Gruppentherapie: RHAPSODY OF FIRE - "Challenge The Wind"

06.06.2024 | 08:24

"Herr der Ringe" oder "Daniel der Zauberer"?

Ach, was eckt diese Band doch an, erst nimmt sie dem alten Power Metal die Power, etabliert Symphonic-Tralala in der Metal-Szene und dann multipliziert sie sich auch noch selbst! Erst RHAPSODY OF FIRE, dann LT's RHAPSODY, dann TURILLI/LIONE RHAPSODY und da habe ich sicher noch etwas vergessen. RHAPSODY OF Firlefanz war deshalb unser Arbeitstitel für diese Gruppentherapie, in der ihr auch noch andere Varianten des Bandnamens lesen dürft. Natürlich haben sich die Fronten der Befürworter und Gegner des RHAPSODY-Sounds längst etabliert, und alle Argumente Für und Wider sind längst genannt; dennoch ist es sehr witzig zu lesen, wenn man sich ob eines neuen Albums mal wieder battlet. Neun (!) Therapeuten machen hier mit, neun fette Punkte gab es von Hanne für den Wonneproppen "Challenge The Wind" und im Soundcheck ist man en par mit einer alten Metal-Legende. Auf geht's!

[Thomas Becker]

Ich habe es schon zu "I'll Be Your Hero"- und "Glory For Salvation"-Zeiten gesagt, aber diese RHAPSODY OF Was-auch-immer-Variante hat nichts mit jener RHAPSODY-Ära zu tun, die mir vor 20, 25 Jahren am laufenden Band wunderbar symphonische, rasante, energiegeladene und cineastische Ohrwürmer par excellence vor den Latz geknallt hat. Alex Staropolis Keyboard-Künste in allen Ehren, doch er war nicht allein für den Glanz der einstigen Großtaten verantwortlich. Und ehrlicherweise war ich aufgrund der vielen Mitglieder- und Namenswechsel auch irgendwann von RHAPSODY dezent genervt.

Doch wir wollen objektiv an neue Musik herangehen und so kann ich auch trotz jüngerer Augenroll-Marathons eine gewisse Vorfreude, aber auch Erwartung an "Challenge The Wind" nicht verbergen. Und wenn Staropoli im Vorfeld schon verrät, dass es bei RHAPSODY noch nie so viel Metal gab wie jetzt, dann hört man gerne einmal hin. Doch - Hand auf's Herz - weniger ist in vielen Fällen doch einfach mehr. Allein das eröffnende Titelstück ist schon dermaßen überfrachtet, dass es selbst für RHAPSODY OF FIRE-Verhältnisse etwas zu viel des Guten ist.

Im Laufe der Spielzeit legt sich diese Überforderung - als Beispiel wäre 'Diamond Claws' zu nennen - und während sich Giacomo Voli gemeinsam mit einigen coolen Riffs in den Vordergrund spielen kann, gewöhnt man sich an das frontale Symphonic-Orchestra-Power-Massaker, doch wirklich in den Flow kommt die Truppe zu selten. Hier rennen Extremmelodien und Soli parallel um die Wette, dort setzt Voli zu einem hohen Gesang an, doch rebellieren die verschiedensten Elemente gegeneinander anstatt in wohliger Eintracht Hand in Hand in den Sonnenuntergang zu reiten.

RHAPSODY (OF FIRE) hat es damals immer verstanden, elegant ins Ziel zu kommen. Doch davon ist die aktuelle Version dieser Band weit entfernt. Wenn der Wind hier mal nicht gewonnen hat!

Note: 6,0/10
[Marcel Rapp]

Ich gebe es zu, mit RHAPSODY OF FIRE habe ich mich mindestens 15 Jahre lang nicht mehr beschäftigt. Von daher habe ich noch immer diesen furchtbar keyboardlastigen Würfelmetal im Hinterkopf, der sogar einen HELLOWEEN-Song melancholisch wirken lässt. Das war mir immer zwei Spuren zu viel Geklimper, zu viele Chöre, zu viel Kinderlied und zu wenig heavy für meinen Metal.

