Gruppentherapie: WARLORD - "Free Spirit Soar"

04.06.2024 | 00:14

Wiederbelebung oder Verballhornung eines alten Geistes?

WARLORD ist eine dieser typischen Undergroundbands aus den 80ern, die viele gar nicht kennen, für ein paar Liebhaber aber die Welt bedeuten. Unser Mahoni ist einer von den Glücklichen, die WARLORD schon anno '83 mit "Deliver Us" kennenlernen durften. Eine ähnliche Faszination durfte ich knappe 40 Jahre später dann auch erfahren. Mahoni ist aber auch mit den aktuellen Klängen sehr zufrieden, wie ihr in seiner Hauptrezension zu "Free Spirit Soar" lesen könnt. Ein Platz 13 im aktuellen Soundcheck - zusammen mit den immer sehr kontrovers bewerteten RHAPSODY OF FIRE - lässt aber darauf schließen, dass nicht jeder Geschmack voll getroffen wird. Wir sammeln Stimmen von anderen alten WARLORD-Anbetern und WARLORD-Neulingen und befragen sie nach ihren Eindrücken.

[Thomas Becker]

Man kann sich auf YouTube davon überzeugen, dass Giles Lavery ein passender Sänger für den epischen US-Metal WARLORDs ist und gut in die Fußstapfen eines Damien King I passt. Natürlich ist WARLORD nach dem Ableben Tsamis' nicht mehr die Band WARLORD, wie man sie aus den 1980er Jahren kannte. Natürlich sind "Deliver Us" und "And The Cannons Of Destruction Have Begun..." absolute Meisterwerke und Meilensteine, an denen keine Nachfolgealben jemals hätten herankommen können.

Doch lassen wir einmal die Kirche im Dorf und gestehen uns ein, dass "Free Spirit Soar" ein tolles, neues WARLORD-Album geworden ist. Zumindest vereinzelte Gitarrenspuren stammen noch aus Tsamis' Feder und so lebt sein Geist in "Free Spirit Soar" letztendlich weiter. Die neue WARLORD-Version - vor allem auch dank Lavery - schafft es, der eigenen Geschichte mit neuen Songs Tribut zu zollen, hat mit der Epik eines 'Conquerors', der Homogenität eines 'The Bell Tolls' und dem Hymnischen eines 'Worms Of The Earth' auch sehr starkes Songmaterial am Start, das gemeinsam mit den beiden LORDIAN GUARD-Referenzen 'Revelation XIX' und 'Behold A Pale Horse' ein tolles Album bildet.

Hier und da vermisse ich zwar dieses schlichtweg Besondere, das ich mit WARLORD verbinde, doch per se haben die Musiker Tsamis einen gelungenen Tribut gezollt und mit "Free Spirit Soar" ein tolles, episches Album US-amerikanischer Metal-Prägung in Form gebracht.

Note: 8,0/10
[Marcel Rapp]

Mein erster WARLORD-Tonträger Anfang der 90er Jahre war die "Best Of", auf der bereits alle Songs der 83er-EP "Deliver Us" und des ein Jahr später folgenden legendären Debütalbums "And The Cannons Of Destruction Have Begun..." zusammen kompiliert wurden. Ich hatte mir zwar den Langspieler kurze Zeit später noch auf Vinyl zugelegt, eigentlich reichte mir aber auch seitdem immer besagte Zusammenstellung, wenn ich mal wieder Bock auf WARLORD hatte. Und das war zu Anfang beinahe täglich der Fall, und auch bis heute ist der Silberling noch immer ein überaus regelmäßiger und gern gesehener Besuchsgast im heimischen CD-Spieler. Diese einzigartige Art von epischem, leicht entrücktem US Metal, versehen mit diesem total außergewöhnlichem Gitarrenklang, dem wie Arsch auf Eimer passendem Göttergesang der beiden Damien-Kings und dieser für seine Zeit typische Keyboardsound hatten mich damals total umgehauen, weil ich so eine Art von Metal vorher noch nie gehört hatte. Das Frühwerk dieser seinerzeit genialen Band steht in Sachen Relevanz den Meisterwerken "Battle Cry" (OMEN), "Noble Savage" (VIRGIN STEELE) oder den ersten Alben der MANOWARschen Fellhosen in nichts nach und sollte, das kann man gar nicht hoch genug hängen, noch unzählige Bands aus dem Epic-Metal-Sektor in der Folgezeit massiv beeinflussen.

