Wacken Open Air 2002 - Wacken
16.08.2002 | 14:1901.08.2002,
SAMSTAG - W.E.T.-Stage
VICTIMS OF MADNESS
Die Geschichte von VICTIMS OF MADNESS ist schnell erzählt: Ein paar Poster des Wacken-Forums beschlossen eine Band zu gründen und dieses Jahr auf dem Campingplatz einen kleinen Gig abzuliefern. Das Angebot der Wacken-Veranstalter, gleich auf der W.E.T.-Stage zu spielen wurde angenommen, und so trafen 14 Musiker, die im ständigen Wechsel von der Bühne auf- und absprangen, um 12 Uhr mittags ein, um ein sehr ansehnliches Publikum zu begeistern. Da sich die Mitglieder von VICTIMS OF MADNESS größtenteils noch nie gesehen hatten, lebte dieser Auftritt von Spontaneität und Improvisation. Und was macht eine "Band", die noch nie zusammen gespielt hat? Genau... Sie covert den BLACK SABBATH-Klassiker "Paranoid". In ständig wechselnder Besetzung spielte man sich durch die gesamte Metal-Geschichte und nahm sich neben "Iron Man" auch "Enter Sandman" und "Highway To Hell" sowie einige Songs aus dem Death Metal-Sektor vor, die allerdings grösstenteils aus quälenden Rückkopplungen bestanden und unerkennbar blieben. - Fazit: VICTIMS OF MADNESS sorgten für eine ordentliche Stimmung und zelebrierten einen äußerst amüsanten Gig. Hier kann man auch leicht über die vollkommen verpatzten Soli bei "Paranoid" und "Highway To Hell" hinwegsehen.
[Christian]
CENTRE OF GRAVITY
Reichlich zerknautscht startete ich meinen W:O:A-Tag gemütlich sitzend im Zelt, das wie zu erwarten gähnend leer war, zumal CENTRE OF GRAVITY nicht gerade durch Bekanntheit lockten. Die Russen boten eine sehr experimentelle, nicht leicht zugängliche Stilmischung aus Doom, Black und Gothic Metal, unterstützt von einem schmächtigen Grunter mit überraschend kräftiger Stimme und einer Frontfrau, deren beeindruckender Gesang sämtliche Spektren von tief und kraftvoll bis Sopran abzudecken wusste. Der Auftritt selbst war unverkrampft und eher von Clubatmosphäre geprägt, aber leider auch etwas unausgeschlafen, der durch die wenigen Besucher und deren offensichtliche Restmüdigkeit verständlicherweise nicht gerade aus der Reserve gelockt werden konnte. Einige technische Bremsen kamen anfangs noch hinzu, die Crew war wohl auch noch im Halbkoma. Durch düstere Atmosphäre und so manche schrägen Klänge war die Stilwahl als Wachmacher etwas überfordernd, was eigentlich schade war, da ich der Band diese Experimentierfreudigkeit eher zugute halten möchte. Das Ganze wirkte wie das Herunterspielen ihres Debüts, sehr konzeptionell, aber wenig spontan. Interessant, aber nicht beeindruckend in der Summe. Abgesehen von dem steifen Gezappel der ganz ansehnlichen Sängerin waren übrigens auch die hell erleuchteten Scheinwerfer bei prallem Tageslicht reichlich überflüssig, aber darauf schien die Orga dieses Jahr zu stehen, denn auch die Feldfluter auf dem Campinggelände waren rund um die Uhr erleuchtet. Womit ich vom Thema abkomme und deshalb ins Studio übergebe. Zurück zur Werbung.
