ANGRA - Cycles Of Pain
Auch im Soundcheck: Soundcheck 11/23
Mehr über Angra
- Genre:
- Progressive/Melodic Metal
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Atomic Fire Records
- Release:
- 03.11.2023
- Cyclus Doloris
- Ride Into The Storm
- Dead Man On Display
- Tide Of Changes - Part I
- Tide Of Changes - Part II
- Vida Seca
- Gods Of The World
- Cycles Of Pain
- Faithless Sanctuary
- Here In The Now
- Generation Warriors
- Tears Of Blood
Leid und Leidenschaft.
Fast auf den Tag genau dreißig Jahre nach Release des legendären Debüts "Angels Cry" erscheint endlich das zehnte Album der routinierten Brasilianer ANGRA. Wie bei so vielen anderen Bands hat es auch den Männern um das letzte verbliebene Gründungsmitglied Rafael Bittencourt viel abverlangt, die letzten Jahre zu überstehen. Nicht nur wegen Corona, auch wegen des tragischen Todes von Andre Matos, der nicht nur eine in Brasilien sehr beliebte Persönlichkeit war, sondern eben auch fast zehn Jahre lang bei ANGRA an der Front stand. In die lange Zeit seit dem letzten Album fiel darüber hinaus der Tod von Bittencourts Vaters. Viel Leid und Schmerz galt es also zu verarbeiten, was letztendlich in "Cycles Of Pain" mündete.
Dabei beleuchtet das einstündige Werk verschiedene Perspektiven menschlichen Schmerzes und die Zyklen, die diesen Schmerz umgeben. "Life is a tide of changes" singt Fabio Lione und bringt es damit auf den Punkt - Schmerz ist unausweichlich, aber auch notwendig, damit man an ihm wachsen und von ihm lernen kann. ANGRA ist über die Jahre jedenfalls ebenfalls gewachsen. Mit dem Einstieg von Lione vor zehn Jahren und Gitarrist Kiko Loureiro etwas später begann der dritte Lebensabschnitt der Gruppe aus São Paulo. Inzwischen hat sich die Besetzung mehr als gefestigt, was man dem sehr selbstbewussten Material auf "Cycles Of Pain" anhört. Während ich die beiden Vorgänger "Secret Garden" und "Ømni" nach wie vor sehr schätze (wie jedes andere Album der Südamerikaner auch), so wirkten sie doch etwas suchend und teilweise zerfahren. Davon kann 2023 keine Rede mehr sein.
Nein, hier sitzt jeder Ton. Ich war bei den ersten Durchläufen beinahe etwas erschrocken, weil sich Niveauunterschiede nicht zeigen wollten und ich es schon fast langweilig fand. Inzwischen sind mir die Melodien aber im Ohr und wollen gar nicht mehr heraus, inzwischen fallen mir die instrumentalen Glanzstückchen auf, die sich überall versteckt haben und inzwischen bin ich verliebt in die zehn neuen Songs. Und es ist beileibe auch nicht so, dass sich ANGRA hinter bekannten Herangehensweisen verstecken würde. Die folkloristischen Einflüsse bei 'Vida Seca', 'Here In The Now' und 'Faithless Sanctuary' offenbaren erfrischend eine etwas andere Seite der Band. Bruno Valverdes Schlagzeugspiel besticht ja eh, Percussion scheint ihm allerdings auch zu liegen. Herrlich. Die sehr flinken Tracks 'Dead Man On Display' und 'Generation Warriors' oder das symphonische 'Ride Into The Storm', das live sicher großartig funktioniert, betonen dagegen ganz andere Aspekte im Bandsound.
Verbunden wird das alles durch eine progressive und mutige Herangehensweise an die Songideen. Die beiden Gitarren werden selten geradeaus bedient und scheuen nicht davor zurück, auch mal völlig entrückt zu entzücken. Marcelo Barbosa fungiert hier als herausragende Ergänzung zu Bittencourt, was für ein großartiges Duo. Aber auch der andere Saitenhexer Felipe Andreoli holt alles aus seinem Gerät heraus, was die tolle Produktion von Dennis Ward großartig offenbart.
"Cycles Of Pain" scheint das bisher beste Werk der Lione-Ära zu sein und gehört damit in aller Munde und auf alle Weihnachtswunschlisten. Das ist Musik mit Tiefgang, Kreativität, Können und Songwritinggeschick. Diese Band ist auch nach drei Jahrzehnten im Geschäft relevant und interessant. Gratulation!
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Marius Luehring