Nichtsdestotrotz wurde die Band 1986 leider aufgelöst und Mastermind und Gitarrist Bill Tsamis veröffentlichte gute zehn Jahre später mit seiner damaligen Frau hinter dem Mikroständer noch zwei superbe Werke unter dem Namen LORDIAN GUARD, auf welchen der alte WARLORD-Spirit musikalisch kongenial in die Neuzeit überführt wurde. Eigentlich wurde hier (wir schreiben das Jahr 1997) das Kapitel WARLORD bereits für immer geschlossen. Leider sollten aber 2002 und 2013 mit zwei unterschiedlichen Sängern noch zwei weitere Alben unter dem WARLORD-Banner erscheinen. Diese atmeten bereits eine gehörige Brise Euro-Power-Metal-Spirit und hatten mit dem Geist der Musik anno 1983/84 nur noch sehr vage und entfernt zu tun, obwohl sich auf beiden Werken zusammen immerhin noch eine Handvoll hörbarer und okayer Songs befand.

Tsamis hat vor ziemlich genau drei Jahren bekanntlich leider viel zu früh das Zeitliche gesegnet, was das einzig verbliebene Gründungsmitglied Mark Zonder und seine Gefolgsleute wiederum leider nicht davon abgehalten hat, noch bestehende Songfragmente aus Tsamis' Feder hier zu einem weiteren Album zusammen zu wurschteln. Inwieweit die Songs hier schon fertig komponiert und ausarrangiert waren, entzieht sich meiner Kenntnis. Spielt aber auch nicht wirklich eine große Rolle, da das hier dargebotene Liedmaterial fast durch die Bank ganz großer Mist ist, wenngleich hier und da in kurzen Momenten ansatzweise noch einmal Tsamis' musikalisches Mindset durchklingen mag. Die Songs selber wirken im Ganzen aber unausgegoren, schlampig ausgearbeitet und warten mit allergrausigsten Trilabumsfalera-Melodien auf. Epische Songtiefe, Spannungsbögen, gute Gitarrenriffs und Leads; all das sucht man hier (fast) komplett vergebens. Zonders Schlagzeug klingt wie ein mit Bier übergossenes Trommelensemble aus dem örtlichen Spielmannszug. Giles Lavery ist zwar ein durchschnittlich begabter Sänger, verfügt darüber hinaus aber leider über keinerlei originäres Stimmcharisma mit eigener Note. Die beiden besten Songs sind dann auch zwei bereits bekannte Songs aus dem LORDIAN GUARD-Schaffen, die man hier, warum auch immer, noch einmal gehörig verballhornt und verschlimmbessert hat. Hört euch besser die Originale an, das hier braucht wirklich kein Mensch.

Seinerzeit musikalisch qualitativ in der Champions League beginnend, ist das Bandkonstrukt WARLORD vierzig Jahre später auf kompositorischer Ebene nun endgültig in den Niederungen der Bezirksliga angekommen. Klassenerhalt: unsicher. Wollen wir hoffen, dass alle Beteiligten wenigstens ab jetzt genügend Würde besitzen, nichts weiter mehr unter der Flagge WARLORD zu veröffentlichen. Denn wie man mit solch einem musikalischen Erbe gewissen- und ehrenhaft umgeht, haben gerade die verbliebenen MANILLA ROAD-Mitglieder mit SENTRY eindrucksvoll bewiesen.

Note: 4,0/10
[Stephan Lenze]



Die neue WARLORD lief bei mir im Soundcheck die eine oder andere Runde, und am Ende flatterte der Rabe gegen den Redaktionstrend und gab doch recht stattliche 8,5 Punkte in die Tabelle ein, und das obwohl - und da hat der Lenze völlig recht - das Album im Hinblick auf das große Erbe des William J Tsamis und der Frühzeit der Band ein eher laues Lüftchen darstellt. Natürlich habe auch ich die Band, das Album und letztlich auch mich selbst hinterfragt, und seit nun auch die handfeste CD im Haus ist, derselben auch gut zehn weitere Durchläufe gegönnt, um mein überkommenes Verdikt zu verifizieren, oder zu falsifizieren.

