SUMMER BREEZE 2024: Fuck This Shit, Let's Circle Pit! - Dinkelsbühl
22.09.2024 | 08:5815.08.2024, Flughafen Sinbronn
Die 25. Ausgabe des Festivals ist wieder ein absolutes Fest. Das SBOA steht in unserem Festivalkalender als Fixpunkt und lohnt sich immer. Lest selbst!
So langsam sind wir eine echte Traditions-Stammcrew, begehen wir vier, das sind Andre Schnittker, Frank Jäger, Noah-Manuel Heim und Katharina Jäger doch bereits zum dritten Mal hintereinander das "Summer Breeze Open Air"-Festival in Dinkelsbühl gemeinsam. Zusätzlich unterstützt uns in diesem Jahr noch Leon Will, der seine Core-Kompetenz einbringt und in diesem Rahmen härtere Seiten aufschlägt!
Andre und Leon sind bereits am Dienstag angereist, da hat alles wohl reibungslos geklappt, es konnten die Camper sogar schneller als erwartet auf das Gelände gebracht werden. Am Mittwoch stoßen wir drei auch dazu, nach nur etwa einer Viertelstunde am Check-In. Dort jedoch wartet eine Enttäuschung: Trotz offensichtlicher Qualifikation darf ich nicht den Ü50-Check-In nutzen und es gibt auch keinen Zivi, der mich wieder zum Auto begleitet. Ach ja, die gibt es ja auch nicht mehr, wurden abgeschafft zusammen mit der Wehrpflicht. Na gut, ich werde schon zurückfinden. Ja, passt. Hände weg, Bübchen!
[Frank Jaeger]
Frank hat es ja schon geschrieben, ich bin bereits seit Dienstag in Dinkelsbühl. Wie in den letzten Jahren lief meine Anreise reibungslos, kein Wunder bei 51 Kilometer durch die Pampa. Auch ich freue mich über das Schild für den Ü50-Check-in, um dann schnell festzustellen, dass ich dadurch keine Vorteile habe. Nichts ist mit betreutem Fotografieren und so. Also warten meine Begleitung und ich etwa dreißig Minuten in brütender Hitze, bis wir unsere Formalitäten erledigt haben und ab geht's Richtung VIP-Camp. Hier wird erst einmal gewissenhaft das Wohnmobil auf verbotene Glasbehälter gecheckt. Dies ist durchaus berechtigt, da die Camps auf normalerweise landwirtschaftlich genutzte Flächen aufgebaut sind.
Mittlerweile ist es gute Tradition, dass sich einige Fotografen auf verschiedenen Festivals zusammentun und eine Art Wagenburg bauen. Ich freue mich, dass Domi, Flo und Celine mir wie auf dem "Rock Harz"-Festival einen Platz freigehalten haben und es gibt ein großes Hallo zur Begrüßung. Dominik sieht überhaupt nicht gut aus, bei weit über dreißig Grad hängt er über einen Pott und inhaliert irgendwas! Na, mal hoffen, dass er bis Mittwoch wieder auf dem Damm ist. Es wird Zeit für den schweißtreibenden Aufbau...
Wohnmobil ausrichten, Teppich davor, Markise ausfahren, Tisch und Stühle raus, fertig! Meine Holde und ich sind ein eingespieltes Team und der Aufbau gelingt trotz der hohen Temperaturen recht schnell. Zeit für ein erstes alkoholfreies (ich schwör!) Kaltgetränk und ein paar nette Gespräche mit alten und neuen Bekannten. Wir haben noch Zeit, bis die ersten Bands auf der Campsite Circus Stage ihre Sets zum Besten bringen und wir dösen so vor uns hin.
Mit "Ihr könnt so aber nicht stehen bleiben!" werde ich aus meinen Träumen gerissen. Ein aufmerksamer Security-Mitarbeiter zeigt mir, dass ich mit meinem linken Vorderrad ungefähr dreißig Zentimeter außerhalb der Begrenzung stehe. Wieder alles abbauen und vor vorne! Ich bin nicht wirklich amüsiert, aber der Mann hat ja recht. Rettungswege müssen nun mal in der gesamten Breite freigehalten werden. Also gut, vier Mann, vier Ecken, wir haben ja eh gerade nichts Anderes zu tun. Der Schweiß fließt in Strömen und wir sind echt K.O., als unser Lager seine finale Position eingenommen hat. Aufgrund der nach wie vor hohen Temperatur beschließen wir, erst zur zweiten Band die Campsite Stage zu besuchen. Der alte Mann muss es ja nicht schon am ersten Tag übertreiben.
