With Full Force 2004 - Roitzschorja

17.08.2004 | 14:49

02.07.2004, Flugplatz Roitzschorja

With Full Force 2004

SAMSTAG, 03.07.2004

MAINSTAGE

EKTOMORF
Oh, wie ist das unangenehm, nach durchzechter Knüppelnacht zu noch nachtschlafender Zeit (14.45 Uhr) zu EKTOMORF zu müssen. Aber logisch, das ungarische Kraftpaket lässt man sich natürlich auf keinen Fall entgehen, da muss halt das Frühstück noch ein wenig warten. Und EKTOMORF dankten es mit einer äußerst aggressiven Performance, bei der besonders die Songs der neuen Wuchtbrumme "Destroy" (die nicht passender betitelt sein könnte), wie das geniale 'Gypsy', hervorstachen.
Zu dem verhältnismäßig frühen Zeitpunkt hatte sich schon eine recht ansehnliche Schar versammelt und die zeigte dann auch gleich, warum sie gekommen war. Rauchschwaden stiegen vor der Bühne auf und der Bang- und Moshfaktor war schon ziemlich hoch. EKTOMORF machten einen sehr überzeugenden Eindruck und es war definitiv eine gute Entscheidung gewesen, sich für die Ungarn aus dem Schlafsack gequält zu haben.
[Stephan Voigtländer]

CHIMAIRA
Eigentlich hatte ich mir von CHIMAIRA nicht viel erwartet. Das letzte Album war zwar cool, aber so richtig einschätzen konnte ich die Band nicht. Und die Vorgänger EKTOMORF hatte ich eh höher eingeschätzt. Da aber die Ungarn seltsamerweise etwas schwächelten, lag die Messlatte für die Amis nicht wirklich hoch. Umso überraschender, dass die Vertreter der New Wave Of American Heavy Metal (mit Nu Metal haben die Jungs kaum etwas zu tun) mal richtig abräumten. Es war zwar weniger los als vorher, das hielt die Band aber nicht vom Posen und Bangen ab. Die aggressive Show passte dabei perfekt zum modernen Metal der Band und Krachern wie dem wirklich geilen 'Eyes Of A Crmininal', dem mächtig abgehenden 'Power Trip' oder 'The Impossibility Of Reason'. Zeitweise wurden ordentlich Staubwolken aufgewirbelt, nur der Versuch von Sänger Mark "Metal Moses" Hunter, eine wall of death hinzubekommen, funktionierte nicht ganz. Nichtsdestotrotz eine mächtig aggressive, mächtig coole Show. Kommt bald wieder, Jungs!
[Herbert Chwalek]

ILL NINO
Als ich um 17 Uhr 20 erstmals am Samstag vor der Bühne stehe, seh' ich um mich herum zunächst nur ein paar Rastas und Nubis. Das ändert sich jedoch schlagartig, als der Soundtrack von "Bram Stoker's Dracula" zum Intro bläst. Und während ILL NINO über die Bühne stampfen, weitet sich der Moshpit in der nun größeren Menschenmenge immer weiter aus. Eine große Staubwolke zieht zu dem zwischen P.O.D. und SOULFLY angesiedeltem Sound über den Platz. Neben Bassist Laz sorgt vor allem Sänger Christian für gute Laute und animiert die Menge zum Teufelsgruß, Mittelfinger oder Faust-in-die-Luft-Strecken. Vor allem 'Te Amo...I Hate You' oder 'How Can I Live', der Hit des letzten Albums "Confession", kommen gut an. Mit "God saves you all, smoke weed!" verabschieden sich die Südamerikaner nach 40 Minuten. Schade, dass SOULFLY erst Sonntag Abend spielen.
[Carsten Praeg]

