BLIND GUARDIAN: Diskografie-Check - Teil 1 | Platz 11 - 7

05.09.2022 | 22:00

30 Jahre seit dem Release von "Somewhere Far Beyond", "A Night At The Opera" feiert seinen zwanzigsten Geburtstag und mit "The God Machine" ein brandneues Album im Anschlag, das auch noch verspricht, wieder in härtere Speed-Metal-Territorien vorzudringen. Es gibt also direkt mehrere triftige Gründe, uns noch einmal die gesamte Diskografie der Krefelder Metal-Institution BLIND GUARDIAN ganz genau vorzunehmen und die insgesamt elf Veröffentlichungen gegeneinander antreten zu lassen. Das Orchester-Werk "Legacy Of The Dark Lands" klammern wir dabei aus, da es sich ja nicht um ein reguläres Bandalbum handelt. Wo der neueste Silberling dabei landet und ob das Geburtstagskind "Somewhere Far Beyond" am Ende die Nase vorne hat, lest ihr in den folgenden Zeilen:

Honorable Mention: Legacy Of The Dark Lands (2019)

Für die Wertung ausgeklammert, soll das Orchester-Mammutwerk "Legacy Of The Dark Lands" natürlich trotzdem nicht gänzlich unerwähnt bleiben. Dass es aber nicht wirklich ein reguläres Studioalbum unserer Krefelder Lieblinge ist, war wohl auch der Band selbst klar, denn immerhin erschien die Scheibe unter dem Banner BLIND GUARDIAN TWILIGHT ORCHESTRA. Da zusätzlich weder Marcus Siepen, noch André Olbrich tatsächlich auf dem Album spielen, sondern nur beim Songwriting und der Produktion im Hintergrund mitwirkten, wird es uns wohl niemand übel nehmen, dass wir die Platte nicht in unser Ranking aufgenommen haben. Hörenswert ist das Orchester-Projekt, das auf einer ausgeklügelten Fantasy-Story aufbaut, die im 17. Jahrhundert angesiedelt ist und im Rahmen des Dreißigjährigen Krieges spielt, natürlich trotzdem. Dabei empfiehlt sich aber der Genuss im Ganzen und mit einem ordentlichen Paar Kopfhörer, denn dann erst kann man so richtig in den Geschichten abtauchen und die vielen Details in den pompösen Orchestrierungen heraushören. Mir persönlich - und sicher auch vielen anderen Metalfans - fehlt aber einfach der metallische Kern des Ganzen, der auch bei den opulenteren und ausschweifend orchestrierten Songs von BLIND GUARDIAN immer den musikalischen Kern bildete.

11. Beyond The Red Mirror (2015)

Los geht es aber erst einmal mit einem noch sehr jungen Album aus dem Jahr 2015, dessen Platzierung ganz am Ende der Diskografie durchaus überraschend kommen könnte. Immerhin war die Prämisse für "Beyond The Red Mirror" durchaus interessant, denn lyrisch knüpften die Krefelder bei ihrem Erfolgsalbum "Imaginations From The Other Side" an und erzählten die Geschichte der beiden Welten vor und hinter dem Spiegel weiter. Musikalisch war die Scheibe allerdings dem konzeptionellen Schwesteralbum auf keiner Ebene wirklich gewachsen, verlief sich zu oft in orchestralem Pomp und hatte dabei nur sehr wenige Melodien zu bieten. Ich würde sogar so weit gehen, die Geschichte vom roten Spiegel als das progressivste und vertrackteste Album der gesamten Bandgeschichte zu bezeichnen, das sich gleich zweier Orchester und dreier Chöre bediente, um dem Songmaterial den epischen Anstrich zu verpassen. Kaum ein Song bringt dabei die Probleme der Platte so gut auf den Punkt, wie der Rausschmeißer 'Grand Parade', bei dem die Band praktisch gänzlich unter Bombast begraben wird und dessen über neunminütige Spielzeit oftmals fürchterlich erzwungen und konstruiert wirkt. Hätten wie es hier nicht mit einem BLIND GUARDIAN-Album zu tun, bin ich mir sogar sicher, dass das Presse-Echo zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch deutlich negativer ausgefallen wäre. So aber wollten viele Fans - wobei ich mich explizit mit einbeziehe - das Album damals einfach gut finden, alleine schon, weil es lyrisch an einem Favoriten der Diskografie anknüpfte. Mit sieben Jahren Abstand bleiben aber nur wenige Highlights hängen. Dazu gehören am ehesten noch der epische Opener 'The Ninth Wave', der auf der damaligen Tour als starker Opener fungierte, das wunderbar eingängige und dramatische 'Distant Memories' und die flotte und weniger überladene Single 'Twilight Of The Gods'. Für einen BG-Langdreher ist das aber einfach viel zu wenig, weswegen die Scheibe auch nur von Timo und Stefan mit Rang 7 und 6 zwei Nennungen außerhalb der letzten drei Ränge bekommt. während es von Marcel, Walter, Peter und Jonathan sogar die rote Laterne gibt.

