PORCUPINE TREE - Closure/Continuation
Mehr über Porcupine Tree
- Genre:
- Progressive Rock
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- Music For Nations
- Release:
- 24.06.2022
- Harridan
- Of The New Day
- Rats Return
- Dignity
- Herd Culling
- Walk The Plank
- Chimera’s Wreck
- Population Three (Bonus)
- Never Have (Bonus)
- Love in the Past Tense (Bonus)
Die Ausrede für den (zu) heißen Sommer.
Manche Veröffentlichungspolitik muss man nicht nachvollziehen können. Während schon diverse nihilistische Black-Metal-Geburten im Hochsommer stattfanden, lag teilweise auch schon mal eine Surf-Rock-Scheibe unter dem Weihnachtsbaum.
Ähnlich schwer tue ich mich mit "Closure/Continuation", dem langerwarteten Comeback von PORCUPINE TREE und seiner Wirkung bei mehr als 30 Grad Außentemperatur. Grundsätzlich sollte es mich gar nicht stören, da das erste Album seit dem 2009er Konzeptbrocken "The Incident" so lange und intensiv herbeigesehnt wurde. dass es vollkommen egal ist, wann man es endlich in den Händen halten darf - Hauptsache die Jungs aus England bringen endlich neue Musik raus.
Wahrscheinlich stört es mich eher, dass nun alle meine Rockfreunde mit Hang zum Progressiven sich über den gesamten Sommer (Vorsicht Klischee) in den Keller verkriechen und die neuesten Stunde feinsten Prog-Rocks anbeten. Und ich kann sie so gut verstehen, denn auch mich ziehen diese Klangwelten weit weg von sämtlichen Outdoor-Aktivitäten hin zu all dem technischen Firlefanz den man sich für teuer Geld gekauft hat, um eben diese Art der Musik angemessen zu genießen.
Wobei wir direkt schon bei dem Punkt wären, auf den alle erwartet haben und der sich wie eine Prophezeiung nun erfüllt. Das Album klingt gigantisch, der Sound ist abartig gut und jedes einzelne Instrument atmet einem direkt in den Nacken. Der Musikarchitekt Steven Wilson hat hier nichts dem Zufall überlassen und von 300 verschiedenen Entscheidungen ausnahmslos immer die richtige getroffen.
Und genauso erwartbar war auch, dass er und seine Bandkollegen diesen Sound für technische Spielereien nutzen würden, welche erneut absolut fantastisch klingen. Synthesizer-Genie Richard Barberi liefert in meinen Ohren die besten und geschmackvollsten Keyboard-Sounds des laufenden Jahres ab und darf sich zurecht Hoffnungen auf mein persönliches Band-Lineup des Jahres machen. Fest gesetzt ist dort natürlich Kollege Gavin Harrison, der auf diesem Album in allen Facetten zeigt, warum er aktuell der technisch beste Schlagzeuger des Planeten ist (als Beispiel sei 'Herd Culling' genannt).
Und Mastermind Steven Wilson? Das ganze Brimborium würde nur etwas bringen, wenn die einzelnen Songs stark genug wären. Und ja, das sind sie. Bis das etwas nach äteren PORCUPINE TREE klingende 'Walk The Plank' sind alle Tracks ausnahmslos Spitzenklasse. War ich noch aufgrund der Tatsachen, dass Bass-Urgestein Colin Edwin bei der Reunion nicht mit dabei ist und einem Coverartwork, dass doch stark gewollt stylisch modern wirkt (siehe SW-Soloalben) etwas skeptisch, so erfreut bin ich nun über das Ergebnis. Es gibt wesentlich mehr Gitarre als vermutet, auch wenn das Fundament der Tracks eindeutig immer Bass und Schlagzeug ist. Aber wenn die Klampfe kommt, dann setzt sie in bester Band-Tradition durchgängig starke Akzente.
Die Songs selbst sind ein wilder Ritt durch die ganze Historie der Band, aber schaffen es durch feine Kniffe und dem atemberaubenden Sound immer nach 2022 zu klingen. Vom kraftvollen Opener "Harridan", über einen regelrechten Prog-Metal-Track wie 'Rats Return' zur Melodiewundertüte 'Dignity' wäre alle auch Highlights auf bisherigen Alben gewesen.
Nach meiner persönlichen Speerspitze "Fear Of A Blank Planet" und dem Game-Changer "In Absentia" reiht sich dieses Comeback ziemlich weit vorne in der Diskografie ein und belegt zusammen mit "Lightbulb Sun" einen starken dritten Platz.
Ob es nun das endgültige Lebenszeichen vom Stachelschweinbaum gewesen ist oder wieder neue Energie geschöpft wurde, wird die Zukunft zeigen. Sollte es jedoch das letzte gewesen sein, hat sich die Band auf jeden Fall mit einem Ausrufezeichen verabschiedet. Aber bei solch peniblen Songtüfflern wird es doch einen Grund haben warum das Album "Closure/Continuation" heißt und nicht "Continuation/Closure", oder?
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Stefan Rosenthal