GRAVE DIGGER
Zehn Minuten später als geplant gingen GRAVE DIGGER auf die Bühne. Und hatte es vorher geregnet, so hörte es beim Intro zu 'Rheingold' auf, was bewies, dass Petrus GRAVE DIGGER-Fan ist. Bei 'The Grave Dancer' kam beim Publikum so etwas wie Stimmung auf, die sich auch auf die folgenden Songs übertrug. Kurz vor der Ansage zu 'Excalibur' grunzte Chris Boltendahl Death-Metal-like mit den Worten "Das kann ich auch" ins Mikro. Mein persönliches Hightlight war 'Valhalla', was auch für die kleine, aber fanatische Fan-Gemeinde der Fall war. Schon vor dem letzten Song 'Heavy Metal Breakdown' prasselte der Regen auf die Menge. Nicht nur Petrus hatte die Band verlassen, sondern auch die Veranstalter, die die Band knapp 15 Minuten vor dem eigentlichen Ende höflich, aber bestimmt von der Bühne schmissen.
[Tolga Karabagli]

FEAR FACTORY
Gespannt dufte man auf das Livecomeback von FEAR FACTORY sein, "Archetype" war ein deutliches Signal und eine Rückkehr zu alten Stärken. Trotz schlechten Wetters war es vor der Bühne ordentlich voll, als die Band mit 'Slave Labor' in ihren Set einstieg. Und alles war wie früher, das maschinelle Drumming, die harten, präzisen Riffs und der markante Gesang von Burton, das alte Feeling war in Sekundenschnelle wieder da. Neuzugang Byron war eine wuchtige Präsenz am Bass, während Altbasser Christian als Gitarrist Dino vergessen machte und ordentlich abging. Das erste Highlight war ganz klar der 'Demanufacture'/'Self Bias Resistor'-Doppelschlag, aber auch bei 'Edgecrusher' wurde fröhlich gepogt und gehüpft. Da auch der Sound in Ordnung war, von der Songauswahl, die mit 'Martyr' auch einen Song des Debüts beinhaltete, mal ganz zu schweigen, war das Comeback vollends gelungen. War gut, ist gut, bleibt gut.
[Herbert Chwalek]

SIX FEET UNDER
SIX FEET UNDER und das WFF - eine ewig währende Liebschaft. Die Groove-Deather um Frontröchler Chris Barnes kommen in Deutschland wohl nirgendwo so gut an wie in hiesigen Gefilden. Bereits letztes Jahr war die damals rausgeschmetterte deutsche Ausgabe des Titeltracks der aktuellen Scheibe - 'Bringer des Blutes' - eines der beliebtesten Gesprächs(!)themen auf dem Zeltplatz. Von diesem Auftritt wurde sogar die DVD "Live With Full Force" mitgeschnitten, die am 9. August auf die Fanschar losgelassen wurde.
Was allerdings schon ziemlich merkwürdig war: Da haben SIX FEET UNDER nach der etwas enttäuschenden "True Carnage"-Scheibe endlich wieder ein Killeralbum am Start, aber weder 'America The Brutal' noch 'Bringer Of Blood' (eigentlich die beiden großen Hits des Albums) wurden zum Besten gegeben, dafür aber immerhin 'Murdered In The Basement' und 'When Skin Turns Blue'. Ein leckeres Programm hatten die Jungs trotzdem zusammengestellt - zu Abrissbirnen wie 'Animal Instinct', 'Feasting On The Blood Of The Insane', 'The Day The Dead Walked' und 'Victim Of The Paranoid' tobte der Bär unter den SFU-Maniacs. Aber das absolute Highlight war dann doch das abschließende AC/DC-Cover 'T.N.T.', mit welcher Brachialität dieser Song über Roitzschjora hereinbrach, es war Wahnsinn.
Es gibt ja einige Leute, die den Stil von SIX FEET UNDER kritisieren, aber eines ist Fakt, live legen sie alles in Schutt und Asche. Quod erat demonstrandum...
[Stephan Voigtländer]

