Sweden Rock Festival 2024 - Sölvesborg
01.07.2024 | 16:2305.06.2024, Open Air
Licht und Schatten in Sölvesborg
Tag 2, Donnerstag:
Heute heißt es früh aufstehen, ein verhältnismäßig arbeitsreicher Tag wartet auf mich. Gleich die erste Band auf der wunderschön gelegenen Bläkläder-Stage wartet auf mich, wie gestern soll ich mich 20 Minuten vor dem Gig um 11:30 Uhr beim Presseteam melden. Am Eingang ist jedoch erst einmal Feierabend. Konnte ich Mittwoch noch ohne Probleme mein Foto-Equipment mit dem Medienbändchen mit aufs Gelände nehmen, wird heute von mir ein - nicht vorhandener - Fotopass verlangt. Nach endlosen Diskussionen und Rücksprache mit dem Vorgesetzten der Security-Fachkraft stellt sich das Ganze als Missverständnis heraus und ich erreiche vollgepackt im Sprint das Pressezelt. In Begleitung geht es dann zur besagten Bühne, auf der THE GEMS den zweiten Festivaltag eröffnen.
Ich sehe die Band zum ersten Mal live und bin sehr gespannt, wie sich die drei ex-THUNDERMOTHER -Mitglieder Guernica (Gesang), Emlee (Drums) und Mona (Gitarre) mit ihrer neuen Band schlagen. Das Debütalbum "Phoenix", das im Januar erschien, hat mich schon überzeugt und sehr schnell stelle ich fest, dass die Damen, welche sich mit einer mir unbekannten Bassistin verstärkt haben, auch auf der Bühne richtig gut zünden. Ich entdecke zahlreiche THE GEMS- und THUNDERMOTHER-Shirts in der Menge. Die Hardrockerinnen sind permanent in Bewegung und Emlee hat wie bei ihrer Vorgängerband permanent ein Lächeln auf den Lippen. Die Spielfreude tropft dem Quartett förmlich aus jeder Pore. "Rise again, rise again, rise again" lautet eine Zeile im Song 'Like A Phoenix' und jeder vor der Bühne wird bestätigen, dass Guernica, Emlee und Mona auferstanden sind. THE GEMS haben ein sehr erfolgreiches Heimspiel abgeliefert und ich hoffe, dass der Vogel noch sehr weit fliegen wird.
Tag zwei könnte heute in einem Marathon ausarten. Schnell geht es zurück zum Zelt, wo ich mich für den nächsten Auftritt melde. Es geht - natürlich in Begleitung - zur Rock Stage, vor der schon sehr viele Metalheads auf den Auftritt von PRIMAL FEAR warten. Zehn Songs gibt die deutsche Power-Metal-Band zum Besten und geht mit 'Chainbreaker' sofort in die Vollen. Sänger Ralf Scheepers zeigt sich in hervorragender stimmlicher Verfassung. Die Auswahl der Songs ist sehr interessant. Aus sieben Alben der Schaffensphase von PRIMAL FEAR gibt es jeweils einen wirklich guten Song (unter anderem 'Rollercoaster', 'Nuclear Fire' und 'Chainbreaker). Zu 'Another Hero', 'Deep In The Night' und 'The World Is On Fire' vom 2023 erschienenen Album "Code Red" können die anwesenden Headbanger ebenfalls ihr Haupthaar schütteln. Leider fehlt Mat Sinner nach wie vor, welcher noch nicht wieder fit ist für die Bühne. Er wird jedoch bereits seit längerem perfekt von Alex Jansen vertreten. Natürlich gibt es keinen Auftritt von PRIMAL FEAR ohne Michael Ehré, Magnus Karlsson, Alex Beyrodt und meinem Lieblingslinkshändergitarristen Tom Naumann, welche ich schon im Rahmen der tollen Rock Meets Classic-Produktion in Nürnberg sehen konnte. Leider geht die Stunde Spielzeit viel zu schnell vorbei und mit den fetten Gitarrenriffs von 'Final Embrace' verabschiedet sich PRIMAL FEAR unter großem Jubel aus Sölvesborg.
Der alte graue Mann hat nun etwas Zeit zum Durchschnaufen. Ich teste, ob das Bier die gleiche Qualität hat wie am Vortag und kann dies recht schnell bestätigen. Meine Herzdame hat es sich derweil auf der Tribüne bequem eingerichtet. Von dieser hat man einen sehr guten Blick auf die beiden größten Stages, die immer abwechselnd bespielt werden. Ich schaue kurz zu EXTREME rüber, bevor es wieder Richtung Pressezentrum geht. Es hat sich sehr kurzfristig ergeben, dass ich keinen geringeren als KERRY KING ablichten darf. Der Mitbegründer und Gitarrist von SLAYER hat mit seinem Soloalbum "From Hell I Rise" durchaus für Aufsehen in unserer Redaktion gesorgt, auch in der Gruppentherapie konnte King punkten. Wie auf dem Silberling startet die Show mit dem 'Diablo'-Intro, um dann direkt in 'Where I Reign' überzugehen. Der Gitarrist agiert eher schüchtern und zurückhaltend auf seiner rechten Bühnenseite und überlässt seinen Mitmusikern das Feld. Sänger Mark Osegueda (DEATH ANGEL) nimmt das Heft in die Hand und ist zumindest auf seiner zugewiesenen Seite permanent in Bewegung. Bassist Kyle Sanders erfüllt so gar nicht das oft gepriesene Klischee vom eher introvertierten Dicksaiten-Spieler. Permanent lässt er seine Dreadlocks kreisen und mir wird beim Anblick schon schwindelig. Die Stimmung ist absolut genial und steigert sich noch, als die ersten Töne vom SLAYER-Song 'Disciple' ertönen.