Im aktuellen Soundcheck befinden sich nun einige Kandidaten, die grob betrachtet in dieses Raster fallen, aber nicht alles empfinde ich gleich klebrig. Die Italiener bestätigen mein Vorurteil beim Eröffnungssong aber leider sofort, denn die Tastenattacke ist sofort omnipräsent und zerstört ohrenblicklich jede Begeisterung meinerseits.

Glücklicherweise wird in anderen Songs die Gitarre mehr in den Vordergrund gestellt, sodass hier auch tatsächlich der Begriff vom melodischen Power Metal gelten kann. So zeigt die Band zum Beispiel zu Beginn des 16 Minuten langen 'Vanquished By Shadows', dass man durchaus weiß, wie Power Metal eigentlich zu klingen hat. Leider ist diese Nummer dann insgesamt doch etwas zu lang. Im weiteren Verlauf pegelt man sich irgendwo in der Mitte zwischen getragenem Melodic-Power-Metal und Kinderlied-Metal ein. So kräuseln sich meine Fußnägel bei einem Refrain wie wir ihn in 'A Brave New Hope' serviert bekommen. Happy Metal ist eben nichts für grumpy old men.

Wo unser bockstarker Chef in frühen RHAPSODY (mit und ohne Feuer) cineastisch-energiegeladene Ohrwürmer gefunden haben will, entzieht sich leider meiner Kenntnis, denn diese Turilli-aus-dem-Kochbeutel-Melodien, unterlegt von zu viel Doublebass und überbacken mit zu viel Tastenkleister, haben in meinen Ohren schon damals für ein frühzeitiges Schottendichtmachen gesorgt.

Note: 6,5/10
[Holger Andrae]

Ach Leute, warum müssen wir denn über RHAPSODY OF Egal sprechen? Ähnlich wie mein lieber Kollege Marcel bin auch ich inzwischen nur noch genervt von den diversen Blüten, die der RHAPSODY-Kosmos zuletzt so getrieben hat. Ja, es gab einmal eine fantastische Gruppe von Musikern, die GEMEINSAM (!) unfassbar eingängigen und Ohrwürmer verursachenden Power Metal gemacht hat. Doch seit die ursprüngliche Band in diverse Splittergruppen zerfallen ist, kommt keiner der Alleingänge, egal unter welchem Namen, an diese Glanzzeiten heran.

Und so ist auch "Challenge The Wind" nicht mehr als ein müder Abklatsch der eigenen Glanzzeiten, der einen Mangel an coolen Ideen und unvergesslichen Hooks mit einer maßlosen Orchester-Überfrachtung überspielen möchte. Selbige sorgt bei mir aber nicht einmal für irgendwelche verzweifelten Griffe zur Skip-Taste oder genervt hochgezogene Augenbrauen, sondern schlicht und ergreifend für die Tatsache, dass mir das Album ganz einfach egal ist.

Warum gibt's dann dennoch sieben Punkte? Nun, mit der objektiven Brille betrachtet gibt es handwerklich wenig zu meckern und beinharte Fans, die sich von dem ganzen Drumherum bisher nicht haben abschrecken lassen, werden mit Sicherheit zumindest mit dem langfristigen Nährwert eines Kaugummis kurzweilig unterhalten. Ich aber werde das Album wohl nicht noch einmal auflegen, sobald unser Soundcheck Geschichte ist. Womit dann auch wieder die Note passt, denn die Todeszone zwischen sechs und sieben Zählern ist das Land ohne Wiederkehr, in dem sich Alben tummeln, die weder gut genug, noch schlecht genug sind, um sich ans das Gehörte auch nach Monaten noch zu erinnern.

Note: 7,0/10
[Tobias Dahs]

Egal, ob Power Metal, Hollywood Metal, Symphonic Metal oder gar Cineastic Power Metal, RHAPSODY (später mit OF FIRE) war viele Jahre eine meiner absoluten Lieblingsbands und damit die Genre-Ausnahme in meinem CD-Regal. Dann wurde es kompliziert. (Gründungs-)Mitglieder verließen die Band, gründeten ihre eigene RHAPSODY-Versionen und nur noch Gründungsmitglied Alex Staropoli verbleibt bis heute in der Ur-Version der Band. Wie es aussieht mit Erfolg, zumindest existiert aktuell tatsächlich keine weitere RHAPSODY-Band mehr.