IGNITE (Hardbowl)
Headliner der Hardbowl war am Samstag eine der sympathischsten Bands der gesamten Hardcore-Szene. IGNITE sind mit ihrem melodischen Power Hardcore nicht nur musikalisch eine absolute Macht, auch vom politischen Engagement her haben die Jungs aus Kalifornien das Herz am rechten Fleck. So war es trotz der coolen SIX FEET UNDER von Anfang an klar, dass ich zu IGNITE pilgern würde. Und ich wurde nicht enttäuscht. Mit dem hammergenialen 'Who Sold Out Now?' erwischte die Band einen Start nach Maß, vor und auf der Bühne ging es sofort ab. Der Schwerpunkt lag ganz klar auf dem auch schon etwas älteren Album "A Place Called Home", dessen Magie aber immer noch wirkt. Das energische 'Run', das sehr eingängige 'Bullets Included No Thought Required' oder 'By My Side', jeder Song ging gut ab. Aber auch älterer Stoff wie 'Call On My Brothers' kam zu seinem Recht. Selbst ein technisches Problem konnte die Band nicht stoppen, die Zeit wurde einfach mit einem Gitarrensolo überbrückt. Als Gaststar war bei einem Song Sven von Conne Island (legendärer Hardcoreclub in Leipzig) auf der Bühne und beeindruckte mit seiner massigen Performance. Sänger Zoli Teglas glänzte mit intelligenten Ansagen und freute sich, dass so viele unterschiedliche Fangruppen hier ihren Spaß hatten. Nachdem die letzten Töne der IGNITE-Hymne 'Home' verklungen waren, gab es dann auch massive Zugaberufe und das völlig zu Recht. IGNITE sind live halt immer wieder ein besonderes Erlebnis.
[Herbert Chwalek]

DIMMU BORGIR
Kurz vor elf drängen sich die Massen vor die Mainstage. Dem Feuerwerk hinter der Bühne folgt dann mit etwas Verspätung ein musikalisches Feuerwerk auf der selbigen. Ganz im Sinne von Shagrats gegrunzter Frage "You wanna hear some original Black fucking Metal?" legen DIMMU BORGIR nach dem Intro los, als wollen sie der ganzen Welt beweisen, dass sie trotz allen kommerziellen Erfolgs wirklich noch Black Metal spielen. So folgt dem älteren 'Spellbound (By The Devil)' gleich 'In Deaths Embrace', und vom aktuellen Album "Death Cult Armageddon" gibt's erst mal nur die schnellen 'Vredesbyrd' sowie 'Allegiance'. Der neue Drummer Vile, übrigens mit schwarzem Irokesenschnitt, knüppelt munter los, und auch die übrigen Bandmitglieder präsentieren sich in gewohnter Verfassung. Negativ fällt nur der "Soundmatsch", wie Kathy es treffend ausdrückt, auf. Entweder ist die WFF-Anlage mit DIMMUs Bombastsound überfordert, oder die Norweger haben tatsächlich ein Faible für übertrieben wummernde Tiefenbässe. Die Keyboards beispielsweise sind so gut wie gar nicht zu hören, was aber dem Ganzen wiederum einen bösartigeren Anstrich verleiht. Der Stimmung tut's jedenfalls keinen Abbruch, nach 'Kings Of The Carnival Creation' und 'The Blazing Monoliths Of Defiance' folgt als Zugabe noch 'Progenies Of The Great Apocalypse' sowie – selbstverständlich – 'Mourning Palace'. Unterm Strich bieten DIMMU BORGIR genau das, was man von ihnen erwarten kann.
[Carsten Praeg]

SATURDAY NIGHT FEVER

NECK
Ganz ehrlich, vorher war mir der Name NECK unbekannt, nur meine Auslosung des Verteilungslottos bescherte mir die Band. Ein erster Blick ins Programmheft machte mich schlauer: folkig und punkig sollte es zugehen. Na dann mal fix auf den Weg gemacht und ich wurde doch tatsächlich überrascht. Normalerweise steh ich nicht wirklich auf diesen Sound à la DROPKICK MURPHYS, aber NECK machten immerhin gut Party. Der absolute Bonuspunkt geht aber dabei an den Sänger; ich weiß zwar, dass er Englisch gesprochen hat, aber bis auf ein paar Fetzen konnte ich mal gar nichts verstehen. Deshalb kann ich auch nur erwähnen, dass die Jungs und Mädels, die Geige und Flöte bedienten, ihre Version von 'Fields Of Athenry' spielten. Das zu dieser Zeit ziemlich gut besetzte Zelt hatte aber ziemlich viel Spaß an der Mucke und auch ich konnte mich dem Charme der Band nicht entziehen. Auf Scheibe wäre das wohl nichts, aber live, vor allem spät am Abend, wenn man leicht angeheitert ist, rockt das gut ab. Die Zugaberufe waren für NECK durchaus verdient und wer live auf eine amtliche Party steht, sollte sich die Jungs nicht entgehen lassen.
[Herbert Chwalek]

