Gruppentherapie: PRIMAL FEAR - "Code Red"

25.09.2023 | 12:20

Wir entziffern den roten Code.

Soundcheck-Platz drei in einem traditionell immer sehr starken Veröffentlichungsmonat September (zum September-Soundcheck) ist eine starke Leistung. Auch uns Mario attestiert "Code Red" in seiner Hauptrezension "gewohnt hohe Qualität".

Warum nur feiern wir solch einen "stockkonservativen Power Metal" so ab? Wegen seiner "Lebensfreude, Vitalität und Tatendrang" vielleicht? Oder seiner "massiven Produktion"? Ist es schelmisch, hier "biedere Schablonenhaftigkeit" auszumachen? Sollte man sich nicht eher an der "erstklassigen Instrumentalfraktion" erfreuen, die einfach nur "Metal pur" zelebriert? Und was ist mit den Texten? Lest selbst:

 

Wow! Als ich die neue PRIMAL FEAR-Scheibe zum ersten Mal hörte, dachte ich einfach nur: Wow! Zwar habe ich ehrlicherweise mit erneut allerlei Stahlhymnen, kräftigen Riff- und Doublebass-Feuerwerken gerechnet und wurde auch bei den überaus tollen Vorgängern "Metal Commando" und "Apocalypse" verwöhnt. Doch "Code Red" powert sich scheinbar mühelos und locker-flockig in die Alben-Top-Fünf der Mannen um Mat Sinner und Sirenen-Ralf. Von vorne bis hinten hält PRIMAL FEAR ein überaus hohes Niveau, hat neben dieser geballten Kraft auch allerlei Abwechslung und Variation im Angebot und zeigt sich ob Tracks wie 'Raged By Pain', 'The World Is On Fire' und 'Their Gods Have Failed' auch so kritisch wie noch nie. Dabei hat das Stahlkommando aus Süddeutschland nahezu alles richtig gemacht, um auch die POWERMETAL.de-Fraktion zu begeistern, denn - Hand aufs Herz - 'Bring That Noise', 'Cancel Culture' und das abschließende 'Fearless' sind einfach geile Songs. Und obwohl "Code Red" vom Titel her dramatisch klingt, sprüht das Ding nur so vor Lebensfreude, Vitalität und Tatendrang - ein durch und durch herrliches, starkes Metal-Album - Punkt!

Note: 9,0/10
[Marcel Rapp]



Punkt, ha, manchmal könnte es so einfach sein, oder lieber Marcel? Aber ganz ehrlich: Ich tue mir schwer mit "Code Red". Einerseits finde ich die Truppe um Mat und Ralf ur-sympathisch. Hier agieren Vollblut-Musiker, die ihr Handwerk verstehen und seit Jahrzehnten den (teutonischen) Metal mitprägen. Deswegen überrascht es nicht, dass die Songs alle auf einem mindestens annehmbaren Niveau rangieren und grundsätzlich gut reinlaufen. Außerdem zeigten die letzten Interviews mit Mat Sinner, dass er aufgrund seines persönlichen Schicksalsschlags wirklich etwas zu sagen hat, was auch die Message dahinter interessant macht. Andererseits klingt die Musik in meinen Ohren sehr glatt geschliffen, ich möchte fast sagen: zahnlos. Ja, es gibt coole Momente in den Songs, ganz ohne Frage. Aber in der Summe musste ich mich immer ein wenig dazu zwingen, das Album für diese kurze Rezension aufzulegen. Dieses Problem hatte ich mit den viel gescholtenen ALL FOR METAL zum Beispiel nicht (zur Gruppentherapie von "Legends"). Das war frisch, ungestüm, auch glatt poliert, ja, aber mit genug memorablen Hooks versehen, um sich in die Gehörgänge einzufräsen. Bei PRIMAL FEAR bleibt deutlich weniger hängen. Am Schluss hat es bei mir für das Projekt nur zum Prädikat "ganz nett" gereicht, ich merke aber auch, dass ich wahrscheinlich irgendwie aus dem Beuteschema der Band rausgerutscht bin.

