die Band ja nun auch genug Auswahl. Dazu flimmern große, sehr bunte Animationen über die Leinwände und unterstützen die Band und auch die folgenden 'Angry Mind' und 'Sweating Bullets', während derer ich aber einen strategischen Rückzug antrete.
Warum? Na, die Bande guckt sich Megadave an, mich schickt man zu SOILWORK. Na gut, eigentlich auch die bessere Wahl, denn die Schweden habe ich noch nie live gesehen. Ich bin auch kein ganz großer Fan, Mitte der 2000er fuhr ich mal ziemlich darauf ab, aber dann habe ich es wieder aus den Augen verloren. Doch wie um mir zu zeigen, dass ich damit einen Fehler gemacht habe, gibt es gleich als zweiten Song das überragende 'Stabbing The Drama'.
Björn Strid zeigt sein Gesangskönnen, die Meute grölt fett mit, es bleibt nur eine Frage: Was hat der Strid da Merkwürdiges an? Fuddeln da Federn an seiner Lederweste? Musste dafür eine Krähe das Kleid lassen? Egal, Lichtgewitter und die aktuelle Attacke 'Is It In Your Darkness' erhöhen den Powerfaktor nochmal. Manchmal werden Bilder des Publikums auf die Leinwände projiziert, wow, hier steht wirklich eine mehr als ansehnliche Menge. Ja, denen ist der durchgeknallte Thrash-Lord auf der Hauptbühne wohl nur zweitrangig.
Ich kann mir kaum vorstellen, dass es dort auch so abgeht wie jetzt, denn mit 'Electric Again' geht es erneut in die Vollen, lässt aber auch eine melodische Verschnaufpause. Einen späteren Höhepunkt gibt es noch, als Scott Kennedy von BLEED FROM WITHIN zu SOILWORK auf die Bühne kommt, um den Song 'Death Diviner' im Duett zu schmettern. Auch andere BFW-Musiker lassen sich blicken und es entfaltet sich eine eher improvisierte Version des Songs, die mehr von der Atmosphäre lebt als wirklich eine gute Darbietung ist. Egal, eine Stunde feiner Melodeath neigt sich dem Ende zu. Time to go.
Nämlich nochmal zurück zu MEGADETH. Ich höre noch aus der Ferne die Chöre zu 'A Tout Le Monde', treffe aber erst zur 'Symphony Of Destruction' im Infield ein. Show wird bei MEGADETH natürlich kaum gemacht, Dave steht am Mikrophon oder flitzefingert über das Griffbrett, post mal ein bisschen mit dem zweiten Gitarristen Kiko Loureiro oder Bassmann James LoMenzo, aber viel mehr kommt da nicht. Die großen Lichtwände sind da schon ein willkommenes Element.
Im Ganzen macht die Show den gleichen Eindruck wie der Auftritt auf den Graspop im letzten Jahr, eben durch ein paar weitere Lieder aufgebohrt. Dass Mustaine weiterhin keinen Zentimeter singen kann, muss nicht betont werden, dass es immerhin besser ist, weil er tiefer singt, dagegen schon. Mit einer Klassikerparade beendet die Band einen guten Gig, der bei mir aber auch einen ziemlich routinierten Eindruck hinterließ.
Nach einer kurzen Pause lärmt es wieder von der Wera Stage, auf der nun VORGA spielt. Okay, das Facepaint deutet mir bereits an, dass ich möglicherweise auf trügerisches Terrain geraten bin. Ich beschließe, zuerst einmal ein paar Fotos zu schießen und abzuwarten, wie schlimm der Black Metal der Karlsruher werden wird. Für Black Metal bin ich wirklich nicht qualifiziert, aber die Jungs gar nicht zu erwähnen, wäre auch blöd. Immerhin ist das Ganze durchaus kurzweilig, die Performance ist spannend, der Black Metal der Jungs des öfteren mittelschnell, was VORGAs Stücken Raum für Atmosphäre lässt und ihren Black Metal weniger brutal klingen lässt. Das rote Neon-Pentagramm in der Bühnenmitte ist natürlich ein Hingucker, die Musiker werfen sich in Posen, das Licht ist meist grün und blau, kalt, unnahbar. Es gibt eben viele verschiedene Spielarten des Black Metal und auch, wenn ich es nicht einordnen kann, ist das hier durchaus hörbar. Aber dennoch habe ich irgendwann genug und suche mir ein neues Betätigungsfeld...
... und mache auf der T-Stage weiter, wo jetzt die Thrash-Recken Brasiliens eintrudeln: SEPULTURA. Obwohl ich mich nicht schäme, zuzugeben, dass ich durchaus mit "Roots" mehr anfangen kann als mit "Morbid Visions", habe ich über die letzten Jahre und mehrere Auftritte der Seppels auch die heftigere Seite schätzen gelernt. Trotzdem höre ich SEPULTURA zu Hause gar nicht, was mir jetzt natürlich nachteilig aufstößt, denn den Opener kenne ich nicht. Macht aber nichts, das ist eine feine, flitzeschnelle Abrissbirne und macht gleich mal warm. Sänger Derrick Green - ich weigere mich, ihn den "Neuen" zu nennen, das ist jetzt echt mal um die Ecke, nachdem er neun Studioalben mit der Band eingesungen hat - ist weiterhin ein Kraftpaket. Als er 'Territory' ankündigt, wirkt es, als sei es sein Song, nicht mehr Max'. Er tanzt über die Bühne, während man von Gitarrist Andreas Kisser hauptsächlich Haare sieht
Nach ein paar neueren Stücken, unterbrochen von 'Propaganda', geht es zurück in der Historie bis zum "Arise"-Album und den alten Gassenhauern, bis man mit dem besagten "Roots"-Album eine fette Thrash-Stunde beendet. Nun ja, die Hälfte alt, sprich Cavalera-Songs, die andere Hälfte neu. SEPULTURA kann sich nicht von der Vergangenheit lösen, aber es zeigt sich erneut, dass die Songs nach 1996 keinen Deut schlechter sind. Man sollte wirklich aufhören, die alten Platten so zu erhöhen, aber trotzdem war die Stimmung bei den alten Hits natürlich unbestritten besser als bei 'Isolation'. Schade eigentlich.
Zur selben Zeit wandere ich von Kopfschmerzen geplagt etwas allein übers Gelände. Da fällt mir ein, ich habe da doch noch eine Band auf der Agenda stehen, die ich heute nicht verpassen darf: IN EXTREMO. Ich mache mich also schnell auf den Weg zur Main Stage und zu meinem Glück haben die Künstler auch etwas Verspätung. So komme ich noch rechtzeitig, um ihr heutiges Eröffnungsstück 'Troja' noch miterleben zu können. Der Auftritt verläuft so, wie man es gewohnt ist: eine Reise quer durch die Alben, eine Menge Pyrotechnik und eine aufgedrehte Meute. Das inzwischen leider auf ein Sextett zusammengeschrumpfte Team harmoniert auf der Bühne so gut, dass es sich auf das Publikum zu übertragen scheint, denn es wird nicht nur freudig jedes Lied mitgegrölt, auch die vielen Spielchen mit dem Sänger, dem sogenannten Letzten Einhorn, werden freudig aufgenommen und umgesetzt, wobei die Fans nach ihrem Lieblings-Schunkellied 'Sternhagelvoll' etwas Probleme machen, weil sie nicht aufhören wollen, den Refrain auch nach Ende des Liedes weiterzusingen. Dadurch verschiebt sich der weitere Auftritt noch um ein paar zusätzliche Minuten. Schließlich kommt es dann nach einer Stunde gutem, mehr oder weniger mittelalterlich angehauchtem Metal doch zum Ende der Show, aber die Band hat nicht vor, leise zu gehen, also werden wir während des letzten Songs 'Pikse Palve' noch einmal ordentlich von den Pyros gegrillt und bekommen ein spektakuläres Feuerwerk zu sehen, dessen Rauchschwaden den letzten Tönen folgend in die Nacht entschwinden.
[Lennart Günter]
Ich höre noch den Schluss des Auftrittes von IN EXTREMO herüberwabern, aber mein Ziel ist die Wera Stage. Da folgt nun Metalcore mit EXTINCTION A.D. Die US-Amerikaner sind mir kein Begriff, aber Festivals sind natürlich immer eine gute Chance, Neues zu entdecken. Die Vier zeigen Muskeln und Tattoos, der Sänger Rick Jimenez wirkt mit seiner Bandana und seinem durchaus angepissten Gebrüll heftig, dazu ein GRAVE- und ein AT THE GATES-T-Shirt.
Aber: Der Sound ist deutlich mehr Thrash als Core und schon gar nicht Death Metal, was mir und meinen Hörgewohnheiten sehr entgegenkommt. Leider verstehe ich wenig vom Text, aber was ich so vernehme, erweckt in mir den Anschein, als hätten die Jungs aus New York obendrein etwas zu sagen. Der Meute werden in schneller Abfolge einige Dreiminüter um die Ohren gehauen, aber es gibt sogar etwas Melodie. Ich glaube, das letzte Album "Culture Of Violence" sollte ich mir mal anhören, jedenfalls bleibe ich bis zum Schluss, obwohl meine Füße langsam wirklich keine Lust mehr haben.