Das Verrückte ist nur: Jede andere Alternative der Band klang mehr nach RHAPSODY, als die Band selbst. Somit hatte es sich für mich spätestens mit dem Wechsel von Sänger Fabio Lione zu Giacomo Voli 2017 mit RHAPSODY OF FIRE erledigt. Der Sound war einfach nicht mehr der gleiche, der Gesang austauschbar, die Orchestrierungen viel zu platt und billig. Der Vorgänger "Glory For Salvation" (oder wie Marcel es treffend nannte "Glory für gar nichts") war ein Graus, der Verriss für "Challenge The Wind" war quasi vorprogrammiert.

Aber was soll ich sagen? So schlimm ist's tatsächlich nicht! Man gibt sich redlich Mühe, den alten Spirit immer wieder aufblitzen zu lassen, etwa mit einem barocken Flöten-Zwischenspiel, feinen neoklassischen Gitarrensoli, epischen Chorgesängen, Double-Bass-Bombast und abwechslungsreichem Songwriting. Am besten gelingt das in dem 15-minütigen 'Vanquished By Shadows', gefolgt von 'Black Wizard' und 'Holy Downfall'. Songs wie der Titeltrack, 'A Brave New Hope' oder 'The Bloody Pariah' sind wiederum ziemlich gruselig und ich werde auch dieses Album mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht noch einmal hören.

Denn das alles täuscht leider nicht über die Tatsache hinweg, dass man es hier nur noch mit einer "light version" von RHAPSODY zu tun hat. Es wird nur an der Oberfläche von dem gekratzt, was mal möglich war. Selbst sozusagen das RHAPSODY-Äquvivalent 'Sacred Power Of Raging Winds' von 2004 ist stärker als das gesamte neue Album. Die ehemaligen Protagonisten zeigten mit TURILLI/LIONE RHAPSODY zuletzt 2019 eine (für mich) viel stärkere Weiterentwicklung des Original-Sounds. Oder hört die neue FREEDOM CALL, die ist echt gut geworden (zur Gruppentherapie).

Note: 6,5/10
[Jakob Ehmke]

Da sind sich meine Kollegen ja ziemlich einig: RHAPSODY in aktueller Form ist nur noch ein Abklatsch mehr oder weniger glorreicher Zeiten. Ich war und bin ein großer Fan des Symphonic-Fantasy-Metal-Sounds der Italiener, der objektiv betrachtet natürlich schon immer recht kitschig und untrve war. Aber die Musik traf und trifft einfach einen ganz bestimmten Nerv bei mir, ich kann darin wunderbar versinken und mich treiben lassen von selbsternannten Drachentötern über Tolkien-Welten bis hin zu Rondo Veneziano (falls das noch jemand kennt). Besonders viel zu analysieren gab es da noch nie, es hat mir einfach auf Anhieb gefallen.

Natürlich verliert dieser Ansatz, wie fast jeder andere auch, bei ständiger Wiederholung irgendwann seinen Reiz. Und in der Tat hätte RHAPSODY wohl besser schon 2010 nach dem letzten wirklich großartigen Album "Frozen Tears Of Angels" oder spätestens 2016 Schluss machen sollen. Trotzdem oder gerade deswegen habe ich versucht, dieses Album für Soundcheck und Gruppentherapie so zu hören, als hätte es die Vergangenheit nicht gegeben. Wie würde mir "Challenge The Wind" gefallen, wenn es das Debüt-Album einer unbekannten Band wäre?

Und ich muss sagen: gar nicht so schlecht! Der Tielsong zum Einstieg ist eine feine Melodic-Metal-Hymne, Hookline und Chöre sitzen, laufen gut ins Ohr. 'Whispers Of Doom' tut sich mit dem Spannungsaufbau etwas schwer, aber kriegt die Kurve in einen formvollendeten Chorus hinein. Der Longtrack 'Vanguished By Shadows' will sich nicht so recht zu einem kohärenten Ganzen zusammenfinden, enthält aber viele spannenden Passagen, insbesondere in der zweiten Hälfte. 'Kreel's Magic Staff' flirtet hübsch mit BLIND GUARDIAN, während 'Diamond Claws' fest auf die Pathos-Tube drückt. Ein weiteres Highlight ist die dramaturgisch wertvolle Uptempo-Nummer 'Holy Downfall' und dann ist der Spuk auch schon bald vorbei.

