Dark City
- Regie:
- Alex Proyas
- Jahr:
- 1998
- Genre:
- Science-Fiction
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- Dark City
2 Review(s)
16.09.2007 | 14:20Im gleichen Jahr, als "The Matrix" einen weltweiten Siegeszug durch die internationale Kinolandschaft startete, erschien - kurz zuvor - ein weiterer Film, der sich auf mindestens ebenso spannende und gewissermaßen auch actionreiche Weise mit dem Thema Realität und Illusion beschäftigte: "Dark City".
Auch hier war es wichtig, am Ball zu bleiben, um der verwinkelten Story folgen zu können - zumal der Zuschauer dem Protagonisten zwar immerhin um den ersten und entscheidenden Schritt voraus war, die Puzzlestücke aber dennoch nicht klar erkennbar auf dem Tisch lagen. Anders als der weitaus bekanntere Dreiteiler bietet "Dark City" jedoch eine in sich abgeschlossene Geschichte im Format eines einfachen Spielfilms. Wobei 'einfach' hier allenfalls den gegen Ende schlüssig zusammenfügbaren Plot meint, nicht jedoch die philosophischen Fragen, die sich im Verlaue des Films dem dafür empfänglichen Zuschauer stellen werden - vorausgesetzt, die erste Insichtnahme des Streifens fordert nicht bereits die volle Aufmerksamkeit in Bezug auf das Verfolgen der Handlung, die Einschätzung der Charaktere und der Bedeutung ihrer Handlungen.
Insofern lohnt es sich, "Dark City" mehrmals zu schauen, auch wenn das Staunen beim ersten Mal sicherlich noch größer ist. Dazu trägt nicht zuletzt auch das ausgefallene Styling des Films bei. Dieses ist freilich nicht gänzlich neuartig, wirkt aber immerhin (und zwar auf ziemlich morbide Weise) frisch, denn da finden sich in Bezug auf Ausstattung und Stimmung Versatzstücke, die an so unterschiedliche - und dennoch exzellente - Kultklassiker erinnern wie: "Naked Lunch", "Gattaca", "Blade Runner", "Brazil". Das stochernde Tappen im Dunklen des Protagonisten und einige weitere Motive gemahnen derweil an die hardboiled fiction eines Raymond Chandler, und auch die Ausstattung erinnert teilweise entfernt an dessen Epoche.
In Wirklichkeit freilich, ist "Dark City" zeitlos, und das betrifft sowohl den Film selbst, als auch das Setting seiner eigentlichen Geschichte. Wer sind wir, wenn wir alles abstreifen, was uns von außerhalb unser selbst determiniert (hat), eingeschlossen unserer eigenen gedanklichen Konstrukte und vergangenen Empfindungen? Darauf könnte man die zentrale Sinnfrage einschränken, die "Dark City" aufwirft.
Gehüllt wird das Ganze in eine spannende Suche, die sich verschiedener Elemente aus Science und Social Fiction, klassischer Mystery Tale, modernem Thriller und postmodernem Spiel mit unzuverlässigen Erzählperspektiven, uneindeutigen Symbolen und intertextuellen Verweisen bedient. Im Mittelpunkt steht ein Protagonist, der sein Gedächtnis verloren hat, diverser Serienmorde verdächtigt wird und übermenschliche Fähigkeiten an sich sowie seltsame Vorgänge in seiner Umgebung entdeckt. Verfolgt wird dieser J. Murdoch von einem Polizisten, der als weitere Hauptfigur an die Grenzen des für ihn Fassbaren geführt wird. Bindeglied zwischen beiden ist ein gewisser Dr. Schreber, seines Zeichens Psychiater, allerdings von der äußerst schrulligen Sorte. Dieser fungiert zugleich (zumindest streckenweise) als Erzähler dieser abstrusen Geschichte und präsentiert uns als solcher eine kurze Einführung, die für gewöhnlich nicht minder auf Wahnsinn schließen ließe, als die paranoiden Theorien eines ehemaligen Kollegen des mit dem Fall Murdoch beauftragten Inspektors.
Dann kommen noch 'die Anderen' ins Spiel, offenbar eine außerirdische, im Aussterben begriffene Spezies, welche die Menschheit als letzte Chance des kollektiven Überlebens begreift und darum massiv in sämtliche Sphären ihres Lebensraums eingreift. Der Mensch als Studienobjekt, Versuchskaninchen und Spielball übermenschlicher Kräfte; als potentielles biologisches Material zur freien Verfügung einer unmenschlichen Wissenschaft, Technik, Übermacht. Ein nahezu unmerklicher, unheimlicher, in seiner wirklichen Tragweite nicht überschaubarer Umstrukturierungsprozess. Und mittendrin ein Mensch, der nicht so recht weiß, wer er eigentlich ist, und der sich weigert, der zu sein, den andere in ihm sehen.
Am Ende läuft alles zusammen, und ergibt - zumindest im Rahmen der Geschichte - einen notdürftigen, in sich schlüssigen Sinn. Aber wer "Dark City" gesehen und mitgedacht hat, wird ohnehin Zweifel bekommen haben am Konzept absoluter Wahrheiten - zumal in Form unklar gerahmter Geschichten.
