ARIA - Curse Of The Seas
Auch im Soundcheck: Soundcheck 12/2018
Mehr über Aria
- Genre:
- Heavy Metal
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- M2BA
- Release:
- 08.11.2018
- Race For Glory
- Varangian
- The Lucifer Era
- It's Hard To Be A God
- So Be It
- Everything Begins Where The Night Ends
- Alive
- Kill The Dragon
- Smoke Without Fire
- From Dusk Till Dawn
- Curse Of The Seas
Russlands führende Metalband schickt sich an, den Westen zu erobern!
Wer in Sachen traditionellen Metals ein wenig die Fühler über den Tellerrand hinaus streckt und sich auch mit der internationalen Szene abseits Nordamerikas und Westeuropas befasst, der ist sicherlich schon hier und da über den Namen ARIA gestolpert, oder Ария, wie man die russische Band in ihrer Heimat schreibt. Schlagworte, wie "Russlands Antwort auf IRON MAIDEN" geistern gerne mal durch die Szene, und ja, ganz von der Hand weisen lässt sich dieser Vergleich weder musikalisch noch in Sachen Popularität. In Russland ist ARIA ein Megaseller, eine Stadionband, und doch - oder vielleicht gerade deswegen - hat sich die Band bisher fast komplett auf den heimischen Markt konzentriert. Wagten sie sich mal in den Westen, wie etwa 2012 auf der "Feniks"-Tour nach Stuttgart, dann bestachen die Russen als großartige, tighte, klanglich perfekte und professionelle Band mit starkem Songmaterial; und viele Traditionsmetaller mit offenen Ohren für fremdländisch klingende Lyrik loben auch die Studioalben in den höchsten Tönen.
Diese zunehmende Aufmerksamkeit der westlichen Metalszene für ARIA ist inzwischen offenbar auch bis Moskau durchgedrungen, und so ist die Band als Co-Headliner fürs "Keep It True 2019" bestätigt, und so haben die Urgesteine Vladimir Cholstinin und Vitaly Dubinin sich entschieden, mit ihrem vierzehnten Studioalbum "Curse Of The Sea (Проклятье морей)" einen zaghaften Versuch zu unternehmen, im 34. Jahr des Besehens nun doch noch den westlichen Markt zu knacken. Dazu hat man sich die Produktion von keinen Geringeren als Roy Z (HALFORD, DICKINSON u.v.m.) und Maor Appelbaum (u.a. HALFORD, FAITH NO MORE, CANDLEMASS, ARMORED SAINT) veredeln lassen und auch die Westpresse bemustert. Für ein klanglich zeitgemäßes Brett, das sich jedoch nicht in steriles Ballern versteigt, sondern stets lebendig bleibt, ist also ebenso gesorgt wie für ein gelungenes Artwork, und dass eine solch erfahrene Band auch musikalisch wie kompositorisch nichts anbrennen lässt, das versteht sich fast von selbst:
Mit 'Race Of Glory (Гонка за славой)' legt die Scheibe flott los, wobei der prägnante Bass und die flotten doppelten Leadgitarren durchaus nachvollziehbar erscheinen lassen, warum die Band gerne mal mit IRON MAIDEN verglichen wird. Doch das ist nicht alles und längst nicht die ganze Wahrheit. Zum einen unterscheidet sich die Stimme von Michail Schitnyakow nicht nur aufgrund der russischen Texte doch sehr deutlich von Bruce Dickinson, klingt sie doch meist etwas tiefer und sororer, und zum anderen finden sich auch gänzlich andere kompositorische Facetten bei ARIA. 'Varyag' etwa ist ein getrageneres Stück mit stampfenden aber auch episch elegischen Elementen, sowie einem über allem thronenden Refrain und gediegenem Keyboardeinsatz, während 'Luciferan Era (Эра Люцифера)' ein hinterhältiger Rocker ist, der sich irgendwo zwischen ACCEPT und JUDAS PRIEST sehr gut einfügen würde.