Zu FALL OF SERENITY stehe ich dann im Graben, während meine Frau Karin vor dem Wellenbrecher das Konzert sehen möchte. Doch es passiert nichts. Der Auftritt der deutschen Melodic-Death-Metal-Band aus Thüringen soll eigentlich um 18:15 Uhr beginnen, scheinbar macht die Technik der Combo einen Strich durch die Rechnung. Da wir seit dem Frühstück nichts mehr gegessen haben, brechen wir hier erst einmal ab und nutzen das reichhaltige Speisenangebot. Karin labt sich am Weiderind und ich lasse mir ein asiatisches Gericht schmecken, als wir um 19 Uhr endlich Musik von der Bühne hören. FALL OF SERENITY hat zumindest die Möglichkeit, sich mit einem verkürzten Set zu präsentieren.
Zu DEFOCUS bin ich wieder vor der Bühne, Karin wieder vor dem Wellenbrecher und diesmal passiert auch etwas auf der Stage! Fast pünktlich knallt mir die Band recht gut gemachten Metalcore um die Ohren. Okay, das ist jetzt nicht meine präferierte Richtung, doch ab und zu kann ich mir das mal geben. Die Band aus Aalen wird ordentlich abgefeiert und hat anscheinend ihren Fanclub aus der nahen Heimat dabei. Die Security fischt zahlreiche Crowdsurfer aus der Menge, also ein rundum solider Auftritt.
Der Tag ist lang und wir beschließen, diesen in unserem Camp bei einem nun alkoholischen Getränk ausklingen zu lassen. Natürlich wäre es fair, SHREADHEAD und DISBELIEF noch ein paar Zeilen über ihre Auftritte zu widmen. Auch DARK TRANQUILLITYs Questions & Answers über das aktuelle Album hätte sicherlich Aufmerksamkeit verdient. Der Geist war willig, doch das Fleisch war schwach.
[Andre Schnittker]
Auf das Summer Breeze zu fahren ist wie heimkommen. Man kennt bereits einige der Security-Leute und der helfenden Hände, deren Arbeit gar nicht hoch genug geschätzt werden kann, auch wenn sie kaum Erwähnung finden. Hier möchte ich vor allem die Lebensretter der Kaffeestation im Pressezelt erwähnen. Die Kollegen anderer Magazine treffen nach und nach ebenfalls ein, ein kühles Bier hilft über den ersten Durst. Im VIP-Bereich hat sich einiges getan, es gibt keinen Essensstand mehr, dafür ein Holzhaus, das uns in den nächsten vier Tagen sehr lobenswert Schatten spenden wird. Das Pressezelt hat abschließbare Spinde für die Fotografen und wird abends nur halb geschlossen, sodass die Knipser mit ihrer Ausrüstung die Tische und Bänke noch nutzen können. Sehr lobenswert. Auch gut: Im VIP-Bereich kann man mit einem RFID-Chip bezahlen. Dies ist ein erster Test, aber jedem dürfte klar sein, dass es auch hier bald für alle diese Bezahlmöglichkeit geben wird. Ich finde es gut, das geht so viel schneller und das Bargeldgeraffel wird dann ein Ende haben. Buff-Ta-Ta, ich höre etwas. Andre, übernimm!