[Andreas]
KALMAH
KALMAH hatten mich mit ihrem letzten Album bereits überaus begeistert, und deshalb wunderte ich mich zum einen, dass sie auf die Winzigbühne des Festivals zu einer absolut mauen Zeit verbannt wurden, erwartete andererseits aber dennoch sattes Programm und Mosh-Futter. Und da wurde ich nicht enttäuscht. Die Halle war um einiges besser gefüllt als noch bei den reichlich unbekannten Vorgängern CENTRE OF GRAVITY, was sich auch sofort in drückenderer Luft bemerkbar machte. KALMAH schienen ihren Fanclub und jede Menge Stimmung mitgebracht zu haben, denn überraschenderweise waren die Zuschauer regelrecht aus dem Häuschen und voll dabei. Für das Auge der anwesenden Genießerinnen gab es vier entblößte jugendliche Leiber auf der Bühne zu begaffen, und auf die Ohren gab es eine unverkennbare melodische und dennoch aggressiv nach vorn metzelnde Mischung aus Black, Death und Pagan Metal. Der Sound ließ nichts zu wünschen übrig, Drums und Gitarrenarbeit kamen gut zur Geltung, die Keyboards hielten sich leider etwas im Hintergrund und das schmächtige Stimmwunder wusste zu begeistern. KALMAH zeigten auch live, dass in Death und Black verwurzelte Mucke sich keineswegs auf unartikuliertes Geschrebbel reduzieren muss und wussten die Zuschauer mit Musik und dynamischer Bühnenpräsenz bei den Metallermatten zu packen. Eine geradezu erstaunlich ausgelassen köchelnde Stimmung machte dem erschlagenden Wetter Konkurrenz und trieb uns den Schweiß auf die Stirn, auch wenn dank der schwülen Wärme die körperliche Aktivität sparsam blieb. Ein absolut satter Auftritt, der so richtig schön zum gepflegten Ausrasten eingeladen hätte, wenn die Hitze nicht den Großteil aller Energie aufgesogen hätte. Begeisterte Zugabebettelei allerdings blieb ohne Effekt, was nicht weiter verwundert bei der ohnehin wackligen Zeitplanung des Festivals.
[Andreas]
HOLLENTHON
So mancher Fan wird erleichtert aufgeatmet haben: Martin Schirenc verzichtete auf sein PUNGENT STENCH-Outfit bei dem Auftritt mit seiner Hauptband HOLLENTHON. Dafür war es im Zelt mal wieder ziemlich warm und der Sound war auch eher mal nicht so toll. Was nützt mir eine fette Gitarrenwand, wenn die zu undifferenziert klingt? Das war aber auch das einzig Negative, ansonsten klappte das Zusammenspiel Band - Samples ziemlich gut. HOLLENTHON bewiesen wieder einmal ihre Klasse und ließen eine Band wie THERION dagegen ganz schön alt aussehen. Bei HOLLENTHON geht die Einbindung von klassischen Elementen halt nicht zu Lasten von fetter, metallischer Power. Und Tracks wie "Woe To The Defeated", "Conspirator" oder das coole "To Kingdom Come" sind eh über jeden Zweifel erhaben. Da auch die Fans im gut gefüllten Zelt den Gig ordentlich bejubelten, kann man locker von einem gelungenen Auftritt von HOLLENTHON sprechen. Hoffentlich bleibt uns die Band noch lange erhalten!
[Herbert]
VISION DIVINE
Nachdem ich mich mit dem letzten Album dieses sich entwickelnden Projektes von Olaf Thörsen (LABYRINTH) und Fabio Lione (LABYRINTH, RHAPSODY) intensiver beschäftigt und mich mit Olaf darüber unterhalten hatte, war mir musikalisch natürlich klar, was ich von dieser noch immer nicht so recht bekannt gewordenen Band zu erwarten hatte, aber live waren sie auch für mich Neuland. Ich wunderte mich schon ein wenig, dass so zugkräftige Namen und durchwegs gute Kritiken der letzten beiden Alben nicht reichten, um VISION DIVINE einen etwas günstigeren Ort als die kleine Zelt-Stage zu verschaffen. Dass es dem Metal-Projekt jedenfalls nicht schadet, mit Fabio als Frontmann zu glänzen, wurde schon klar, als dieser beim Soundcheck kurz die Bühne betrat und lautstarker Jubel in der akzeptabel gefüllten Zelthalle losging. Der Sound selbst war dann leider etwas überdreht, so dass Fabio dank Stimmgewalt gerade so darüber zur Geltung kommen konnte. Aber für satte Stimmung sorgten die Italiener allemal, das Publikum ging begeistert mit. Für meinen Teil waren nur zu wenige griffige Passagen dabei, die Mitgröhl-Refrains fehlten etwas. Der Metal von VISION DIVINE ist nicht unmittelbar zugänglich, was für die Live-Atmosphäre nicht so glücklich war. Die charismatische Präsenz und die Stimmgewalt von Schönling Fabio half dann auch über so manche eher unscheinbare Passage des musikalischen Werkes hinweg. Ein guter Auftritt, gute Live-Präsentation, aber das magische Etwas fehlte mir noch irgendwie.