MNEMIC
Die Dänen mit dem Zungenbrechernamen waren eine der positiven Überraschungen des letzten Jahres. Ihr aggressiver Fusion Future Metal irgendwo zwischen FEAR FACTORY und MESHUGGAH klang auf CD verdammt gut. Noch cooler ist allerdings, dass die Band auch live den guten Eindruck mehr als bestätigen kann. Der Sound ist laut, verdammt laut sogar, an der Grenze zum undifferenzierten Brei, aber halt nur an der Grenze. So knallt das wirklich vorzüglich. Und trotz der Tatsache, dass die Jungs, allen voran Sänger Michael, gut abgingen, kam alles präzise auf den Punkt. So ließ einen das Riffgewitter zeitweise mit offenem Mund dastehen, wenn man nicht gerade vor der Bühne abging. Der Schwerpunkt lag dabei natürlich auf dem Debütalbum "Mechanical Spin Phenomena", von dem unter anderem das eingängige 'Liquid' und 'The Naked And The Dead', zwei superbe Kracher, dargeboten wurden. Insgesamt eine tolle Show, so dass die massiven Zugaberufe mehr als berechtigt waren. Aus denen wird noch was, merkt euch meine Worte!
[Herbert Chwalek]

FIREBALL MINISTRY
Es war eine Art Geheimtipp, was da als vorletzte Band beim Saturday Night Fever auf die Leute wartete. Aber bereut hat seine Anwesenheit bestimmt niemand, denn FIREBALL MINISTRY rockten dermaßen räudig und zugleich megacool ab, dass es einem die Freudentränen ins Äuglein trieb. Der Boden vibrierte von dieser dröhnenden Performance und die fetten Riffs zündeten sofort. Dabei kam das Ganze live viel weniger "Stoner" rüber als auf Platte, das war purer Rock 'n' Roll.
Wie bei den ähnlich gelagerten, wenn auch noch etwas dreckiger rockenden, NASHVILLE PUSSY besteht auch das Feuerball-Ministerium aus einem gemischten Quartett mit zwei Ladys an Gitarre und Bass, allerdings ist die Show nicht so sexlastig wie bei den Nashvilles. Und das braucht sie auch gar nicht zu sein, denn hier regiert gradliniger, unverfälschter Rock 'n' Roll in Bestform. Die Stimme von Sänger Reverend James ist zwar nicht so ganz mein Fall, aber das ist bei diesen Riffmonstern schlicht und ergreifend scheißegal. Da wurde einem ein geiles Gerät nach dem anderen um die Ohren gepfeffert. Der Siegeszug von FIREBALL MINISTRY hatte nach vierzig Minuten zwar viel zu schnell ein Ende, aber neben ROSE TATTOO war das ohne Zweifel die beste Rockshow, die ich auf dem diesjährigen WFF gesehen habe.
[Stephan Voigtländer]

THE PEEPSHOWS
Dass THE PEEPSHOWS eine ganz normale Band sind und nicht das halten, was der Name verspricht, war nach einem kurzen Blick ins Programmheft klar. Die Jungs spielten zwar flotten, aber auch ziemlich belanglosen Rock 'n' Roll, der mich zu so später Stunde nur noch langweilte. Gegen die geilen FIREBALL MINISTRY, die zuvor total abgeräumt hatten, konnte man damit jedenfalls nicht im Mindesten anstinken, da das Ganze viel zu austauschbar klang. Deshalb begab ich mich nach dem dritten Song in Richtung Zelt, mit der Gewissheit, dass ich bei dieser Truppe nichts mehr verpassen würde.
[Stephan Voigtländer]

Redakteur:
Herbert Chwalek

Login

Neu registrieren