Gruppentherapie: 1349 - "The Wolf And The King"

16.11.2024 | 08:20

Es hagelt Wurfsterne!

Unsere nächste und letzte Behandlung von Problembären des Oktober-Soundchecks führt uns ins grimme und kalte Norwegen. 1349 ist eine Black-Metal-Band, die laut Hauptrezensent Nils die klassische Schule "ohne unnötiges Gedöns" besucht. Und er ist von "The Wolf And The King" begeistert. Generell kann man bei dem Album nicht von einem Problembären sprechen, denn im Soundcheck belegte es Platz 2, und das mit einem doch eher kompromisslosen Sound. Nur zwei schwache Ohren verhinderten hier mehr. Doch wie sieht das bei den Therapeuten aus? Legen sie sich solch böse Musik unter den Weihnachtsbaum oder landet sie in der Mülltonne?

Mit 'The God Devourer' eröffnet das neue 1349-Album hammerhart. "The Wolf And The King" macht also gleich klar: Gefangene werden keine gemacht. Ich habe die Norweger jüngst in Berlin mit AFSKY und KAMPFAR gesehen und gehört (die Nagelarmbändchen des Sängers hätte ich gern geschenkt bekommen, hahaha) und da räumten sie ziemlich ab. Das Drumming ist ja ohnehin besessen, Frost ein Berserker ohnegleichen. Permanent drischt er auf die Felle ein, ohne Unterlass bis zum Finale. So auch hier: 'Ash Of Ages' klopft sich munter auf dem Helm fest. Wir dachten eigentlich, ohne Blessuren den dornigen Pass zu kreuzen, doch da spielt 1349 nicht mit. Mir gefällt der gemein verkniffene Gesang, der tatsächlich in seinem Bereich durchaus facettenreich dargeboten wird, immer hart aggro allerdings.

'Shadow Point' rumpelt und schippert thrashy, dann hagelt es Wurfsterne. Die Band verlässt gerade Wege gern, um abseits zu sicheln. Der Chorus ist richtig geil. Mit 'Inferior Pathways' und 'Inner Portal' hetzen die Nordmänner schnittig zu Tal. Die Zutaten bleiben erhalten und ich frage mich, wie Frost so hämmern kann, ohne durchzudrehen. 1349 verbindet die Anfangstage raffiniert mit etwas solideren Songstrukturen und einer Technik, die nur vordergründig chaotisch anmutet, einem jedoch einiges abverlangt. Auch Rasseln will gekonnt sein, zum nebenher Hören ist das hier aber nicht geeignet.

'The Vessel And The Storm' setzt auf einen wiedererkennbaren, inbrünstig vorgetragenen Chorus. Selbst da knüppelt Frost wie ein Irrer. Wenn man schon mal mitten in der Schlacht ist, warum dann überhaupt aufhören? 'Obscura' tönt beschwörend, 'Fatalist' besticht anfangs mit einer schiefen Hookline, die irgendwie an eine Variante von MERCYFUL FATEs Eingangsriff aus 'Fifteen Men (And A Bottle Of Rum)' erinnert. Der Track gerät gesanglich und vom Aufbau her etwas experimentierfreudiger. Alte Nordtanne, nach dem letzten "Fireeeeeeeee" ist man aber auch restlos geschafft.

Note: 8,0/10
[Matthias Ehlert]

 

Mein erster Berührungspunkt mit 1349 war das tolle dritte Album "Hellfire" aus dem Jahr 2005. Danach konnte mich weder 1349, noch kaum eine andere skandinavische Black-Metal-Band so faszinieren wie eben jenes Werk. Fast 20 Jahre später kommt "The Wolf And The King" heraus und bereits der erste Durchlauf verursacht wohlige tiefdunkle Schauer. Was macht 1349 anders als sonst und anders als andere Genrekollegen, vom letzten und sehr guten WATAIN-Album mal abgesehen?