[Frank Jaeger]
Ja, Frank, Buff-Ta-Ta, Du hörst richtig. Seit vielen Jahren eröffnet die Blaskapelle BLASMUSIK ILLENSCHWANG aus dem Nachbardorf offiziell das Summer Breeze mit Marschmusik und Polka. Auch 2024 ist die Stimmung vor der Bühne wieder fantastisch. Es wird mal Zeit für ein Outing. In meinem früheren Leben bin ich selbst mit der kleinen Trommel durch die Dörfer gezogen oder habe meine heimische Blaskapelle bei der Fuchsgraben-Polka am Drumset unterstützt. Auch Karin hat in der Combo mit Klarinette und Saxofon mitgewirkt. Somit haben wir beiden die entsprechende Fachkompetenz und bescheinigen der BLASMUSIK ILLENSCHWANG einen perfekten Auftritt. Die Metalheads vor der T-Stage lassen es ordentlich krachen und fordern die Grabenschlampen mit zahlreichen Crowdsurfing-Einlagen. Was ein unbedeutendes Festival im hohen Norden kann, kann der Süden der Republik schon lange‚'Rosamunde' ertönt aus tausenden Kehlen und ich folge dir zur Mainstage.
[Andre Schnittker]
Auf der Wera Tool Stage beginnt das Festival richtig, denn hier wird gethrasht! Das weiß ich aber nur, weil ich mal schnell rüberschaue, bevor es zur Main Stage geht. PEST CONTROL stammt aus Leeds, UK, und hat sich dem ziemlich kompromisslosen Thrash verschrieben. So beginnt man ein Festival, yes! Obwohl die Band und ihre durchaus angepisst shoutende Frontdame die kurzen Stücke heftig losballern, bringen die bunten Gitarren etwas Farbe ins Spiel. Ein bisschen mehr Finesse in den Gesang, vielleicht einen Schuss mehr Geschwindigkeit, aber das Riffing und die Gesamtperformance sagt: Unbedingt im Auge behalten!
Aber nur kurz, ich bin für BROTHERS OF METAL zuständig. Die Brüder und die Schwester schicken sich an, nun aber tatsächlich und wahrhaftig das Summer Breeze loszutreten, denn richtig geht es erst los, wenn die Hauptbühne beschallt wird. Dabei sind die Metalbrüder natürlich ein schrecklich-schöner Auftakt. Einerseits ist das visuell beste Unterhaltung, auch wenn man die kleine Stimme im Hinterkopf, die einem einflüstert, dass sich vielleicht nicht jeder Barde, der oberkörperfrei rumläuft, automatisch als Mitglied der Chippendales qualifiziert, ignorieren muss, andererseits hat man natürlich bewusst auch die Arschbombe vom Zehner direkt in den Kitsch-Pool gesetzt und fokussiert doch deutlich auf den Gesang. Aber nordische Themen gehen immer... okay, strahlender Sonnenschein am Nachmittag ist so wenig Ragnarök, wie es nur geht, aber das ficht die acht Musiker nicht an. Mit Klischees geht man im Hause der Brüder (und Schwester Yiva, ohne die die Burschen echt nix wären, ich sag es euch) naturgemäß großzügig um, sodass alle ihr Fett wegkriegen, besagter Weltuntergang, Odin oder die Walküren, der Lebensbaum oder die große Halle im Jenseits.
Musikalisch ist das ultramelodisch, eingespielt und durchchoreographiert, die Lieder sind kurz und überstrapazieren damit auch ihr Willkommen nicht. Gut, wenn alles gesagt ist, einfach aufhören. Daran sollten sich manch andere Kapellen mal ein Beispiel nehmen. Im Set kommt auch einer der neuen Songs vor, 'The Other Son of Odin', von der in diesem Jahr digital erschienenen EP "Nanna's Fate". Ich denke, auf dem im Herbst folgenden dritten Album namens "Fimbulvinter" wird das Lied ebenso zu finden sein. Ich überlege mir so, das wäre etwas für Hanne, daher schicke Grüße an unsere Akkreditierungsgöttin ins Rhein-Main-Gebiet, indem ich kurzerhand den mit besten MANOWAR-Lyrics ausgestatteten Song 'Defenders Of Valhalla' mitgröle. So schwer ist das ja nicht. Stilistisch passt das Ganze prächtig und so sind die Metaller happy und die Kurzhaarigen müssen sich noch etwas gedulden, bis auch für sie der Reigen auf der Main Stage eröffnet wird.
