Taubertal 2001 - Rothenburg

16.08.2001 | 11:58

10.08.2001, Eiswiese

Freitag

ASTRA KID

Als erste durften gleich die Ruhrpott-Alternativ-Rocker ASTRA KID das Festival eröffnen. Mit ihren deutschen Texten und doch relativ ruhigen Songs konnten sie jedoch wenig Begeisterung auslösen. Dazu kam noch das äußerst zurückhaltende Stageakting der Mannen um Frontman Christian Götzer. Vorgestellt wurden die Songs ihres aktuellen Albums \"Planet der Affen\", die jedoch dem Publikum auch nicht sonderlich geläufig waren. Auch wenn die Band schon mit namhaften Pop und Rockacts wie REAMONN oder UNCLE HO auf Tour waren, blieb unterm Strich ein mittelmäßiger Auftritt, der wohl den wenigsten Besuchern in Erinnerung bleiben wird.
[Georg]

PRIMATE POOKIE

Wow, da denkt man an nichts Schlimmes und schlendert zufällig an der Emergenza Bühne vorbei, die wir letztes Jahr aus gutem Grund mieden. Und auf einmal dringen folkig-rockige Klänge an mein Ohr. Nun, denke ich mir, schauen wir mal nach. Und was sehe ich? Eine Band (bestehend aus 4 Jungs und 1 Mädel), komplett in weibliche Klamotten gehüllt, die ein fettes Brett abliefert. Überzeugen konnte gerade der von diversen Sängern intonierte Gesang, gepaart mit ordentlichem Stageacting und einer klasse Live Performance. Leider sah ich nur die letzten Songs, so daß ich nicht sonderlich viel zu berichten habe, aber diese haben einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Wer auf Folk-Rock steht, sollte sich diesen Namen hinter die Ohren schreiben.
[Georg]

SPN-X

Als zweite Band des Tages betraten die Punkrocker SPN-X die Hauptbühne. Die 4 Jungs aus Cottbus (auch schnellste Boygroup des Ostens genannt) haben es sich zum Ziel gesetzt, schneller als ihr eigener Schatten zu spielen, was ihnen bei diesem Auftritt auch wohl gelungen sein dürfte. So legten sie zum Beispiel bei dem Nena-Coversong \"Nur geträumt\" ein Tempo hin, daß es nur so krachte. \"Nur geträumt\" ist auch der Song, der die Band bei Radio und Fernsehen bekannt gemacht hat, da er in dem Filmstreifen \"Wie Feuer und Flamme\" gespielt wurde.
Bei dem ersten Lied blieb das Publikum noch ruhig und betrachtete das Spektakel auf der Bühne noch etwas skeptisch, doch schon beim zweiten Song begann eine wilde Rempelparty -auch Pogo genannt- in der Publikumsmitte.
Bei dem Lied \"Bravo Punk\", das mir persönlich am besten gefallen hat, fing die Menge sogar an zu hüpfen. In dem Song geht es darum, daß die Bandmitglieder \'gerne\' einmal auf der Titelseite der Bravo stehen würden. Der Song endet mit einem Medley aus ATCs \"Around The World\" , \"Spanish Lullaby\" und \"Video Killed The Radiostar\".
Mit einem \'Lied für Gewalt gegen Rechts\' wollen SPN-X ihre Antipathie gegenüber rechten \"Insekten\" kundtun. Auch dieser Song wurde vom Publikum recht gut aufgenommen.
Weiter ging es mit einem Liebeslied des Sängers Nico an seine Gitarre, die nur gute Se(a)iten hat.
Der Kracher \"Mein Schwanz (hat Priorität)\", in dem die Spezies Mann ein bisschen näher betrachtet wird, beendete das Programm der Truppe dann auch leider schon.

Fazit: Auch wenn Punk nicht mehr so ganz meiner Geschmacksrichtung entspricht, hat mir der Auftritt von SPN-X doch ziemlich gut gefallen. Und die Leute, die mit dem Stil überhaupt nichts anfangen konnten, konnten sich dafür an den witzigen Zwischeneinlagen der Band erfreuen.
[Ulrike]

NEPHEW

Als nächstes war mal eine Band an der Reihe, die nicht aus Deutschland kam, sondern vom Nachbarstaat Dänemark - dabei ist nichts faul im Staate Dänemark. Die Band NEPHEW wurde dort bereits zur Band des Jahres gekürt, aber ob sie auch live so überzeugen können, war die andere Frage.
Die Kleidung schien schon recht merkwürdig gewählt: Hemd und Krawatte? Na ja.
Anfangs bestand Interesse vom Publikum, im Verlauf der Show verließen jedoch immer mehr Leute den Platz vor der Bühne. Dies kann jedoch nicht am Sound gelegen haben, da dieser mal überraschend gut war. Vielleicht war das schlechte bzw. nicht vorhandene Stageacting ein Grund dafür (etwas später wurde mal ein Mikroständer umgekickt - wow!)- ich denke aber, daß NEPHEW einfach zu wenig gerockt haben und ein bisschen langweilig waren. Selbst wenn man mit deren Stil nichts anfangen kann, sollte man trotzdem ein bisschen Spaß beim Zuschauen haben können.
[Ruben]