Fazit: Auf "Challenge The Wind" gibt es viel Licht, aber auch so manche Schatten, so dass wir es hier mit einem guten Melodic-Metal-Album im RHAPSODY-Stil zu tun haben. Wer das braucht, der kauft. Wer nicht, der nicht.

Note: 7,5/10
[Martin van der Laan]

Mein letzter Ohrenkontakt mit RHAPSODY liegt nun schon 27 Jahre zurück. Im Jahr 1997 war ich Abonnent des "Heavy, oder was!?". Den Kritiken meines damaliges Lieblingsschreibers Detlef Dengler (R.I.P.) dort konnte ich immer blind folgen. Unter Power Metal verstand man damals noch Musik, wie sie METAL CHURCH und ARMORED SAINT aus der ersten Reihe und Bands wie MYSTIK und OPPOSITE EARTH aus der zweiten und dritten Reihe zelebrierten. Im besagten Jahr 1997 erschienen dann die Debütalben von HAMMERFALL und RHAPSODY, die der Dengler euphorisch als neue Power-Metal-Hoffnungen in alle Himmel dieser Welt lobte. So kaufte also auch ich diese Alben und war ob des Gehörten dann doch schnell sehr ernüchtert und enttäuscht. Das hatte doch mit dem Power Metal, wie ich ihn kennen und lieben gelernt hatte, so gut wie gar nichts mehr zu tun. Ich verkaufte die beiden Alben relativ schnell wieder im Bekanntenkreis und überlegte mir nach der Lektüre von Dengler-Rezis nun lieber doch einmal mehr, ob ich mein knappes Taschengeld von nun an weiterhin für seine über den Klee gelobten Bands investiere.

RHAPSODY habe ich seitdem nie wieder gehört und auch von all den Umbenennungen und Besetzungswechseln nur sehr nebenbei und entfernt Notiz genommen. Seit 1997 habe ich mich zudem erfolgreich von allerhand Scheuklappen befreien können. Mein damaliges Musiknazi-Ego ist einem aufgeschlossenen und mittlerweile sehr toleranten Alter Ego gewichen. Hören und spielen lassen sozusagen. Nun habe ich also endlich mal wieder komplett in ein neues Werk der Italiener reingehört und muss sagen: Auch nach wie vor kann ich nicht nachvollziehen, wie man sich diese Art von Musik länger als einige Songs am Stück freiwillig anhören kann, ohne dabei in einem lovecraftschen Sinne komplett dem Wahnsinn zu verfallen. Gleich der Eröffnungssong 'Challenge The Wind' (was für ein selten dämlicher Titel) ist unfassbarer Soundmischmasch, bestehend aus Keyboardkleister, ins Blaue geschredderte Stakkato-Gitarren, und über allem thronend fruchtbarster Bliblala-Gesang. 'Whispers Of Doom' ist in der Hinsicht zwar deutlich transparenter, qualitativ aber leider nicht wirklich besser. Die Gitarrensoli klingen hier wie eine verunglückte, aufgerockte Kreuzung aus nicht veröffentlichtem Rondo Veneziano-Material.

Aber dann, wie aus heiterem Himmel und eigentlich nicht mehr damit rechnend, wird es im Longtrack 'Vanquished By Shadows' doch noch ganz gut. Gitarrenleads und Riffs ganz nach meiner Fasson, gute Hooklines, nachvollziehbare Bridges. Es geht anscheinend doch. Gegen das zuvor Gehörte ist das hier geradezu Weltklasseniveau. Nach einem wirklich schönen Akustikgitarren-Zwischenspiel geht es im zweiten Teil des Songs dann allerdings wieder ein wenig bergab im Qualitätsranking. Summa summarum allerdings ein okayer Song, den man doch um Gottes und Satans Willen nicht so unglaublich lang strecken musste, wie Holg bereits richtig rausgehört hat.

