HEAVEN AND HELL - The Devil You Know
Mehr über Heaven And Hell
- Genre:
- Heavy Metal
- ∅-Note:
- 7.50
- Label:
- Roadrunner/Warner
- Release:
- 24.04.2009
- Atom & Evil
- Fear
- Bible Black
- Double The Pain
- Rock & Roll Angel
- The Turn Of The Screw
- Eating The Cannibals
- Follow The Tears
- Neverwhere
- Breaking Into Heaven
Ein Album, das weit weniger Konsens ist, als im Vorfeld erwartet. Ein künftiger Klassiker, oder eine Enttäuschung?
Streng genommen ist "The Devil You Know" ja ein Debütalbum einer neuen Band. Einer Band allerdings, die in dieser Konstellation unter anderem Namen schon Metalgeschichte geschrieben hat, wie kaum eine zweite. Spätestens wenn ich die Namen der Protagonisten Ronnie James Dio, Tony Iommi, Geezer Butler und Vinnie Appice nenne, dann weiß auch der Letzte, dass wir es hier mit BLACK SABBATH Mk.2 zu tun haben, und dass sich dieses Album an seinen überirdischen Vorgängern "Heaven & Hell", "Mob Rules" und "Dehumanizer" wird messen lassen müssen. Genau das dürfte auch die Krux sein, und der Grund, warum das Album in der Szene bislang doch überraschend zwiespältig aufgenommen wurde. Vorschusslorbeeren hat die Band unisono von allen Seiten bekommen, denn im Grunde glaubte jeder zu wissen, dass von diesen Herren in dieser Konstellation nichts Schlechtes kommen kann. Das war für die meisten schlicht unvorstellbar.
Als die Scheibe dann endlich erschien, war das Echo doch viel differenzierter als wir das erwartet haben. Für viele Kollegen und Fans war "The Devil You Know" sofort Album des Monats und heißester Anwärter auf das Album des Jahres; für andere nichts Besonderes und für einige wenige sogar ein dröger Langweiler. Stellt sich die Frage, wie ein einziges Album, das letztlich stilistisch genau das bietet, was wir erwarten durften, in den Reihen der eigenen Fans so zwiespältige Reaktionen auslösen kann. Die absolute "Wahrheit", ob wir es nun mit dem vierten Klassiker dieser Truppe, oder aber mit einem lauen Aufguss vergangenen Glanzes zu tun haben, wird es nicht geben, und es kann jeder nur seine subjektive Erkenntnis gewinnen. Das ist klar. Deshalb soll diese Besprechung auch aus meinen Erwartungen und Erfahrungen mit der Scheibe erwachsen; die Schlussfolgerungen dürft ihr dann gerne mit dem vergleichen, was ihr mit "The Devil You Know" bisher erlebt habt.
Lasst mich also mit der Erwartungshaltung beginnen, die ich im Vorfeld hatte, denn die war durchaus sehr hoch. Als riesiger Fan des schwarzen Sabbats und als noch größerer Fan des kleinen alten Mannes mit der großen Stimme, war für mich völlig außer Zweifel, dass der Nachfolger zu "Dehumanizer" ein überragendes Album und ein künftiger Klassiker sein würde. Diese Überzeugung wurde durch die ersten Hörproben der Single 'The Bible Black' nicht nur genährt, sondern ins quasi Unermessliche gesteigert. Als ich die Scheibe dann endlich mein Eigen nennen durfte und sie einlegte, war der erste Gedanke: "Jawohl, das ist es!" - Es war alles da, die unbeschreiblich große und magische Stimme, die dynamische und düstere Rhythmik, und natürlich die einzigartige Gitarre des Herrn Iommi mit ihren königlichen und mächtig schweren Riffs. Mir war an sich schon absolut klar, dass ich nach zwei weiteren Durchläufen begeistert verkünden würde, dass das neue Teufelchen nun seinen rechtmäßigen Anspruch auf den Thron geltend machen würde.