[Frank Jaeger]
Nun also, wieder einmal, BROTHERS OF METAL. Ich bin etwas hin und hergerissen, ob ich mir die schwedische Power-Metal-Band nach den durchaus gelungenen Gigs auf Epic Fest und Rock Harz auch auf dem Summer Breeze gebe. Aber wenn Frank schon ein paar Sätze schreiben möchte, brauchen wir ein paar Fotos. Also ab in den Graben und den Auslöser gedrückt. Okay, ich bereue es nicht, schließlich wird mein Lieblingssong 'Yggdrasil' gespielt und 'The Other Son of Odin' nehme ich bewusst als neuen Song wahr. Also, alles richtig gemacht. Meine Kamera sagt mir, dass ich mich zur Wera Tool Rebel Stage begeben soll. Hier spielt ANKOR. Keine Ahnung, wer das ist. Darüber weiß Katharina bestimmt mehr.
[Andre Schnittker]
Vor SYLOSIS fliehe ich zu ANKOR, die mich bereits mit dem Bühnenbild überzeugen. Das Backdrop zeigt den Bandnamen, kunstvoll aus japanischen Kirschblüten geformt, vor einem schwarzen Hintergrund. Auf der Bühne sind auch immer wieder Sakurablüten anzutreffen. Die Bandmitglieder tragen schwarz-gelbe Outfits und wirken wie Bienen, die um die Sakura-Blüten herumschwirren. Sängerin Jessie Williams strotzt nur so vor Energie und albert auf der Bühne ausgelassen mit Fito Martinez herum, einem der beiden Gitarristen und weiterem Sänger der Band. So wedelt Fito auch mal mit seinem Hinterteil in Richtung Publikum. ANKOR ist voll im "Core-Syndrom" und hüpft unermüdlich über die Bühne inklusive dem einen oder anderen gewagten Sprung. Das ebenso energetische Publikum, das den ersten Crowdsurfer, den ich auf dem Festival sehe, zur Bühne bringt, bekommt ein Herz von Jessie in der Luft gezeigt, bevor es zu einem ihrer härtesten Lieder übergeht, 'Venom'. Bei dem Lied lässt es sich das Publikum nicht nehmen, einen Pit zu formen, in dem eine Quietsche-Ente mitwirkt. Als letztes Lied wird 'Embers' angesagt und die Band bedankt sich für die Fans, die textsicher den größtenteils des Konzertes mitsingen. Der Auftritt hinterlässt starken Eindruck bei mir und ich werde auf jeden Fall mehr Lieder meiner Playlist hinzufügen.
[Katharina Jaeger]
Ein paar Stunden zuvor treffe ich den Gitarristen Dan Brown von THE AMITY AFFLICTION im Interview, und jetzt stehe ich vor der Bühne. Bereits mit dem Auftakt 'Pittsburgh' wird die Menge zum Mitsingen und Tanzen angeregt und nach kurzer Zeit setzt sich das Publikum vor der Bühne zu einem Circle Pit in Bewegung. Die Songs von THE AMITY AFFLICTION bieten für jeden Hardcore-Fan, wie ich einer bin, etwas. Nach ein paar Songs gehe ich ebenfalls in den Moshpit, um ein wenig zu two-steppen. Plötzlich fällt mir auf, dass sich etwas Ungewöhnliches bei der Bühne abspielt: Einer der Security-Mitarbeiter aus dem Graben macht einen Heiratsantrag. Das Publikum ist baff und freut sich, denn sie hat "Ja" gesagt. Doch das ist nicht alles, was an diesem Auftritt heute ungewöhnlich ist. Ich frage mich, warum mir der Bassist der Band nicht bekannt vorkommt, obwohl ich sie schon öfter live gesehen habe. Später lese ich nach, dass der eigentliche Bassist und zweite Sänger, Ahren Stringer, aufgrund mentaler Probleme an der aktuellen Tour nicht teilnimmt und im Herkunftsland der Band, Australien, geblieben ist. Als Ersatz für Bass und Clean Vocals springt Tim Beken von der Band TRUE NORTH ein. Er ist live eine perfekte Ergänzung, und man merkt fast keinen Unterschied zur eigentlichen Besetzung.
Setliste: Pittsburgh; All My Friends Are Dead; Drag The Lake; Show Me Your God; Death's Hand; My Father's Son; It's Hell Down Here; I See Dead People; Like Love; Open Letter; Lost & Fading; Give It All; Don't Lean On Me; Soak Me In Bleach.
