Perlen der Redaktion: Stefan Rosenthals Highlights 2022

31.01.2023 | 21:38

Das war es also, mein zweites Jahr bei POWERMETAL.de. Und ein zweites Mal darf ich meine persönlichen Jahreshighlights zusammenfassen und in diesem kleinen Artikel präsentieren.

Im Laufe des Jahres ist ziemlich viel bei POWERMETAL.de passiert und es wurden auch eine Menge Änderungen angestoßen, welche erst in 2023 so richtig zu Tage treten werden. So wurde ich zuerst vom freien Mitarbeiter zum festen Redaktionsmitglied und schwupps... zu einem der Gründungsväter von POWERMETAL.de e.V.. Das ist schon etwas weird.

Aber dieses Webzine liegt mir so am Herzen, dass ich gerne soviel wie möglich in die Zukunft dieses Vereins investieren möchte. Damit dürfte ich wohl auf offene Ohren gestoßen sein, da der neugewählte Vorstand mir direkt die Leitung unserer Social-Media-Kanäle anvertraut hat. Deswegen direkt auch noch etwas "Werbung in eigener Sache" - folgt uns doch bitte (wenn ihr es nicht eh schon tut) auf Facebook und Instagram. Dort findet ihr immer die aktuellsten Verweise auf unsere Homepage-Inhalte, aber auch ab und zu mal exklusive Inhalte, welche das Salz in der Suppe darstellen. Das unbestrittene Highlight ist dort aber die Interaktion mit euch und eure Möglichkeit an der Entwicklung des Webzines aktiv teilzunehmen. Also schaut mal rein.

Dort wurde sich auch fleißig über unsere aktuellen Redaktionsjahrespolls ausgetauscht. Und auch ich kann manche Entscheidung unserer Kollegen nicht nachvollziehen und erfreue mich an dem dann entstehenden Diskurs über Trveness, musikalische Inhalte oder absurdes Fanboy-Getue. Aber das zeigt eigentlich auch nur, wie vital und vielfältig unsere Szene agiert und wieviel wirklich gute Alben 2022 das Licht der Welt erblickten. Von den besten 20 Langdrehern unserer Redaktion gibt es tatsächlich nur drei Überschneidungen mit meiner Auswahl und selbst in meinen Top100 tauchen viele Künstler nicht auf.

Zumindest erwähnenswert bleiben die neuen Veröffentlichungen von HÄLLAS (Platz 44), RAMMSTEIN (Platz 42), THRESHOLD (Platz 30) und DISILLUSION (Platz 29), aber was alle Welt in RIOT CITY zu hören vermag, erschließt sich mir in keinem Fall.

Meine absolute Nummer Eins des Jahres hört auf den Namen  "Övergivenheten" und ist der neuste Output der Schweden SOILWORK. Warum dieses Album für mich die Sternstunde im modernen Metal darstellt, erfahrt ihr im Retrospektive-Artikel zum Schaffen von SOILWORK oder, bei Interesse, auf meinen privaten Instagram-Account (@Folkemon) in einer Short-Review. Dort habe ich zu meinen Top50 kurz erläutert, warum diese Platzierung zu Stande kam.

Auf dem folgenden Platz durfte es sich dann unserer Redaktionssieger BLIND GUARDIAN mit "The God Machine" bequem machen. Lange waren die Krefelder nicht mehr so heftig und gleichzeitig eingängig unterwegs und sie schaffen diesen "Back-to-the-Roots"-Spagat ohne sich einer Zielgruppe zu massiv anzubiedern. Highlight für mich ist die spielende Integration von modernen Elementen in den Bandsound. So sollte also "A Twist In The Myth" 2006 schon klingen.

Die Bronzemedaille geht an GGGOLDDD und "This Shame Should Not Be Mine". Diese Mischung aus Post Metal, Okkult Rock und TripHop ist so individuell und erschafft eine Atmosphäre, die auch als Funeral Doom oder Black Metal funktionieren könnte. Das Album ist ein Konzeptwerk über den sexuellen Missbrauch ihrer Sängerin Milena, welche nun die Erfahrungen ihrer Vergewaltigung textlich verarbeitet: Das ist harter Tobak und wer die Band und die letzten Alben kennt, weiß, dass es hier lyrisch auch extrem düster und traurig umgesetzt wird. Man sollte persönlich schon stark gefestigt sein um in diese Traumata-Verarbeitung so tief einzutauchen, wie es die Texte und insbesondere die Botschaft es eigentlich verlangen. Hier funktioniert Musik ohne den Text nicht und somit dürfte das Album auch nur was für ganz spezielle Momente sein, in denen man bereit ist für diese Art der Katharsis.

Nun wird es catchy. TAYLOR SWIFT ist back und "Midnights" ist das Popalbum des Jahres. So etwas wie 'Anti-Hero' und 'Snow On The Beach' ist so fantastisch geschrieben, gesungen und produziert, dass es mich jedesmal erneut fasziniert. Ich kann somit Kollege Jhonny zu 100% verstehen, wenn er es auf seine persönliche Nummer Eins setzt.

Platz 5 ist eine kleine Überraschung. HYBOID ist das Pseudonym des Berliner Klangkünstlers Sebastian Hübert und zuständig für elektronische, instrumentale Musik im Fahrwasser von JEAN MICHAEL JARRE, KRAFTWERK oder auch Bands wie GOBLIN. Das Ganze ist immer angenehm poppig, aber nie anbiedernd und in den richtigen Momenten auch proggy, schräg und sperrig unterwegs. Das neueste von Sequencer-Klängen getriebene Werk ist nun nochmal eine Spur düsterer und bedrohlicher geworden und erinnert nicht nur einmal an italienische Zombie- oder Giallostreifen aus den 1970er oder 1980er Jahren. So geht perfekter Retro- oder Synthwave.

Auf den weiteren Plätzen folgt das bisher beste Album von ZEAL & ARDOR, die neue progressive Blaupause von PORCUPINE TREE, die Abrissbirne des Jahres von LORNA SHORE und ein herrlich entspannter DEVIN TOWNSEND.

ZEAL & ARDOR schaffte es auch, mit der später im Jahr veröffentlichten "Firewake EP" und dem Titeltrack eines meiner absoluten Lieblingslieder des Jahres zu veröffentlichen und fand sich damit in einer illustren Gesellschaft mit 'The Saints Of Violence And Innuendo' von SHINEDOWN, 'Wer hat hier schlechte Laune?' von MAX RAABE, PETER FOX' 'Zukunft Pink' und meinem Folksong des Jahres 'Wholeheartedly' von MARTIN SCHNELLA & MELANIE MAU wieder. Bis auf Platz drei bei den Liedern des Jahres rockten sich, überraschender Weise, DIE APOKALYPTISCHEN REITER mit 'Alles ist gut' vor. Das ist genau die Message, welche ich in diesem Jahr gebraucht habe.

Die ersten beiden Plätze sind dann wieder fest in progressiver Hand und hören auf die Namen 'Chariot Of The Sun' von MOTORPSYCHO und 'Im Siel' von GIANT HEDGEHOG. Richtig geiles Zeug. Apropos GIANT HEDGEHOG. Was hier nicht alles für Musikrichtungen kurz vorbeischauen und "Hallo" sagen. Prog Metal, Post Rock und Jazz in allen Stilblüten sind ja noch gute Freunde, aber wenn dann noch die bucklige Verwandtschaft in Form von Avantgarde, RIO, Fusion, Mathrock und der ganzen Canterbury-Truppe vorbeiguckt, dann wird es schon wild.

Somit höchsten Respekt an den riesigen Igel, dass er es schafft, das Ganze nicht zu sehr ausufern zu lassen und somit weiterhin sehr anspruchsvolle Musik erschafft, welche aber nie anstrengend wirkt und sich somit angenehm hörbar gestaltet. Klar, Easy Listening oder neudeutsch "snackable" ist das hier nicht - aber das sind Bands wie KING CRIMSON und VAN DER GRAAF GENERATOR auch nicht. Wer mit den beiden was anfangen kann und sich dann noch vorstellt, was passieren würde, wenn man neuere OPETH im Pilzrausch im Bälleparadies vergisst, der sollte ein Gefühl dafür haben, was man auf "Im Siel" zu hören bekommt. Definitiv einer meiner Newcomer des Jahres und klar vor THE HALO EFFECT und ihrer bockstarken Reanimation des Melodic Death Metal.

