Wacken Open Air 2012 - Wacken

17.09.2012 | 20:51

01.08.2012,

Das altbewährte Motto 'Rain or Shine' - treffsicherer hätte es dieses Jahr nicht sein können. Wie innerhalb weniger Tage das weltweit beliebteste Metalfestival im Schlamm versinken konnte, klärt sich hier auf Powermetal.de!

Freitag

Die Mittagssonne lässt grüßen und nicht wenige lassen sich lumpen, um den Herren aus Arizona Tribut zu zollen. Eine der besten Underground-Kapellen auf diesem Planeten eröffnet die True-Metal-Stage am Freitag. So entern SACRED REICH mit ihrem mehr als charismatischen Frontmann Phil ihr Set mit dem brutalen 'Death Squad', ehe mit 'Love...Hate', dem bestens vorgetragenen 'I Don't Know' und dem Banger 'One Nation' die Massen zum Kochen gebracht werden. Der Sound drückt, die Riffs sitzen wie eine Eins, die Drums fräsen sich tief ins Mark und der sich als Disney-Fan outende Phil legt mit 'Ignorance', 'The American Way' und 'Crimes Against Humanity' einen Brecher nacheinander vor. Beendet wird die Stunde feinstes Thrashes schließlich mit 'Independent' und dem obligatorischen 'Surf Nicaragua'. Das Ami-Quartett wird gefeiert, unterstreicht einmal mehr ihren immensen Status und macht Appetit auf eine durchaus längere Spielzeit.

[Marcel Rapp]

Freitag Morgen. Es ist unfassbar heiß – die Frisur sitzt nicht mehr. Ob es Dero wohl anders geht, wenn er von 'Unzerstörbar' singt? Na, womöglich meint er doch eine andere Thematik. Wie dem auch sei: OOMPH! sind mit neuem Album ''Des Wahnsinns fette Beute'' an der Front und setzen diese Saison alles auf Provokation und Verwirrung. So kommt es, dass alle Mann in Seemanskleidung an Bord gehen. Dero, der sich ein bizarres Make Up zugelegt hat, läuft verstört und psychotisch von einem Bühnenende zum anderen und schüttelt deftige Witze aus der Hüfte. Nach 1997 und 2006 bereisen sie heute zum dritten Mal das WOA. Zitat Fan: „Ja ja, die gibt's schon ewig.“ Gerockt werden darf unter anderem zu 'Labyrinth', 'Mein Schatz', dem Justin Biber gewidmete 'Bis der Spiegel zerbricht', und 'Träumst du', bei dem es wie auf einer Hüpfburg zugeht, bevor Dero eine Erklärung dafür abgibt, warum alle Metaller Lederhosen und Nietenbänder tragen – Rob Halford sei die Antwort (Dero ruft zum Googlen auf), dem nun das folgende 'Kleinstadtboy' gewidmet wird. Kann man machen!

[Nadine Ahlig]

Es wird dramatisch, episch und anspruchsvoll. Doch die verschwindende Sonne und die drohenden Gewitterwolken verheißen nichts Gutes, so dass nur ein Teil des KAMELOT-Gigs besprochen werden kann, der mit 'Rule The World' und 'Ghost Opera' einen verheißungsvollen Beginn bekommt. Der neue Mann am Mikro, Tommy Karevik, macht derweil einen ordentlichen Eindruck, obwohl ein Roy Khan nur schwer zu ersetzen ist. Eine beachtliche Menge lässt sich von dem drohenden Monsunregen nicht abschrecken und feiert Stücke wie 'Center Of The Universe', das schmissige 'When The Lights Are Down' und 'Forever' klatschend ab. Mit dem Sound gibt es auch nicht annähernd jene Probleme, die den letzten Acker-Auftritt der Amis mit einem faden Beigeschmack würzten. Dafür ist diesmal der Himmel zuständig, obwohl es an der motivierten und engagierten Haltung KAMELOTs nichts auszusetzen gibt. Es wurde also typisch für die Truppe: Denkwürdig.

