Soundtrack Of Hate - Tour mit MERCENARY, HATESPHERE und MY COLD EMBRACE - Kassel

24.02.2024 | 17:37

12.02.2024, Goldgrube

"We Are Red, We Are White - We Are Danish Dynamite" oder wenn der Rosenmontag auf Links gedreht wird.

Eigentlich bin ich ein Freund von Traditionen, aber egal wie häufig ich es versucht hatte, der Zugang zur besonderen Atmosphäre der Karnevalzeit blieb mir bisher verwehrt. Somit plagte mich seit Wochen schon, mit welcher grenzdebilen Tätigkeit ich mir denn den Rosenmontag 2024 versüßen könnte, weil einfach in Ruhe zuhause bleiben funktioniert bei meinem Mind-Set auch nicht wirklich. Somit geht mein ganz spezieller Dank (mal wieder) an die Goldgrube, welche es geschafft hat, dass genau an diesem närrischen Tag die geballte Power aus Dänemark haltmacht und im Rahmen ihrer "Soundtrack Of Hate European Tour" alles dafür tun wird, um in Kassel ein musikalisches Gegengewicht zu den BLÄCK FÖÖSS, BRINGS und HÖHNER dieser Republik zu schaffen.

Doch was verbirgt sich denn eigentlich hinter dieser nebulösen Hass-Ankündigung? Im Endeffekt geht es um eine Doppel-Headliner-Tour der beiden Skandinavier HATESPHERE und MERCENARY, welche an diesem Abend durch einen lokalen Support in Form von MY COLD EMBRACE unterstützt werden. Der Name der Tour soll dieses Gleichgewicht ausdrücken und gleichzeitig ein Indikator dafür sein, dass beide Bands ihre jeweils aktuellen Alben "Hatred Reborn" und "Soundtrack For The End Times" entsprechend promoten. Da für mich nicht nur das Comeback der Söldner eine sehr gelungene Langgrille geworden ist, sondern ich auch mit der neusten Inkarnation von Peter Lyse Hansens Truppe meinen Frieden geschlossen habe, wandert die Clownnase wieder in den Schrank und es geht auf in die Goldgrube.

Der Auftakt gebührt, wie erwartet, den Lokalmatadoren von MY COLD EMBRACE. Diese haben sich, gebührend zum besonderen Veranstaltungstag, etwas Besonderes einfallen lassen und kommen kostümiert auf die Bühne. Besonders mein Fotograf Norman ist erstmal irritiert und wittert eine dieser alptraumhaften Spaßbands und einen ganz harten "Arbeitstag". Ohne Vorkenntnisse führen einen eine Gitarre spielendes Hühnchen und eine mögliche HE-MAN-Variante, welche direkt aus dem Temu-Wahnsinn entsprungen scheint, auch definitiv auf die falsche Fährte. Auch dass es erstmal für gefühlt alle Besucher Eierlikör (natürlich Original im Schoko-Becher) zum Start in die Show gibt, dürfte ihn in falscher Unsicherheit gewogen haben. Man stelle ich das mal bei AC/DC-Konzerten vor. Coole Aktion und erneut ein Grund mehr, verstärkt auf Clubshows zu setzen. Aber natürlich gibt es auch Musik und die pulverisiert direkt alle Zweifel. Das ist (Melodic-)Death-Metal der sehr harten Schule und betreibt direkt Foreshadowing für den Abend. Es wird hart, es wird laut, extrem tight und vor allem äußerst unterhaltsam. Die Jungs haben nur ein sehr kurzes Programm vorbereitet, geben somit durchgängig Vollgas und pflügen durch die komplette Band-Historie. Ich hätte mir zwar mehr Fokus auf "Blank Planet" gewünscht, aber auch so ist das ein richtig guter Einstieg, zumal ich mit dem 2018er Opener 'Carnal March' zumindest einen Schädelspalter aus dieser Phase serviert bekomme. Klar hat die ganze Nummer, aufgrund des kurzen Sets, und der extrem zügig runtergeholzten Darbietung, eine Halbwertzeit wie ein Kölsch, aber wann bitteschön passt es denn besser als an dem heutigen Tag.

Setliste: Bloodwritten; More Or Less; Cull Or Destroy; Carnal March; Senseless Game; Temple; Left To Right; Reborn In Fire

