SUMMER BREEZE 2024: Fuck This Shit, Let's Circle Pit! - Dinkelsbühl

22.09.2024 | 08:58

15.08.2024, Flughafen Sinbronn

Die 25. Ausgabe des Festivals ist wieder ein absolutes Fest. Das SBOA steht in unserem Festivalkalender als Fixpunkt und lohnt sich immer. Lest selbst!

Kurze Nächte, wenn man spät noch die PUNK ROCK FACTORY hören muss, aber am nächsten Tag eben auch nichts verpassen will. Also fahren wir schon um etwa 11:30 Uhr auf den Tagesparkplatz und hören von weitem DUST BOLT auf der T-Stage. Die Landsberger lärmen ganz ordentlich, es schallen fette Riffs herüber und die Jungs wissen auch, wie man die Balance aus Härte und Spannung hält. Das letzte Album "Sound & Fury" finde ich ziemlich gut, auch wenn es bei uns vor allem wegen der modernen Stilistik nicht auf uneingeschränkte Gegenliebe gestoßen ist, es kann halt nicht jeder mit Core-Einflüssen, die es sich durchaus hörbar in den Liedern der Ur-Thrasher bequem gemacht haben. Mir wurscht, ich mag es, auch und besonders die klar gesungenen Passagen und Refrains, aber heute kommen auch einige ältere Lieder auf die Bretter, die vor allem Geschwindigkeit mitbringen. Sonst kann ich zum Auftritt nichts sagen, die T-Stage ist zu weit weg, um da mal schnell rüberzupesen, ich bleibe deswegen gleich an der Main Stage.

Hier folgt die erste Band des Tages, die ich sehen möchte: CRYPTA. Ich erinnere mich gut an den NERVOSA-Auftritt 2018, bei dem mich zwei der Musikerinnen dieser brasilianischen Damen-Truppe, nämlich Schlagzeugerin Luana Dametto und Bandkopf, Bassistin und Sängerin Fernanda Lira bereits, schwer beeindruckt hatten. Nun lärmen sie in ihrer eigenen Kapelle, sind vom Thrash mehr in den Death Metal gerückt und haben zwei Alben am Start, wobei sie sich aber heute beinahe ausschließlich am zweiten Rundling namens "Shades Of Sorrow" bedienen. Auch diesmal überzeugt die Band mit Agilität und fetten Riffs, aber Lira ist weniger unterwegs und post nicht mehr so viel wie 2018. Ich habe den Eindruck, als müsse sie mehr singen und hätte weniger instrumentale Passagen, die sie zu Ausflügen nutzen könnte. Die oft schnellen Stücke würden mich in jedem Fall zum Schwitzen bringen, wenn ich hier vor der Hauptbühne nicht bereits in der prallen Mittagssonne stehen würde. Sonnencreme ist Metal, yeah!

Kontrastprogramm, aber die gleiche Bühne, es folgt Hanne-Metal (Gruß an unsere Akkri-Fee). DYNAZTY ist eine schwedische Melodic-Heavy-Metal-Truppe, die ein Augenmerk auf ordentliche Melodien an der Kitschkante legt, was man schon daran erkennen kann, dass sie mehrfach beim Melodifestivalen angetreten sind, dem schwedischen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest. Dass man in der Heimat auch schon einige Lieder in den Singlecharts platzieren konnte, sollte als letzter Hinweis reichen, dass sich hier ein paar Melodiker in die Baller-Reihen geschmuggelt haben. Der tolle Sänger Nils Molin, übrigens mit schicker Jacke und Haupthaar, rockt weniger kitschig, als ich es erwartet habe. Molin, der übrigens auch bei AMARANTHE das Mikrophon schwingt, führt die Band an, aber singen müssen alle, was den Chören viel Substanz gibt, aber natürlich zu wenig Show führt, da die meisten Musiker mehr oder weniger an die Mikrophone gebunden sind. Da es keine weibliche Stimme gibt, muss man DYNAZTY nicht direkt mit AMARANTHE vergleichen, aber ich würde es so umschreiben: Die passen schon gut zusammen auf Tour, aber DYNAZTY ist doch etwas weniger schmalzig. Okay, bis auf den tanzbaren Ohrwurm 'Heartless Madness', der den Gig beendet. Ein echter Hit, bei dem wahrscheinlich die Hälfte der Metaller auf dem Gelände Blitz-Plaque bekommen hat. Mir egal, kitsch as kitsch can, ich singe jetzt mit. Und dann muss ich dringend aus der Sonne!

