Perlen der Redaktion: Timon Krauses Highlights 2019

07.01.2020 | 11:50

2019 haben mir vor allem einige Extrem-Highlights ein goldenes Metal-Jahr beschert. Darüber hinaus wurde mit "10 Years Of Constellations" mein ultimativer Konzerttraum wahr.

Auch trotz gestiegener zeitlicher Anforderungen in Beruf und Familie kann ich 2019 als äußerst erfreuliches Jahr der Metal-Extreme verbuchen. Mangels Masse bekomme ich nur eine Jahres-Top-10 zusammen (alle weiteren Alben wären in letztlich willkürlicher Reihenfolge zu listen), aber die ersten zehn Plätze haben es definitiv in sich!

Wer mich kennt, würde vermuten, dass AS I LAY DYINGs Comeback-Album "Shaped By Fire" mühelos den Spitzenplatz meiner Liste erklimmt. Tatsächlich landet der neue Kracher der NWoAHM-Institution "nur" auf dem dritten Platz. Das liegt mitnichten an fehlender musikalischer Klasse, wobei ich auch zugeben muss, dass nach der ersten Begeisterung die fehlende Abwechslung auf "Shaped By Fire" meine 9er-Wertung nachträglich etwas drückt. Nein, überflügelt wurde der nichtsdestotrotz wunderbar eingängige und mächtig drückende Zwölftracker von zwei noch stärkeren, noch extremeren Platten. Immerhin stellt AS I LAY DYING mit 'Redefined' aber meinen persönlichen 2019er Lieblingssong.

Shaped By Fire

Auf Platz 2 steht meine Überraschung des Jahres: FIT FOR AN AUTOPSY mit "The Sea Of Tragic Beasts", also ein Vertreter jenes Genres, dem ich nach der jahrelangen, stumpfsinnig-gleichklingenden Flut an hohlen Brachialveröffentlichungen keinerlei Entwicklungspotential zugetraut hätte; auch für "The Sea Of Tragic Beasts" hatte ich mich nur gemeldet, um noch einen leicht verdaubaren Lückenfüller für meine leere Review-Liste zu organisieren. Leicht verdaubare Deathcore-Durchschnittskost? Selten so getäuscht. Die zehn neuen FIT FOR AN AUTOPSY-Songs haben es in allen Belangen in sich: Hier werden die genretypischen Brutaloaspekte um nachdenkliche, gelegentlich sogar eingängige Elemente erweitert; Melodic-Death-Riffs finden ebenso Platz wie fette Doom-Passagen und klassische Gitarrensoli. Überragend vor allem auch das phänomenale Songwriting: Versteckte Details in Hülle und Fülle und ein erstaunlich hohes Maß an Abwechslung runden diese hervorragende Extrem-Metal-Arbeit ab, die locker noch ein, zwei Stücke mehr hätte vertragen können. Nichtsdestotrotz allen Fans extremerer Klänge wärmstens zu empfehlen, und hervorragend geeignet zum Abbau eingefahrener Vorurteile einem lange Zeit musikalisch belanglosen Genre gegenüber.

The Sea Of Tragic Beasts

Noch extremer, aber auch noch einmal um eine ganze Klasse besser klang 2019 in meinen Ohren INFERI, eine Tech-/Extrem-Death-Metal-Band aus Nashville, Tennessee. Die fünf Herren spielen sich schon seit Jahren im amerikanischen Untergrund die Finger wund, konnten aber zuletzt endlich auch international auf sich aufmerksam machen, und legten daher ihr 2009 veröffentlichtes Magnus Opus "The End Of An Era" noch einmal neu auf. Eine Neueinspielung, die absolut Sinn macht, da das klangtechnische Niveau der Band mittlerweile deutlich höher liegt und es gleichzeitig jammerschade gewesen wäre, wenn diese Wahnsinnsplatte nur einer Handvoll Insidern verfügbar geblieben wäre. "The End Of An Era | Rebirth" ist einfach so saumäßig gut, technisch so unglaublich brillant, trotz extremster Death-Gehirnverknotereien aber auch dermaßen eingängig, dass man sich als aufgeschlossener Musikfan jeglicher Couleur vor diesem Quintett nur verbeugen kann. Wie hier US-amerikanische Death-Metal-Rasereien Marke THE BLACK DAHLIA MURDER mit dunkelstem Norwegen-Schwarzmetall und zugleich RHAPSODYesker symphonischer Epik verbunden werden, lässt sich in Worten kaum beschreiben. Zieht euch nur mal 'A New Breed Of Savior' oder 'The Endless Siege' rein, ihr werdet verstehen was ich meine. Beides absolute "Song des Jahres"-Kandidaten; ich konnte mich wohl nur nicht festlegen und  krönte daher stattdessen den oben genannten AS I LAY DYING-Hit. "The End Of An Era | Rebirth" avanciert aber letztlich völlig uneingeschränkt zu meinem Album des Jahres 2019.

The End Of An Era | Rebirth

Es folgen noch weitere extreme Überraschungen, wie das genial-gewagt unkonventionelle "The Act" von THE DEVIL WEARS PRADA, oder die bisher beste metallische Arbeit der ehemaligen WHITECHAPEL-Deathgrinder namens "The Valley". Etwas kürzer kam 2019 in meinen Ohren der Post Metal; zumindest in Sachen Sludge durfte ich mit ERLEN MEYER und CULT OF LUNA zwei alte Favoriten begrüßen, wobei letztere Veteranen nicht ganz an ihre "Vertikal"-Glanztaten anknüpfen konnten. Eine wirklich große Enttäuschung blieb mir letztes Jahr erspart, wobei ich schon sagen muss, dass ich vom A SWARM OF THE SUN-Duo mehr erwartet hätte als einen kurzen Abklatsch ihres 2015er Meisterwerkes "The Rifts" - nur leider klingt "The Woods" genau so.

Constellations Artwork

Mein emotionales Jahreshighlight war aber, wie bereits erwähnt (und in meinem ausführlichen Bericht beschrieben), das AUGUST BURNS RED-Konzert am 6. Dezember in Frankfurt. Wer träumt nicht davon, das persönliche Lieblingsalbum einmal komplett am Stück live erleben zu dürfen? Meine Metalcore-Lieblinge aus Pennsylvania ließen diesen Traum mit ihrer "10 Years Of Constellations"-Tour 2019 wahr werden. Welch ein Fest, welch ein aufwühlendes Erlebnis, diesen persönlichen Wegbegleiter, dieses Maximum an musikalischer Tiefgründigkeit und Virtuosität in voller Live-Pracht genießen zu dürfen! Noch einmal von 'Thirty And Seven' mit dem allerersten Takt an die Wand geprügelt zu werden. Mit tausend Gefährtinnen und Gefährten "Oooceaaaaans Of Apathy" brüllen zu können. Einmal im richtigen Albumkontext die 'White Washed'-Explosion zu erleben. Mir zu 'The Escape Artist', einem meiner Allzeit-Lieblingssongs, völlig die Stimme aus der Kehle zu schreien. Endlich, endlich einmal live zu 'Meridian' heulen, schließlich und endlich schweißgebadet von 'Crusades' überwältigt zu werden. Ganz klar: Das Jahr 2019 hätte nicht besser enden können!

Jahres-Top-10:

Rang Band Album
1. Inferi The End Of An Era | Rebirth
2. Fit For An Autopsy The Sea Of Tragic Beasts
3. As I Lay Dying Shaped By Fire
4. Whitechapel The Valley
5. The Devil Wears Prada The Act
6. Erlen Meyer Sang Et Or
7. Sibiir Ropes
8. Cult Of Luna
A Dawn To Fear
9. While She Sleeps
So What?
10. Acres Lonely World

Redakteur:
Timon Krause

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