Ehrlich gesagt, keine Ahnung. Vielleicht ist es die Tatsache, dass die Band authentisch klingt und die Songs bisweilen mit Genialität gesegnet und dennoch frei von überflüssigem Schnickschnack sind. Ich empfehle, das Album via Kopfhörer zu konsumieren, denn dann kommen die vielschichtigen Gitarrenparts zur Geltung, die zuhauf in die feine Produktion eingeflochten wurden. Einzelne Songs herauszugreifen, ist fast unmöglich. Das ist wie Rosinen picken in einer Schüssel, die fast ausschließlich mit Rosinen gefüllt ist.

Note: 9,0/10
[Frank Wilkens]

Es ist Herbst. Die Tage werden kürzer, die Finsternis setzt früher ein. Und so kommt es, wie es kommen muss: Black Metal macht Spaß! Gut Ding wollte bei 1349 schon immer Weile haben, sodass die Norweger zuletzt in Vier- bis Fünf-Jahres-Abständen sehr packendes und faszinierendes Schwarzbrot an den hungrigen Düstermetaller von Welt verteilt haben. Und wie so häufig ist es auch bei "The Wolf & The King" eben das Gesamtpaket, das gefällt. Und anstatt überwiegend die Geschwindigkeitskeule auszupacken, sorgen aktuell wie auch schon auf "The Infernal Pathway" eher die Ausflüge in den Thrash- und klassischen Metal für das Salz in der Suppe.

Natürlich ist nach wie vor alles von dieser pechschwarzen Masse überzogen, doch verspieltere Ausflüge, vereinzelte Harmonien und ordentlich Wumms machen den "The Wolf & The King"-Braten erst richtig fett. Mir gefallen daher vor allem 'The Vessel And The Storm', 'Ash Of Ages' und 'Inner Portal', weil sie a) den Facettenreichtum des Albums gut zusammenfassen und b) dennoch keinen Zweifel aufkommen lassen, dass wir es hier mit Black Metal made in Norway zu tun haben. Daumen hoch, auch wenn ich mich an die sinkenden Temperaturen und reduzierten Sonnenstunden erst noch gewöhnen muss.

Note: 8,5/10
[Marcel Rapp]

 

Na, ist denn schon Weihnachten? Zumindest gab es für alle Freunde schwarzmetallischen Kraftfutters bereits jetzt Bescherung. Und ein solches Album hatten sie schon seit gefühlten Ewigkeiten auf dem Wunschzettel. Endlich mal nicht melodisch zerfasert, mit progressiven Elementen bis zur Unkenntlichkeit verstellt oder sich dem Post Rock anbiedernd, sondern old-school Black Metal ohne auch nur ein Kilo Speck an der Hüfte. Auch die Jungs von 1349 haben die Uhren am letzten Wochenende vor Reviewabgabe zurückgestellt und sind ohne Umschweife in den frühen 1990ern gelandet. Das ist primitiv, roh und unverfälscht, aber immer songdienlich und vor allem technisch herausragend umgesetzt.

Besonders was Kollege Frost am Schlagzeug abzieht, ist aller Ehren wert. Wer sowas immer noch als reinen Krach abtut, dem ist einfach nicht mehr zu helfen. Sicherlich werden einige Extrem-Puristen auch dieses Werk nur müde belächeln und als zu eingängig und zugänglich verteufeln, aber 1349 schafft es damit die Songs ungemein aufzuwerten, ohne gleich arg harmonisch oder zu gefällig zu werden. Nee, Sakrileg an der wahren Lehre sieht anders aus.

Auch wenn ich selbst meinem Black Metal noch etwas melodiöser mag und grundsätzlich der hybriden Variante von Black und Death näherstehe (zum Beispiel auf dem aktuellen THE SPIRIT-Werk), brauche ich keine Brille um die Großartigkeit von "The Wolf & The King" anzuerkennen. Wer mal wieder ein konservatives (im positiven Sinne des Wortes) Black-Metal-Album benötigt, kommt um die Norweger aktuell nicht herum.