Wofür aber nicht viel Zeit bleibt. Die Jugend will zur T-Stage, also bleibt die Main wieder für mich. Hier kommt jetzt eine mir völlig unbekannte Band namens THE BABOON SHOW, von der es heißt, sie wäre für ihre energetischen Liveauftritte bekannt. Sagt wer? Die Band? Mal sehen. Und dann bricht es über mich herein, kurz auf schwedisch angezählt, dann folgt Punkrock mit Attitüde! Sängerin Cecilia Boström brüllt ins Mikro, wo man bei anderen das Mikro lauter stellen muss, wird es hier wahrscheinlich runtergedreht. Die braucht gar keins, sie ist laut, sie ist völlig "in your face" und lässt keinen Raum für Zweifel, Mitmachen ist die einzige Lösung, wenn Biström mal wieder in hohen Absätzen von einer Bühnenseite zur anderen rennt, sich vor Bassistin Frida Ståhl auf den Boden wirft, der zopftragende Gitarrist Simon Dahlberg ihr folgt und das Solo auf Knien und liegend auf den Brettern spielt. Mitsingen heißt die Devise, Ansagen sind überflüssig, es ist allerdings schade, dass solche Punk-Hymnen wie 'God Bless You All' nur vor halber Kulisse runtergerotzt werden. Aber es ist heiß, sehr heiß. Aber das ist THE BABOON SHOW völlig wurscht, zu 'Oddball' ist Cecilia die Bühne zu klein und sie geht runter zu den Fans. Mit 'Gold' wird es dann mal etwas ruhiger, aber dieser Thekensmasher steht hinter den anderen Liedern kaum zurück. Halbzeit im Gig, aber Freunde, ich bin durch. Hardrock der Pub-Art in Form von 'Hurray' leitet über zur Mitsinghymne 'You Got A Problem Without Knowing It', bei der die Sängerin wieder auf Tuchfühlung mit den Fans geht. Jetzt muss ich aber aus der Sonne, lasse mich aber wohltuend in den Schatten rocken, während die Unermüdlichen sogar einen Punkrock-Circle-Pit starten. Tse, zu Punk gehört Pogo, ihr Banausen!

[Frank Jaeger]

Gestern höre ich noch lauten Punkrock, heute stehe ich gezielt bei lautem Beatdown aus der Schweiz. PALEFACE SWISS begeistert mich jedes Mal wieder live. De Band bringt zwar nicht unbedingt eine einzigartige Musik oder Beats auf die Bühne, aber auf jeden Fall eine unnachahmliche Energie und zieht mich, sowie das übrige Publikum, ab dem ersten Ton mit. Wenn ihr viel Action auf einem Konzert haben wollt, solltet ihr euch auf alle Fälle PALEFACE SWISS geben.

[Leon Will]




 