SUBWAY TO SALLY

Endlich mal eine Band, die meinen Ohren metallische Klänge verspricht, dachte ich mir und betrat das Festivalgelände, um SUBWAY TO SALLY zu sehen. Und ich hatte mir auch nicht zuviel versprochen, denn die gelungene Mischung aus Rock, Metal, Folk und Mittelaltermucke war wirkliches Balsam für meine von den Hip Hop-Klängen unserer Parkplatznachbarn malträtierten Gehörgänge.
Mag sein, daß der SUBWAY - Stil nicht so ganz dem Geschmack der auf dem Festival anwesenden Massen entsprach, aber ein Metalherz lässt er auf alle Fälle höher schlagen.

Bereits bevor die 7-köpfige Band die Bühne betrat, war diese schon einen interessierten Blick wert: dort nämlich waren interessante Eisenskulpturen angebracht, wie z.B. ein Drache, der sich am Mikro des Sängers festzuklammern schien.
Doch dann erfüllte Nebel die Bühne und hindurch trat der Sänger Eric, bekleidet mit einem schwarzen Rock. Nach ihm folgten die anderen 5 Herren, ganz in Schwarz, und die einzige Dame der Truppe (Frau Schmitt) in einem schneeweißen Engelsgewand.
Los ging es mit \"Wenn Engel Hassen\", einem der Highlights der neuen Scheibe \"Herzblut\".
Es folgte der Song \"Henkersbraut\", bei dem Ingo Hampf mit seiner zweihälsigen Gitarre in Aktion trat.
Schon bei dem nächsten Stück mit dem Namen \"Die Schlacht\", das von einer beeindruckenden Trommeleinlage eingeleitet wurde, konnte man die ersten Crowdsurfer über die Menge schwimmen sehen.
Mit erstklassigen Liedern ging es dann weiter. Auch das Auge kam hier nie zu kurz. So war bei fast jedem Lied ein extra Leckerli für die staunende Masse eingebaut.
Man konnte zum Beispiel den Sänger Eric bei \"Kleid aus Rosen\" dabei beobachten, wie er vor Frau Schmitt auf dem Boden kniete und ihr Kleid küsste - rührend!
Des weiteren wäre da noch die synchrone Feuerspuckeinlage von Eric Fish und Bodenski zu erwähnen - einfach beeindruckend!!! ( Ein großes \'boooaaahh\' auf die Jungs! )
Bei \"Herrin des Feuers\" flackerten windumtoste Stoffsäulen auf der Bühne. Das rote Licht im Inneren der Säule hätte um eine spätere Uhrzeit bestimmt noch besser und flammender gewirkt, aber auf einem Festival kann man halt nicht alles haben!
Dann kam die dreihälsige Kombination aus Gitarre, Mandoline und Mandola von Ingo Hampf bei \"böses Erwachen\" an die Reihe.
Und so weiter und so weiter....
Der Livekracher \"Julia und die Räuber\" durfte natürlich auch nicht fehlen, damit die Menge auch noch ihr \"Blut, Blut, Räuber saufen Blut, Raub und Mord und Überfall sind gut...\" loswerden konnte. Obwohl das auf dem Taubertal Festival wohl nicht allzu viele waren, die diese Textstelle zuvor kannten.
Alles in allem kann man sagen, daß es sich hierbei wieder mal um einen erfolgreichen Liveauftritt von SUBWAY TO SALLY gehandelt hat, auch wenn das Publikum auf diesem Open Air vielleicht nicht so ganz zur gewöhnlichen Zielgruppe der Band gehörte.
[Ulrike]