Note: 8,0/10
[Stefan Rosenthal]

Allen, die im Black Metal unterwegs sind, sollte 1349 ein Begriff sein. Wenn man seinen schwarzen Stahl eher höllisch-heiß mag, kommt man an den Werken "Liberation" oder "Hellfire" eher nicht vorbei. Seit den frühen Zweitausendern veröffentlicht man dazu auch konstant gutes Material und so sind seit dem starken "The Infernal Pathway" wieder einmal fünf Jahre ins Land gezogen, ehe uns das Quartett dieser Tage mit "The Wolf And The King" beglückt, dessen irgendwie unrund aussehendes Cover wohl noch die größte Schwäche des Albums ist. Denn musikalisch bekommt man hier wieder einmal knapp vierzig Minuten feinsten norwegischen Black Metal serviert, der sich als Grundzutat auf Blasttempo geeinigt hat, wobei einige Songs auch immer wieder ins Midtempo wechseln, um die Abwechslung aufrecht zu erhalten. Das wäre eigentlich gar nicht nötig, denn 1349 ist dann am stärksten, wenn kompromisslos nach vorne geprescht wird, die Gitarren aggressive, aber dennoch spannende Riffs spielen und die Vocals dem Hörer gleichzeitig gut akzentuiert und garstig entgegenkommen.

Zwar setzt sich der Midtempo-Refrain mit leichtem Industrial-Touch im Opener 'God Devourer' schnell fest, doch noch stärker überzeugen können Songs wie 'Ash Of Ages', 'Inferior Pathways' oder 'Inner Portal' mit ihrer ganz besonderen Durchschlagskraft. Aber auch die restlichen Songs bieten nicht viel Fläche für Kritik und so vergeht die Spielzeit auch recht kurzweilig. Soundtechnisch ist das Ganze noch etwas moderner als auf dem Vorgänger, aber auf keinen Fall überzogen. Dass manch einer sich die Zeiten des unterproduzierten und rohen Frühwerks zurückwünscht, ist verständlich, aber beim heutigen Stand der Band eher unrealistisch. Die Songs zünden dennoch und wer ein schnörkelloses, traditionelles Black-Metal-Album braucht, das zwar keine Preise in Sachen Extremität gewinnt, dafür aber weit entfernt vom seichten Gedudel im Black Metal ist, kann der neuen Scheibe der Norweger eine Chance geben.

Note: 8,0/10
[Kenneth Thiessen]

 

Dann spiele ich mal den Anwalt der Soundchecker, die mit eher niedrigen Noten den Sieg für 1349 verhindert haben. Ich habe das Album jetzt ein paarmal gehört, zugegebenermaßen im Auto, was für extremen Metal eher ungünstig ist, aber bei BLOOD INCANTATION (zur Gruppentherapie) sehr gut funktioniert hat. Aber hier? Puuuh...

"Überfordert mich", schreibt Walter in seiner Kurzbeschreibung. "Verstehe ich völlig", mag ich ihm antworten. Sorry, Herr Rosenthal, klar möchte ich die Musik nicht als reinen Krach abtun, aber ich tue mich extrem schwer, mich in diesen gleichförmigen, irgendwie nuancenlosen Sound einzufummeln. Auch den Gesang finde ich für einen norwegischen Vertreter erstaunlich eintönig und uncharismatisch und das ständige Hochgeschwindigkeits-Drumming, das meine Vorredner so hervorheben, rattert stetig an meinen Nerven.

So bleibt außer einer Anerkennung der unverkennbaren spielerischen Fähigkeiten und der zur Schau gestellten Kompromisslosigkeit kaum etwas übrig, das diese Musik für mich attraktiv macht.

Note: 5,0/10
[Thomas Becker]



Fotocredits: Vesa Ranta & Henrik Sander

Redakteur:
Thomas Becker

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