10. A Twist In The Myth (2006)

Vom bisherigen Bombast-Höhepunkt direkt weiter zu einem Album, mit dem sich BLIND GUARDIAN von einem selbigen zu erholen versuchte. Anno 2002 hatten die Krefelder nämlich mit "A Night At The Opera" ihre Liebe zu ausladenden Arrangements erstmalig auf die Spitze getrieben, im Anschluss auf Basis von Streitigkeiten über die musikalische Ausrichtung Schlagzeuger und Gründungsmitglied Thomen Stauch verloren und standen nun vor einer nötigen Richtungskorrektur. Diese hört auf den Namen "A Twist In The Myth", wurde wie alle Alben nach "Nightfall In Middle-Earth" im bandeigenen Twilight Hall Studio von Charlie Bauerfeind produziert und schraubte anno 2006 die Komplexität der Produktion im Vergleich zum Vorgänger deutlich zurück. So richtig scheint die zum Trio geschrumpfte Kerntruppe aber nicht gewusst zu haben, wohin der Weg führen soll, denn passend zum Titel klingt das Album irgendwie verdreht und unentschlossen. So werden alle Phasen der eigenen Vergangenheit immer wieder aufgegriffen, es geht auch hin und wieder sehr vertrackt zu, doch gleichzeitig wird dem Ganzen stellenweise eine sehr moderne und nüchterne Herangehensweise gegenüber gestellt, die "A Twist In The Myth" vielleicht zum ungewöhnlichsten Langdreher der bisherigen Diskografie macht. Entsprechend gibt es mit 'Fly' auch wirklich nur einen absoluten Volltreffer zu hören, der auch bis heute immer wieder seinen Weg in die Setliste der Krefelder findet und der definitiv das Prädikat "Hit" verdient. Ebenso können 'Turn The Page', die Ballade 'Carry The Blessed Home' und das flotte und überraschend hart rockende 'Another Stranger Me' überzeugen, doch abseits davon gibt es ausschließlich Füllmaterial, das selbst die Band inzwischen vergessen zu haben scheint. Die ungewöhnlich spröde, dumpfe und unausgewogene Produktion tut schließlich ihr übriges dazu, "A Twist In The Myth" ausschließlich Nennungen auf den letzten drei Rängen einzubringen. Einzig Chris und Jonathan zeigen sich mit dem 7. Rang etwas gnädiger, doch retten kann das die Scheibe in der Endabrechnung auch nicht mehr.

8. A Night At The Opera (2002)

Nein, so richtig kann unsere Redaktion es nicht leiden, wenn BLIND GUARDIAN in Sachen Orchester und Bombast in die Vollen geht, denn auch der erste Pomp-Streich der Bandgeschichte unter dem Titel "A Night At The Opera" landet ganz weit unten in unserem Ranking. Wobei Frank immerhin Rang 3 vergibt und Jakob das Album mit einer fünften Platzierung durchaus zu schätzen weiß, während Chris und Timo den Silberling kategorisch als Tiefpunkt der Diskografie einsortieren. Und ja, die Scheibe, deren Name übrigens eine bewusste Anspielung auf den gleichnamigen QUEEN-Langdreher und dessen opernhafte Exzesse ist, präsentiert wirklich eine Band, die gerade in Sachen Keyboards und Orchester-Samples jegliche Zurückhaltung über Bord geworfen hat. Dürfen es noch ein paar Spuren mehr im Aufnahmestudio sein, anno 2002 lautet die Antwort im BLIND GUARDIAN-Lager definitiv immer wieder: Ja! Das Problem ist, dass der Gedanke selbst ja nicht verkehrt ist. Immerhin erschafft das Quartett mit dem epischen 'And Then There Was Silence', bei dem in Sachen Keyboards, Orchester, Chören und auch Spielzeit sämtliche Grenzen fallen, in meinen Ohren ihr Opus magnum. Bis heute faszinieren mich die rund 14 Minuten der Nummer von vorne bis hinten und lassen mich in der "Ilias" abtauchen. Übrigens auch eine recht drastische Änderung, denn nach jahrelanger Fokussierung auf Tolkiens Welten, spielt "A Night At The Opera" mit biblischen Themen, greift Homers Schriften auf und vertont in 'Punishment Divine' das Leben des Philosophen Friedrich Nietzsche. Letztgenannte Nummer ist für mich übrigens der zweite absolute Volltreffer der Scheibe, während ich 'Sadly Sings Destiny' und 'Precious Jerusalem' ebenfalls als Anspieltipps aufführen könnte. Abseits dieser Nummern ist die Nacht in der Oper aber oftmals zu verkopft, zu bombastisch und klingt eben häufig auch zu gewollt vertrackt und progressiv. Man wird einfach das Gefühl nicht los, dass der Vierer, der von Oliver Holzwarth im Studio am Bass unterstützt wird, auf Teufel komm raus jede erdenkliche Facette seiner Musik ausreizen möchte. Entsprechend kann ich auch verstehen, dass vielen Fans die großen Hymnen und Refrains auf "A Night At The Opera" etwas vermissen. Ignorieren sollte man den Silberling dennoch nicht, allein schon wegen des epischen Rausschmeißers.

