SPIRITUAL BEGGARS - Return To Zero
Auch im Soundcheck: Soundcheck 08/2010
Mehr über Spiritual Beggars
- Genre:
- Heavy Rock
- ∅-Note:
- 8.00
- Label:
- Insideout (EMI)
- Release:
- 27.08.2010
- Return To Zero [Intro]
- Lost In Yesterday
- Star Born
- The Chaos Of Rebirth
- We Are Free
- Spirit Of The Wind
- Coming Home
- Concrete Horizon
- A New Dawn Rising
- Believe In Me
- Dead Weight
- The Road Less Travelled
<p style="margin-bottom: 0cm;">Weiterführung und Neubeginn.</p>
Als Musikkritiker und Hobby-/Möchtegernanalyst sieht man sich zwangsläufig und oft mit einer Vielzahl von ...Klischees konfrontiert. Die Frage ist hierbei meistens, ob man diese -diplomatischer gesagt- wiederkehrenden Konstanten als erwähnenswert und wertungsrelevant erachtet und sie entsprechend anspricht oder sie als einengend, kurzsichtig und elitär-nostalgisch vom Tisch schiebt. Meckern über Änderungen im Line-up (insbesondere in Sachen Fronter/Sänger), ewige Vergleiche mit einem als Maßstab erkorenen Magnum Opus, Nachweinen eines alten Sounds, et cetera ... Will man ein faires, aber auch präzises und anschauliches Bild eines Albums geben, so kann man solche Streitfragen aber auch nicht immer umschiffen, da sie selbstverständlich in vielen Fällen von musiktechnischer Bedeutung sind. Die ehrliche Meinung des Autors in diesem Review nun kollidiert an manchen Ecken mit einer versuchten Vermeidung erwähnter "Klischees", in jedem Fall aber sind diese hier erwähnenswert und spiegeln anzusprechende Elemente im fraglichen Album wider. Soviel apologetisch in eigener Sache.
"Return To Zero", das nach einer fünfjährigen Durststrecke neueste Album der SPIRITUAL BEGGARS liegt hier nun vor mir. Rechts hinter mir, genauer gesagt, und es ruht dabei weniger als es rotiert. Im CD-Spieler selbstredend, mitten in einem weiteren einer beachtlichen Anzahl von Durchgängen seit ich meine digitalen Klauen erstmals in das Album schlagen durfte. Ich hatte eine nicht unerhebliche Zeitspanne zur Verfügung, um mir eine konsistente, substanzhafte Meinung zum letzten Werk der schwedischen Metalrocker zu bilden und dementsprechend oft drehte die Scheibe auch ihre Runden im nächsten optischen Lesegerät. In der Kurzfassung war unsere bisherige gemeinsame Zeit folgendermaßen beschaffen: Mit anstößig hohen Erwartung getränkte Euphorie, erster Durchgang, reality ensuing, gefasster Ersteindruck, weitere Runden, Wälzen auf dem Boden der Tatsachen, Verfeinerung mit Ersteindruck als unverrückbares Fundament, Gesamtmeinung. Halleluja, hier bemerkt man höchstwahrscheinlich bereits leichte Ernüchterungen und auch die Motivationen hinter dem eröffnenden Paragraph. Schaffen wir nun schmerzlos zwei der dort angesprochenen Klischees aus der Welt:
Klischee Nummer eins: Sängertausch. Mikromann Apollo Papathanasio tritt mit diesem Album in die mächtigen Fußstapfen von GRAND MAGUS-Mastermind Janne "JB" Christoffersson. Dieser ist den meisten wahrscheinlich durch seine Performance bei FIREWIND bekannt, eine Band, die mir persönlich nur rudimentär bekannt ist, sich aber Genre-mäßig höchstens nur am Rande mit den BEGGARS (genauergesagt ihrem neueren Sound) überschneidet. So weit, so wurscht. Denn obwohl JBs Zusammenspiel und Chemie mit dem Rest der Band in Sachen Sound weiterhin unerreicht bleibt, leistet Apollo hier gute bis sehr gute Arbeit. Sein Ansatz ist polierter, klarer und allgemein weniger ruppig als der seines Vorgängers, was manchen im Zusammenhang mit dem entwickelten Klang der Truppe willkommen sein dürfte, mir aber als leicht sturer Fanboy ein Element nimmt, welches ich auf dem Heavy Rock-Meisterwerk "Demons" und seinem prototypischeren Vorgänger "On Fire" lieben gelernt habe. Und doch fehlt es Apollo nicht an Ausdruckskraft wie bereits jedem Ohrinhaber beim ersten längeren Song 'Lost In Yesterday' klar werden dürfte. Seine Stimme besitzt ein relativ breites Register, resoniert auf ihre eigene Weise kraftvoll und fügt sich ebenso individuell in die übrige Musik und den derzeitigen Modus Operandi der Band ein, lediglich macht sie dabei auch im Vergleich zu JBs unverkennbarem, bär(t)igen Organ einen Schritt hin zur Austauschbarkeit.
Klischee Número dos: Der neue Sound, der alte Sound. Beide sind hier etwas irreführende, ungenaue Begriffe, denn der Stil auf "Return To Zero" ist nicht im engeren Sinn neu. Bereits auf "Ad Astra" gab es einen bemerkbaren Ruck weg von "alten" bekiffteren Stonerklängen der ersten beiden Alben hin zu energiegeladenen retro-Hard Rock-Hymnen. Diese Veränderung wurde am markantesten hörbar mit dem 2002 erschienen Werk "On Fire". Obwohl auf den vorangegangenen Alben die desert-rockige Garcia-hafte Performance von Christian Sjöstrand keineswegs fehl am Platz gewesen war, so fanden die BEGGARS dort mit JB erst ihre eigentliche Stimme. In zweierlei Sinn. 2005 folgte dann "Demons", das diese Bandkonstellation noch einmal voll ausnutzte und mit erwähntem Stimmeinsatz, Gitarrist Michael Amotts ansteckenden Riffs und ausdrucksstarken Soli und kultiger Hammond-Orgel-Nutzung eine kreative songschreiberische Achterbahnfahrt hinlegte.
Der "neue" Sound von "Return To Zero" ist nun nicht wirklich neu und bis auf den oralen Neuzugang seinen zwei Vorfahren weitgehend treu geblieben.
Die Band hat sich also merklich entwickelt und das einem Punkt entgegen, der bereits auf "Demons" abzusehen gewesen ist. Cooler Stoner-Riffrock ist kontinuierlich immer noch recht gitarrenmotivlastigem steinernem Heavy Rock/Metal gewichen, denn obwohl es auf dem Vorgänger bei aller Energetik noch einige abgespacete Momente und Liedgüter gab, so ist "Return To Zero" -obwohl nicht ohne rudimentärem Doom- durch und durch eine Kreatur mit klarem Kopf und ebenso klar gesetzter, nüchterner Klangwelt.
Recht cool und stimmungsvoll kündigt sich das Album in einem kurzen spacigen Intro an, das gänsehauterzeugend bereits einen monumentaleren Power-Rock-Charakter prophezeit. Abrupt weichen die sanft synthetischen Klänge dem mächtigen Opener 'Lost In Yesterday". Die Bettler sind in ihrem Element: dicke Riffs, sofortiges Suchtgefühl, stilechte Hammond-Orgel als Brücke und ein typisch Amott'sches Solo, das weder protzt noch überflüssig klingt, sondern sich mit wirkungsvoller emotionaler Phrasierung durch vergleichsweise simple Pentatoniken schlängelt. Nicht überraschend ist dieser Track auch eines der Highlights des Albums sowie desweiteren der noch am meisten mit einem Teelöffel Doom versehene Song. Apollo Papathanasios Stimme fügt sich geschmeidig in das Gesamtbild ein und verleiht den altbekannten Zutaten ihre eigene Note, die hier ausgesprochen gut passt. Ich gebe zu, dass das Lied auch mit JB nicht viel besser hätte werden können.
Mit "Star Born" gibt es eine weitere schwere Rocknummer, die allerdings optimistischer daherkommt mit der gewohnten markanten Gitarren- und Songwritingarbeit die üblichen Stärken auftrumpfen lässt. Wieder etwas dunkler wird es mit 'The Chaos Of Rebirth', dem obligaten ehrfurchgebietenden Groover des Albums. Apollos Organ kommt auch hier ausgesprochen gut zur Geltung, nicht zuletzt, da dieser versucht, seinen gesanglichen Einsatz dem bedrohlichen Drive des Songs anzupassen, was von einer gewissen Vielseitigkeit spricht, die ihm trotz aller vorangegangenen und folgenden Bemängelungen zugute gehalten werden muss. Apollo gleitet dabei aber nicht allzu weit von seinem quasi-traditionell powermetallischen Stil ab. Später im Song wird noch ein Keil in den Liedfluss getrieben und das Tempo headbanginduzierend hochgeschraubt, wobei Mister Amotts Gefühl für reindrückendes Riffmaterial einmal mehr seine Wirkung tut.
Auf 'We Are Free' erwartet den Hörer ein amtliches melodiöses Duell zwischen ungebändigten Gitarren mit flüssigen Wah-Wah-getünchten Signatursound und Orgeleinsatz, während 'Spirit Of The Wind' dagegen ein sehr ruhiges, ätherisches Stück ist, das mit fast sechs Minuten eine Atempause bietet, die man in dieser Länge auch bei einer gekonnt Gas gebenden Band zwar nicht nötig hat, aber einem trotz ansatzweiser Monotonie dennoch nicht langweilig wird.
Wieder schnurstracks nach vorne und mit starken Riffs durchsetzt geht es in weiterer Folge ohne Schnörkel auf 'Coming Home', 'Concrete Horizon', 'A New Dawn Rising' und 'Believe In Me'. Insbesondere bei den letzten beiden finden sich mit dem Refrain einige tolle und sofort greifende Hooks. Diese liegen quer durch das ganze Album verstreut begraben, manche auffällig und sofort schaltend, manche tiefer verbuddelt, und ergeben sich durch das Zusammenspiel aller Zutaten, gesanglich wie instrumental, wie schon auf 'Lost In Yesterday', aber auch den erwähnten Melodic-Rock-Refrains von 'A New Dawn Rising' und 'Believe In Me'. Wieder zeigt sich, dass Fronter Apollo durch seine Stimme allein zwar den Stil der Band in andere poliertere Gestirne rückt, aber dabei durchaus genug stimmlichen Charakter und Präsenz besitzt, um seinen Beitrag nicht vergessenswert werden zu lassen.
Das Album verabschiedet sich mit 'The Road Less Travelled', eine an sich passable Nummer für ruhigere Stunden, die, wenngleich sie mit ihrer AOR-Power-Balladen-Attitüde und Klaviernutzung im Gesamt-Beggars-Kosmos etwas deplatziert scheint, trotzdem nicht unangenehm anzuhören ist und im Albumkontext natürlich weitaus schlechter gesetzt hätte werden können.
"Return To Zero" - Der Titel birgt in seiner Bedeutung gleichermaßen ein Körnchen offensichtlicher Wahrheit und harmloser Lüge. Man kehrt nach all den Jahren nicht zu irgendwelchen anfänglichen Wurzeln zurück, ganz im Gegenteil, führt die Entwicklung innerhalb der Banddiskographie "logisch" weiter. Gleichzeitig etablieren die BEGGARS auf diesem Werk auch einen neuen Ausgangspunkt, stellen also mit neuem Sänger bei aller Integrität und Inspiration seitens der Vergangenheit die Zähler erstmal "auf Null" und versuchen, innerhalb dieses neuen Line-Ups einen passenden Sound zu finden.
Jener Sound wirkt auf mich insgesamt ernster, abgeschliffener, weniger verspielt, aber immer noch mit einer gesunden und sofort erkennbaren Portion Talent und Kreativität versehen, die bei diesem, nach wie vor vor guter Chemie knisternden Line-Up wohl nicht auszurotten ist. Dennoch fehlt über weite Strecken dieser gewisse Effekt, diese zurückgelehnte, aber doch treibende Wärme und Substanz und das Ohrwurm- und Hitpotential, das auch nach dem tausendsten Durchgang noch frisch erhalten bleibt, sowie -last but not least- vor allem eine allgegenwärtige "Coolness" als Artefakt der frühen Stoner-Wurzeln und gleichsam willkommenes Mitbringsel für den frischeren energetischen Hard Rock-Sound. Ich spreche hierbei hauptsächlich und schamlos von „Demons“, womit ich mich eines weiteren obigen Klischees schuldig bekennen darf: Glori- und Messlattenfizierung eines subjektiv als Höhepunkt angesehenen Albums. Can't be helped.
Gesamteindruck ist trotz allem: Der jüngste Output der Schweden ist ein Werk mit einem effektiven Arsenal an hochwertigen Songs. Klassischer metallisch-rockend wurden die noch vorhandenen Spuren von Doom weiter (aber nicht vollends) getilgt und gleichzeitig die letzten Reste des Sonnenbrillen-Fuzz-Stoners mit einer seriöseren Beinahe-Melodic Metalesken-Injektion versehen. Bei aller Politur klingt aber nach wie vor der typische retro-hafte und doch zeitlose und moderne Stil durch jede Pore hindurch. Mancher wird unter Umständen bemängeln, dass alte Lieben und das gewisse Etwas auf Albumlänge fehlen, aber als Fan der Band wird man sich diesem Werk dennoch wohl kaum entziehen können. Wenn auch im Endeffekt hinter den in fünf Jahren geschmiedeten Erwartungen zurückgeblieben, an und für sich ein trotzdem starkes Album.
Anspieltipps: Lost In Yesterday, The Chaos Of Rebirth, A New Dawn Rising, Believe In Me
- Note:
- 8.00
- Redakteur:
- Daniel Wimmer