WYTCH HAZEL - III: Pentecost
Auch im Soundcheck: Soundcheck 10/2020
Mehr über Wytch Hazel
- Genre:
- Epic Heavy Metal / Folk Rock
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- Bad Omen Records
- Release:
- 01.10.2020
- He Is the Fight
- Spirit And Fire
- I Am Redeemed
- Archangel
- Dry Bones
- Sonata
- I Will Not
- Reap The Harvest
- The Crown
- Ancient Of Days
Die momentan vielleicht beste harte Rock-Band der Welt?
WYTCH HAZEL aus Lancaster ist für mich die momentan faszinierendste und beste Band der Welt. Das Debüt "Prelude" konnte mit seinen mystischen Melodien viele Fans gewinnen und sorgte dafür, dass die bei einem englischen Kleinstlabel unter Vertrag stehende Band zum Beispiel auf das "Keep It True"-Festival eingeladen wurde. In meiner Sammlung dürfte es bei den Alltime-Spins auf Platz 2 rangieren. Auch "II: Sojourn" gehört zu meinen meistgehörten Alben aller Zeiten und sorgte für eine vortreffliche Weiterentwicklung des Sounds. Jetzt steht "III: Pentecost" endlich in den Startlöchern, und nach fast zwanzig Spins ist klar, dass der Jahresthron nur über WYTCH HAZEL vergeben werden kann. Wieder ein Mal gibt es ein wundervolles, mittelalterliches Artwork zu bestaunen, das wie die Faust aufs Auge zu dieser zutiefst englischen Musik passt. Wenn ihr denkt, britischer als DARK FOREST, FAIRPORT CONVENTION oder JETHRO TULL (Ende der Siebziger) kann man nicht klingen, dann wird es Zeit, sich mit WYTCH HAZEL zu befassen.
Der Folk-Anteil ist auf diesem Album ganz leicht zurückgefahren worden. Doch wer hier schon Angst bekommt, dem sei Mut zugesprochen: Weiterhin sind die Melodien nicht von dieser Welt. Dafür sorgt allein schon die zutiefst charismatische Stimme von Colin Hendra, der wahrscheinlich jeden Song auf ein neues Niveau heben konnte. Dazu gibt es Gitarrenharmonien, die natürlich weiterhin viel THIN LIZZY-Atmosphäre atmen, aber dabei so eigenständig klingen, wie man es sich nur vorstellen kann. Qualitativ ausgebaut wurden die mehrstimmigen Gesänge, die trotz allem dezent ins Soundgewand passen. Metallisch ist diese Musik nur bedingt, aber das stört bei der unheimlich hohen Qualität natürlich überhaupt nicht. Und: Rein von der Atmosphäre ist man nah dran an Bands wie ATLANTEAN KODEX, MANILLA ROAD, LUNAR SHADOW oder eben DARK FOREST, schlägt deren letzten Outputs allerdings qualitativ, vor allem, wenn es um die Königsdisziplin des Songwritings geht (und, machen wir uns nichts vor - auch diese Bands haben in den letzten Jahren zum Teil 10-Punkte-Klassiker veröffentlicht). Wer seinen Metal episch und leicht folkig mag, muss dieses Album hören, obwohl es keinen Metal bietet.
Das Grundgerüst ist dagegen Hard Rock - und zwar im Sinne des Proto-US-Metals von WINTERHAWK, ASHBURY oder ASIA, des folkigen Progs von JETHRO TULL, des mystischen Hard Rocks von URIAH HEEP, der Twin Leads von DEAD LORD und THIN LIZZY oder auch des zutiefst britischen AORs von DARE oder MAGNUM. Die Refrains bei WYTCH HAZEL sorgen wie bei etlichen dieser Bands für eine unfassbare Gänsehaut. Colin lebt seine Texte, er intoniert die perfekt produzierten Songs, als ob es um sein Leben ginge. Das hat natürlich damit zu tun, dass sein christlicher Glaube, der nie missionarisch, aber immer enorm authentisch vorgetragen wird, perfekt zu dieser so archaischen Musik passt. Hier gibt es keine postmodernen Klangwelten, sondern Töne, die direkt nach 1977 klingen - und eine Frömmigkeit, die eben nicht so ganz in die heutige Zeit passt, sondern eher an die Mystik des Hoch- und Spätmittelalters erinnert.
Das Songmaterial würde ich auf englisch als flawless bezeichnen - es ist im Grunde makellos. Einen Schwachpunkt des Albums kann ich nicht ausmachen, auch das obligatorische Instrumental 'Sonata' erfüllt seinen Zweck. Ein paar Schmankerl lassen sich aber natürlich hervorheben. Der unglaubliche Refrain von 'Spirit And Fire' ist absolut mitreißend. 'I Am Redeemed' gewinnt durch die wunderbaren Hammond-Klänge ebenso wie jene durch das feine Dur-Ende. 'Archangel' mit dem stampfigen Schlagzeugspiel bringt die Harmonieführung mit, die man vom Debüt her so liebt. 'Dry Bones' ist auf eine Art rifflastig, die man so von den früheren Alben nicht kannte - auch der enorm hohe Scream von Colin ist völlig neu für die Band. Kein Song kann von so großartigen Gitarrenlinien profitieren wie dieser, vielleicht der beste Song des (musikalisch ja sehr starken) Jahres. Die fröhlichen Melodien von 'I Will Not' erinnern an die unfassbare Energie des DEAD LORD-Debüts, nur in positiv. Wer es gechillter mag, wird 'Reap The Harvest' lieben. Der Song hätte auch gut auf das Vorgängeralbum gepasst, die Streicher sind ebenso gut eingesetzt wie das Klavier. Und der Regen, der zu hören ist passt zum Regen, der gegen meine Scheiben prasselt, während ich voller Ehrfurcht diese Rezension niederschreibe. Dabei ist das Riffing der Strophen vielleicht sogar das metallischste der Scheibe. Die anderen Songs mögen nicht ganz so hervorstechen, sind aber letztlich ebenso fehlerlos.
Bleibt die abschließende Frage: Wo ist das Album im Gesamtwerk der Band einzuordnen? Für mich bisher auf einem überzeugenden dritten Platz (einzig die EP fällt klar ab). Das kann sich nach läppischen 16 Spins noch nicht anders darstellen. Erst der Langzeittest wird zeigen, ob wir es mit einem Album zu tun haben, das mit den ersten beiden Alben der Band, sowie mit "The White Goddess", "Win Hands Down" oder dem DEAD LORD-Debüt (also den besten Alben des letzten Jahrzehnts) mithalten hätte können. Klar ist aber: Es ist schwer möglich, dieses Album 2020 noch zu toppen. Es ist magisch. Musik kann man eigentlich nicht besser machen.
Anspieltipps: Spirit And Fire, I Am Redeemed, Dry Bones.
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Jonathan Walzer