[Andreas]
DREAM EVIL
Ehrlich gesagt kannte ich die Band DREAM EVIL vor diesem Gig nicht besonders gut, und der einzige Grund, weshalb ich mir diese Band überhaupt angesehen habe, war der griechisch-stämmige Gitarrist Gus G. Mit ihm habe ich vor ein paar Wochen ein Interview geführt - allerdings ging es dabei nicht um DREAM EVIL, sondern um seine "eigene" Band FIREWIND, die mir persönlich auch besser gefällt. Aber ich schweife ab... Auf alle Fälle stand ich nun vor der W.E.T.-Stage und wartete darauf, dass DREAM EVIL loslegen würden. Mit ein paar Minuten Verspätung ging es dann auch los und ein Intro erklang vom Band, bevor die fünf Jungs mit "Kingdom Of The Damned" in den Set einstiegen. Die Umstehenden schienen alle bestens mit dem Songmaterial vertraut zu sein, so dass im Zelt relativ schnell eine ganz ordentliche Stimmung herrschte. Da DREAM EVIL im Frühjahr ihr Debüt-Album "Dragon Slayer" veröffentlicht haben, auf das vom Sänger Niklas Isfeldt auch immer wieder hingewiesen wurde, war eigentlich ziemlich klar, dass sich die Setlist aus Songs von dieser Scheibe zusammensetzen würde. So war es dann auch, und es gab beispielsweise Songs wie "Save Us", "The Chosen Ones", "In Flames You Burn" oder auch "The Prophecy" zu hören. Musikalisch war das ganz ordentlich, was DREAM EVIL da zu bieten hatten (auch wenn ich da absolut nichts Innovatives feststellen konnte), aber vom Stage-Acting hätte man schon ein bisschen mehr erwarten können. Die anderen Leute um mich herum - überwiegend wohl Schweden - schien das aber nicht zu stören, denn sie feierten die Band gnadenlos ab, und als dann zum Abschluss des Gigs mit "Heavy Metal In The Night" eine richtige Hymne kam, gab es sowieso kein Halten mehr. Da die Beifallstürme anschließend so überwältigend ausfielen, kamen DREAM EVIL sogar nochmal zurück auf die Bühne, um mit "Hail To The King" noch eine Zugabe zu spielen. - Unterm Strich boten DREAM EVIL eine solide Leistung, denn der Gig hat mir ganz gut gefallen, auch wenn er mich nicht wirklich vom Hocker gerissen hat. (Ganz amüsant fand ich noch, dass der Drummer Snowy Shaw so aussah wie Scott Columbus (MANOWAR) in blond - die beiden werden doch nicht verwandt sein?!? ;-))
[Martin]
SUIDAKRA
Ganz klar - SUIDAKRA muss ich sehen! Kaum eine zweite deutsche Band hat sich auf dem Sektor Melodic Death / Black Metal über die Jahre hinweg so nach oben gespielt wie die Mannen um Mainman Arkadius. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, da erstklassige Alben und mitreißende Live-Shows über kurz oder lang einfach zum wohlverdienten Erfolg führen müssen. Leider nicht ganz pünktlich versuchte ich mir dann auch meinen Weg ins Zelt (W.E.T.-Stage) zu bahnen, was in Anbetracht des höllischen Andrangs nicht unbedingt leicht war, sich aber im Nachhinein als absolut lohnenswert herausstellte. Durch unglaubliche Bewegungsfreude, starkes Songmaterial, leider aber wenig überzeugenden Sound, da für meine Begriffe etwas zu höhenlastig, wurde das Publikum innerhalb der Dreiviertelstunde (in meinem Fall etwas weniger) ein ums andere mal zu Höchstleistungen angespornt, und dieses ließ sich natürlich auch nicht lange bitten. Man merkte der Band jedenfalls an, wie viel Spaß sie an diesem Abend in Wacken hatte. Daumen hoch für einen wirklich sehr kurzweiligen und äußerst intensiven Auftritt der SUIDAKRA-Jungs!
