With Full Force 2004 - Roitzschorja
17.08.2004 | 14:4902.07.2004, Flugplatz Roitzschorja
With Full Force 2004
Erlebnis-/Konzertberichte
Teil1:
Preisfrage: Was macht man auf einem Festival? Sich Bands anschauen, werden sicherlich die meisten antworten. Das ist eigentlich absolut richtig, aber manchmal passiert es auch, dass der Zeltplatz eine unheimliche Faszination ausübt, was in Verbindung mit der Trägheit des Alters schon mal dazu führen kann, dass die Mucke ruckzuck in den Hintergrund rückt.
So ging es mir jedenfalls von Zeit zu Zeit auf dem diesjährigen With Full Force, wobei ich zugeben muss, dass auch der Bierstand, an dem sich Kolläsche Henri einen abwurschtelte, immer wieder Anlaufstelle für meine Bedürfnisbefriedigung darstellte.
Wie auch immer, zurück zum Zeltplatz. Man kann mir und meinen Begleitern eigentlich nicht vorwerfen, dass wir nur faul und gelangweilt in der Gegend rumgesessen hätten, nein, wir haben auch unsere körperliche Ertüchtigung vorangetrieben (und zwar nicht nur durch das Heben des rechten Armes zum Mund hin), indem wir sogar neue Sportarten erfunden haben und das Highlight dessen möchte ich eben einmal kurz vorstellen.
Es war am Freitag und die ersten Töne lärmten bereits von der Tentstage zu uns herüber, als wir "Sitzfrisbee" erfanden. Und das ist nicht so harmlos, wie sich der Name jetzt vielleicht anhört.
Vier Leute können daran teilnehmen und jeder platziert seinen Hintern auf einem Campingstuhl. Jeweils zwei gehören zu einem Team und setzen sich ungefähr anderthalb (für Profis später nur noch einen) Meter auseinander. Das andere Team sitzt circa sechs bis acht Meter entfernt und beide Parteien schauen das jeweils gegnerische Team an. Der Bereich zwischen den beiden Campingstühlen eines Teams und unterhalb der Lehne markiert das Tor. Nun versucht man einfach von seinem Campingstuhl aus (sitzend) die Frisbeescheibe in das Tor der Gegner zu werfen, während diese (auch sitzend) die Scheibe mit allen beliebigen Körperteilen abwehren können. Sollte starker Wind wehen, kann man nach der Hälfte des Spieles die Positionen wechseln.
Der Clou an der ganzen Geschichte ist, dass man ziemlich schnell mitbekommt, wie man die Frisbeescheibe am fiesesten anschnippeln kann, sodass sie unmittelbar vor dem gegnerischen Tor den Boden berührt und dann unberechenbar abspringt. Dadurch werden Schienbeine, Knöchel und Kniescheiben der Gegner einer häufigen Treffer- und hohen Schmerzquote ausgesetzt, was für einen hohen Unterhaltungsfaktor sorgt, sowohl bei den Beteiligten als auch beim Publikum. Und hat man die Gegner erstmal mürbe gemacht, klappt es auch reihenweise mit Torerfolgen. Sonderapplaus ist einem sicher, wenn man dem Gegner die Sonnenbrille aus dem Gesicht schießt oder den Rückspiegel des benachbarten Autos trifft.
Es gibt aber auch Lebensbereiche, wo wir Ossis weit weniger begabt sind, zum Beispiel beim Einkaufen, wie zwei unserer Mitcamper eindrucksvoll unter Beweis stellten. Da die beiden kein Zelt am Start hatten, ging es einen Tag vor dem Festival zu Aldi (oder irgendein anderes Fachgeschäft für Campingbedarf), um eines zu kaufen.
Auf dem Zeltplatz stellte sich dann jedenfalls heraus, dass das billigste Exemplar für fünf Euro vielleicht doch nicht die beste Wahl war und vorher ein Blick auf die Verpackung Wunder gewirkt hätte. Beim Aufbau bemerkten unsere zwei Experten jedenfalls dann recht schnell, dass es sich um ein Kinderzelt der monströsen Größe von 1,20 mal 1,20 Meter handelte. Aber was heißt hier eigentlich Kinderzelt? Wir haben daraufhin sogar fotographisch festgehalten, dass auch in solch eine Miniaturausfertigung mit ein wenig Schieben und Drängen vier Leute gleichzeitig reinpassen. Wir Ossis sind es schließlich gewöhnt, uns einzuschränken.
Aber nicht mehr jeder bekam mit, was abgeht. Ein lustiger Geselle, der in unserer Nähe sein Zelt aufgeschlagen hatte, lobte lautstark unseren "Porno-Bus" (zwei Mädels, die statt im Zelt im Auto schliefen - was im Nachhinein wohl auch besser war) bzw. dessen Insassinnen. Irgendwer war dann so schlau, ihm die Namen der Objekte seiner Begierde zu verraten. Fortan lag der schon stark alkoholisierte Mensch zur Hälfte unter einer Zeltplane und rief durch ein Papp-Megaphon stundenlang nach der schönen "Claudia", deren "Früchte er liebkosen wollte" und in der er "seine Unterleibsapparatur verbergen wollte". Auf Ideen kommen manche Typen...
Nicht mehr ganz so lustig war es, als er sogar in aller Frühe - die Sonne schaute gerade erst am Horizont hervor - neben dem Auto der beiden Mädels auftauchte und erneut seine "Claudia" verlangte. Erst nachdem diese ihm gehörig die Meinung gegeigt hatte, ließ er ab von seinem schäbigen Tun und trollte sich von dannen.
Man kann eben auch auf dem Zeltplatz eine Menge erleben, so war es z. B. auch meiner Faulheit zu verdanken, dass ich das monströse Feuerwerk am Samstag aus nächster Nähe in Augenschein nehmen konnte, da ich mich einfach nicht aufraffen konnte, zu FEAR FACTORY zu gehen (oder waren es GRAVE DIGGER gewesen?).
Jedenfalls haben wir uns ernsthaft überlegt, nur noch auf Festivals zu fahren, wo uns keine Band interessiert und wir dann ohne schlechtes Gewissen auf dem Zeltplatz rumhängen können. Allerdings haben wir den Gedanken sogleich wieder verworfen, da das With Full Force schon seit vielen Jahren unser Haus- und Hoffestival ist und da jedes Jahr eine Menge interessanter Bands zum Tanze aufspielen, die man als überzeugter Metalhead eigentlich nicht verpassen darf. Im nächsten Jahr schaue ich mir dann auch ganz bestimmt wieder ein paar mehr Bands an, versprochen.
[Stephan Voigtländer]
- Redakteur:
- Herbert Chwalek