Note: 7,0/10
[Julian Rohrer]



Bereits bei der Pre-Listening Veranstaltung des Labels war klar, dass "Code Red" bei mir in den oberen Punkteregionen landen würde, obwohl ich zu Beginn eigentlich noch nicht komplett bis zum Anschlag überzeugt war. Auch wenn ich mich bisher nicht als den großen PRIMAL FEAR-Fan bezeichne, muss ich zugeben, dass der Vorgänger "Metal Commando" eine starke Platte war, die es erst einmal zu toppen galt. Und genau das ist passiert. Starke Songs wie 'Deep In The Night', 'The World Is On Fire' und ganz besonders 'Their Gods Have Failed' griffen bereits zu Beginn bei mir die Höchstnote ab. Im Zuge des Soundchecks konnte ich nun das ganze Album noch mehrfach Revue passieren lassen, immer auf der Suche nach dem berühmten Haar in der Suppe. Doch je öfter ich "Code Red" auflege, desto besser scheint es zu werden. Das Album ist massiv produziert, ohne überfrachtet zu wirken, die Gitarrenarbeit der Herren Beyrodt und Naumann ist über alle Zweifel erhaben und bis auf zwei oder drei bestenfalls "gute" Songs hat "Code Red" ausnahmslos Hits zu bieten, die ich morgens fröhlich mitpfeife. Insgesamt gibt es nichts zu meckern, besser kann man diese Art Metal wohl kaum darbieten.

Note: 9,5/10
[Frank Wilkens]

 

Nun haben sich die Jungs aus Esslingen doch tatsächlich einen Treppchenplatz im Soundcheck 09/2023 "ergaunert" und hinterlassen mich somit relativ ratlos. Da haben wir einen der stärksten Soundchecks seit Ewigkeiten im Programm und eine solche Band, mit einem solchen Sound, begeistert meine Kollegen durch die Bank so nachhaltig, dass sie mit ihrem stockkonservativen Power Metal die vermeintlich innovativen und kreativen Vertreter des Monats jämmerlich in den Boden rammt. Ohne Frage sind hier die (Musik-)Götter tatsächlich gescheitert.

Wobei wir im Vorbeigehen schon den mit Abstand besten Song des Albums aufgezeigt haben. Der Rest ist absolutes Mikrowellenfutter für die Fangruppe – nicht mehr und nicht weniger. Da reimt sich Night auf Fight und alle sind happy. Geht mir mit dem Essen vom Vortag genauso. Schön Käse drauf und dann passt das doch für zwischendurch. Hinzu kommt der (hoffentlich) gut gemeinte Track 'Cancel Culture', der sich aber an einer so sensiblen und komplexen Thematik leider textlich völlig verhebt und lieber im Studio geblieben wäre. Einen halben Punkt gibt es auf der anderen Seite aber für die emotionale Rückkehr von Mat Sinner und einen weiteren für den bereits erwähnten Kracher 'Their Gods Have Failed', den ich in dieser Qualität so nicht erwartet habe.

Note: 7,5/10
[Stefan Rosenthal]



Ich muss zugeben, dass ich kein großer Kenner der Diskografie von PRIMAL FEAR bin. Diese Art von Power Metal sagt mir prinzipiell nicht sonderlich zu. Ich habe aber versucht, mich "Code Red" möglichst unvoreingenommen zu nähern. Und handwerklich ist das Album zweifellos gut gemacht. Vor allem was Tom, Alexander und Magnus ihren Saiten entlocken, ist schon fein. Und es gibt auch den einen oder anderen Song, der gefällt. 'Another Hero', 'Bring That Noise', 'Cancel Culture' und das von Stefan zu Recht gelobte 'Their Gods Have Failed' stechen heraus. Die musikalischen Vorbilder sind nicht schwer auszumachen und natürlich auch bekannt. 'The World Is On Fire' und 'Steelmelter' sind allerdings so nahe am Schaffen von JUDAS PRIEST, dass es untertrieben wäre, von mangelnder Originalität zu sprechen. Einem Stampfer wie 'Deep In The Night' fehlt auch das gewisse Etwas. Insgesamt ist "Code Red" ein gutklassiges Album, das sich klanglich muskulös gibt.

