Sherlock Holmes Collection, Teil 2
- Regie:
- Neill, Roy William
- Jahr:
- 2007
- Genre:
- Kriminalfilm
- Land:
- Großbritannien
1 Review(s)
07.09.2007 | 05:34Teil 1
Inhalt
~ "Verhängnisvolle Reise" ~
Der britische Geheimagent John Grayson wird während einer Zugfahrt nach Washington überfallen und entführt. In seinem Besitz: Ein brisantes Geheimdokument, welches eine neue chemische Formel enthält und bei falschem Gebrauch tödliche Folgen haben kann. Scotland Yard wendet sich bei der Aufklärung des Falls an Sherlock Holmes und Dr. Watson, die umgehend in die Staaten reisen, um sich der Sache anzunehmen. Doch schon bei ihrer Ankunft ereilt sie der erste Schock: Graysons Leiche wird per Kurier gesendet und ebnet dem Fall gänzlich neue Dimensionen. Doch anscheinend sind die Attentäter nicht auf das Geheimnis gestoßen, das der Agent verborgen hielt. Holmes taucht in die Washingtoner Unterwelt hinab und entdeckt alsbald die Tricks, die der Ermordete noch kurz vor dem Überfall anwendete, um das Dokument zu schützen. Doch wo ist es nun hin? Und wer ist so heiß darauf, es in seinen Besitz zu bekommen?
~ "Gespenster im Schloss" ~
Watson ist derzeit im Familienanwesen Musgrave Manor tätig, einem Sanatorium für nervlich belastete Offiziere, das von den Inhabern des umfunktionierten Schlosses mit strenger Hand geführt wird. Die harte Führung stößt jedoch an unbekannter Front auf wenig Gegenliebe. Zunächst wird ein Kollege Watsons beinahe tödlich verletzt, anschließend greift tatsächlich eine Mordserie um sich. Der Doktor informiert umgehend seinen Freund Holmes über die Ereignisse und bittet ihn um Mithilfe bei der Aufklärung. Und der gewiefte Detektiv hat schon bald eine Ahnung: Ein mysteriöses Schachbrett, welches sich inmitten der Schlosspforte befindet, scheint des Rätsels Lösung. Aber auch die Familiengeschichte der Musgraves samt ihren ungewöhnlichen Riten offenbart wichtige Informationen bei den Ermittlungsarbeiten. Doch für Holmes und seinen Kumpan ist Eile angesagt, denn die Mordreihe wartet nur auf ihre Fortsetzung.
~ "Das Spinnennest" ~
Eine rätselhafte Selbstmordserie versetzt London in anhaltenden Aufruhr. Schon sieben Opfer wurden von den Behörden verzeichnet, und jedes Mal wieder orientierten sie sich am gleichen Schema. Für Holmes steht jedoch sofort fest, dass der Freitod nicht eigeninitiativ erfolgte. Allerdings benötigt er dieses Mal eine gute Tarnung, um sich mit dem Umfeld der Opfer vertraut zu machen. Kurzerhand inszeniert er seinen eigenen Tod und begibt sich in schillernder Maskerade in die Welt der Kasinos und Spieler. Während er siegessicher die ersten Hinweise sammelt, ist ihm die Dame, die offensichtlich hinter den Anschlägen steckt, bereits auf die Schliche gekommen und hat sein Versteckspiel durchschaut. Fast wäre der berühmte Detektiv ihr sogar auf den Leim gegangen, als er sich freiwillig als Lockvogel bereitstellte, um den Tathergang zu rekonstruieren. Als er jedoch entdeckt, dass der Mord von einer Spinnenvergiftung herrührt, wird ihm bewusst, wie erfinderisch seine Kontrahentin ist. Grund genug, die eiskalte Dame mit ihren eigenen Waffen zu schlagen.
Persönlicher Eindruck
Nach der sagenhaften Auftakt-Box der "Sherlock Holmes Collection" wartet Koch Media bereits wenige Wochen später mit dem Nachfolgewerk der leider auf nur drei Sets begrenzten Serie auf, welches nun drei neue Abenteuer um das wohl populärste Ermittlerduo aller Zeiten feilbietet. Teil 2 der Kollektion beschäftigt sich dabei mit einigen unbekannteren Filmen um den gewieften Meisterdetektiv, oder besser gesagt mit einzelnen Episoden, die der geneigte Interessent wahrscheinlich nur selten zur Diskussion stellt, wenn er sich an die Fälle von Watson und Holmes erinnert.