Ich befürchte, jetzt folgt eine Band, die bei mir etwas weniger Begeisterung auslösen wird. THE BLACK DAHLIA MURDER aus Detroit macht zwar grundsätzlich eine Musik, die ich mir gut anhören kann, aber mit Sänger Brian Eschbach werde ich nicht warm. Okay, falsche Wortwahl, warm ist es sowieso, denn die Burschen spielen noch zu bester Kaffee-Zeit in strahlendem, gleißenden Sonnenschein. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum es vor der Bühne nicht besonders voll ist. Musikalisch passt die Band gut aufs Breeze, die Freunde des gepflegten Abrisses machen auch ordentlich mit, soweit es die Hitze erlaubt, und die Jungs auf der Bühne gehen sofort in die Vollen. Flitzefinger und Gebrüll, THE BLACK DAHLIA MURDER macht keine Gefangenen und hämmert sich mit viel Wucht durch ein Set, dass für meinen Geschmack einfach zu wenig dynamisch ist, zu grundlegend brutal, als dass ich mich damit sonderlich anfreunden könnte. Dadurch wirkt alles zu gleich, denn ich kenne die einzelnen Stücke nicht, sodass ich nicht böse bin, als ich kurz vor Schluss gehen muss, um ein Interview zu führen.

[Frank Jaeger]

Auf dem SUMMER BREEZE gibt es jedes Jahr mindestens eine Party-Band auf der Main-Stage und diese ist dieses Jahr eindeutig J.B.O. Die Band hat mittlerweile über ein dutzend Studio-Alben aufgenommen, die zusammen, trotz zahlreicher umgetexteter Nachspielungen, einen erheblichen Fundus an selbstgeschriebenen Material ausmachen. Trotzdem spielen sie bei so einer großen Auswahl an Liedern erstaunlich viele Cover-Versionen, aber immerhin mit einer weitgehend anderen Setliste als vor zwei Jahren. Die einzigen Überschneidungen dieses Jahr sind 'Mach noch eins auf!', das die Melodie von 'Bella Ciao' hat sowie das Cover 'Alles nur geklaut' von den PRINZEN. Immerhin gehört Sänger Hannes Holzmann nicht zu den Grölern des Festivals, sondern lässt dem Publikum viel Raum zum Mitsingen. Um mit dem neon-pinken Backdrop nicht zu verschmelzen, hat die Band größtenteils schwarz an. So sieht man als Publikum wenigstens die Musiker, was bei einigen Death-Bands auch nicht immer so einfach ist. Die zu erwartende Party gibt es natürlich, ich wäre aber tatsächlich lieber zu SLAYER gegangen.

[Katharina Jaeger]

2022 bin ich für FIXATION extra raus auf Campsite Stage - damals hieß sie noch Ficken Party Stage - gelaufen, um den Auftritt anzusehen. Das kann ich mir dieses Jahr sparen. Die Jungs aus Norwegen haben es dieses Jahr auf die eine Nummer größere Wera Tool Rebel Stage geschafft. Das freut mich sehr, denn nicht nur die Bühne ist größer geworden, sondern auch die Show wurde verbessert. Jonas W. Hansen, der Sänger der Band, hat die ersten paar Songs ein rotes Tuch über dem Kopf. Das ist neu und etwas ungewohnt, hat aber sicher eine tiefergehende künstlerische Bedeutung... In Fotos und Videos der Band, die das nächste Album "Speak In Tongues" bewerben, trägt die ganze Band blaue Tücher über dem Kopf. Vielleicht wird dieses Mysterium ja bald gelüftet, das Album erscheint immerhin schon in etwa einem Monat. Zurück zum Auftritt auf dem Summer Breeze, der kann sich nämlich sehen lassen! Die Band ist sehr aktiv auf der Bühne, gerade Jonas tut sich mit viel Gestik, Mimik und Umherrennen auf der Bühne hervor. Aber auch der neue Bassist Øyvind Lunde ist sehr aktiv auf der Bühne und kann dem Sänger manchmal sogar das Rampenlicht stehlen. Das Publikum macht fleißig mit und formt sogar einen Circle Pit. Nach einem mit 30 Minuten viel zu kurzen Set endet der Auftritt zu einem "Fixation! Fixation! Fixation!"-Sprechchor des Publikums. Sehen wir uns in zwei Jahren dann auf der T-Stage wieder?