Note: 7,5/10
[Jens Wilkens]

 

Schwer tue ich mich mit der neuen PRIMAL FEAR. Natürlich höre ich da nahezu perfektes Heavy Metal-Handwerk: kanonische Riffs und Songstrukturen noch und nöcher, alles perfekt eingespielt und produziert, so ähnlich wie bei U.D.O. vor kurzem (zur Gruppentherapie von "Touchdown"). Zudem hat PRIMAL FEAR keinen Krächzschneider, sondern mit dem Scheepers-Ralf einen bockstarken Sänger an Bord - klarer Pluspunkt! Unterm Strich kommen dabei tatsächlich einige unsterbliche Metal-Hymnen mit Killer-Hooklines raus wie der Opener 'Another Hero' oder 'Cancel Culture'. Dazwischen teutonischer Stampf-Metal à la 'Deep In The Night' und JUDAS PRIEST-Huldigungen wie vom Kollegen Wilkens bereits ausgeführt. Da bleibt bei mir unterm Strich der Eindruck eines auf Hochglanz polierten Nummer-Sicher-Albums zurück. Manchmal habe ich das Gefühl, dass man die eigenen kreativen Hunde freiwillig an die Kette der biederen Schablonenhaftigkeit legt. Wie kann man zum Beispiel einen Song nach einen dramaturgisch wertvoll konstruierten Pre-Chorus wie in 'Bring That Noise' hinten raus so abkacken lassen? Mein Fazit trotz alledem: Wer weniger nachdenkt beim Musikhören und sich durchaus noch ein weiteres sehr ordentlich gemachtes Heavy Metal-Album mit dem einen oder anderen brillanten Moment ins Regal stellen möchte, macht mit "Code Red" nix verkehrt.

Note: 7,0/10
[Martin van der Laan]



Klar kannte ich PRIMAL FEAR, aber ich muss gestehen, dass ich mich erst in letzter Zeit mehr mit der Band beschäftigt habe. Genauer gesagt, als 2022 die Wiederveröffentlichung des Debütalbums zum 25-jährigen Album-Jubiläum anstand. Meine Rezension dazu war für mich also quasi ein Späteinstieg in die Musik von PRIMAL FEAR. Insbesondere habe ich seitdem mein Augenmerk gesangstechnisch auf den guten Ralf geworfen, der mich schon bei anderen Produktionen mit seiner Vielseitigkeit begeistert hat und auch hier zeigt, was er kann. Ja, und dann knallt 'Another Hero' in meine Ohren, setzt sich da doch tatsächlich fest und so warte ich ungeduldig auf die nächsten Outputs, von denen mich insbesondere 'Cancel Culture' wieder so richtig einfängt. Als ich dann endlich das komplette Album hören kann, bin ich einfach nur begeistert. Metal-Power pur, wie sie mir gefällt! Da passt natürlich "Play A (metal) Song" wie die Faust aufs Auge, auch 'Their Gods Have Failed' steht ganz oben in meiner Gunst und verursacht Gänsehaut, ebenso wie 'Forever' mich als alten Balladenfan überzeugen kann. Über die erstklassige Instrumentalfraktion muss man keine Worte verlieren, auch nicht über die druckvolle Produktion. Somit kann ich mich den Kollegen Marcel und Frank mit ihrer Einschätzung nur anschließen. Auch ich habe nichts zu meckern, "Code Red" macht Spaß und steht für mich zu Recht ganz weit oben auf dem Treppchen.

Note: 9,5/10
[Hanne Hämmer]


Fotocredits: Alex Kuehr/Atomic Fire Records

Redakteur:
Thomas Becker

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