APOCALYPTICA

Hilfe, die Finnen kommen!
Hätte vielleicht einer gesagt, der selber Cello spielt und die \"Mißhandlungen\" der Finnen an ihren Instrumenten mit Zähneknirschen ansieht.
Ich glaube jedoch, daß unter den Anwesenden keiner dieser Meinung war! Ganz im Gegenteil: APOCALYPTICA werden ja als kleiner Geheimtipp unter den Live-Bands gehandelt, was sie auch voll und ganz bestätigten. Manch andere Bands sollten sich von dieser Performance auf der Bühne eine riesengroße Scheibe abschneiden! Wer jetzt dachte, daß man mit einem Cello doch auf einen Stuhl \"gefesselt\" sei, irrt sich gewaltig. Es hielt die Jungs nichts zurück, mal von den Stühlen zu springen, um auf der Vorbühne weiterzuspielen. Gigantisch dabei war, daß sie während sie sich nach vorne bewegten, nicht (!) mit Spielen aufhörten! Wahnsinn! Sie waren auch in der Lage, mal eine kurze Pause zu machen, die im Song auf Scheibe nicht vorgesehen ist, und hatten dann keine Probleme wieder einzusteigen - und es klang zu keiner Zeit irgendwie schief. Die Intonation stimmte immer, sogar als die Jungs an ihren Cellos bangten und dabei die Hände nicht sehen konnten.
Aber genug geschwärmt!
Die Bühne stand voll im Nebel. Erwartungsvoll starrten alle dort hin. Bestialischer Jubel ertönte, als die vier Finnen die Bühne betraten. Diese brüllten dann ein paar Worte zur Begrüßung ins Mikro und legten gleich los. Es war unbeschreiblich, wie die Jungs auf der Bühne abgingen!
Es ist ihnen gelungen, das Publikum zum Mitsingen zu animieren, was nicht sonderlich schwer fiel, da die gespielten Songs allen einigermaßen bekannt gewesen sein sollten. Meistens wurden halt doch Cover gespielt. Zum Beispiel METALLICAs \"For Whom The Bell Tolls\", \"Nothing Else Matters\", \"One\", \"Master Of Puppets\" (wer den Song kennt weiß, an welcher Stelle ins Mikro geschrien wurde) und \"Enter Sandman\". Außerdem wurden von SEPULTURA \"Refuse/Resist\"und \"Inquisition Symphony\" gespielt, um mal nur ein paar zu nennen.
Auffällig bei den Songs war, daß sie meist schneller als auf Scheibe gespielt wurden, was zu keinen Einbußen bei der Atmosphäre geführt hat.
Besonders geil fand ich, als APOCALYPTICA \"Nothing Else Matters\" zum Besten gaben. Es war wirklich herzerweichend, wie der Song rüberkam. Beweis dafür waren nicht nur glasige Augen, sondern auch die Wolken waren gerührt und haben \"geweint\". Aber das war den Finnen sch***egal. Sie haben einfach weitergespielt und die Cellos, wenn nötig, einfach mit einem Handtuch abgetrocknet.
Als dann die Party von APOCALYTICA jäh beendet schien (ohne ein Wort zu verlieren von der Bühne gegangen), und das rasende Publikum noch mehr wollte, wurden gleich mehrere Songs als Zugabe von Stapel gelassen (ganze 3 Stück). Als jedoch der letzte Song gespielt wurde, fanden sich alle vier auf der Vorbühne ein und spielten im Stehen die letzten paar Töne. Das Publikum hatte jedoch immer noch nicht genug, doch die Jungs hatten so ein Hammerprogramm durchgezogen, daß es dann völlig Ok war, als sie sich nur noch auf der Bühne verneigten.

Wer APOCALYPTICA noch nicht live sehen konnte, dem sei gesagt: Egal wie viel es kostet, sie zu sehen, sie sind jede Mark wert! Auch wenn man nicht auf METALLICA, SEPULTURA oder Klassik steht, sollte man sie sich unbedingt anschauen!
FU**ING DUTY!
[Ruben]

PROJECT PITCHFORK

Nach der fantastischen Live Performance von APOCALYPTICA hatten es die EBMler um Peter Spilles ziemlich schwer. Und um es vorwegzunehmen, sie schafften es auch nicht, diesen Auftritt zu toppen. Das mag zum einen daran gelegen haben, daß PROJECT PITCHFORK nach wie vor zum deutschen Underground gehören und der Masse der Besucher weder Bandname noch Songs bekannt waren, zum anderen lag es aber auch an dem ruhigem Stageacting. Gerade nach so einer Band wie APOCALYPTICA hat man es da einfach schwer. Dennoch war ich positiv überrascht, da ich nicht erwartet habe, daß die Mistgabeln live derartig geil sein würden. Gerade ihre Klassiker wie \"IO\" oder \"Alpha & Omega\" kamen megageil rüber und ließen einen nicht still auf seinem Platz verbleiben. Natürlich kam auch das neue Album \"Daimonion\" in der Setliste nicht zu kurz, doch diese Songs konnten auch live den Klassikern nicht das Wasser reichen. Nach dem kurzen Regenschauer hatten doch einige Festivalbesucher das Gelände verlassen und kamen zu PITCHFORK auch nicht zurück. Peter Spilles ließ sich jedoch weder von der schwachen Publikumsresonanz noch von dem Besucherschwund beeindrucken und sorgte für eine eindrucksvolle Performance. Die Intensität seiner Bewegungen in Verbindung mit den Texten und Sounds der Band sorgte dafür, sofern man sich darauf einließ, gebannt auf die Bühne blicken.

Als jedoch Peter Spilles bei der Zugabe noch meinte, seine Hose nach unten rutschen lassen zu müssen, war des Guten zu viel. Selbst die in meiner Nähe anwesenden Mädels schüttelten ungläubig den Kopf.
[Georg]

Redakteur:
Georg Weihrauch

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