Nun ist kollektives Ausrasten angesagt, doch irgendwas fehlt (mir nicht). Geht es in Deutschland selbst bei Schlager-Konzerten nicht mehr ohne ein massives Crowdsurfer-Aufgebot, sucht man diese auf dem Sweden Rock vergebens. Die für manche Metalheads beliebte Sportart ist auf dem Sweden Rock absolut verpönt, selbst größere Circle Pits sucht man vergeblich. Die Bands werden einfach nur massiv abgefeiert und niemand muss befürchten, einen schweren Stiefel in den Nacken zu bekommen. Dementsprechend entspannt sind die Secs im Graben, deren Hauptaufgabe die Herausgabe von Wasserflaschen an die verschwitzte Meute ist. Für mich persönlich ein Highlight auf dem Festival. 'Raining Blood' und 'Black Magic', ebenfalls von SLAYER, bringen die Kuttenträger noch einmal ordentlich auf Temperatur, bevor Herr King mit 'From Hell I Rise' nach 60 Minuten unter lauten Rufen die Bühne verlässt. Ich habe mich im Vorfeld wie ein Schnitzel auf das Konzert gefreut und wurde keinesfalls enttäuscht.
Einen hab ich für heute noch, doch es geht nicht wie üblich ins Pressezelt. Ich treffe mich kurz mit Thomas, der mir den Stagepass für MYSTIC PROPHECY übergibt. Herr Küchle hat sich im Vorfeld um die Formalitäten gekümmert und zumindest dies hat in Schweden dann reibungslos funktioniert. Im Joggingtempo geht es wieder Richtung Bläkläder-Stage und ich erreiche gerade noch rechtzeitig zum ersten Song den Graben. Vor der Bühne ist es recht voll, lediglich auf der rechten Seite tut sich ein Loch auf. Das hat jedoch damit zu tun, dass man durch das FOH von dieser Stelle die Band nicht gut sehen kann. Direkt hinterm FOH sieht das besser aus, da das "Infield" an einem Hang liegt und auch kleineren Menschen einen guten Blick zu den Musikern bietet.
Die deutschen Kraftmetaller starten mit 'Metal Division' vom 2020 veröffentlichten, gleichnamigen Album und die versammelte Crowd vor der Stage hat sichtlich Spaß an dem Gig. Immer wieder gehen die Arme nach oben und die Matten kreisen. Die Band zeigt sich in bestechender Form. Sänger Lia ist stimmlich auf der Höhe und sucht immer wieder den Kontakt zum Publikum. Die beiden Gitarristen Markus und Evan fegen in atemberaubendem Tempo über die Bühne und auch Bassistin Joey zieht es immer wieder nach vorne zur Bühnenkante. Drummer Hanno ist gezwungenermaßen an sein Instrument gebunden, doch ich erkenne, dass er bestens gelaunt seinen Part zu einem gelungenen Auftritt beisteuert. Mit 'Burning Out' gibt es leider ein nach wie vor aktuelles Thema. "Rise up... Burn down the flag of hate". Zum Glück muss heute auf dem Sweden Rock nichts niedergebrannt werden. Statt Hass bekommt MYSTIC PROPHECY pure Liebe vom Publikum.
13 Songs von insgesamt sechs Alben ab 2009 lässt die Band heute vom Stapel. Wird mit 'Killhammer' das Tempo etwas rausgenommen, steigert sich dieses deutlich bei 'Hellriot'. Mir hat schon immer die Vielfalt bei den Songs gefallen, da kommt einfach keine Langeweile auf. Mit 'Metal Brigade' verabschiedet sich die Band bei strahlendem Sonnenschein aus Schweden. Kollege Tommy hat in seinem bereits 2023 veröffentlichten Konzertbericht aus Memmingen geschrieben, dass "...die sympathische Truppe momentan mit zum Besten gehört, was der deutsche Heavy Metal zu bieten hat." Ich schließe mich seiner Meinung an und freue mich auf einen weiteren Auftritt von MYSTIC PROPHECY auf dem Rock Harz Festival in diesem Jahr.
Nun wird es noch einmal hektisch, bevor es in den "Feierabend" geht. Da ich die deutsche Power-Metal-Band komplett ablichten durfte, bleibt mir nur wenig Zeit, mich meiner Kamera-Ausrüstung zu entledigen. Schnellen Schrittes geht es zum Pressezelt, und um 14 Kilo leichter dann weiter zur brechend vollen Tribüne, auf der mir meine Frau tapfer einen Platz freigehalten hat. Ich bedanke mich bei ihr mit einem Bier für die Aktion und wir genießen mit W.A.S.P. auf der Rock Stage und JOURNEY auf der Main Stage noch zwei wundervolle Konzerte, bevor es mit einen vollen Sack Erinnerungen Richtung Campingplatz geht. Auch heute finden wir unsere Räder wieder unbeschädigt am gewohnten Platz.
Photo Credit: Andre Schnittker
- Redakteur:
- Andre Schnittker