[Leon Will]
Nach ANKOR gehe ich noch kurz rüber zur T-Stage, OBSCURA schauen. Nach einigen Jahren Summer Breeze habe ich ein deutlich dickeres Fell gegenüber Death Metal bekommen und die deutsche Band spielt die technische Variante, was gleich das erste Riff andeutet, nachdem man vergeblich versuchte, das Publikum mit einem Keyboard- und Akustikgitarren-Intro in Sicherheit zu wiegen. Ha, so nicht! Man schwingt instrumental eher die feine Klinge, aber trotzdem im Ganzen weiterhin das Langschwert. Der Gesang von Steffen Kummerer begeistert mich immer noch nicht, deswegen habe ich bislang um die Buben einen Bogen geschlagen, aber live ist immer etwas Anderes. Kummerer spielt während er singt noch wild Gitarre, nicht schlecht, der Gute, aber auch seine vor einigen Jahren runderneuerte Band ist top. Hier ist genug Melodie im Abriss, dass ich das Flitzefinger-Riffing genieße, auch wenn ich finde, dass die Blastbeats mal wieder überflüssig sind. Aber das ist ja für mich beinahe synonym.
Auf dem Weg zurück passiere ich die Wera Stage und werde heftig angebrüllt. VISCERA ist Deathcore im Nebel, Breakdowns und Gebrüll, viel Gehabe und leider relativ wenig Song, dicke Hose, aber nicht allzu viel musikalische Substanz. Es sind die üblichen Zutaten, erst mit dem dritten Stück kommt mal etwas nachvollziehbare Melodie ins Spiel, dann mündet die Chose wieder in Geräuschgewitter und weitgehend uninspirierte Breakdowns. Einige hundert Fans lassen sich von den schnellen Drums und Frontmann Jamie Graham den Hintern versohlen, ich schleiche lieber weiter, weil hier die Melodieaussichten einfach zu gering sind.
[Frank Jaeger]
Als zweite Band auf meinem Breeze dieses Jahr stehe ich jetzt spontan bei VISCERA und bin ziemlich begeistert. Die britische Death-Metal-Band spielt ein heftiges Brett auf der Wera Tool Stage, das mich zum Anhalten bringt, denn eigentlich bin ich schon auf dem Weg zu EMMURE. Aber ein kurzer Stopp ist noch drin, bevor ich dann ganz vorne bei EMMURE stehe, einer der Bands, auf die ich mich am meisten gefreut habe. Und was soll ich sagen – die Jungs enttäuschen mich keine Sekunde. Mit leichtem Nieselregen startet die US-Metalcore-Band und es ist alles dabei: harte Breakdowns, zum Glück wenige Ansagen zwischen den Liedern, und irgendwann fällt mir auf, dass der Gitarrist immer wieder Grimassen schneidet und Späße mit dem Publikum macht. Der Abschluss ist dann noch ein T-Rex-Kostüm im Moshpit und beim Crowdsurfen.
[Leon Will]
Geschafft! Pünktlich zu 'Drunken Lullabies' stehe ich im Pit und drücke auf den Auslöser. FLOGGING MOLLY ist für mich ein Garant für wilde Partys im Infield. Sänger und Gitarrist Dave King hat sichtlich Spaß auf der Mainstage, während Bridged Regan an der Violine, warum auch immer, eher teilnahmslos wirkt. Ich habe etwas Zeit und schaue mir gemeinsam mit Karin das komplette Set mit immerhin 16 Songs an. Katharina, hat es Dir auch so gut gefallen wie uns?
[Andre Schnittker]
Nach einer erfolgreichen Essenssuche geht es für mich zu FLOGGING MOLLY. Die mittelalterliche Folk-Punk-Band, die aus Musikern verschiedener Nationalität besteht, tritt größtenteils im Anzug und Hemd auf. Die zu erwartende Instrumentenvielfalt lässt nicht lange auf sich warten: Akustische Gitarre, Violine, Flöte und Akkordeon sollen zusammenpassen? Bei FLOGGING MOLLY funktioniert es und klingt auch noch gut. Das Publikum, das Sänger Dave King mit "Schatzi" anspricht, tanzt vereinzelt in Gruppen wild miteinander und gibt mir den selben Vibe wie der Mülltonnentanz vorletztes Jahr auf dem matschigen Summer Breeze bei FIDDLERS GREEN. Kaum denke ich an den Vergleich, spielt FLOGGING MOLLY ein Lied, das an Piraten erinnert und es fängt an zu nieseln. Hat sich die Band etwa mit dem Wetter abgesprochen? Ohne den Liedtext zu kennen, reißt mich die Musik trotzdem mit und ist eine willkommene Abwechslung zu dem Gegröle.