Was ist es also, das mich zu dieser doch recht spendablen Punktvergabe gebracht hat? Nun, es ist unsere vermaledeite Notendefinition, denn da steht zu den 8,5 Punkten exakt das Folgende: "Ein Album, das man häufiger auflegen wird und auf jeden Fall Hits hat." - Habe ich es oft aufgelegt? Ja, es lief die Promo vor VÖ knapp zehnmal, und nachdem ich mir die CD gekauft habe, folgten locker weitere zehn Durchläufe, und ich höre sie immer noch gerne, auch in dem Moment, in dem ich diese Zeilen tippe. Hat sie Hits? Ja, auf jeden Fall, denn die Refrains und die Hooks bleiben hängen, und zwar sowohl jene der Adaptionen alter Tsamis-Kompositionen, als auch die bisher unbekannten Stücke. Erneut gebe ich Lenze sehr gerne Recht, dass die Platte auf keinen Fall die Magie des Frühwerks versprüht, das ich ebenfalls in den Neunzigern über besagte Best-of kennenlernen durfte. Das Schlagzeug ist für einen mit dem Namen Zonder zugegebenermaßen sehr reduziert, und die Gitarrenarrangements sind teils deutlich weniger verspielt und feinfühlig als dies eben bei Herrn Tsamis der Fall war, aber alles andere wäre halt auch nahe am Wunder gewesen.

Dennoch fangen die Songs den archaischen Spirit der Band schon recht ordentlich ein, wie ich finde, und daneben reicht mir des Herrn Laverys gesangliche Darbietung für ein ausdrückliches Placet, auch wenn er nicht der größte Charismatiker vor dem Herrn ist, lediglich die Backing-Chöre und die Keyboards sind hier und da ein bisschen steif. Dennoch macht mir das Album ordentlich Freude, wobei mir vielleicht zweierlei Aspekte entgegenkommen: Zum einen die Tatsache, dass auch Tsamis selbst in der Vergangenheit mit verschiedenen Sängern gearbeitet hat, so dass ich nicht so sehr auf eine spezifische Stimme fixiert bin, wie dies etwa bei MOTÖRHEAD oder BATHORY der Fall wäre, käme jemand auf die Idee, diese Bands oder Bandnamen zu reanimieren. Zum anderen hat mich das WARLORD-Frühwerk nicht in einem ähnlichen Maß geprägt, wie das manch anderer Band. Also bleibe ich trotz gewisser generischer Momente und einem vorhandenen Restzweifel daran, ob das wirklich genau so alles "in the spirit" of William J Tsamis ist und dessen Segen gewonnen hätte, aber unterm Strich steckt man da nicht drin.

So bleibt für mich natürlich auch ein Fragezeichen über der Veröffentlichung, und würde Tsamis' Präsenz uns nicht bitter fehlen, wäre das ja auch gar nicht normal. Um Lenze trotz viereinhalb Punkten Wertungsdifferenz nicht nur zuzustimmen, sei noch betont, dass ich den Euro-Metal-Einfluss nicht als überbordend, die Melodien als nicht allzu dudelig und auch die Songs nicht als zusammengeschustert und unfertig empfinde. Bleibt am Ende die Frage, ob man ein für sich genommen ziemlich cooles Album mit sehr markanten WARLORD-Einflüssen nach Tsamis' Tod auch dem Namen nach als WARLORD-Album haben möchte. Beide Sichtweisen sind überaus nachvollziehbar.

Note: 8,5/10
[Rüdiger Stehle]


Natürlich ist "Free Spirit Soar" eine seltsame Veröffentlichung unter dem Namen WARLORD. Und ja, da haben die Vorredner recht, es ist kein Meisterwerk. Ich gebe aber zu, dass ich mich sehr gut unterhalten fühle. Und: Es ist schon ziemlich eindeutig WARLORD, wenn man den Sound und die Melodieführung betrachtet. Wer WARLORD nach dem Achtziger-Frühwerk abgeschrieben hat, der wird mit "Free Spirit Soar" sicher wenig anfangen können. Wer aber wie ich "Rising Out Of The Ashes" stark fand und "The Holy Empire" liebte, der wird sicher viel Freude an "Free Spirit Soar" entwickeln können.

Natürlich fühlt es sich ein wenig wie Tsamis-Leichenfledderei an, aber die Songs atmen absolut den Spirit seiner letzten Veröffentlichungen und lassen mich auch öfter an LORDIAN GUARD denken. Die Produktion ist gut, der Gesang stark - Giles Lavery passt hervorragend zum Sound (man denke an den schaudrigen Ausflug mit Nicholas Leptos von ARRAYAN PATH, fraglos ein starker Sänger, aber völlig deplatziert bei WARLORD). Eric Juris spielt deutlich spannendere Melodien auf der Gitarre, als man sie von den letzten CRYSTAL VIPER-Alben kennt. Mit Jimmy Waldo konnte man einen namhaften Tastenmagier gewinnen - er spielte immerhin auf dem legendären ALCATRAZZ-Debüt. Dass Mark Zonder, einziges ewiges Mitglied neben Tsamis, diese Scheibe veröffentlicht, ist daher für mich kein Schaden.