[Marcel Rapp]

Nach dem Blitz ist vor dem Blitz, doch dieser ist durchaus gewollt, kommt aus New York und legt mit seinen vier Mitstreitern von OVERKILL ein Trommelfeuer erster Güte ab. Mit "The Electric Age" im Gepäck schmiegen sich das eröffnende 'Come And Get It', 'Electric Rattle Snake' und das kraftvolle 'Safe  Yourself' bestens ins Songgefüge. Der Sound ist besser und der Boden matschiger als erwartet, dennoch versammelt sich ein Großteil vor der Bühne, um auch alte Klassiker der Marke 'Wrecking Crew', 'Elimination', 'Ironbound' und 'In Union We Stand' zu feiern. 'Hello From The Gutter' und 'Old School' lockern das Set merklich auf, ehe die ambitionierte und bis in die Haarspitzen motivierte Truppe mit 'Rotten To The Core' und dem Statement 'Fuck You' ihre Anhängerschaft entlässt und beinah überall zufriedene Gesichter hinterlässt.

[Marcel Rapp]

Nun steht erst einmal ein saftiger Wolkenbruch auf dem Programm. Wer glücklich ist, findet ein Auto, wer Pech hat, dem fliegt der Pavillon weg. Nach einer etwa halbstündigen Apokalypse hat sich der Himmel zwar beruhigt, jedoch auch einen ordentlichen Saustall hinterlassen. Ab jetzt beginnt die Schlammparty, die nun von Stunde zu Stunde schlimmer und letzten Endes sogar in einer vermeintlichen Wegfahrsperre enden sollte. Doch davon wissen wir noch nichts und schleppen uns erst einmal zu THE BOSSHOSS, die heute das WOA Line Up zum dritten Mal verzieren. Mit großen Hüten, Trompetern und Kontrabass wollen sie Cowboy-Stimmung aufkommen lassen. Nach Krachern wie 'Rodeo Radio' oder 'Keep on Dancing' ist Fronter Boss Burns selber schon völlig durcheinander: "Wir sind sicher 200.000 Leute hier." Na ja, nicht ganz. Sogar die Zigarettenverkäufer drehen frei als Mundharmonika und Stylophone ausgepackt werden. Ob sich das wohl auch auf die Fans auswirkt oder liegt es an Boss Burns Englisch, dass die Fans immer genau dann jubeln, wenn sie dazu aufgefordert werden still zu sein, und andersherum? Gut, als er verlangt, sich nun in versammelter Mannschaft auf den Boden zu setzen, ist klar, dass alle sich diesem widersetzen – immerhin könnte der Boden nicht aufgeweichter sein. Dann wird eben die bandeigene Kamera ausgepackt und das Volk beim Tanzen aufgenommen – was bei 'Don't Gimme That' auch kein Problem darstellen sollte.

[Nadine Ahlig]

Die Tech-Deather von DECAPITATED sind live einfach die Abrissbirne schlechthin! Dass sich das rumgesprochen hat, beweist der große Publikumsandrang. Nadelstich-tight feuern die Polen ein grandios-brutales Todesfeuerwerk nach dem anderen ab, dazu stellt Drummer Kerim definitiv einige Geschwindigkeitsrekorde des Festivals auf. 'Post Organic' oder das obligatorische 'Spheres Of Madness' riffen alles in Grund und Boden. Der Wahnsinn!

[Jakob Ehmke]

Ich vermute mal, dass sich viele im Vorfeld der OPETH-Show fragten, ob der Death Metal zurückkehrt, oder ob doch der Retro-Prog des aktuellen Albums vorgezogen wird.
Den Anfang macht erwarteter Weise 'Devils Orchard' vom aktuellen Album "Heritage". Es scheint zunächst so, als ob sich daran auch nichts ändern würde, bis Frontmann Akerfeldt eine 25-Minuten Version von 'Winds Of Change' zu Ehren von den SCORPIONS "androht". Und dann kommt er doch und legt einen fulminanten Siegeszug hin: Der Death Metal. Songs wie 'The Grand Conjuration', 'Demon Of The Fall' und 'Heir Apparent' sind wahre Prog-Death-Perlen, dazu liefert die Natur ein schönes Farbschauspiel aus Regen und Sonne, ganz groß! Den Abschluss macht der zehnminütige Smash-Hit 'Deliverance'. Ganz klarer Festivalfavorit für mich!