[Katharina Jaeger]
Jetzt bin ich wieder dran, denn nun kommt eine der wenigen Bands des Festivals, die mit dem Zusatz "Progressive" versehen werden kann, zumindest im weitesten Sinn. Ursprünglich konnte man MESHUGGAH mal dem Thrash zurechnen, aber man kennt sie besser als Pioniere des Djent, die mit beeindruckender Regelmäßigkeit neue Alben vorlegen, noch bevor ich die Lieder des zuvor veröffentlichten Tonträgers wirklich auseinanderzuhalten vermag. Nach einem langen Intro von über drei Minuten wird mit Licht und Sound ein wildes Inferno aufgeführt, dazu gibt es immer mal avantgardistische Töne und schwere, schwingende, rhytmisch vertrackte Gitarrenwände. Das Licht macht die Show, die Musiker selbst bewegen sich wenig, das Publikum dafür umso mehr. Der Sound ist super, was für MESHUGGAH in meinen Augen wichtig ist, doch auch so wird für mich der Gig nach einer Weile monoton, ermüdend, es stellt sich ein Erschöpfungszustand ein, den ich auch von den Tonträgern kenne, die Kapitulation der Überforderung. Dabei machen die Schweden alles super, aber ich bin nach der Hälfte des Auftritts bereits ordentlich fertig.
[Frank Jaeger]
Da Noah gerne auf der Mainstage MESHUGGAH und im Anschluss LORD OF THE LOST fotografieren möchte, begebe ich mich zur T-Stage. EQUILIBRIUM hat als bayerische Band ein Heimspiel im Frankenland und es ist trotz der parallel spielenden Headliner auf der Mainstage gut voll. Ich sehe die Band zum ersten Mal mit Fabian "Fabi" Getto am Mikrofon und er macht seine Sache richtig gut. Permanent interagiert er mit der Crowd vor dem Wellenbrecher und hat sichtlich Spaß an der Sache. Klar, "Robse" Dahn hat große Schuhe hinterlassen, doch die füllt Getto meines Erachtens gut aus. Die Fans gehen ordentlich steil und feiern eine wilde Party. Setliste? Gibt es leider nicht, dazu kenne ich zu wenig von der Band. Immerhin erkenne ich 'Born To Be Epic' vom 2016 veröffentlichten Album "Armageddon". Ich gönne mir noch ein Getränk, bevor PAIN hier gleich spielt und ich wieder knipsen darf.
Was wurde in den letzten Tagen über den Surprise-Act gerätselt. Auf dem aktuellen Shirt stehen mit HAMMERFALL, MR. HURLEY UND DIE PULVERAFFEN sowie GUTALAX gleich drei Bands, welche nicht in der Running Order auftauchen. Noah, unser anderer Fotograf, und ich beschließen, dass ich bei der erstgenannten Band im Graben stehe. Sollten die beiden anderen spielen, überlasse ich ihm gerne den Vortritt. Was soll ich sagen, das Glück ist mir hold an diesem Abend! Für mich geht HAMMERFALL einfach immer, auch wenn ich die Band heute schon zum dritten Mal in diesem Jahr sehe. Natürlich war es für es für mich ein Highlight, als die schwedische Power-Metal-Band HAMMERFALL den Song 'Sweden Rock' auf dem Sweden Rock-Festival spielte, da kommt echt wenig ran. Und auch der Auftritt auf dem Rock Harz war klasse. Heute spielt die Band nun auf der Wera Tool Rebel Stage, welche im Infield die kleinste Bühne ist. Noch nie habe ich so viele Leute vor der Wera-Stage gesehen. Knackige vierzig Minuten nutzt HAMMERFALL, um neben den bekannten Krachern auch zwei Songs vom vor zwei Wochen veröffentlichten Album "Avenge The Fallen" zu spielen. Und ja, sowohl die Midtempo-Nummer 'Hail to the King' als auch 'The End Justifies' gehen live richtig gut ins Ohr. Nicht nur ich feiere die Band frenetisch. Tausende Pommesgabeln in der Luft können nicht irren: HAMMERFALL ist ein Garant für gute Musik. Ich freue mich auf den Gig am 25. Oktober, wenn die Schweden gemeinsam mit POWERWOLF in der Münchener Olympiahalle spielen.