Doch dann kam alles ins Wanken, aus Gründen, die ich noch immer nicht richtig nachvollziehen kann. Obwohl alle von mir so sehr verehrten Trademarks vorhanden waren und spielerisch und soundtechnisch natürlich absolut perfekt umgesetzt wurden, konnten die Stücke ihre Durchschlagskraft nicht so entfalten, wie ich das erwartet hatte. Alles fühlte sich bizarr an, ich konnte nach ein paar Tagen so ziemlich jeden Refrain mitsingen, und doch ließ mich das Album auf seltsame Weise kalt. Der Funke sprang nicht über und ich fing im Inneren sogar schon an zu mäkeln, dass diese oder jene Hookline von Dio schon exakt so gesungen worden sei und vieles mehr. Doch was erwarte ich von einem Mann, der seit fünfzig Jahren Sänger ist? Dass er sich immer noch jedes Jahr fünfzig komplett neue Gesangsmelodien einfallen lässt? Bullshit!
Genau das ist die Stelle, an welcher ich meine, mir darüber klar zu werden, warum ich mir so schwer damit tue, "The Devil You Know" lieb zu gewinnen. Die Erwartungen waren und sind zu hoch. Wir haben es mit einer Band zu tun, die bisher ohne Fehl und Tadel über der Szene schwebte, einer Ikone gleich, makellos. Mit einer Band, deren Klassiker uns seinerzeit massiv beeindruckt haben und unsere musikalische Welt seit zwanzig Jahren geprägt haben. Und wir haben uns gewünscht, von HEAVEN & HELL noch ein Mal so beeindruckt zu werden, wie damals, als wir zum ersten Mal 'Children Of The Sea' oder 'TV Crimes' gehört haben. Nur leider sind wir nicht mehr Fünfzehn und haben seither hunderte weitere Bands kennen gelernt.
Mit dieser Erkenntnis ändert sich meine Herangehensweise an das Album und auch die Effektivität der Lieder. Es ist nicht mehr die Erwartung von der Scheibe zu jeder Sekunde umgehauen und geplättet zu werden, sondern die Hoffnung durch die Auseinandersetzung mit den Details der Songs immer tiefer in das Album einzudringen und immer mehr zu entdecken, das "The Devil You Know" dann doch zu dem macht, was wir erwartet haben. Ein tolles Album? Höre ich den Vorwurf des Schönhörens? Mag sein. Aber nicht, weil ich meine, das Album gut finden zu müssen; sondern weil ich überzeugt bin, zu wissen, dass das Album gut ist und lediglich das Aha-Erlebnis noch aussteht. Nun ist es so weit, und es hat locker vierzig Durchläufe gebraucht, bis das "nur" gute Album sich dorthin entwickelt hat, wo es hin gehört. Denn die Songs haben die Glanzpunkte, die wir von einer Band wie HEAVEN & HELL erwarten dürfen. Nur sind sie hintergründiger und versteckter als sonst.
Der Opener 'Atom And Evil' legt mit wuchtigen Drumschlägen von Vinnie Appice los, bevor Tony Iommi ein finsteres Doom-Riff zelebriert und nach einigen Takten Ronnie James Dio in wunderbarer "creepy singing"-Manier einsteigen lässt, die vor allem in der Bridge besticht. Nach dem ersten Refrain folgt auch das erste Iommi-Solo der Scheibe, das zeigt, dass der Gute nicht nur der Riffmeister ist, sondern auch großartig solieren kann. Nicht virtuos, aber dafür eindringlich und effektiv. Nach dem zweiten Refrain schlägt dann die Stunde Geezer Butlers, der sehr hintergründig, aber dafür auch sehr intensiv und mächtig druckvoll den Bass einsetzt. Von der Stimmung her ist 'Atom And Evil' dunkel und zermalmend, ultra-heavy. Kein Hit, aber ein eindrucksvolles Stück düsteren und doomigen Metals.
Das folgende 'Fear' ist etwas flotter, aber im Einstieg doch mit einem schleppendem Riff ausgestattet. Die sehr melodisch gesungene Bridge leitet mit einem verspielten Riff in einen kurzen und ungewöhnlichen Refrain über. Dass die nun anstehende Single 'The Bible Black' auch durchaus den Titel "Hitsingle" verdient hat, geben sogar die meisten Kritiker der Scheibe zu. Das Stück wird der Tradition epischer SABBATH-Stücke voll gerecht und besticht zunächst mit einem akustischen Intro, das von Ronnie sehr gefühlvoll gesungen wird. Zum akustischen Hintergrund gesellen sich auch etliche schlichte, aber sehr schön singende Leadmelodien der E-Gitarre und schöne Bassspuren, bevor das Stück in einem mächtigen Übergang in einen schweren, groovenden Stampfer umschlägt, der sich hinter nichts und niemandem verstecken muss und zudem einen sehr explosiven Chorus aufweist, an den sich jeweils sehr dynamische und mitreißende Instrumentalparts anschließen. Ganz große Klasse!
