The Satanic Panic Tour: LUCIFER, ANGEL WITCH und THE NIGHT ETERNAL - München
20.02.2024 | 10:5411.02.2024, Backstage Halle
Bekommt der Teufel hier Muffensausen?
Dumm gelaufen, denn eine fiebrige Erkältung legt mich an diesem Wochenende (10.-11. Februar) lahm. Es sieht also schlecht aus für ein Konzert am Sonntagabend. Doch die Vorfreude auf eine alte NWoBHM-Legende, die ich bislang in meinem Leben noch nicht live begutachten durfte, steht an diesem Abend an: ANGEL WITCH. Und die Hexe bündelte alle Heilungskräfte, um mich dann doch für drei Stunden fit zu machen.
Es ist ein ruhiger Abend im Backstage, denn außer der "Satanic Panic"-Tour steht nichts weiteres an, außer ein wenig Super-Bowl Public Viewing, das bei eher regnerischem Wetter aber nicht viele Leute anzieht. Und dennoch ist die Backstage Halle gut gefüllt. Ein Grund dafür ist sicherlich THE NIGHT ETERNAL, eine junge Band, die die Metalszene angenehm aufmischt und auch in unserer Redaktion einige Anbeter hat, was man zum Beispiel in einigen Perlenartikeln (zum Beispiel bei Holger Andrae oder bei Julian Rohrer) oder im Review und der zugehörigen Gruppentherapie zum zweiten Album "Fatale" nachlesen kann.
"Die schauen cool aus", ist auch der erste Eindruck meiner Begleiterin Nives. Und ja, es herrscht viel Bewegung und Gezappel auf der Bühne, Haare fliegen allüberall. Und auch die Musik reißt mit. Diese stammt zum Großteil vom Erfolgsalbum "Fatale" und ist deshalb noch gut im Ohr. Dennoch wirkt sie live anders, vor allem wegen Sänger Ricardo Baum. Erstens habe ich mir bei dieser Stimme eher einen großen, ernst dreinschauenden Nordmann, aber sicher keinen hyperaktiven Rastaflummiball vorgestellt. Und zweitens klingt seine Stimme live doch deutlich rauer und grantiger, was mir in diesem Falle sogar taugt. Auch das ANGEL-WITCH-T-Shirt ist sympathisch. Somit frisst das Publikum der Band aus der Hand. Zumindest die erste Hälfte der Halle kennt die Songs auswendig, auch das hitverdächtige 'Elysion (Take Me Over)' vom Debüt "Moonlit Cross", für mich unbekannterweise sogar der beste Song des Gigs. Vor dem letzten Song gibt es dann noch herzliche Abschiedsgrüße für die Mannen von ANGEL WITCH, die heute ihren letzten Gig der Tour spielen. Ja, da haben wir wohl Glück gehabt!
Setliste: Between The Worlds; In Tartarus; Prince Of Darkness; Shadow's Servants; Elysion (Take Me Over); Moonlit Cross; Stars Guide My Way
Im Jahre 1980 erschien "Angel Witch" von ANGEL WITCH, also vor 44 Jahren. Wahnsinn, oder? Ich habe das Album aber erst sehr viel später für mich entdeckt und finde darauf auch nicht jeden Song total genial, schätze es im Ganzen aber mittlerweile sehr. Ebenso die beiden Alben dieses Jahrtausends, "As Above, So Below" und "Angel Of Light". Kann also hier und heute etwas schief gehen?