[Andre Schnittker]
Es pfiffen ja bereits die Tauben von den Dächern: Der Surprise Act auf der Wera Tool Stage wird HAMMERFALL sein. Das birgt natürlich unheimliches Kalauerpotential mit den beiden Worten "tool" und "hammer", aber ich widerstehe jeglicher Versuchung. Dass die schwedische Band mal wieder so nah und auf einer so mickrigen Bühne zu sehen sein würde, konnte nicht jeder glauben, sodass direkt nach Klarstellung, dass es eben diese headlinerwürdige Truppe sein würde, erstmal eine Publikumsumschichtung stattfindet, denn offenbar ist nicht jeder total glücklich mit der Wahl. Ich dagegen finde das gut, auch wenn ich nach dem Debüt der Jungs erstmal eine Pause eingelegt hatte, konnte das Material doch meiner Meinung nach mit Granaten wie 'Dragon Lies Bleeding' und der Bandhymne nicht mithalten. Aber das ist jetzt Jahrzehnte her, seitdem hat sich HAMMERFALL vom einstigen Speed deutlich in Richtung Melodic entwickelt und die beiden neuen Lieder in der Setmitte beweisen, dass die Band ihren Weg ganz klar weitergehen wird. Neben dem starken 'Last Man Standing' werden zum Schluss mit '(We Make) Sweden Rock' und 'Hearts on Fire' noch zwei entsprechende Zuckerspeisen gereicht, tatsächlich eine willkommene Melodie-Infusion nach dem Djent-Orkan MESHUGGAHs auf der Hauptbühne zuvor. Ich finde auch, dass die Schweden für vierzig Minuten einfach brillant sind. Mehr habe ich gar nicht gebraucht. Danke, HAMMERFALL.
Setliste: Heeding The Call; Any Means Necessary; Renegade; Hail To The King; The End Justifies; Last Man Standing; (We Make) Sweden Rock; Hearts On Fire
Anschließend folgt mein heutiger Abschluss, Peter Tätgren bringt sein Projekt PAIN auf die Bühne. Da ich die Band in diesem Jahr bereits auf dem Graspop Metal Meeting gesehen habe, mache ich mich bereit, diesmal die Videoshow besser ansehen zu können, und dann geht es los. Komplett ohne Video. Eine ganz andere Show. Moment mal, das war doch erst vor sechs Wochen! Aber tatsächlich, nicht einmal der erste Song ist gleich, hier beginnt es mit 'Same Old Song'. PAIN spielt ohne Einspieler, mit einer recht unspektakulären Lichtshow und lässt allein die Musik wirken. Als zweiter Song folgt mit 'Push The Pusher' eine echte Granate, auch wenn die Setliste neu ist, überschneiden sich die beiden Gigs doch erheblich. Dann fällt plötzlich einmal der Strom aus, passt aber zum Lied, erst, als der Sound später nochmal ausfällt, wird klar, dass das nicht zur Show gehört. Tatsächlich werden sich Soundprobleme auf der T-Stage durch das gesamte Festival ziehen. PAIN macht wenig Show, abgesehen davon, dass sich die Musiker, die von hinten angestrahlt auf einer insgesamt doch recht dunklen Bühne nicht allzu gut zu sehen sind, gern mal umziehen. Das beginnt bei dem Kostümarrangement "Pauschaltourist" über "Metalfan" bis zu dem Ensemble "Popstar-Plüsch-Party" für den Rhein-Karnevalisten. Wozu? Keine Ahnung. Statt immer wieder zwischen dreißig Sekunden und einer Minute von der Bühne zu rennen, um etwas anderes anzuziehen, was die meisten Fans wahrscheinlich nicht einmal bemerken, hätte man sicherlich einen Song mehr spielen können. Muss ich nicht begreifen, aber ich tanze trotzdem und lasse mich von 'Party in My Head', einer unverhofft südstaatigen Version von 'Have a Drink on Me' und dem Dance-Hit 'Shut Your Mouth' vereinnehmen. Passt, aber auf dem Graspop fand ich die Band noch eindrucksvoller.