[Oliver]
MÖRK GRYNING
Zur Abenddämmerung ging es im gut besuchten Zelt weiter mit MÖRK GRYNING, die mir bislang noch nicht viel sagten. Ein schickes, düster-nebulöses Intro vom Band kündigte den Einzug der Gladiatoren an und hernach begann das schwarzmetallene Gemetzel mit gewitterschwerer Lichterattacke und Sperrfeuer an allen Waffen. Die Norweger pflegten ihren ausgefeilten Black Metal durch filigrane Spielereien und atmosphärische Ingredenzien zu verfeinern, allerdings kam live hauptsächlich Druck auf voller Breite an. Das gebotene Menü bestand aus Knüppelattacken, griffig-schmissigen Passagen im oberen Geschwindigkeitsbereich, düster-atmosphärischen Verfeinerungen und vor allem einem Brett an Stimmung und abfeiernden Publikumsreaktionen. Zwar konnte auch hier von einer Show nicht wirklich die Rede sein, aber den Anwesenden wurde gehörig eingeheizt, und das ist es letztlich, was live den Schwerpunkt bildet. Respektvolles Kopfnicken von meiner Seite.
[Andreas]
NIGHTMARE
Vor dem Auftritt von NIGHTMARE stellte ich mir nochmals die Frage, ob es wirklich klug war, auf den Auftritt von BLIND GUARDIAN zu verzichten. Nach dem Auftritt der französischen Power-Metaller war ich sogar froh, dass ich mir BLIND GUARDIAN nicht irgendwo eingezwängt angesehen habe. Was die Jungs um den agilen, jederzeit positive Power en masse versprühenden Sänger Jo Amore boten, hatte ich in dieser Form nicht erwartet. Astreiner melodischer Power Metal, fernab von allen zweitklassigen HELLOWEEN-Klonen, immer geschickt die Balance zwischen coolen Melodien und harten Riffs haltend. Songs wie der eingängige Kracher "Cosmovison", das ebenfalls sehr gute "Lord Of The Sky" oder "Behold The Nighttime" waren wirklich erste Sahne und wurden von den wenigen Fans frenetisch bejubelt. Die Stimmung war jedenfalls trotz der wenigen Banger absolut klasse, zumal der Sound nach den ersten drei Songs richtig gut wurde. Eine richtig geile, positive Überraschung! Insofern ist es ein Witz, eine Band wie NIGHTMARE, die immerhin auch schon in den Achtzigern aktiv war, auf der W.E.T.-Stage zu dieser Zeit spielen zu lassen.
[Herbert]
BLITZKRIEG
Ich war mir vor dem Auftritt sicher: An das Niveau von NIGHTMARE würden die abgehalfterten NWoBHM-Recken BLITZKRIEG nie im Leben herankommen. Tja, und schon wieder wurde ich positiv überrascht. Brian Ross ist immer noch fit wie eh und je und sang dabei absolut fantastisch. Seine Begleitband profitierte von einem astreinen Sound und zeigte auch sonst keine Alterserscheinungen - ganz im Gegenteil, die Jungs waren fast ständig in Bewegung oder am Bangen. Das Coolste am Set waren aber die Songs: Es spricht ganz eindeutig für BLITZKRIEG, das der wohl bekannteste Song, nämlich "Blitzkrieg" (woran wohl eine ehemalige Metal-Band mit ihrer Cover-Version nicht ganz unschuldig ist - Martin), keinesfalls herausstach, sondern nur ein guter Song unter vielen war. Neben altem Stoff wie dem schon erwähnten "Blitzkrieg", "Unholy Trinity" und "Inferno" spielten BLITZKRIEG mit "Legion", "We´ll Rock Forever", "Metalizer" (BLITZKRIEGs Tribut an JUDAS PRIEST), "Dark City" und "Feel The Pain" auch eine ganze Reihe Songs vom demnächst erscheinenden neuen Album. Die spärlich vorhandenen Fans feierten die Band trotzdem und völlig verdient ohne Ende und brüllten BLITZKRIEG sogar noch zu einer Zugabe zurück. Ein richtig cooler Auftritt - in dieser Verfassung ist mit BLITZKRIEG wieder zu rechnen!
[Herbert]
- Redakteur:
- Martin Schaich