8. Battalions Of Fear (1988)

Vom Bombast geht es nun direkt weiter zu den Wurzeln der Band, denn das Debüt "Battalions Of Fear" landet in unserem Diskografie-Check auf dem geteilten 8. Rang. Anstatt dick aufgetragener Keyboards und ausladender Songs wird hier nämlich nüchterner Speed Metal geboten, der durchaus HELLOWEEN und deren Debüt als Einfluss durchblicken lässt und oftmals noch ein wenig jugendlich und ungestüm klingt. Dazu hört man dem Material auch größtenteils an, dass es über mehrere Jahre und Demos hinweg entstanden ist und gerade dank der drei Instrumentals 'Trial By The Archon', 'Gandalf's Rebirth' und 'By The Gates Of Moria' wirkt die Platte auch einfach nicht ganz rund und in sich geschlossen. Dennoch scheinen auch hier schon viele Trademarks durch, die später den Erfolg der Krefelder begründen werden. Zum einen ist da natürlich die Liebe zu Tolkien und Mittelerde, die in diversen Songs verewigt wird, und auch Hansi Kürsch zeigt größtenteils bereits eindrucksvoll, was für ein Ausnahmetalent er am Mikrofon ist. Schlussendlich gelingen auch schon beim Songwriting die ersten Volltreffer, wobei hier natürlich der siebenminütige Opener 'Majesty' genannt werden muss. Was für ein beeindruckender Einstand für eine Newcomerband und gleichzeitig ein Song, der sich zurecht bis heute im Set der blinden Wächter hält. Nicht minder überzeugend donnern 'Guardian Of The Blind', 'The Martyr' und der Titeltrack aus den Boxen, weshalb "Battalions Of Fear" für ein Debüt insgesamt mehr als beeindruckend ausgefallen ist. In unserer Runde reicht es dennoch nur für Ränge im Mittelfeld, wobei Mahoni, Walter und Rüdiger mit fünften Plätzen die Höhepunkte markieren, während Martin, Frank und meine Wenigkeit mit unseren letzten Plätzen den Punkteschnitt versauen und schlussendlich zur "schwachen" Platzierung des Erstlings beitragen.

7. The God Machine (2022)

Der Abstand zu den vorherigen Plätzen ist in der Endabrechnung gewaltig und lange Zeit befand sich "The God Machine" auf einem guten Kurs für die Top 5, doch schlussendlich muss sich das neuste BLIND GUARDIAN-Album dank schwacher Wertungen von Jonathan, Jakob und Timo mit dem siebten Platz begnügen. Doch allein schon die Tatsache, dass der neue Langdreher aus Krefeld mit den Schwergewichten der Bandgeschichte mithalten konnte, sollte ein klarer Indikator für die Qualitäten der Gottmaschine sein. Musikalisch geht das Trio dabei zurück zu seinen musikalischen Wurzeln, da laut eigener Aussage mit dem Orchester-Album "Legacy Of The Dark Lands" und auch den vorherigen "klassischen" BLIND GUARDIAN-Werken in Sachen Bombast und orchestralem Pomp alles gesagt wurde. So gibt es auf "The God Machine" insgesamt neun Kompositionen zu hören, die wieder deutlich deftiger in die Gitarrensaiten greifen und den Speed Metal der Anfangstage heraufbeschwören, ohne die Epik späterer Werke außer Acht zu lassen. So stehen etwa das flotte und unheimlich starke 'Violent Shadow' oder das rasant rockende 'Deliver Us From Evil' für die ungestüme und wüste Seite der Krefelder, während gerade das melancholische und wunderschöne 'Destiny' noch am ehesten auf "Beyond The Red Mirror" oder "At The Edge Of Time" gepasst hätte. Am stärksten ist die Truppe aber dann, wenn sie diese beiden Pole ihrer Musik in perfekter Symbiose vereint. So zeichnen sich etwa 'Secrets Of The American Gods' und 'Blood Of The Elves' durch einen unwiderstehlichen Mix aus harten Riffs, Andrés wunderschönen Gitarrenleads und absolut epischen Refrains aus. Und auch wenn es die Position in unserer Endabrechnung nicht ganz widerspiegelt, so stark hat BLIND GUARDIAN seit 1998 nicht mehr geklungen. Chris und Marcel sehen das übrigens auch so und sorgen mit ihren beiden 4. Plätzen für die Höhepunkte in der Bewertung des neusten Opus aus Krefeld. Nicht unerwähnt bleiben soll schlussendlich auch das unheimlich schöne und für BG-Verhältnisse fast etwas ungewöhnliche Artwork aus der Feder von Peter Mohrbacher, das dem Album den letzten Schliff verpasst.

Damit sind wir auch am Ende des ersten Teils unseres Rankings angekommen. Wo "The God Machine" gelandet ist, wissen wir nun schon, doch es bleibt immer noch die entscheidende Frage: Welches ist denn nun das beste BLIND GUARDIAN-Album? Unsere Antwort darauf findet ihr im zweiten Teil unseres Diskografie-Checks in wenigen Tagen an dieser Stelle.

Redakteur:
Tobias Dahs
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