Wenige Minuten später spielt auf der T-Stage BLIND CHANNEL. Die Finnen haben sich unter anderem beim Eurovision Song Contest einen Namen gemacht und bringen jetzt Partylaune mit auf das Summer Breeze. Wenn ich gesagt habe, dass FIXATION aktiv auf der Bühne ist, dann reißt BLIND CHANNEL sie einfach völlig ab. Keine Minute steht die Band still, alle Bandmitglieder posieren, rennen umher und springen, was das Zeug hält! Die Sänger involvieren die Menge mit Vor- und Nachsing-Spielchen und feuern dann ein BACKSTREET BOYS-Cover ab. Zu 'Flatline' hauen sich alle Bandmitglieder auf die Brust. Das Publikum muss anfangs zwar noch ein bisschen motiviert werden, lässt sich im Laufe des Auftritts jedoch immer mehr mitreißen, bildet Circle Pits, schickt Crowdsurfer und streckt beim letzten Song dann auch begeistert die Mittelfinger in die Höhe. BLIND CHANNEL liefert einen soliden Auftritt ab, braucht aber eigentlich eine noch größere Bühne und mehr Showelemente. Am wichtigsten aber wäre ein passender Opener, wenn das Publikum bei so einer Band am Anfang erst noch aufgewärmt werden muss, ist das einfach schade.

[Noah-Manuel Heim]

Wieder einmal darf sich JINJER auf dem Summer Breeze präsentieren. Die Band aus der Ukraine, die ihr Land trotz Krieg und Mobilmachung verlassen durfte und als Botschafter des überfallenen Staates unterwegs ist, war zuletzt 2022 in Dinkelsbühl, spielt in diesem Jahr aber auf der Main Stage statt auf der T-Stage. Sängerin Tatiana Shmayluk ist auch heute wieder der Fokus aller Augen, als sie tätowiert und in ein rotes Tunika-Kleid gehüllt das Set mit Groove und Growls eröffnet. Ihre Präsenz lenkt von den anderen Bandmitgliedern ab, die mit einer Mischung aus Metalcore, etwas Death Metal, aber auch Djent das Fundament für Tatiana legen. In 'Ape' gibt es dann erstmals eine größere Infusion Melodie, von der ich gerne noch mehr hätte. Während jedes Lied an sich wieder gut ist, der neue Song 'Someone's Daughter' sogar viel Freude auf das hoffentlich bald kommende fünfte Studioalbum aufkommen lässt, reißt mich JINJER heute nicht so mit wie vor zwei Jahren bei Dunkelheit. Auch die Setliste ist weitgehend anders, irgendwie fand ich die Band 2022 ansprechender. Natürlich gibt es einige unverzichtbare Stücke wie 'Pisces' und 'Vortex', aber JINJER ist heute definitiv anders unterwegs als beim letzten Mal. Eigentlich ist das klasse, nichts ist langweiliger als eine Band, die immer die nahezu identische Setliste spielt, aber trotzdem springt bei mir der Funke heute nicht über.

[Frank Jaeger]

Gestern war es EMMURE, heute ist meine Priorität GUILT TRIP zu sehen. Die Hardcore-Band aus Manchester begleitet mich schon länger. In kleinen Clubs fand ich sie immer super, und was soll ich sagen – auch auf der Wera Tool Stage liefert sie mit ihrer gewohnten Qualität ab. Falls ihr sie noch nicht kennt, sie ist auf jeden Fall einen Blick wert.

Nach GUILT TRIP will ich eigentlich zurück zum Campingplatz, doch dann sagt mir jemand, ich solle mir auf alle Fälle JESUS PIECE ansehen, wenn ich Hardcore mag – und ich werde belohnt. Die US-Band überzeugt mich direkt, und viel mehr zur Show kann ich nicht sagen, da ich in den Moshpit springe, um das Konzert auf würdige Art zu genießen.