'Double The Pain' leitet sodann der Bass Geezer Butlers ein, und dieses Stück lädt von Anfang an zum Headbangen ein, steigert sich vom Vers in die melodische Bridge und einen stampfenden Refrain, der dem textlichen Inhalt des Stückes gerecht wird. Gequält und doch anmutig. 'Rock And Roll Angel' wirkt zunächst ein wenig unspektakulär, kann aber dennoch mit Geezer Butlers Bass und der Passage nach dem zweiten Refrain begeistern, die zunächst eine toll gesungene Strophe von Dio bereit hält und danach einen ausgedehnten Instrumentalpart mit schönem Solo, bevor Dio das Finale einleiten darf und der Song in einer sehr schönen akustischen Coda endet. 'The Turn Of The Screw' ist ein Bass-Stück par excellence, das Geezer Butler fast mehr Raum lässt als Tony Iommi. Es ist sehr energisch und treibend und zudem mit einem tollen Refrain bestückt, der von herrlichen Gitarrenleads flankiert wird. Den schnellsten Song der Scheibe hören wir mit 'Eating The Cannibals', das kompromisslos nach vorne losgeht und noch am Ehesten an Songs wie 'T.V. Crimes' oder 'Neon Knights' erinnert. Explosives Riffing, ausuferndes Lead und ausdrucksstarker, aggressiver Gesang zeichnen das Stück aus.
Der Grundtenor des Albums ist jedoch finsterer und doomiger, was das folgende 'Follow The Tears' wiederum unterstreicht. Finster, zäh, zermalmend und doch mit einigen lichten Momenten durchsetzt, die dafür sorgen, dass das Stück nicht eintönig wird. Im Anschluss präsentiert sich 'Neverwhere' wieder etwas flotter, melodischer und fröhlicher, klingt aber auch sehr typisch nach Dio/SABBATH. Toll ist hier vor allem das Solo um die dritte Minute herum und die letzte Bridge ("Waiting for the witching hour...") samt dem folgenden Refrain. Der Abschluss mit 'Breaking Into Heaven' ist dann nochmals epischer Doom Metal in Reinkultur - ein ausladender Siebenminüter mit schleppendem Lava-Riff. Die dritte Strophe ist überirdisch gut gesungen und sorgt für eine sehr wohlige Gänsehaut. Ebenso der großartige Refrain und das Solo nach 4:30, das in eine mächtige Coda der Extraklasse überleitet.
Als Fazit bleibt, dass "The Devil You Know" oberflächlich gehört nur verlieren kann, weil es seine Reize nicht sofort offenbart und die Erwartungshaltung der meisten Interessenten einfach zu groß ist. Es ist auch definitiv kein Album, bei dem sich ein Hit an den anderen reiht. Direkt angesprungen wird man zuerst nur von 'The Bible Black', doch nach und nach hat zumindest mich jedes Stück geknackt. Ihr habt es hier mit einer Platte zu tun, die alles andere als "Easy Listening" ist und auch nicht sein will. Die alten Herren sind ein gewaltiges Risiko eingegangen, indem sie eben nicht auf überwiegend eingängige und simple Songs gesetzt haben, die jeder sofort anerkennend abnickt. Sie haben teilweise mächtig schwierige Lieder komponiert, deren Struktur und Aufbau alles andere als leichtflüssig sind. Auf die Gefahr hin, dass ihnen viele Hörer vorwerfen würden, dass ihnen die zündenden Songideen ausgegangen seien. Genau das selbe ist damals bei "Dehumanizer" passiert und heute sind sich doch fast alle einig, dass die Scheibe viel besser war, als sie damals von Fans und Medien wahrgenommen wurde. Genau das sehe ich auch für "The Devil You Know" voraus. Es wird sicher nicht jeden knacken können, der sich jetzt skeptisch bis kritisch äußert; doch viele werden irgendwann vor der schleichenden Macht dieses teuflischen Albums kapitulieren. Ich hab's selbst erlebt und schon nicht mehr für möglich gehalten.
Anspieltipps: The Bible Black, The Turn Of The Screw, Eating The Cannibals, Neverwhere
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle