THRESHOLD - Legends Of The Shires
Auch im Soundcheck: Soundcheck 09/2017
Mehr über Threshold
- Genre:
- Progressive Metal
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- Nuclear Blast (Warner)
- Release:
- 08.09.2017
- The Shire (Part 1)
- Small Dark Lines
- The Man Who Saw Through Time
- Trust The Process
- Stars And Satellites
- On The Edge
- The Shire (Part 2)
- Snowblind
- Subliminal Freeways
- State Of Independance
- Superior Machine
- The Shire (Part 3)
- Lost In Translation
- Swallowed
100% THRESHOLD - 100% Liebe.
Ich bin gerade auf der Hochzeitsfeier meines Bruders als mich die eMail erreicht, dass das neue THRESHOLD-Album im Presse-Portal von Nuclear Blast zum Download bereit steht. Der Moment könnte nur in wenigen Fällen noch ungünstiger sein. Es erfasst mich eine innere Unruhe, denn im Grunde hält mich nicht mehr viel auf dieser Feier, aber Familie ist Familie und ein vorzeitiges Verschwinden ist absolut unangemessen. Und obwohl die Feier relativ frühzeitig vorbei ist, bin ich weit davon entfernt Musik hören zu können. Übernachtet wird bei der Schwester, die dummerweise noch nicht müde ist. Der Abend wird länger und länger und als sie endlich ins Bett geht, bin ich so müde, dass ich noch während des eröffnenden 'The Shire (Part 1)' einschlafe. Die Nacht wird sehr kurz, denn schlafen kann ich irgendwie auch nicht wirklich. Drei Stunden später bin ich also wieder wach und kann endlich, endlich mein mit Abstand meist erwartetes Album des Jahres anhören.
Die Anspannung, so viel sollte nach dieser Einleitung klar sein, ist sehr hoch. Das hat vielerlei Gründe. Da ist die Tatsache, dass es sich erstmals in der Bandgeschichte um ein Konzept- und Doppelalbum handelt. Auch der Titel "Legends Of The Shires" ist extrem ungewöhnlich und so gar nicht THRESHOLD. Und dann ist da zu guter letzt die Rückkehr von Glynn Morgan, 23 Jahre nach der Veröffentlichung von "Psychedelicatessen". Die Trennung von Damian Wilson zu Beginn des Aufnahmeprozesses hat hohe Wellen geschlagen und ist auch eine sehr atypische Handlung für Karl Groom und Richard West. Viele Fans zeigen sich im weltweiten Netz enttäuscht, ich bin allerdings relativ entspannt. Es gibt keinen Rosenkrieg wie es bei vielen anderen Truppen der Fall war, zudem wird eben ein alter Bekannter als Sänger zurückgeholt, der bereits einen Klassiker eingesungen hat. Und das er noch in Form ist, hat er vor einigen Jahren mit den beiden für die "Paradox"-Box aufgenommenen Tracks 'Half Way Home' und 'Fist Of Tongues' bewiesen. An der Front kann also nichts schiefgehen.
'The Shire (Part I)' ist dann doch ein eher ungewöhnlicher Einstieg in ein THRESHOLD-Werk. Vögelzwitschern, ein balladeskes, leises Intro, mit einer samtig vorgetragenen Strophe, die gleich unter die Haut geht. Doch schon das folgende 'Small Dark Lines' macht klar, dass "Legends Of The Shires" kein britisches "The Astonishing" wird. Nein, der Song steht eher in der Tradition von 'Slipstream' oder 'Ashes' und ist damit ein grandioser Opener. Glynn Morgan klingt exakt wie vor 23 Jahren, hat dieses leichte Reibeisen in der Stimme, das ich so liebe, Karl Grooms Gitarren sind ebenso unverkennbar wie Richard Wests Keys und die Glückshormone feuerwerken sich durch meinen Körper. Ab hier und jetzt bin ich im Rausch.
Darauf folgt mit 'The Man Who Saw Through Time' bereits der längste Song des Doppelwerks. Fast zwölf Minuten verbringen wir mit dem Herren, der durch die Zeit sieht. Und sie vergehen wie im Flug. Wie so oft in der Geschichte THRESHOLDs heißt lang nicht verfrickelt. Nein, hier gibt es eine sehr abwechslungsreiche Nummer, die mit sanften Breaks immer wieder auf neue Wege geführt und einmal mehr von einem grandiose Refrain gekrönt wird. Das ist exakt, wofür ich THRESHOLD so liebe. Die Mischung aus Melodie, Härte und Komplexität geht den Briten mit solch einer Leichtigkeit von der Hand, dass ich es kaum glauben kann.
Ich werde jetzt nicht pro Song eine Laudatio schreiben, aber glaubt mir die 83 Minuten sind ein wahnsinnig kurzweiliger Spaß, der sich auch nach mehr als 20 Durchläufen in nicht einmal zwei Wochen keinen Millimeter abnutzt. Herausheben möchte ich vor allem das eindringliche, balladeske 'The Shire (Part 2)', die phänomenalen Melodieoasen 'Snowblind' und 'Superior Machine' und den bereits bekannten Longtrack 'Lost In Translation'. Aber der große Rest ist nur Nanometer dahinter. Man darf aber festhalten, dass auch dies ein THRESHOLD-Werk durch und durch ist. Wieder etwas kniffliger als "For The Journey", aber immer noch eingängig, melodisch, mit gehörig Punch und einer schlicht perfekten Symbiose - und da wiederhole ich mich gerne - aus Anspruch, Härte und Hooks.
Der Konzeptaspekt geht in meinen Worten bisher vielleicht etwas unter, was auch daran liegt, dass ich dazu einfach noch nicht allzu viel sagen kann. Musikalisch halten vor allem die drei Teile des Semi-Titeltracks 'The Shire' das Werk zusammen, dennoch kann jeder Song auch für sich stehen. Es ist nicht wie bei DREAM THEATERs "Scenes From A Memory", das Melodien oder ganze Teile wieder aufgegriffen werden oder ähnliches. Zumindest nicht in dem Maße, dass dies groß auffällt, von 'The Shire' eben abgesehen. Es sind also die Lyrics, die mehr die Geschichte erzählen, in der es - so weit ich es bisher herausgehört habe, die Texte liegen leider nicht vor - um die Erlebnisse eines Mannes geht, sein Leben, seine Versuche Neues zu tun, zu entdecken, zu erschaffen. Daran zu scheitern und wieder aufzustehen. Oder wie es in 'The Shire (Part 2)' gesungen wird: 'Live Love Laugh Hope Sow Grow'.
Für mich könnte Glynn Morgan wohl aber auch vom Gummibärchenland singen oder sinnlos Worte einanderreihen. THRESHOLD schafft es immer wieder mich zu packen. Diese Musik berührt Emotionen und Intellekt gleichermaßen. Sie hat Herz, Seele, Hirn und Faust. Und wer kann das schon von sich behaupten?
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Peter Kubaschk