[Leon Will]

Die polnische Extreme-Metal-Band BEHEMOTH war schon immer für ihre okkulten, provokativen Texte bekannt. Unter der Leitung von Frontmann Nergal hat sich die Band zu einem der führenden Acts im Blackened Death Metal entwickelt. Dementsprechend bunt ist auch ihre Erscheinung: Die Musiker sind ganz in schwarz gekleidet mit schwarz-weißer Farbe im Gesicht und an den Armen, genauso wie das Backdrop, nur auf Gitarre und Schlagzeug sind rote Blutstropfen gemalt. Die Performance ist beeindruckend und jeder einzelne Song ist ein echter Brecher. Das einzige Problem: ich kann da keine zwei Stücke voneinander unterscheiden. Das liegt daran, dass ich mit ihrem Material nicht vertraut bin, aber die messerscharfen Gitarren, die glasklar aus den Boxen dröhnen, lassen auch mich nicht kalt. Zwar muss ich zugeben, dass ich nach einigen Songs etwas ermüde, aber BEHEMOTH live ist dennoch eine richtige Macht.

[Katharina Jaeger]

Klassikerallarm im Hardcore-Genre auf der T-Stage: Mit MADBALL aus New York spielt eine der großen, alten NYHC-Bands, wie uns das Backdrop deutlich aufzeigt. Ursprünglich als Nebenprojekt von AGNOSTIC FRONT gegründet, ist sie seitdem durch einige Besetzungswechsel gegangen. Die Konstante ist dabei Sänger Freddy Cricien, der heute für die Temperatur zu dick angezogen ist mit seinem langärmeligen Shirt, das er mit kurzen Hosen kontert. Das bemerkt dieser aber auch bald und entledigt sich des Pullovers. Gut, ich habe schon beim Zusehen zu schwitzen angefangen. Freddy ist der absolute Aktivposten und vermag kaum still zu stehen, immer wieder geht es von rechts nach links über die Bühne, dazwischen animiert er das Publikum und begibt sich zu 'Hold It Down' auch mal hinunter zu den Fans. Die kurzen, knackigen Songs kommen ohne Ballast aus, brauchen keine ständigen Breakdowns, sondern kommen direkt und ohne Umwege auf den Punkt, New York-style. Ich verliere irgendwann den Überblick, aber ich schätze, der Auftritt umfasst etwa zwanzig Stücke in einer Stunde, was aber auch daran liegt, das MADBALL auch mal Songs macht, die nicht einmal die Eine-Minute-Marke erreichen. Dabei halten sich alte Stücke aus den Neunzigern, die ich immerhin schon mal gehört habe, mit neuerem Material, das ich nicht kenne, etwa die Waage. Da die Qualität gleichbleibend hoch ist, nimmt der Circle Pit kein Ende, auch wenn aufgrund der Temperaturen ein erheblicher Teil des Publikums lieber etwas weiter hinten mitbangt, soweit das bei Granaten wie 'Get Out' möglich ist, denn die Jungs bringen eine schöne Abwechslung zwischen kurzen Nackenbrechern und riffgetriebenen Dreiminütern auf die Bretter. Eine sehr unterhaltsame Hardcore-Geschichtsstunde.

[Frank Jaeger]

Headliner des Tages ist ARCHITECTS. Die Briten um Sänger Sam Carter bringen einige Jahre Bühnenerfahrung mit und bieten dem Festivalpublikum genau das, was es haben will: eine Hitparade. Los geht es mit den drei Brechern 'Seeing Red', 'Giving Blood' und 'Deep Fake'. Damit wird die Latte für das Folgende sehr hoch gelegt, aber ARCHITECTS enttäuscht nicht. Es folgt ein routinierter Auftritt der Band, der von Sam zwischendurch unterbrochen wird, um ein paar Worte an das Publikum zu richten. Er dankt den Fans, anderen Bands auf dem Festival und der Crew und erzählt, dass sie hier auf dem Summer Breeze draußen auf der Campsite Stage gestartet sind und jetzt, zwei Auftritte später, hier auf der Main Stage spielen dürfen. Auch die Vergänglichkeit wird kurz thematisiert und anschließend das Lied 'Doomsday' dem 2016 an Krebs verstorbenen Gitarristen der Band, Tom Searle, gewidmet. Der Auftritt hat alles im Gepäck, was bei einer ordentlichen Headliner-Show nicht fehlen darf: eine ansprechende Lichtshow inklusive LED-Screens auf der Bühne, Pyrotechnik und ordentlicher Sound. Der Gesang und das Growling von Sam Carter können sich echt hören lassen. Da muss das Publikum natürlich mithalten, vor allem nachdem der Auftritt auch über Arte live gestreamt wird. Sam fordert Circle Pits in jeder Sektion des Publikums. Später zählt er davon neun Stück, das ist doch ein ordentliches Ergebnis! Mich hat die Band auf jeden Fall überzeugt, es waren gar so viele meiner Favoriten in der Setliste, dass sie hier aufzuzählen den Rahmen sprengen würde. Ein grandioser Headliner für jeden, der mit Metalcore etwas anfangen kann!