Weiter im Text. 'Kreel's Magic Staff'; cheesy, aber gerade noch so semi-hörbar, erinnert mich ein wenig an die letzten etwas verunglückten VIRGIN STEELE-Werke, immerhin. Was haben wir noch? 'Diamond Claws', 'Black Wizard', und 'A Brave New Hope' plätschern mehr oder weniger an mir vorbei, ohne dass ich dabei allerdings allzu große Ohrenschmerzen verspüre. Mit 'Holy Downfall' und 'Mastered By The Dark' kommen dann zum Ende tatsächlich noch zwei Songs um die Albumecke, die ich mir ohne weiteres auch ein zweites oder drittes Mal noch anhören würde.

Letzten Endes bin ich dann aber doch sehr froh, dass ich erlöst bin und konstatiere: Symphonic Melodic-Gedöns und ich; das wird in diesem Leben ganz sicherlich keine Liebe mehr für's Leben werden. In 27 Jahren bin ich aber gerne wieder dabei, wenn die Kollegen rufen: Herr Lenze, mal wieder Bock auf 'ne Gruppentherapie von RHAPSODY OF Irgendwas?

Note: 4,5/10
[Stephan Lenze]

Kommt jetzt auch nicht so häufig vor, aber dieses Mal bin ich definitiv im Team Holger und Stephan einzuordnen und dabei bin ich metallisch in einer ganz anderen Phase unserer Musik sozialisiert worden. Ich habe mit 16 Jahren angefangen Metal zu hören und damit sind wir irgendwann im Jahr 1998. Somit fiel mein euphorischer Entdeckergeist direkt in die Phase "Symphony Of Enchanted Lands" und später "Dawn Of Victory". Und ich musste damals schon konstatieren, dass es ziemlicher (absichtlicher?) Murks war, was die Italiener dort fabrizierten. Das war nicht "Herr der Ringe", sondern "Prinzessin Fantaghirò"-Niveau.

Daran hat sich auch 2024 gar nix geändert. Diese Art von Filmscore-Metal wäre selbst bei "Die Schwerter des Königs" deplatziert gewesen und gaukelt mit jeder Phase Anspruch vor, welcher jedoch nie auch nur in irgendeiner Form vorhanden ist. Aber zumindest kann man mit einzelnen Songs und der richtigen Ironie etwas Spaß haben. Mit zwei bis 16 Bier sogar richtig viel Spaß.

Was macht man nun mit einem Album wie "Challenge The Listener", welches in der Tat noch anstrengender ist als die Frühwerke, da alle Schwachpunkte weiterhin vorhanden sind und dafür noch auf prägnante Hooks und eingängige Dudel-Melodien weitestgehend verzichtet wird? Es gibt eine goldene SCHLEFAZ-Regel: Es gibt schlechte Filme, die aber so dämlich sind, dass sie trotzdem Spaß machen (z.B. "Mr. Dynamit") und es gibt schlechte Filme, die wirklich richtig mies sind (z.B. "Daniel der Zauberer"). Diese Katalogisierung gilt auch für eine bestimmte Gattung von Musik. Mit 'Emerald Sword' und 'Holy Thunderforce' kann man einen geilen Trash-Abend verbringen (wie aktuell auch mit der neuen FREEDOM CALL). Und was ist mit "Challenge The Wind"? "Challenge The Wind" ist "Daniel der Zauberer" - so einfach ist das.

Note: 3,5/10
[Stefan Rosenthal]

RHAPSODY (OF FIRE) war für mich nie so wichtig und prägend wie beispielsweise für den guten Marcel, aber ich habe die Alben immer, ob mit oder ohne Feuer im Bandnamen, gern gehört. Als der Ausstieg von Fabio Lione damals bekannt wurde, hatte ich die Band eigentlich abgeschrieben, fand ich die Stimme doch zu charakteristisch, um sie ersetzen zu können. Aber ähnlich wie KAMELOT zaubert die Band einen neuen Sänger mit einer ähnlichen, aber nicht den Vorgänger kopierenden Stimme aus dem Hut. Und Giacomo Voli macht seit seinem Einstand mit den Neuaufnahmen der Bandklassiker auf "Legendary Years" eine echt gute Figur.