Während in der Vergangenheit die Pausen in der Goldgrube auch mal Anlass zur leisen Kritik gaben, läuft das an diesem Abend hervorragend. Nach nicht mal 15 Minuten stürmt HATESPHERE auf die Bühne und stellt mit dem Titeltrack des neuen Albums die Weichen auf Triumphzug. Diese Mischung aus Death- und Thrash-Metal funktioniert zumindest bei mir live nochmal eine deutliche Schippe besser als auf Platte. Gerade dort ist mir das alles immer eine Spur zu stereotypisch und generisch. Für einen Montagabend ballert es nun aber ohne Ende, vergisst trotzdem nie den Groove und selbst die feinen melodischen Ansätze schaffen es immer mal wieder, die Oberhand zu gewinnen und so die Riffwalze aufzulockern. Ich fühle mich doch ziemlich häufig an eine entschlackte THE HAUNTED-Version erinnert. Nicht die schlechteste Referenz, allerdings hat HATESPHERE auch genug eigene Argumente für den Besuch eines Konzertes dieser Tour. Da man ja nie sicher sein konnte, welcher Sänger grade bei diesen Jungs aktiv ist, gibt es natürlich auch 2024 nicht den Sänger zu hören, der das 2023er Album eingesungen hat (Mathias Ronde Uldall-Jessen). In Kassel am Start ist Alexander Hall Kristensen (HANGING THE NIHILIST) und dieser liefert eine fantastische Performance ab und schreit fast 50 Minuten absolut am Limit. Nur gegen Ende der Show verlassen ihn ein wenig die Körner, aber wer will es ihn nach dieser Tortur verübeln. Dieser Personalwirrwarr dürfte auch der Hauptgrund sein, warum diese Band immer noch durch eine kleine Clublandschaft touren muss. An eingängigen Abrissbirnen wie 'Let Them Hate', 'Darkspawn' oder 'Murderous Intent' kann es nicht liegen. Das sind verdammt starke Songs, welcher in dieser Mischung wesentlich besser zur Geltung kommen und nicht im Mittelmaß mancher Albumtracks versinken.

Warum allerdings der Schwerpunkt des Sets neben dem neuen Album mit nur vier Songs auch auf dem 2007er Werk "Serpent Smiles and Killer Eyes" (ebenfalls vier Tracks) liegt, entzieht sich meiner Kenntnis. Womöglich hat Neusänger Alexander diese Tracks einfach abrufbarer in petto gehabt.

Setliste: Hatred Reborn; Cutthroat; Murderous Intent; The Fallen Shall Rise In A River Of Blood (Reaper Of Life); Resurrect With A Vengeance; Darkspawn; Lies And Deceit; Let Them Hate; Drinking With The King Of Dead; Forever War; Brand Of Sacrifice; Oceans Of Blood; Sickness Within

 

Machen wir kein Geheimnis daraus. Der Hauptgrund meiner Anwesenheit ist MERCENARY. Und auch diese Band fliegt seit Jahren für viele potentielle Hörer unter dem Radar und konnte nie die kommerziellen Lorbeeren ernten, welche nach den Überalben "11 Dreams" und "The Hours That Remain" eigentlich hätten folgen müssen. Ob es an der leichten Soundkorrektur auf "Architects Of Lies" gelegen hat, oder daran, dass die beiden folgenden Alben auch nicht mehr diese musikalische Klasse einfangen konnten, wird unbeantwortet bleiben müssen. Fakt ist, eine Pause von 10 Jahren ist nie förderlich. Somit beginnt für MERCENARY mit "Soundtrack For The End Times" die Reise wieder von vorne. Ärgerlich, aber ohne Zweifel ist den Aalborgern in dieser Zeit das beste Album seit 2006 gelungen. Und das ist dem Söldner mehr als bewusst, denn ganze sechs Songs bekommen wir heute Abend vorgestellt und alle funktionieren hervorragend. Im Gegensatz zu HATESPHERE liegt die Stärke von MERCENARY eindeutig im Studio, aber zumindest heute, bekommen Jakob Molbjerg und insbesondere Rene Pedersen das Material weitestgehend verlustfrei auf die Bühne. Das klingt jetzt negativer als es gemeint ist. Auch Bands wie SOILWORK, BLIND GUARDIAN oder ENSLAVED haben Schwierigkeiten, das Niveau der Alben live zu reproduzieren. Das ist für mich aber auch kein Problem, da meine Lieblings-Studiobands und Lieblings-Livebands selten dieselben Gruppen sind. Auch hier geht es heute eher darum, wie nah kommt die Band an bestimmte Klänge und welche Lösungen findet sie für die besonderen Herausforderungen einer Live-Performance.

Klingt jetzt extrem analytisch, aber erstens kann ich nun mal nicht aus meiner Haut und zum anderen habe ich trotzdem verdammt viel Spaß. Es gibt nämlich eine einfache Regel. Ein geiler Song bleibt ein geiler Song. Und davon gibt es in dieser Setliste genug zu finden. Ungeschlagene Highlights sind trotz der starken neuen Lieder 'Soul Decision' und das göttliche '11 Dreams'.  Da wird man fast schon wehmütig und melancholisch. Ich glaube so fühlen sich viele Kollegen, wenn sie plötzlich einen alten Klassiker von QUEENSRYCHE oder CRIMSON GLORY nochmal hören. Das wäre dann vielleicht auch die einzige Kritik an einem wunderbaren Abend. Man hätte sich noch den einen oder anderen Knaller aus dieser Phase gewünscht, insbesondere da 20 Jahre "11 Dreams" eigentlich auch eine wunderbare Steilvorlage gewesen wäre. Naja, vielleicht passiert ja zum Ende des Jahres noch etwas.

Setliste: Burning In Reverse; Through Our Darkest Days; The Endless Fall; Heart Of The Numb; From The Ashes Of The Fallen; Soul Decision; 11 Dreams; Anthem For The Anxious; Where Darkened Souls Belong; Beyond The Waves

 

Photo Credits: Norman Wernicke

Redakteur:
Stefan Rosenthal

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