[Jakob Ehmke]

Episch wird es nun mit HAMMERFALL, die genau vor 15 Jahren zum ersten Mal auf dem Wacken Open Air gespielt haben. Pünktlich zum Sonnenuntergang gibt es 'Patient Zero' und 'Heeding the Call', die gleich zu Beginn der Show alles zerfetzen. Es soll ja Auftritte geben, bei denen die Schweden etwas schwächeln. Doch gehört der heutige Auftritt mitnichten dazu. Mit 'Any Means Necessary' und 'Blood Bound' werden sich die Schuppen von der Hirnhaut gerockt und alle Nervenzellen in Schutt und Asche gelegt. Nach diesem Schleudertrauma droht nun eine Zeitreise zurück zum ''Glory to the Brave''-Album, um mit 'Steel Meets Steel' alles zu vernichten. Rauchfontänen steigen auf. Joacim: "Wer sieht HAMMERFALL heute zum ersten Mal? – Was habt ihr denn die letzten 15 Jahre gemacht?" Er erinnert daran, dass die Show im Fernsehen übertragen wird und fordert nun zu einer bahnbrechenden Unterstützung bei 'Let the Hammer Fall' auf! Während sich die Black Stage schon langsam mit DIMMU BORGIR-Neugierigen füllt, kündigt Joacim eine kleine Pause bis 2014 an. Doch auch das werden wir überleben. 'Hearts On Fire' zum Abschied, Feuerwerk, ein bisschen Motzen, dass es schon wieder vorbei ist und dann ab zur Black Stage...

[Nadine Ahlig]

Bombastisch, bombastischer, DIMMU BORGIR mit Orchester! Bereits zum fünften Mal auf dem Wacken, präsentieren DIMMU BORGIR heute zusammen mit dem tschechischen Nationalorchester, inklusive einem Chor, ganz extravagante Versionen ihrer Songs. Und die klingen sogar richtig gut, obwohl ihre Songs bereits eher latent überladen sind. Das Orchester ist auch voll dabei und keineswegs verklemmt, mosht mit sofern es die Koordination zulässt und alle haben sichtlich Spaß an der Sache.'Chess With The Abyss', 'Progenies Of The Great Apocalypse', 'Kings Of The Carneval Creation' und das in Landessprache gehaltene 'Vredysbyrd' kommen sehr monumental. Durch ein reales Orchester können die Songs zum neuen Leben erwachen und entledigen sich von haufenweisen Samples. Dazu ist das Orchester gut in den Gesamtmix integriert, übertönt aber auch nicht die Band – was bestimmt auch kein leichtes Unterfangen war. Den Double-Bass-Overkill bei 'The Chosen Legacy' schafft Drummer Darek "Daray" Brzozowski ohne große Anstrengungen, das griffige 'Puritania' sorgt für fliegende Haare. Experiment gelungen! Bleibt nur zu hoffen, dass die Show auf DVD demnächst zu haben ist.

[Jakob Ehmke]

Nachdem ein Schlammspringer in einem riesigen Schlammloch vor der Partystage den wartenden Zuschauern die Zeit vertrieb, betreten mehrere Wikinger über ein großes Langboot die Bühne, LEAVES' EYES beginnt endlich mit der Show. Direkt hinter den Wikingern kommen nun auch die Musiker auf die Bühne. Zur Begrüßung gibt es mit 'Njord' das Intro schlechthin, gefolgt von einer Mischung an Liedern, in denen Liv fast alleine singt und kräftigen Duetts mit Alexander.

[Philipp Heil]

Auf zu IN FLAMES, deren Show heute Abend etwas ganz Großes werden soll. Nach einem Husten-Intro springen die 3D-LEDs an. Während das Intro 'Jester's Door' ertönt, sieht man ein Klavier in mittlerer Höhe auf der Bühne. Ein paar Sekunden dauert es, bis man merkt, dass das Klavier nicht in der Luft hängt, sondern einfach nur ein 3D-Effekt ist. Mit dem sich anschließenden 'Cloud Connected' wird der Acker auseinandergenommen. Die Haare werden sich förmlich von der Kopfhaut gebangt. Jedes Wort wird mitgesungen und unfassbar gejubelt. Unbeschreiblich, welche Stimmung hier entsteht! Anders, der heute super drauf ist, einen Witz nach dem anderen reißt und sich vorm Feuer erschreckt, ist gerührt von dem extremen Zuspruch der Fans. Darauf folgt 'Only for the Weak', welches unsagbare Gänsehaut aufkommen lässt, bevor 'Quiet Place' den Laden auseinandernimmt. Fetter Sound, fette Setlist – ein absolut perfekter Auftritt, welcher die Katastrophe von vor zwei Jahren gänzlich vergessen lässt. Man erinnere sich: Damals hatten die Schweden maximale Soundprobleme, welche einem kompletten Desaster gleichkamen. 'The Chosen Pessimist' vom Album "A Sense of Purpose" lässt mit Funken, die von den Wänden prasseln, wundervollste Romantik aufkommen. Von nun an wird die Lichtshow verändert und unsagbare Glitzerfeuerwerke aufgefahren – auf der Bühne, vor der Bühne und sogar hinter der Bühne. Alles starrt mit aufgeklappter Fresslade nach oben, während Anders, der Schelm, dem Kameramann die Kamera klaut und damit Unfug treibt. Absolutes Highlight des diesjährigen Festivals!