[Noah-Manuel Heim]

Unerwartet komme ich heute in den Genuss eines Auftritts der Briten GREEN LUNG. Ursprünglich sollten die Belgier EVIL INVADERS die Wera Tool Stage rocken, aber Sänger Johannes Van Audenhove ist erkrankt und die Band musste bereits die Tour mit EXODUS verlassen. Das ist sehr schade, letztes Jahr auf dem Graspop konnte man mich durchaus überzeugen, aber des einen Leid ist des anderen Chance und so kommt GREEN LUNG zum Summer-Breeze-Debüt. Das letzte Album der Stoner-Okkult-Rocker "These Heathen Land" hat in unserer Redaktion recht weitgehend Begeisterung ausgelöst, konnte den Soundcheck im Dezember 2023 gewinnen und auch ich war und bin sehr angetan von der Band, die heute unter der großen, heidnischen Maske rocken wird. Dass man natürlich gleich mit dem Übersong 'The Forest Church' beginnt, bedeutet, dass jetzt schon nichts mehr schief gehen kann. 'Mountain Throne' folgt und begeistert mich genauso. Sänger Tom Templar ist ein echtes Biest und hat eine unglaubliche Stimmbreite.

Er stellt die Band vor als die "wahren evil invaders" aus London, England, und fragt dann, wer denn GREEN LUNG bereits kennen würde. Erstaunt ob der vielen Hände konstatiert er, es wären mehr, als er dachte, er hatte erwartet, eine Party mit den anderen zu machen, die ARCHITECTS genauso hassen würden wie er. Das ist nicht nett, aber er hat die Lacher auf seiner Seite, die Crowd hier könnte kaum gegenteiliger sein zu dem Lack-Metalcore der genannten Band. Es folgt das hypnotische 'Song Of The Stones' und dann ein Song, den ich nicht kenne, kein Wunder, ich bin ja auch erst mit dem aktuellen Album zu den Burschen gestoßen. Übrigens bringt Tom noch eine ziemlich denkwürdige Ansage, indem er das Publikum nachrufen lässt: "Hail... Hail... Hail Satan!" Die Menge folgt und bekommt ein lakonisches "wenn ihr darauf besteht" als Antwort. Später fordert er noch zu einem langsamen Stoner-Circle-Pit auf. Circle Pit bekommt er, aber er muss ihn erst noch etwas bremsen, bevor er ihn als stoneradäquat durchgehen lassen kann. GREEN LUNG ist eine echte Bereicherung für das Festival, auch wenn ich mich auf die EVIL INVADERS gefreut hatte.

Das lasse ich mir jetzt nicht von einer Black-Metal-Band kaputtbrüllen, denke ich, im Kopf immer noch still 'The Forest Church' summend. Denn auf der T-Stage kommt jetzt ROTTING CHRIST. Nun hört man im VIP-Bereich ganz gut, was auf den Bühnen abgeht, und so werde ich dennoch mit griechischem BM beschallt. Und stelle fest, das ist gar nicht so schlimm, man erspart mir oft die ermüdenden Blastbeats und auch die Gitarren sind erträglich. Die größe Überraschung ist jedoch, dass die Lieder atmosphärisch und sogar melodisch sind. Das klingt tatsächlich nicht schlecht, eher episch. Nicht übel, nächstes Mal komme ich vor eure Bühne.