Mystisch, atmosphärisch und dunkel gibt sich das balladesk beginnende 'It's Hard To Be A God (Трудно быть богом)', dessen verschleppter Groove mich kurzfristig ein wenig an ARMORED SAINT erinnert, bevor durch Streicherparts und das Gitarrensolo auch ein etwas symphonischerer Touch erzeugt wird. Dass auch in Russland die klassische, hochmelodische Powerballade der besten SCORPIONS-Tradition zum Oeuvre einer großen Stadionband gehört, belegt 'So Be It (Пусть будет та)', nur damit sich die Band mit 'Everything Begins Where The Night Ends (Всё начинается там, где кончается ночь)' nochmals recht nah an die Pfade IRON MAIDENs heran wagen kann, was den galoppierende Bass und die Leadgitarrenharmonien angeht. Progressiver, entrückter, verspielter und verträumter, bei einigen instrumentalen Aufbauten mit einem Hauch RUSH versehen, präsentiert sich sodann der neunminütige Longtrack 'Alive (Живой)', der Dubinins Bassspiel viel Raum lässt. Auch bei 'Kill The Dragon (Убить дракона)' haben wir es mit einigen unkonventiollen Elementen zu tun, mit einem stoischen Beat, tanzbarem Groove und einigen folkigen Melodiefragmenten, welche den Song jedoch nicht seiner Heaviness berauben.
Damit biegen wir dann auch auf die Zielgerade des stattlichen 75-Minuten-Drehers ein, wobei das Schlussdrittel vom erneut progressiv angehauchten, mit einigem Keyboard angereicherten, leichten und schwebenden 'Smoke Without Fire (Дым без огня)' eröffnet wird, welches nochmals den Platz für 'From Dusk Till Dawn (От заката до рассвета)' einen knackigen Uptempo-Track mit starkem Riffing und lässigen Drumfills räumt, bevor das zwölfminütige Titelstück das Album in äußerst epischer, ausladender Weise von den Flüchen der See kündet. Kurze ambiente Hörspielelemente setzen die Stimmung, welche von einer gezupften maritimen Melodie aufgegriffen wird, wie sie RUNNING WILDs Rolf zu besten Zeiten nicht besser hätte schreiben können. Schitnyakow steigt mit zunächst sanfter und einfühlsamer Stimme ein, die sich dann zunächst in höhere Sphären begibt und schließlich in ein energisches Rezitativ einsteigt, welches die Rhytmusgruppe marschierend in einen königlichen Refrain begleitet. Nein, abgekupfert ist hier rein gar nichts, auch die Stimmung und die Arrangements sind gänzlich anders, und dennoch doch ist aus meiner Sicht 'Проклятье морей' so etwas wie ARIAs 'Rime Of The Ancient Mariner' oder 'Treasure Island'.
Ja, Leute, nach vielfachem Hörgenuss dieses mächtigen Mammutwerks aus Russland, bleibt mir zu sagen, dass jeder Freund traditionellen Metals, der bisher nicht bis in die russische Szene vorgedrungen ist, hier mit ARIAs neuer Langrille die einmalige Chance hat, eine wirklich große, erfahrene, spielstarke Band mit ellenlanger Tradition neu zu entdecken. Das lohnt sich ohne Wenn und Aber, denn was das Quintett aus Moskau anpackt, das macht es auch richtig und nicht halbherzig. Ihr bekommt also ein hochprofessionelles, toll produziertes und vor Musikalität strotzendes Werk serviert, das eben nicht verbraucht klingt, sondern frisch. Wer indes ARIA schon länger kennt und schätzt, der mag vielleicht eine gewisse Rohheit vermissen, welche Russlands Metal-Flaggschiff einst auszeichnete. Wie viele Zeitgenossen aus unseren Gauen sind altgediente Recken natürlich auch im Osten Europas mit der Zeit gereift und stilistisch wie technisch gezügelter geworden. Doch keine Sorge, ARIA ist mit "Проклятье морей" nicht langweilig geworden; das Album atmet zu jeder Zeit den unverkennbaren Spirit einer ganz besonderen Band.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle