SOILWORK - Övergivenheten
Auch im Soundcheck: Soundcheck 08/2022
Mehr über Soilwork
- Genre:
- Melodic Death Metal
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- Nuclear Blast
- Release:
- 19.08.2022
- Övergivenheten
- Nous Sommes La Guerre
- Electric Again
- Valleys Of Gloam
- Is It in Your Darkness
- Vultures
- Morgongåva/Stormfågel
- Death, I Hear You Calling
- This Godless Universe
- Dreams Of Nowhere
- The Everlasting Flame
- Golgata
- Harvest Spine
- On The Wings Of A Goddess Through Flaming Sheets Of Rain
Atemberaubende Schönheit
Über die Urgewalt des Titelstücks habe ich schon vor Wochen einige Worte verloren, als 'Övergivenheten' als erster Appetizer des neuen SOILWORK-Meisterstücks seine Runden drehten. Meine Hoffnung von einst war einzig und allein, dass Speed und Co. diese Wucht, Emotionalität und Genialität des Openers auch auf das komplette, zwölfte Studioalbum bannen können.
Die Hoffnung begründet sich aus der Tatsache, dass SOILWORK mitunter die Band meiner Stunde ist. Seit ich THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA für mich vor einigen Jahren entdeckte, begann auch der Melo-Death-Bastard von Strid und Andersson vollends zu zünden: "Verkligheten" war nicht minder majestätisch als der Vorgängerritt und diese nahezu perfekte Symbiose aus Härte und Melodie, aus Souveränität und Emotionalität, aus unendlicher Melancholie und unbändiger Spielfreude, die SOILWORK auf der "A Whisp Of The Atlantic"-EP an den Tag legte, ist bis heute das Beste, Schönste und Ehrlichste, was ich im Melo-Death-Sektor jemals hörte. Auch hier verweise ich gerne auf die Zeilen von einst.
Nun – nach den "Aeromantics"-Teilen, AT THE MOVIES-Ausflügen, dem "Donna Cannone"-Debüt und unzähligen Kollaborationen – kümmert sich Goldkehlchen Björn wieder um seine Hauptcombo, mit der er das zweite mit einem schwedischen Titel versehende Album veröffentlicht. Nach dem Realitätsausflug Anfang 2019 grüßen die Schweden also nun vom Abgrund, von Aufgabe und Verlassenheit könnte dem Titel "Övergivenheten" nach die Rede sein, doch all das, was ab 'Nous Sommes La Guerre' kommt, bestätigt die mehr als verheißungsvolle Prophezeiung des titelgebenden Openers: SOILWORK grüßt von der Spitze der Melo-Death-Szene und bestätigt mit diesem hochemotionalen, aber dennoch harten und abwechslungsreichen Werk genau jenen Weg in den Metal-Olymp.
Komm auf den Punkt, Marcel. Was ist denn nun das Besondere an "Övergivenheten"? Ich bin von den Gefühlen auf diesem Album schlichtweg überwältigt! Speed selbst schafft es mit einer der stärksten, variabelsten Stimmen des Metal-Bereichs jedem einzelnen SOILWORK-Ton den Stempel aufzudrücken, die Gitarren flirren, riffen, rocken und sägen sich die Finger wund, die Rhythmusfraktion bringt eine ungeheure Dynamik in die gesamte Platte, die darüber hinaus mit denkwürdigen Metaphern ein Album mit einer unglaublichen Nachhaltigkeit herstellt. Schließlich dreht "Övergivenheten" schon seit Wochen fleißig die Runden und ich werde partout nicht satt von diesem 14-teiligen melancholischen, harten, spritzigen und höchst geschmackvollen Bollwerk. Somit – und generell bin ich von dieser Taktik ein großer Freund – ist das Titelstück ein gelungener Querschnitt des gesamten Albums.
Das angesprochene ''Nous Sommes La Guerre' weist mit dem ruhigeren 'Valleys Of Gloam' eine ungeheure Eingängigkeit auf, die Ohrwürmer sind vorprogrammiert, wovon man sich auf "Övergivenheten" partout nicht verstecken kann. Doch auch die harschen Töne wie vom Black-Metal-Querverweis 'Electric Again' oder dem rasanten Fausthieb 'Is It In Your Darkness' kommen heuer nicht zu kurz. Generell hat SOILWORK den Melodic Death Metal weiterentwickelt und auf die nächste, hochspannende Stufe gehievt. Die dichte, schon cineastische Atmosphäre, ein schier unglaublicher Facettenreichtum, gekonnte Ausflüge in den Bombast wie beim abschließenden 'On The Wings Of A Goddess Through Flaming Sheets Of Rain' oder fantastische Daumen-hoch-Experimente wie mit 'This Godless Universe', all diese Punkte sorgen für mächtige Aha-Momente und ein Hörvergnügen, wie es eher selten in diesem Genre vorkommt. Auch an 'Morgongåva/Stormfågel', 'Death, I Hear You Calling' und 'The Everlasting Flame' kann man sich als Fan schlichtweg grandioser, authentischer Musik einfach nicht satthören. Ein erhabenes, in allen Belangen majestätisches und Grenzen sprengendes Album, das zugegeben etwas Zeit zum Zünden braucht, aber dann einen Stammplatz auf dem heimischen Plattendreher innehat. Nicht nur aufgrund des üblicherweise wärmeren Sounds einer Schallplatte würde ich auch ob des Artworks die Vinyl-Version dieser SOILWORK-Scheibe bevorzugen. Leute, ich bin schlichtweg verliebt in die Musik und dieses bemerkenswerte Cover.
Warum also keine Höchstpunktzahl, lieber Marcel? Nun, ich möchte SOILWORK einfach für künftig die ehrlicherweise sehr geringe Chance geben, "Övergivenheten" nochmals toppen zu können, mich nochmals so zu überraschen wie vor einigen Jährchen, wie aber auch aktuell. Doch der Quantenentwicklungssprung, den ich Mannschaft Jahr für Jahr, Album für Album schafft, ist einfach nur erstaunlich und auch in Zukunft nicht unmöglich.
Wenn du glaubst, dass es in Sachen Melodic Death Metal mit höchst emotionaler Note gar nicht besser geht, kommen eben "Övergivenheten" oder wie einst die "A Whisp Of The Atlantic"-EP daher. Somit ist das gesamte Album in seiner Komplexität, Melancholie und atemberaubenden Vielfalt ein Statement, ein kleines bis mittelschweres Szene-Erdbeben, das eine Band zeigt, die sich schon seit Jahren auf den Zenit ihrer Kreativität und ihres Könnens präsentiert und diesen Status hoffentlich noch viele weitere Jahre aufrechthalten kann.
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Marcel Rapp