Aber ich muss los, die Hauptbühne ruft, zumindest für eine kurze Zeit. Da spielt jetzt DARK TRANQUILLITY, die Göteborger Urgesteine, die gleich mit einem Triplett aus Früh-2000er Liedern loslegen. Hui, Fanservice? Das wird gerne genommen. Die Bühnenshow ist gut, die Einspieler auf den beiden Leinwänden groß, mit Symbolen oder Mustern überlegt und teilweise verfremdet. Mikael Stanne ist gut in Form und ich freue mich besonders über 'Terminus (Where Death Is Most Alive)', bei dem die Band Geschwindigkeit und Melodie toll in Einklang bringt. Danach wird es neuer, aber keinesfalls schlechter, die Bands kann ja auch mittlerweile auf dreizehn Alben aus dreißig Jahren zurückgreifen. Das Infield ist auch dementsprechend voll, jetzt, nachdem die brüllende Sonne weg ist, kann man auch wieder an Rocken denken. DARK TRANQUILLITY gibt einen guten, würdigen zweiten Headliner ab, der die große Bühne zu füllen vermag und auch mit der Songauswahl ein glückliches Händchen beweist. Aber ich muss jetzt rüber zur T-Stage, wenn es auf diesem Festival auch nur einen Anflug von Prog gibt, muss ich dabei sein.

Auf dem Weg hole ich mir noch eine Breitseite von HERETOIR auf der Wera Tool Stage. Im Vergleich zu den Schweden auf der Main Stage haben sie es schwer bei mir, aber dieser Vergleich ist wahrscheinlich sehr unfair, zumal ich nur noch das Ende höre. Wahrscheinlich habe ich die guten Passagen verpasst, daher verliere ich keine weiteren Worte über Augsburger, aber immerhin sollen sie erwähnt sein. Weiter geht es.

THE OCEAN aus Berlin ist nämlich die Band und die T-Stage das Ziel. Die Kapelle, oft als THE OCEAN COLLECTIVE bezeichnet, auch wenn sie mittlerweile durchaus als wirkliche Band zu funktionieren scheint, spielt einen symphonischen, manchmal angeproggten Post Rock beziehungsweise Post Metal, der einen ungewohnten Farbtupfer im Billing des Summer Breeze darstellt. Wobei, Farbtupfer ist eher irreführend, die Bühne ist oft dunkel, mal dunkelblau, mal dunkelrot, ich bemitleide die Fotografen, die versuchen, ein paar Bilder zu schießen, auf denen man mehr sieht als eine dunkle Silhouette vor dunkelblauem Hintergrund. Das verstehe ich nicht recht, ich sehe auch wenig vom Treiben auf der T-Stage. Ist das jetzt nicht einfach mal zu dunkel, Leute? Die Musik ist verkopft, das stimmt, aber der Groove ist unwiderstehlich, auch wenn das Publikum dem Stil entsprechend freudig, aber nicht exaltiert oder gar euphorisch Begeisterung zeigt. Klatschen, ein paar Rufe, weiter geht es.

Die Reise geht durch Erdzeitalter, Gewässerschichten und Klimazonen, gerne verbunden mit atheistischer Lyrik, in intensiver, fließender Manier. Das mag seltsam klingen, wenn man es liest, entfaltet auf der Bühne jedoch eine beeindruckende Wirkung, nur die Dunkelheit ist dann doch etwas zuviel der Kunst. Zwischen die elegischen, episch-fließenden Parts setzt THE OCEAN immer wieder metallische Stücke, die dem Auftritt eine große Dynamik geben. Nur die Aufforderung von Sänger Loïc Rossetti an das Publikum, zu einer der härteren Sektionen zu hüpfen, geht weitgehend ins Leere, mehr als ein bisschen Headbanging ist nicht drin. So schnell gibt Rossetti nicht auf und begibt sich im Stroboskop-Gewitter hinunter zu den Fans und schreit diese mal gehörig an, denn auch Extreme-Metal-Einlagen gehören zum Programm. Eine Stunde lang bietet THE OCEAN gehobene Unterhaltung und ist in der musikalischen Komplexität eine Wohltat für meine Ohren. Mit den letzten Tönen gehe ich nochmal rüber zur Main Stage für meinen Tagesabschluss.

