HEATHEN - The Evolution Of Chaos
Auch im Soundcheck: Soundcheck 02/2010
Mehr über Heathen
- Genre:
- Thrash Metal
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- Mascot/Rough Trade
- Release:
- 29.01.2010
- Intro
- Dying Season
- Control By Chaos
- No Stone Unturned
- Arrows Of Agony
- Fade Away
- A Hero's Welcome
- Undone
- Bloodkult
- Red Tears Of Disgrace
- Silent Nothingness
Die Jahre des Wartens haben ein Ende. Der Altus-Gott hat ein Erbarmen und schenkt seinen Jüngern endlich ein bisschen Musik.
Endlich ist es vollbracht. Nach unendlicher Wartezeit ist die lange angekündigte dritte Scheibe der Bay-Area-Veteranen HEATHEN in die Läden gewandert. Man hat es schon gar nicht mehr glauben wollen. Als die Band vor guten fünf Jahren ein Drei-Song-Demo mit neuem Material über ihre Homepage der Öffentlichkeit preisgab, hagelte es Euphorie im Überfluss. Und das völlig zu Recht, denn 'Dying Season', 'Empty Nothingness' und 'Arrows Of Agony' sind allesamt grandiose Frisco-Killer, die die Band mit Düsenantrieb an die wohlverdiente Spitze der Thrashbewegung katapultiert hätten. Auch die nachfolgenden Audienzen auf deutschen Bühnen bestätigten den exzellenten Eindruck. Um ehrlich zu sein, übertrafen sie die akustische Zur-Schau-Stellung durch ein ungeahnt agiles, wie auch mitreißendes Auftreten um einiges. Die Zeichen standen auf Sturm. Falsch: Auf Orkan.
Aber jeder Orkan verliert mit der Zeit an Energie und Durchschlagskraft. Und bei HEATHEN wollte es aufgrund allseits bekannter Umstände nicht wirklich vorwärts gehen. Mister Altus stieg in der Zwischenzeit noch nebenberuflich bei seinen Buddies von EXODUS ein und bildet so nun mit dem Holt-Jungen das wahrscheinlich tödlichste Saitendoppel des bald explodierenden Universums. Aber leider auch ein Unterfangen, welches sein eigentliches Baby nicht gerade beschleunigt wachsen lässt. Egal, genug der Analyse und der kritischen Untertöne, erfreuen wir uns an den 68 Minuten Musik, die uns HEATHEN auf "The Evolution Of Chaos" servieren.
Hat sich das lange Warten gelohnt? Diese bange Frage werden sich nicht wenige Anhänger der Band stellen. Ein Blick auf die Tracklist offenbart schon mal, dass die drei bereits rückwärts aufsagbaren Demotracks mit verwurstet wurden. Okay, mehr neues Futter wäre schön gewesen, aber immerhin muss ich mir zumindest um die Klasse dieser Nummern keine Sorgen machen. Allerdings muss ich mich beim eröffnenden 'Dying Season' an zwei Dinge erst einmal gewöhnen: David Whites Gesang klingt weniger melodisch als früher und der Drumsound plöppert. Komisch, dass sich diese Eindrücke nach wenigen Minuten komplett verflüchtigen und ich nach dem ersten Komplettdurchgang ekstatisch gebürstet, mit zerborstener Luftgitarre und explodierter Lockenpracht zuckend auf dem Boden unseres Wohnzimmers liege. Scheint also ganz nett zu sein, das Scheibchen.
Gehet also hin und kaufet.
Für die wenigen Unentschlossenen seien kurz ein paar trockene Fakten nieder geschrieben. Wer die beiden Vorgänger – und hier im Besonderen "Victims Of Deception" – mag, wird vom aktuellen Album total begeistert sein. Wer befürchtet, HEATHEN würde zu sehr nach modernen EXODUS klingen, darf sich entspannt zurücklehnen, denn trotz eines aktuellen Soundgewandes rattert es nicht steril in den Boxen. Die Klampfen hacken knusprige Riffs, der Bass wummert an den richtigen Stellen prominent und warm und auch der Drumsound ist nicht zu klinisch. Auch wenn das mein einziger Kritikpunkt am Klangbild wäre.
Damit wären die Rahmenbedingungen abgesteckt. Reicht das jetzt? Nein? Es gibt noch immer ungläubige Heiden (ich Schelm), die sich entweder aufgrund de späten Geburt noch nicht mit Schredder-Lee & The Boys auseinander gesetzt haben oder die glauben, dass solch alte Säcke nicht mehr zünftig vom Leder thrashen könnten. Falsche Fehler!
Allein das mörderische 'Bloodcult' belegt, wie zielsicher ein Song das Ekstase-Zentrum eines Hörers treffen kann. Das ist wahrscheinlich die effektivste Thrashkeule, die ich seit Jahren gehört habe. Allein der permanent pumpende Bass, der beinahe wie eine dritte Gitarre für dynamische Ständerzuckungen sorgt, ist den Kauf dieses Albums wert. Wer es jetzt mit der Angst zu tun bekommt, es mit ausschließlich extrem derber Kost zu tun zu haben, dem sei mit 'Red Tears Of Disgrace' eine atmosphärische Halbballade ans Ohr gelegt, bei der David beweist, dass er nichts von seiner charismatischen Ausstrahlung verloren hat. Und um beim Thema Ballade zu bleiben: Mit 'A Hero'sWelcome' gibt es sogar einen midtemporierten Schmachtfetzen, dessen Text zwar für gelupfte Augenbrauen sorgt, dessen musikalische Qualität aber unverkennbar bleibt. THIN LIZZY in der Knopfleiste trägt sich halt immer gut.
Der Killer-Knüller des Knüller-Killer-Albums hört allerdings auf den Titel 'No Stone Unturned'. Jetzt kann natürlich die Erbsenzählerbrigarde daher kommen und behaupten, ich würde das nur schreiben, weil der Song mit Elf Minuten und elf Sekunden Spielzeit der längste des Albums ist. Das ist aber natürlich nicht ausschlaggebend für meine Meinung, denn lang kann auch schnell langatmig werden. Nicht im vorliegenden Fall, denn dieser Song hat einfach alles, was so ein Monster benötigt, um die Aufmerksamkeit des Hörers nicht zu verlieren. Ein stampfend-melodischer Anfang, ein hypermelodischer Übergang zur Master-Of-Puppets-Gedächtnis-Passage mit akustischem Gezupfe und Burton-Im-Geiste-Basslinien, sowie einem galoppierenden Finale der Sonderklasse. Hammer!
Jetzt sollten alle überzeugt sein und stehenden Fußes dieses Feuerwerk an Ideen erwerben. Ich lehne mich jetzt mal weit aus dem Fenster und wage die Prognose, dass "The Evolution Of Chaos" am Jahresende auf meinem Treppchen stehen wird.
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Holger Andrae