Und dann mache ich es wie Rüdiger und schaue unser Notengebungssystem an. Und muss sagen: Dieses Album lief schon einige Male und wird noch häufiger aufgelegt werden. Die ganz großen Hits kann ich (noch) nicht ausmachen, aber es ist doch ein gutes episches Metal-Album geworden, mit einer hochklassigen Produktion, und nebenbei einem schönen Artwork von Velio Josto.

Note: 8,0/10
[Jonathan Walzer]

Diese Gruppentherapie ist wahrlich keine einfache Aufgabe, gilt es doch, widerstreitende Eindrücke zu gewichten. Die "Best Of Warlord", die Kollege Lenze bereits gewürdigt hat, gehört auch zu den CDs, die ich auf eine einsame Insel mitnehmen würde. Mein Einstieg war allerdings die Compilation "Thy Kingdom Come" aus dem Jahr 1986, die ich Ende der 1980er erwerben konnte. Dies war damals ein Spontankauf und zwar wegen des Ioannis-Artworks, mussten doch alle Alben aus diesem Designstudio möglichst eingesackt werden. Für die 1993er Reissues von "Best Of Warlord" wurde das Artwork dann wiederverwendet. Das Zauberische, Märchenhafte der Musik von WARLORD könnte gar nicht besser visualisiert werden. "The Holy Empire" halte ich nach wie vor für ein grundsolides Album, das ich aber sehr selten auflege. Den Neuaufguss der alten Stücke auf "The Hunt For Damien" hätte es jetzt nicht unbedingt gebraucht.

Nachdem ich von dem viel zu frühen Tod Bill Tsamis' erfuhr, schien das Kapitel WARLORD beendet zu sein. Dem Erscheinen von "Free Spirit Soar" sah ich erst einmal eher mit Skepsis entgegen. Aber da das Artwork wirklich gelungen ist, siegte dann doch die Neugier. Um das neue Material einigermaßen objektiv beurteilen zu können, habe ich versucht, alle Gefühle und Erinnerungen aus den Ohren zu verbannen und die Musik für sich sprechen zu lassen.

Leider ist dieses Experiment nicht ganz gelungen, da sich unwillkürlich Vergleiche mit dem unvergleichlichen Gitarrenspiel von Bill Tsamis aufdrängen. Der LORDIAN GUARD-Song 'Behold A Pale Horse' gehört noch zu den besten Stücken, aber schon bei LORDIAN GUARD fand ich ihn immer zu lang. Immerhin ist das Zusammenspiel von Bass und Schlagzeug recht gefällig. Größte Schwierigkeiten habe ich auf Albumlänge mit dem uninspirierten Gesang, der einfach keine Glanzpunkte setzen kann. Die Gitarrenarbeit versucht sich daran, Bills Stil einigermaßen einzufangen, was aber nur teilweise gelingt. Ohne die künstlichen Chöre wäre die Wirkung der Musik vielleicht auch eine andere.

Man muss zugeben, dass sich tatsächlich einige Ohrwürmer auf dem Album finden. Aber ich stelle fest, dass ich immer erleichtert bin, wenn der letzte Song verklungen ist. Im Geiste drücke ich dann dem aktuellen WARLORD-Material den Stempel "Gedudel" auf.

Note: 6,5/10
[Jens Wilkens]


Ich muss echt mal den Hut vor meinen Kollegen ziehen. Was hier für Expertise in Kurzform (okay – darüber kann man vielleicht streiten) aufs Papier gebracht wird, ist schlicht beeindruckend. LORDIAN bitte was? Für mich ist selbst WARLORD ein Buch mit sieben Siegeln. Das ist doch die Band, die HAMMERFALL auf dem Debüt gecovert hat, oder? Ja, demnach kenne ich 'Child Of The Damned' und demzufolge logischerweise auch die Scheibe "Rising Out Of The Ashes" von 2002, bei der Joacim Cans dann sogar den Gesang übernahm.