[Nadine Ahlig]

Grade hört man noch das Intro "Dieser Stern hat sieben Zacken, sieben Funken, sieben Macken", schon betritt IN EXTREMO mit dem gefühlt größten Aufgebot an Flammenwerfern die Bühne und legt gleich richtig los. Wie man es von ihnen kennt, hauen sie einen Kracher nach dem anderen raus, darunter überraschend viele alte Lieder wie 'Omnia Sol Temperat' und die Evergreens 'Spielmannsfluch', 'Küss Mich' und zum Schluss als Abschied 'Villeman Og Magnhild'. Ein gelungener Abschluss für die Black Stage an diesem Tag.

[Philipp Heil]

Die kanadischen Powermetaller von KOBRA AND THE LOTUS um Frontfrau Kobra geben sich gegen Mitternacht die Ehre, ihr Wacken-Debut auf der Headbangers Stage zu spielen. Die Band fährt mit einem hohen Energiepotential auf, dazu läuft Madame wie angestochen umher und rotiert wild mit dem Kopf. Sowieso ist die Dame – wie sollte es anders sein – Dreh- und Mittelpunkt des Geschehens, die "Shakira!"-Ausrufe sind durchaus angemessen. Kein Wunder also, dass der Vorraum schnell gefüllt ist. Das Cover von 'Heaven And Hell' kommt richtig gut, aber auch eigene Songs wie '50 Shades Of Evil' werden überzeugend präsentiert und gut aufgenommen. Das selbstbetitelte Debutalbum wurde soeben (03.08.2012) veröffentlicht, wer auf wuchtigen Power Heavy Metal mit einer starken Frontfrau steht, sollte unbedingt reinhören!

[Jakob Ehmke]

Eine Weltpremiere bildet den freitäglichen Abschluss der Party-Stage. ATHONITE sind angekündigt, ein ambitioniertes Projekt des Pianisten David Bonk. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht nicht einfach nur Metal mit Klassik zu kombinieren, sondern einige klassische Stücke völlig neu mit Gitarre etc. zu arrangieren. Ob wegen der späten Stunde oder des Schlamms doch nur eine recht überschaubare Menge an Zuschauern daran teilhaben möchte, lässt sich nicht sagen, aber diejenigen, die da sind, bereuen es keine Sekunde. Denn von Anfang an hat man das Gefühl, etwas wirklich Einzigartiges zu hören und zu sehen. Alles klingt, wie man so schön sagt, "wie aus einem Guss", als hätte Klassik sich noch nie anders angehört. Zu 'Königin der Nacht' stößt eine Sängerin mit fabelhafter Stimme dazu, die der Sache noch einmal den letzten Schliff verleiht. Das Publikum ist von der ganzen Sache fasziniert, feiert jedes Stück frenetisch und klatscht ausdauernd mit. Und so vergeht die Zeit wie im Fluge, während der berühmte 'Hummelflug' erklingt oder ein Stück aus der Oper 'Carmen'. Nach einer guten Stunde ist schon wieder Schluss und die Band wird mit sehr viel Beifall bedacht und verabschiedet. Ein gelungenes Experiment, von dem man hofft, dass es so mal wieder zu sehen sein wird.

[Matthias Köppe]

Der melodisch-melancholische Death Metal der Finnen von INSOMNIUM kommt genau richtig um 1 Uhr morgens. Die Uhrzeit tut dem Besucherandrang aber keinen Abbruch, auch bei der Band sind keinerlei Ermüdungsanzeichen zu erkennen. 'Unsung' vom neuen Album "One For Sorrow" wird mit einigen Moshpits bedacht, insgesamt eine intensive Show!

[Jakob Ehmke]

Der Post-Metal von GHOST BRIGADE walzt sich aus den Boxen, direkt in die Gehörgänge der Zuschauer zurecht. Zwei Uhr morgens steht der Kombo auf jeden Fall sehr gut – man ist müde, möchte aber nicht ins Zelt kriechen. Die brachialen Doom-Wände werden von schönen Klargesängen und einer tollen Lichtshow durchbrochen. Das aktuelle Album "Until Fear No Longer Define Us" ist schon toll, live können GHOST BRIGADE noch mehr Akzente setzen.

[Jakob Ehmke]

Redakteur:
Nadine Ahlig

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