Nun, ich muss mich anfangs doch ein wenig an eigentlich alles, was ich jetzt sehe und höre, gewöhnen. Allen voran ist das Kevin Heybourne. So richtig sicher bin ich mir nicht, ob der Mann sich auf der Bühne wohl fühlt, er wirkt auf mich eher unnahbar, auch ein wenig brummig. Zudem scheint ihm die Kombination aus Gesang und Gitarrenspiel alles abzuverlangen. Und wohingegen bei den Klampfen für mein Ohr alles in Butter ist, liegt der Gesang doch oft ein wenig neben der Spur oder fehlt, weil Heybourne nicht richtig ins Mikro singt. Doch nun genug Gemecker, denn spätestens nach den ersten Songs findet sich der Sound zusammen und die schweren Gitarrenriffs der neueren Songs ('Dead Sea Scrolls'; 'We Are Damned') walzen gewaltig aus den Boxen. Auch die häufigen zweistimmigen Leadduelle mit dem spindeldürren Jimmy Martin sorgen für Entzückung. Ein Sonderlob gilt auch Schlagzeuger Andrew Prestidge für sein sehr facettenreiches Spiel, das manchmal ziemlich metaluntypisch ist, aber trotzdem kraftvoll wirkt. Die Gänsehaut kommt dann das erste Mal bei 'Sorcerers', meinem geheimen Liebling auf "Angel Witch". Erwartetermaßen nimmt dieses Kultalbum den Löwenanteil der Songs ein, auch wenn ich zugeben muss, dass mir 'Dr. Phibes' oder 'Baphomet' nicht allzu sehr im Ohr hängengeblieben sind. So kann ich diese Songs auch erst einmal nicht zuordnen, als sie in der Folge live gespielt werden. Macht aber nix, vor allem weil sich Meister Heybournes Miene immer mehr aufhellt. Worte an das Publikum, das seine Musik dankbar aufsaugt, richtet er aber dennoch nicht.
Gegen Ende des Gigs kommen dann auch die Songs, auf die hier jeder wartet. Ganz stark der 'Angel Of Death', den insbesondere Nives sehr abfeiert und natürlich der Partysong, den jeder kennt und jeder lauthals mitsingt: "You're an Angel Witch, You're an Angel Witch..." Meine Erkältung ist wie weggeblasen!
Setliste: Death From Andromeda; Atlantis; Dead Sea Scrolls; We Are Damned; Sorcerers; White Witch; Dr. Phibes; Angel Of Death; Baphomet; Angel Witch
Im Vorfeld fragte ich mich, wie sich LUCIFER hier als Headliner schlagen wird? Oder andersrum, kommen die Leute heute tatsächlich in erster Linie wegen Johanna Platow Andersson (ehemals Johanna Sadonis) und ihren Mannen?
Nun, als die Band mit 'Ghosts' loslegt, ist die Backstage-Halle immer noch voll und scheint auch noch gut in Stimmung zu sein. Musikalisch ist LUCIFER schon eine andere Baustelle und der Mix aus Retro-Rock, Blues, Doom und etwas Pop könnte für den einen oder anderen alten Hexer doch auch etwas langweilig wirken. Doch ähnlich wie meiner einer kommen die Leute hier gut zurecht und man muss den Teufelchen zu Gute halten, dass sie am heutigen Abend den besten Mix und auch den überzeugendsten Gitarrenklang haben. Und den einen oder anderen schmissigen Song können sie dann auch anbringen. Besonders angetan war eine Zuschauerin von 'Crucifix (I Burn For You)', die zu diesem Song neben mir völlig ausrastete, bei allen anderen Songs aber eher "nur" interessiert zuhörte. Lustig. Ich war auch schon ziemlich früh glücklich, denn 'At The Mortuary' ist mein kleiner LUCIFER-Hit vom neuen Album "Lucifer V", das wir vor Kurzem auch therapiert haben. Von jenem gab es auch die anderen Highlights, die schon einen gewissen Charme haben.
Und dennoch bin ich immer noch nicht hundertprozentig von Mrs. Anderson als Sängerin überzeugt. Ihre Stimme braucht schon viel Effekt und scheint bisweilen gedoppelt zu sein, so dass ein paar böse Zungen hier sogar das Wort "Playback" in den Mund nehmen. Sagen wir mal so: Was bei ANGEL WITCH ein bisschen zu wenig war, ist bei LUCIFER ein wenig zu viel. Und so gebe ich zu, dass ich am Schluss kräftemäßig doch etwas ins Wanken komme und dem Ende entgegenfiebere, diesmal wohl im wahrsten Sinne des Wortes. Gelohnt hat es sich aber allemal, denn alle drei Bands waren sehenswert!
Setliste: Ghosts; Midnight Phantom; At The Mortuary; Crucifix (I Burn for You); Leather Demon; The Dead Don't Speak; A Coffin Has No Silver Lining; Wild Hearses; Slow Dance In A Crypt; Bring Me His Head; Maculate Heart; California Son; Reaper On Your Heels
Fotos: Nives Ivic
- Redakteur:
- Thomas Becker