Die Streifen aus diesem Grunde bereits in irgendeiner Weise abzustempeln, wäre aber natürlich völlig naiv, zumal sich unter den drei Schmankerln vor allem mit dem düsteren "Gespenster im Schloss" sowie der fantastischen Kriminalgeschichte "Das Spinnennest" zwei der wohl spannendsten und somit auch besten Verfilmungen von Arthur Conan Doyles legendärem Charakter befinden. Den Beginn macht jedoch ein eher durchschnittlicher Film namens "Verhängnisvolle Reise", der insgeheim noch auf die politischen Zitate zurückgreift, die bereits einige Episoden der ersten Box beinhalteten. Regisseur Roy William Neill betonte im Entstehungsjahr 1942 vor allem die britisch-amerikanische Allianz, was ihn unter anderem dazu veranlasst hat, den Titelhelden zum Ende der Story noch eine Rede von Churchill zitieren zu lassen. Dass diese Passage damals hierzulande nicht zur Synchronisation freigegeben wurde, versteht sich mit einem Blick auf die kritische Epoche wie von selbst. Doch davon einmal abgesehen, sind es in diesem Fall gerade solche Dinge, die der an sich guten Handlung ein wenig schaden und den Fokus vom eigentlichen Geschehen ablenken.
Andererseits kommt in "Verhängnisvolle Reise" nur selten echte Spannung auf. Der Weg unserer beiden Lieblinge scheint von Beginn an vorgezeichnet, ebenso wie Motiv und Vorgehensweise der schurkischen Gesellschaft. Der Running Gag mit einem Streichholzbrief, in dem sich schließlich der Mikrofilm mit den gesuchten Daten befindet, ist zwar ganz nett, und es ist bisweilen auch witzig, mit anzusehen, wie das Objekt der Begierde die Runde macht, ohne dass irgendjemand davon Kenntnis nimmt, doch als alleiniger Aufhänger für die rund 70-minütige Verfilmung taugt dies eher bedingt. Und generell überwiegt hier die Ambition, mit bewusst komischen Szenen das Publikum aus der Reserve zu locken, was aber auch nicht recht funktionieren will. Holmes beim Kaugummikauen zu erwischen oder Watson bei der unsicheren Verwendung des Slangs zuzuhören macht Spaß, distanziert den Zuschauer aber mitunter zu weit vom eigentlichen Plot. Nichtsdestotrotz ist "Verhängnisvolle Reise" aber ein netter, sehenswerter Streifen, wenngleich die Dichte an Spannung und Atmosphäre hier nicht das gewohnt großartige Niveau erreichen.
Ganz anders stellt sich dies indes im nachfolgenden "Gespenster im Schloss" dar. Bereits des Setting ist äußerst vielversprechend und wird vom Regieteam auch ausgeprägt dafür eingesetzt, in den Spannungsaufbau sowie die Kreation einer schaurigen Stimmung einzugreifen. Das Ergebnis ist in diesem Sinne dann auch absolut würdig; der Schauplatz des Geschehens, Musgrave Manor, offenbart sich als ein Ort des Schreckens, die Charaktere sind kaum durchschaubar und verhelfen den Ermittlungen zu einer ziemlich dramatischen Entwicklung, und die Story als solche ist für den überschaubaren Zeitrahmen erstaunlich reich an Wendungen. Hinzu gesellen sich nette Anekdoten wie das ständige Gefecht der beiden Kontrahenten Holmes und Lestrade, in denen sich der Detektiv jedes Mal wieder überlegen zeigt, die gewohnt ulkigen Sprüche Watsons und ein Basil Rathbone am Zenit seiner Karriere im berüchtigten Mantel und in dieser Position in Sachen Mimik, Eleganz und Auftreten bis heute unantastbar. Dieser Streifen aus dem Jahre 1943 rechtfertigt die Anschaffung fast schon alleine, weil die Verquickung von typisch kriminalistischem Inhalt und Wallace'scher Gruselatmosphäre nahezu perfekt gelungen ist. Das sind die Dinge, die man in einem Sherlock-Holmes-Film auf jeden Fall sehen will!