Im Vergleich mit "The Matrix" nimmt sich "Dark City" darüber hinaus stilsicherer und kompakter, bietet dem Zuschauer mehr Zeit, sich eigene Gedanken zu machen, sowohl über den Filmstoff als auch darüber hinaus. Der Film bietet zudem eine beklemmendere und fesselndere Unterhaltung, weil er an die Substanz menschlicher Identität geht und weitaus mehr bietet als ein simples Was-wäre-wenn?-Spiel als interessanten, aber unfertig bleibenden Aufhänger für ein kurzweiliges Actionspektakel. Auch das offene Ende von "Dark City" ist da nur konsequent.
Ich habe schon Stimmen vernommen, die "Dark City" sinngemäß als >>"Momo" auf Droge<< bezeichneten. Das betrifft zwar nur einen Teilaspekt des Films, dafür aber wirklich gut. Es sind diese besondere Atmosphäre und die Zeitlosigkeit des Sujets, die den Film spannend bleiben lassen, obwohl von Anfang an nahezu alle wichtigen Puzzlestücke seiner Story bereits auf dem Tisch liegen. Es ist wirklich schade, dass die pseudomystische Reizüberflutungsorgie "The Matrix" zum Massenkult avancierte, "Dark City" dagegen bis heute ein Schattendasein als cineastischer Geheimtipp fristet. Denn der bessere Film ist letzterer allemal.
- Redakteur:
- Eike Schmitz
Dark City ist eine Stadt ohne Namen, ohne Vergangenheit - und ohne Zukunft. John Murdoch erwacht in ihr und weiß nicht, wer oder wo er ist und was geschehen ist. Er liegt in einer Badewanne eines schäbigen Hotels, aus seiner Stirn tropft ein wenig Blut.
Bei der Suche nach seiner eigenen Identität gerät er auch schnell auf die Spur der "Fremden", einer ausserirdischen Rasse, die die Fähigkeit besitzt, die Realität allein durch Gedankenkraft zu verändern. Diese Wesen manipulieren das Leben aller Menschen und verändern das Stadtbild nach ihren Vorstellungen, denn "Dark City" ist nichts anderes als ihr Versuchslabor. Um ihre Sterblichkeit zu kurieren und damit den Verfall ihrer "Geister" zu verhindern, experimentieren die Geschöpfe mit den Menschen um hinter das Geheimnis der menschlichen Seelen zu kommen.
Sobald das Geheimnis gefunden ist, soll die Stadt stillgelegt werden - und alle Menschen darin mit ihr. Doch die Aliens haben die Rechnung ohne John gemacht, der nach einem gescheiterten Experiment plötzlich ebenfalls die Fähigkeiten der Ausserirdischen besitzt...
Dieser Film ist schlicht genial. Eine düstere und beängstigende Utopie. Geradezu eine Wahnvorstellung, ein lebendig gewordener Albtraum. Die Wahl der Schauspieler ist mindestens ebenso gelungen wie die optische Inszenierung des ganzen. Egal ob Rufus Sewell als John Murdoch, der großartige Kiefer Sutherland als zwielichter Dr. Schreber, Jennifer Conelly als Johns "Frau" Emma oder William Hurt als Inspektor Bumstead - die Darsteller leisten einen wesentlichen Beitrag zur Erschaffung der düsteren, drückenden Atmosphäre in "Dark City".
Unweigerlich kann ein solches Spektakel nicht ohne eine gewisse Portion Spezialeffekte auskommen. Diese sind durchweg gelungen und schön anzusehen, bei weitem aber nicht so spektakulär und aufgebläht wie etwa bei "Matrix" und Konsorten. "Dark City" lebt in jeder Hinsicht von einem gewissen Understatement. Davon, den Zuschauer nicht mit tausenden von Charakteren oder parallelen Storylines zu erschlagen oder durch optische Reize einfach zu überfahren, sondern ihm viel mehr die Gelegenheit zu geben, sich in die Atmosphäre der Stadt hineinzufinden. Die Schwärze der Atmosphäre dieses Films ist förmlich greifbar, und die gesamte Optik, ob Stadtbild, Aliens oder erschöpft wirkende menschliche Einwohner - alles hat seinen Anteil daran.
Dark City ist meiner Meinung nach das bessere "Matrix", zumindest wenn man den Schwerpunkt nicht bei Spezialeffekten setzt. Die Atmosphäre ist düsterer und beklemmender, die Charaktere sind dreidimensionaler und die Story mindestens genau so spannend.
Fazit: Ein fantastischer Film. Wem "Matrix" zu effektüberladen war, wird bei "Dark City" mit Sicherheit fündig.
Die DVD beinhaltet den Film in deutscher und englischer Tonspur in DD 5.1, wobei aus urheberrechtlichen Gründen bei der englischen Tonspur ein nicht ausblendbarer deutscher Untertitel gezeigt wird. An Extras finden sich ein Making of, diverse Trailer und einige durchaus interessante Interviews.
- Redakteur:
- Sebastian Hirschmann