PETER FOX - Stadtaffe
Mehr über Peter Fox
- Genre:
- HipHop
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Downbeat Records (Warner)
- Release:
- 26.09.2008
- Alles Neu
- Schwarz Zu Blau
- Haus Am See
- Kopf Verloren
- Das Zweite Gesicht
- Der Letzte Tag
- Ich Deine Steine, Du Steine
- Lok Auf 2 Beinen
- Stadtaffe
- Fieber
- Schüttel Deinen Speck
- Zucker (Feat. Vanessa Mason)
Hype hin, Hype her. 'Stadtaffe' ist ein einzigartiges Album, in dem PETER FOX es verstanden hat, neu und doch nicht experimentell, eingängig und vielschichtig, international und sehr Deutsch zu sein. Ein mitreißendes Album, bei dem der Körper mitgeht bevor der Kopf überhaupt merkt, was geht: Rhythmus, Rhythmus, Rhythmus. Klasse Scheibe, nicht nur für Stadtaffen.
Es ist nun nicht so, als gäbe es kaum Lieder über das Phänomen 'Stadt'. Jeder mit einer halbwegs gut sortierten Plattensammlung dürfte auf Anhieb einige Songs zusammen bekommen, die sich irgendwie mit der menschlichen Über-Siedlung befassen; und mit allem was damit zusammenhängt: Elend, Glorie, Reichtum, Armut, Freude, Unglück, Einsamkeit, alles zusammengepresst auf wenige Quadratkilometer.
Nun hat sich PETER FOX, den man vorher eigentlich vornehmlich durch die Berliner Stadtmusikanten SEEED kannte, aufgemacht, eine eigene Version des Stadtklangs zusammen zu komponieren. Vorstellen konnte man sich davor freilich nur: naja, SEEED halt. Gepflegter Nonsens mit einer Bandbreite aus Einflüssen, die bei weitem nicht nur Reggae und Dance umfasst, die aber auch lediglich vor harten Gitarrenklängen halt macht. Sollte den Liebhaber härterer Klänge eigentlich abschrecken, wer sich allerdings schon einmal auf einem SEEED-Konzert durch die zu Dampf gewordenen Halluzinogenen gearbeitet hat, wird mit Überraschung feststellen dürfen, dass SLAYER-Shirts nicht allzu selten sind. Was der Schreiber damit zu erklären versucht, dass SEEED durch die immense Menge an locker und dreist zusammen gewobenen Einflüssen eine verdammt große Streufläche haben. Wenn man damit durch die Boxen auf eine Menge ballert, erwischt es halt dementsprechend viele. Der kleine Rest hat dann Glück gehabt.
Was PETER FOX angeht, kann man ohne Zweifel von Pech sprechen. Denn was der Mann mit 'Stadtaffe' zusammenkomponierte, schlug nicht ohne Grund ein wie eine Bombe. Nur einmal zur Erinnerungen: Im letzten Drittel des Jahres 2008 veröffentlicht und trotzdem noch alle anderen Platten des Jahres aus dem Feld geschlagen. 2009 dann die Tour und Zack: Der Mann stand ganz oben.
So weit oben, dass ihm selbst von seinem Erfolg schwindelig wurde. PETER FOX, der selbst eine etwas verschroben-eigentümliche Art und Weise des Starseins praktiziert und sich lieber als einfacher Stadtbürger denn als emporgehobener Promi inszeniert, war irgendwann der ganze Trubel um seine Person und seinen Erfolg zu viel.
"Stadtaffe" ist ein absoluter Knaller, ohne Frage. Dabei ist der Weg nicht weit vom Ursprung: man hört ständig die Herkunft des Fox, SEEED ist überall. Und dennoch hat PETER FOX das Erfolgsprinzip seiner Band bei seinem Alleingang perfektioniert: Wo SEEED anecken, tanzt 'Stadtaffe' gekonnt mit viel Rhythmus durch den Gehörgang. Der Künstler PETER FOX hat es einfach perfekt verstanden alle Ecken und Kanten abzuschleifen und dabei sein Werk trotzdem nicht zu einer charakterlosen Ansammlung musikalischer Beliebigkeit verkommen zu lassen. Das genaue Gegenteil ist der Fall: Die Lieder bewegen sich weitab jeder Vorhersehbarkeit und eingetretener Pfade, kein einziger Song ist das, was man einen 'bewusst vorgeplanten Hit' schimpfen könnte, und: Bis auf SEEED fallen einem wirklich keine sinnvoll anzubringenden Referenzen ein. Das Album hat irgendwie aus der Hüfte alles richtig gemacht: Eingängig, erfrischend originell, einfallsreich ohne zu individualistisch zu sein und vor allem: mitreißend.
Das, was "Stadtaffe" in meinen Augen vor allem auszeichnet, ist Rhythmus, Rhythmus, Rhythmus und noch mehr Rhythmus. PETER FOX hat sich hier zusammen mit seinem Produzenten The Krauts das amerikanische Trommelquartett COLD STEEL ins Boot geholt. Und die treiben mit ihrem Können unerbittlich jeden Song voran. Der Beat geht so durch Mark und Bein, dass man gar nicht anders kann, als mitzugehen. Percussion und der rhythmisch-stakkatesque Sprechgesang von Fox sind perfekt aufeinander abgestimmt, das solide Grundgerüst wird von einer ganzen Bandbreite an Instrumenten (auf Tour manifestiert sich das in einer kompletten Big Band) ausgeschmückt, zusammen ein Werk, das bunter nicht sein könnte, ohne allzu grell zu wirken. Die Art und Weise wie Fox dabei die Stadt besingt, oft mit Berlin benannt aber durchaus übertragbar auf so ziemlich jede Metropole, ist dabei so bezeichnend Deutsch wie die untermalende Musik weltbürgerlich international klingt. Gekonnt wird hier Reim an Reim gereiht, der Rhythmus ist das absolute Leitmotiv, ohne dass der Text so weichgeklopft wird, dass die Melodie der Sprache an einem vorüberfließt: Die deutsche Sprache klingt am schönsten, wenn man Disharmonie mit Harmonie zu vereinen weiß. Und das hat PETER FOX mit seinen Texten mit musikalischer Klarheit bewiesen.
Den größten Coup allerdings vollbringt Fox mit der Eingängigkeit von Musik und Text: Das Album kommt so locker daher, dass es sich schon beim ersten Anhören festsetzt. Und dennoch wächst es mit jedem Durchgang. Anspruch und Unterhaltung schön und gut, dieses Album setzt sich in voller Überzeugung zwischen die Stühle; verkopft kann man es ebenso wenig nennen wie trivial, seicht wie überfrachtet.
Alles in allem ein Album, bei dem man sagen kann, dass PETER FOX mit "Stadtaffe" Neues geschaffen hat, ohne sich in Experimenten zu verheddern. Das Ergebnis ist ebenso eingängig wie vielschichtig und in jedem Falle mitreißend. Ein Album, das unter die Haut geht, um sich sofort in den Muskeln festzusetzen. Der Kopf nickt mit, ob man will oder nicht.
Anspieltipps: Haus am See, Der letzte Tag, Lok auf 2 Beinen
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Michael Kulueke