U.D.O. habe ich bereits auf dem Rockfels 2015 gesehen, aber nach acht Jahren erinnere ich mich leider nicht mehr wirklich und daher freue ich mich sehr auf den Auftritt des kleinen, großen Sängers. Im Auto habe ich zuvor nochmal in die Diskographie reingehört und dann geht es abends vor die Bühne. Freudig warte ich mit den Fotografen, als wir schon den ersten Nebel sehen können, der die nächsten paar Minuten, als ich mich weiter in Richtung der Mitte der Stage bewege, leider nicht weniger wird. Und so höre ich irgendwann eine Stimme aus diesem Nebel, in dem ab und zu sogar ein Umriss zu erkennen ist. Nachdem ich die Lieder alle nicht wirklich gut kenne und fürs Visuelle da bin, bin ich etwas enttäuscht. Was man ihnen jedoch lassen muss, die wirklichen Fans singen tatkräftig mit und der Sound ist wirklich gut. Aber auch unser Fotograf Andre ist nachher angefressen, weil er während kaum eines Songs ein vernünftiges Fotomotiv bekommt. Nun ja, dann eben beim nächsten Mal.
Und nun kommt der Rausschmeißer: NANOWAR OF STEEL. Echter Metal von echten Männern, trve as hell und im rosa Tütü mit lilafarbener Perücke, das ist echter "Dislike To False Metal", das ist, was uns vereinigt. Auch wenn natürlich der Opener 'Sober' irgendwie nicht zu so einem Festival passt, egal, jetzt wird gesungen! Und zwar zu 'The Call Of Cthulhu', der dann auch umgehend in Person von Sänger Baffo mit seinem Telefon auftaucht und dafür sorgt, dass der Text "La-la-la-la-la-la-la-la" die Hymne der, nun ja, nächsten fünf Minuten ist. Ein wenig schwieriger wird es, als ein Lied mit italienischem Text angestimmt wird, aber die Oh-Oh-Oh-Parts gehen multilingual. Auch die Gefühle kommen nicht zu kurz, als die Band zeigt, wie eine echte Wall Of Love funktioniert, untermalt von METALLICAs 'Damage Inc.' und George Michaels 'Careless Whisper', aber dann wird wieder getanzt, vor der Bühne und darauf, wo der Metal mit einer gehörige Prisen Klamauk gewürzt wird.
Jetzt kommen wir zum Höhepunkt des Auftritts mit 'Disco Metal' und 'Norwegian Reggaeton', alles tanzt, alles singt, Sänger Potowotominimak macht sich genauso zum Affen wie alle seine Mitmusiker. Hier bleibt kein Auge trocken und auch das Smoked Salmon-Rezept von Varg Vikernes - man nehme einen Lachs, lege ihn auf einen Stein und brenne dann die nebenstehende Kirche ab - sorgt für grinsende Gesichter. Ja, man kann Metal und totalen Blödsinn kombinieren, wenn man eine gute Band ist. Okay, so mancher der Witze ist eher infantil, aber hey, das ist ja auch kein Rilke-Rezitier-Wettbewerb hier. Ein echter Höhepunkt ist das großartige 'Pasadena 1994', das so manche schwedische Band mal so hinbekommen möchte. Vor allem, weil das Thema so viel besser zur fröhlichen Musik passt als Weltkriege. Und so gibt es eigentlich nur noch eines zu sagen: For the glory! Okay, und danach noch "Fischstäbchen". Und "Valhalleluja". Nur echt mit Holztisch, der auf der Bühne zusammengebaut wird.
Setliste: Sober; The Call Of Cthulhu; Il cacciatore della notte; Wall Of Love; Disco Metal; Norwegian Reggaeton; Armpits Of Immortals; Uranus; Pasadena 1994; Der Fluch des Kapt’n Iglo; Valhalleluja
Frank hat der Delegation schon Wochen vorher von NANOWAR OF STEEL vorgeschwärmt. Deshalb waren die Italiener natürlich ein Pflichttermin für die Gruppe. Aus Pflichttermin wurde jedoch bald ein Pflicht-Mitmachen und -Mitlachen. Das Summer Breeze-Publikum ist ähnlich verrückt wie die Truppe auf der Bühne und macht ordentlich Stimmung. Ein großartiges Ende für unseren ersten Tag. Auf dem Weg zum Auto haben fast alle von uns einen NANOWAR OF STEEL-Ohrwurm. Für mich ist es "For the glory!".
Jetzt aber geht es nach Hause, morgen wird wieder lang!
- Redakteur:
- Frank Jaeger