Trotzdem war das Comeback-Album von WARLORD schon eine sehr zähe Angelegenheit und ist mittlerweile ein komplett eingestaubter Vertreter in meinem CD-Regal. Ohne den Faktor HAMMERFALL-Sänger bleibt dieses Schicksal "Free Spirit Soar" nun erspart – es wird nämlich gar nicht in die Sammlung wandern. Das liegt weniger am Songmaterial, welches durchaus immer mal wieder echt spannend umgesetzt ist und interessante Songwriting-Kniffe offenbart. Vielmehr liegt es an einem Sound, welcher mir so gar nicht zusagt. Die Keyboards und Retorten-Chöre finde ich teilweise sogar schon bitter. Ein Song wie 'The Rider' ist nah an der Parodie. Wie geil wäre 'Behold A Pale Horse' zum Bespiel mit einer echten Flöte an der richtigen Stelle. Dazu kommt, wie von Kollege Jens schon aufgezeigt, der Gesang, der einfach keine zusätzlichen Anreize schafft, um einzelne Tracks noch in andere Notenddimensionen zu kicken und auch das Schlagzeugspiel passt sich den musikalischen Rahmenbedingungen erschreckend belanglos an.

Würden nicht im Großteil der Lieder echte Großtaten schlummern (deutlichster Bewerber sicherlich 'Conquerors') würde ich mich auch in Regionen von Stephan bewegen. So reicht es noch für schwache sechs Punkte und die Hoffnung, dass die Band einige Songs nochmal in anderer Form rausbringt. Das scheint bei WARLORD ja gang und gäbe zu sein. Irritierendes Album.

Note: 6,0/10
[Stefan Rosenthal]



Anders als bei den Kollegen Lenze, Stehle und Wilkens ist WARLORD erst relativ spät in meiner musikalischen Schatztruhe gelandet. Und das, obwohl ich wusste, dass meine 90er-Lieblingsband MAYFAIR anfangs stark von WARLORD beeinflusst worden ist und die Band mir sogar höchstpersönlich WARLORD nahegelegt hat. Ein ewiger Dank geht hier an den Kollegen Stehle, der mir vor ein paar Jahren die "Anthology"-CD überließ und somit den Stein ins Rollen brachte. Doch es sollte immer noch eine Zeit lang dauern, bis ich endlich mehr als den bekannten Smasher 'Deliver Us From Evil' an mich ran ließ. Erst die dezidierte Erforschung von Musik aus dem Jahre 1983 brachte die Bombe dann zum Platzen.

Seitdem bin ich auf einem langanhaltenden WARLORD-Trip. Diese unbeschreibliche Atmosphäre, diese herrlichen Melodien, diese schiere Schönheit der Musik hat mich völlig eingenommen, kein Ende in Sicht. So etwas Besonderes passiert mir mittlerweile doch eher selten.

Da es von WARLORD ja eher wenig Musik gibt, bin ich zwar verhalten aber doch neugierig mit der Nachricht umgegangen, dass es anno 2024 ein neues WARLORD-Album geben sollte. Und weil die Band mir musikalisch eh schon alles geschenkt hat, was möglich ist, würde alles Neue eh nur eine Zugabe sein.

Doch jetzt passiert es tatsächlich schon wieder, dass WARLORD mich verzückt. "Free Spirit Soar" gibt mir von allen 2024er-Veröffentlichungen bislang die meisten seligen Momente, die hartnäckigsten Ohrwürmer, den größten Replay-Drang. Da sind sie ja wieder, diese herrlich schwebenden Gitarrenmelodien, die wunderschöne Melodieführung, das lässig groovende, verspielte Schlagzeugspiel. Nein, ich kannte LORDIAN GUARD tatsächlich noch nicht, aber ich hebe jetzt mal meinen Finger gen Lenze, als Mensch, der die aktuellen Versionen von 'Behold A Pale Horse' und 'Revelation' nicht nur braucht, sondern auch deutlich besser findet.

Auch am Gesang gibt es für mein Ohr nichts zu kritteln, und in punkto Songwriting versuche nach wie vor die Aspekte zu finden, die meine kritischen Vorredner so stören. 'The Rider' hat doch ein ähnliches Flair wie 'Lost And Lonely Days', und ich wüsste auch keine Band zu nennen, die Songs wie 'Conquerors' oder das für mich überragende 'Alarm' schreiben könnte. Ich spüre es tatsächlich noch, das Besondere von WARLORD! Ist es der Geist von Bill Tsamis, der ja angeblich die meisten Lieder noch geprägt zu haben scheint, oder haben es die neuen Mitglieder gar geschafft, Tsamis' Idee und Inspiration einzufangen und fortzuführen? Das hieße ja, WARLORD lebt! Ich bin begeistert!

Note: 9,0/10
[Thomas Becker]

Redakteur:
Marcel Rapp

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