Den Schlusspunkt des Dreiteilers setzt schließlich ein weiterer, reiner Kriminalfall, der in Sachen Dramaturgie zweifelsohne das bisherige Highlight der Serie darstellt und zum Schluss auch wieder zum Politikum wird. Holmes setzt sich auf die ihm eigene Art mit einer Serie von Todesfällen auseinander, die wegen der ausbleibenden Spuren als Selbstmord deklariert werden. Mit unkonventionellen Mittel schreitet er bereits in seinem Urlaubsdomizil zur Tat und blendet sowohl Watson als auch den Rest der Welt mit seinem vorgespielten Tod, den er für nötig hält, um ungestört seinen Ermittlungen folgen zu können. Doch ebenso wie er mit Presse und Schurken spielt, so lässt ihn eine undurchschaubare Dame gleich mehrfach auflaufen und lockt ihn zielsicher in eine Falle. Schlussendlich landet er auf einem Jahrmarkt in einer Schießbude, deren Zielscheiben aus Illustrationen mächtiger Figuren des deutschen Nationalsozialismus bestehen. Und hinter einer von ihnen verbirgt sich Holmes – frei zum Abschuss.
Gerade diese letzte Folge beweist mal wieder mit beharrlicher Überzeugungskraft, welch geniale Werke die Detektivverfilmungen aus den frühen Vierzigern tatsächlich sind. Es ist nämlich nicht bloß so, dass Schöpfer Arthur Conan Doyle eine einzigartige Vorarbeit geleistet hat; auch die Umsetzung durch Roy William Neill verdient größten Respekt und schaffte es mit den bescheidenen technischen Gegebenheiten zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts, eine einzigartige, mitreißende Atmosphäre zu schaffen. Mit Rathbone und Nigel Bruce konnte der Regisseur außerdem auf zwei Meister ihres Faches zurückgreifen, die in ihrer Rolle nicht nur völlig aufgingen, sondern diese auch atmeten und lebten. Auch in den drei neuen Filmen bekommt man alsbald den Eindruck, der jeweilige Part wäre eigens für diese beiden Personen geschaffen worden, so authentisch und leidenschaftlich stellt sich ihre Darbietung dar. Selbst eher unspektakuläre Episoden wie "Verhängnisvolle Reise" avancierten dank ihres fantastischen Inputs zu Klassikern, ganz gleich, wie mittelmäßig die Handlung in diesem Part aufgebaut war.
Eine abschließende Lobesrede ist demnach auch die einzig logische Konsequenz zur zweiten Box, deren Gesamturteil übrigens noch vom reichhaltigen Extramaterial profitiert. Neben einem 24-seitigen Booklet mit sämtlichen Informationen um Schauspieler, Settings und historischer Einordnung bekommt der Zuschauer Gelegenheit, in einem ausführlichen Interview mit Holmes-Synchronsprecher Walter Niklaus mehr über die Figur und ihre Darstellung auf deutschem Terrain zu erfahren. Dazu gibt es einen Audiokommentar zu "Gespenster im Schloss" und eine spezielle Sektion namens "Restoring Sherlock Holmes", in der man kurz und bündig einiges über die Aufarbeitung der Filme erfährt. Nicht minder interessant ist indes die Möglichkeit, die letzten beiden Streifen in einer alternativen, ostdeutschen Fassung zu sehen, was sich gerade dann eignet, wenn man die politische Perspektive der damaligen Zeit innerhalb der Filme nachvollziehen möchte. Wobei grundsätzlich gilt, dass in allen Filmen Passagen im englischen Original belassen wurden, weil sie in dieser Form aus politischen Gründen der nationalen Schere zum Opfer fielen.
Was bleibt also zum Schluss außer der Empfehlung für eine weitere elegante Box um Doyles Meisterdetektiv, der hier in zwei neuen Fällen regelrecht aufblüht und im dritten immerhin noch ein ganz ansehnliches Spektakel verspricht. Der zweite Teil der "Sherlock Holmes Collection" hält, was die guten Eindrücke des Vorgängers versprochen haben, und überzeugt inhaltlich und technisch (abgesehen vom nicht ganz so starken Auftakt) auf ganzer Linie.
- Redakteur:
- Björn Backes