Zu "Challenge The Wind": Sind die Italiener auf dem letzten Album "Glory For Salvation" mit Songs wie 'I'll Be Your Hero' und 'Terion The Hawk' doch arg in den Schmalztopf getreten - was das Album in seiner Gänze leider in den Ohren vieler Kritiker weit runtergezogen hat - so vermeiden sie einen solchen Fauxpas auf dem neuen Werk; was nicht heißt, dass es nicht an allen Ecken und Enden klingelt und bimmelt.

Natürlich sind die Keyboards omnipräsent und die Melodien eingängig wie schmelzende Kräuterbutter, aber die Gitarre von Roby de Micheli ist trotz allem immer präsent und den Tasten des Masterminds Staropoli keineswegs dauerhaft untergeordnet. Zwar findet sich auf dem Album tatsächlich keine Ballade, aber die Aussage von Alex Staropoli, es gäbe auf keinem RHAPSODY OF FIRE-Album so viel Metal wie auf diesem, ist natürlich genauso ein Quatsch wie die Aussage, dass eine Pizza Hawaii eine original italienische Speise ist. Da diese RHAPSODY-Inkarnation aber aktuell die einzige am Markt und die Fortführung des Originals ist, sehe ich keinen Grund, ständig all die anderen, ehemals aktiven Varianten in die Kritik einzubeziehen. Und natürlich umweht (mindestens) die ersten drei RHAPSODY-Alben eine ganz eigene Magie, an die alle Nachfolger nicht herankommen.

"Challenge The Wind" steht jedoch den letzten sieben oder acht Alben in nichts nach. Ich höre schon das Argument: „Ja, die waren auch schon eher durchwachsen!“ Wer dieser Ansicht ist, wird auch mit dem aktuellen Werk nichts anfangen können. Mir gefällt "Challenge The Wind" aber ähnlich gut wie die Vorgänger. Aktuell würde ich sogar sagen, dass es das beste der drei Alben aus der "Nephelim's Empire"-Saga ist. Und Pizza Hawaii esse ich auch ganz gerne.

Note: 8,0/10
[Maik Englich]

 



Gott im Himmel, "Daniel der Zauberer"! Das ist wirklich einer der schlechtesten Filme aller Zeiten, den erstaunlicherweise sehr viele Leute kennen. Aber RHAPSODY OF FIRE ausgerechnet damit zu vergleichen, finde ich jetzt auch ziemlich danielzauberig, Herr Rosenthal! Aber ich fand RHAPSODY ja schon damals detlefdenglig cool, ich glaube ich habe sogar das damals auch von Dengler vertriebene RHAPSODY-Demo im Schrank stehen. "Symphony Of Enchanted Lands" war aber dann mein ewiges RHAPSODY-Album, ganz ohne Alkohol, einfach Kopfhörer auf und go! Und das in einer Zeit, in der ich ansonsten nur Prog-Gedudel hörte.

Meine zweite große RHAPSODY-Fanboyphase startet dann erst viel später mit Luca Turillis erstem Soloausflug (10 Punkte!), gefolgt von endlosen Telefon-Interviews und sogar einem Treffen in Persona (zum Interview). Ob mit oder ohne Feuer, damals habe ich alle RHAPSODYs aufgesaugt. Und danach kam eine weitere lange Pause.

Jetzt läuft es aber nach langer Zeit mal wieder und was soll ich sagen? Toll ist es! Das ist RHAPSODY. Warum soll das jetzt so viel schlechter sein als die alten Taten? Die ersten drei Songs plus das Sechzehn-Minuten-Epos 'Vanquished By Shadows' sind doch ein absolutes Träumchen für Rhapsodisten. Und auch der Rest ist absolut genießbar, hier will man wieder Drachen töten und Prinzessinnen retten. Ich finde einfach nichts von dem, was mir hier den Musikgenuss versauen sollte. So folge ich hier gerne meinen wohlwollenden Kollegen van der Laan und Englich, setze aber mit viel Respekt vor dem Schaffen und auch als Trotz vor so viel Häme über all die Jahre nochmal ein Tüpfelchen drauf. So lande ich fast bei der Neun wie unsere liebe Hanne, doch an die neue WARLORD kommt man heuer doch nicht so ganz ran!

Note: 8,5/10
[Thomas Becker]

 

Fotocredits: Massimo Battista

Redakteur:
Marcel Rapp

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