[Frank Jaeger]
Bereits die Woche zuvor habe ich LORD OF THE LOST auf dem "M'era Luna"-Festival gesehen und freue mich nun auf die Show. Die gewohnten Pyroeffekte lassen nicht lange auf sich warten, ebenso wenig wie die energiegeladene Performance auf der Bühne. Allerdings passt die Kleidung weniger zum Motto "Schwarz-Rosa mit Glitzer". Auf dem M'era Luna noch mit rosafarbenen Haaren und Glitzeroberteilen, wurde Letzteres gegen Schwarz und Latex eingetauscht. Das überrascht mich, denn es ist wie eine komplette Typveränderung, aber das Schwarz passt besser zum Abend und das Latex reflektiert die Pyroeffekte und wirft sie ins Publikum zurück. Sogar auf der Bühne und an den hohen Fackeln an den Seiten zünden Pyros. LORD OF THE LOST, bekannt für ihre Show, kleckert nicht, sondern klotzt, passend für den heutigen Headliner-Auftritt. Die deutsche Band beginnt ihre Show mit zwei aktuellen Liedern, schließlich will sie ihr neues Album "Blood and Glitter" promoten. Im Verlauf des Auftritts werden fast alle Alben berücksichtigt. Noch zweimal kommt man zu dem neuesten Werk zurück, natürlich mit dem Titelsong als Rausschmeißer, mit dem man beim Eurovision Song Contest leider nur mittelmäßig abschneiden konnte. Das macht nichts, denn hier wird aus tausenden Kehlen mitgesungen.
[Katharina Jaeger]
Nach einem langen ersten Tag schleppe ich mich um kurz nach 1 Uhr nochmal zur T-Stage für PUNK ROCK FACTORY. Zum ersten Mal ist die Band mir auf Social Media aufgefallen, da sie Disney-Klassiker mit Punkrock covert, was super funktioniert hat. Live ist das leider nicht der Fall, da sie einfach nur laut ist. Selbst mit Gehörschutz ist es teilweise unerträglich, und das ist leider mein einziges Fazit. Ich werde aber versuchen, sie nochmal live zu sehen, denn abschreiben möchte ich sie noch nicht.
[Leon Will]
Die letzte Show des Tages beginnt für mich mit dem 'Pokémon-Theme'. Das scheint sich zu einem Metal-Klassiker entwickelt zu haben. Letztes Jahr gleich zweimal gehört, dieses Jahr legt PUNK ROCK FACTORY nach, damit es nicht in Vergessenheit gerät. Die walisischen Punk-Rocker haben sich Cover-Versionen aus dem gesamten Pop-Universum verschrieben, Pikachu und Co waren also nur der Anfang. Darauf folgt 'Under the Sea' aus dem klassischen Film "Die kleine Meerjungfrau", das Ganze durch den Punk-Fleischwolf gedreht. Die Lieder sind gut zu erkennen, wo sonst geträllert wird, grölt Sänger Peej die eingängigen Melodien in die Masse und verscheucht die Müdigkeit. Weitere bekannte Serienintros folgen, darunter die Titelmelodien von "SpongeBob SquarePants" und "Bluey", aber auch 'Running Up That Hill' von Kate Bush, das durch "Stranger Things" wieder bekannt wurde. Obwohl sie so spät auftreten, dass die Musiker selbst scherzen, sie wären normalerweise schon im Bett, lassen sie sich davon nicht entmutigen. Sie überspielen technische Probleme geschickt und improvisieren spontan eine Interaktion mit den Fans, was für zusätzlichen Spaß sorgt. So langsam werde ich müde und höre mir die letzten Lieder der sympathischen Chaoten auf dem Weg zum Auto an.
[Katharina Jaeger]
Genug für heute, wir sehen uns morgen wieder, hier geht es zum Donnerstag.
- Redakteur:
- Frank Jaeger