Die letzte Band auf der Hauptbühne ist EXODUS, musikalisch für mich ein Heimspiel. Ich habe mich extra beeilt, rüberzukommen, aber heute gibt es eine für das Summer Breeze sehr ungewöhnliche Verspätung. Irgendetwas gefällt noch nicht, es wird getüftelt und es wird darüber 1:30 Uhr. Ich bin müde und kann nicht mehr stehen. Kaum habe ich das Gelände verlassen, höre ich den charakteristischen Anfangston von 'Bonded By Blood'. So komme ich noch in den Genuss von etwas EXODUS. Ich kann ein paar Blicke auf die Bühne erhaschen, die Band ist mal wieder schwarz, aber für eine besondere Show sind die Bay-Area-Thrasher ja sowieso nicht bekannt. Ich höre auf dem Weg zum Auto noch einige Songfetzen, das ist 'Blood In Blood Out', ich meine, 'Deathamphetamin' zu hören und zum Abschluss dann noch 'Toxic Waltz'. Für mehr ist es einfach zu spät, vierzehn Stunden ist zu viel für einen alten Mann, zu diesem Zeitpunkt kann ich nicht einmal mehr EXODUS genießen und von denen bin ich Fanboy seit dem Debüt. Nächstes Mal wieder.

[Frank Jaeger]

Vorhin haben wir SIAMESE noch im Interview gehabt, jetzt sehe ich sie auf der Wera-Tool-Stage als letzte Band des Abends. Nachdem genau vor dem Festival ihr neues Album "Elements" veröffentlicht wurde, hoffe ich darauf, dass sie das neue Lied 'Chemistry' spielen. Klassisch fängt die Band mit 'Sloboba' an und startet mit genau zwei alten Liedern durch. Zu meiner Freude spielen sie größtenteils Stücke vom neuen Album, so ihre bereits länger veröffentlichen Single-Auskupplungen 'The Shape of Water', 'Vertigo' und 'On Fire' und erfreulicherweise auch 'Chemistry' und 'Utopia'. Der moderne Alternative mit den für die Band typischen elektronischen Add-ons überzeugt auch dieses Jahr wieder. Obwohl die Dänen so spät spielen, ist es vor der Stage so voll, wie ich selten gesehen habe.

Nachdem Sänger Mirza dem Publikum klar macht, dass er alle nach dem Auftritt erschöpft sehen will, hält dieses sich bei den Mosh- und Circlepits nicht zurück und als SIAMESE ihr außergewöhnlichstes Stück bis jetzt mit dem Titel 'This Is Not A Song' spielt, in welchem eine KI-Stimme erklärt, dass dieses Lied kein Lied ist, sondern ein Moshpit, bleibt keiner der Zuschauer um mich herum stehen. Trotz des erst kürzlich erschienenen Albums werden die Lieder in den ersten paar Reihen, in denen ich mich befinde, lautstark und richtig mitgesungen. Nach dem Auftritt der Band ist die Bühne für die Nacht geschlossen und so verkauft die Band im Fotograben noch ein wenig Merch und gestaltet ein Meet and Greet, in dem auch Fotos mit gemacht werden können und Umarmungen ausgetauscht werden. Nachdem ich von der Stage ein Plektrum gefangen habe und eine großartige Show genießen durfte, ist eine Umarmung mit den Bandmitgliedern das Sahnehäubchen auf der Torte und ich lasse den Tag gerne so ausklingen.

[Katharina Jaeger]


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Redakteur:
Frank Jaeger

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