Besser war nur HOAXED mit "Two Shadows". Geilomat. Was ein Debüt. Das klingt wie GGGOLDDD light. Metallische Rhythmik trifft auf Gothic Rock und ein Sammelsurium an Post-Punk-Elementen und klingt dabei immer so herrlich verschroben eingängig. Bei meinem Newcomer des Jahres kommt dann allerdings der Fanboy komplett durch und der Preis geht an GOTT und die "To Hell To Zion"-EP. Diese Musik atmet zu jeder Sekunde THE DEVILS BLOOD-Magie und lässt mich nicht mehr los. Wer nur irgendwas mit den Holländern anfangen konnte, sollte dieses Lebenszeichen unbedingt mal anchecken.

Also alles heiter Sonnenschein bei den musikalischen Veröffentlichungen? Leider nein - auch dieses Jahr hatten wieder ein paar Künstler in meinen Ohren leider nicht vollständig überzeugen können. Und dabei rede ich gar nicht von schwächeren Werken wie von meiner Lieblingsband JETHRO TULL, welche einfach aus verschiedenen Gründen nicht mehr den Zauber freisetzen kann, der früher möglich war, sondern vor allem von Bands wie AVANTASIA und ARCH ENEMY, welche das ihnen zur Verfügung stehende Potential nicht mal annähernd ausschöpfen. Den dicksten Bock hat allerdings die OYSTERBAND geschossen. Es gab selten ein Folkalbum, das mich emotional so kalt gelassen hat wie "Read The Sky". Warum? Keine Ahnung - es zündet einfach überhaupt nicht. Und weil das analytisch nicht zu erklären ist, da die Band weiterhin auf hohem Niveau musiziert und eigentlich keine wirklichen Schwächen zeigt, regt mich das Album persönlich noch mehr auf, als es eigentlich müsste. Vielleicht zündet es ja in ein paar Jahren.

Wenden wir uns also wieder positiven Emotionen zu und zwar meinen fünf Konzerthighlights des Jahres. Platz fünf ist noch taufrisch und geht an NIGHTWISH. Unfassbar, wie brutal stark und souverän Floor Jansen Wochen nach ihrer Krebs-OP hier die Zügel in der Hand hält und einmal mehr zeigt, was für eine Macht diese Finnen live sind.

Ebenfalls herausragend, wenn auch anders, durfte ich den SKCLAD-Auftritt auf dem DONG OPEN AIR erleben. Da anscheinend niemand diese Band so verfolgt, wie es gesetzlich eigentlich geregelt werden müsste, hat man das Gefühl, bis auf eine Handvoll Freaks muss diese Institution sich bei jedem Konzert wieder neu in die Herzen spielen und Publikum gewinnen. Und selbst bei diesen Rahmenbedingungen mit katastrophalem Bier und Killerwespen konnten die Engländer begeistern. Da hätte es den Heiratantrag auf der Bühne oder das gesamte Orga-Team auf der Bühne gar nicht gebraucht.

Gehen wir weg von den Sommerfestivals in die kleinen Underground-Clubs der Republik. CHAOSBAY hat Kassel zerlegt. Was für eine Band und ich würde mich freuen, wenn sich der kommerzielle Erfolg nun sukzessive einstellen würde - auch wenn ich dann wieder ewig diesem Club-Massaker nachtrauern würde.

Die Silbermedaille geht an MARTIN SCHNELLA & MELANIE MAU und ihren denkwürdigen Auftritt im Kloster Hedersleben auf meiner Hochzeit. So eine Atmosphäre kannst du halt nicht toppen. Auf der eigenen Vermählung eigene Akustik-Versionen von IN FLAMES, BLIND GUARDIAN, IRON MAIDEN, JUDAS PRIEST und METALLICA zu hören, ist schon ganz großes Kino.

Mein Konzert des Jahres geht an HEINZ RUDOLF KUNZE und zwar seinen Auftritt in Erfurt, welchen ich in der ersten Reihe erleben durfte, inklusive Soundcheck und einer fantastischen Stimmung. Die Vorzeichen waren nicht gut. Zum einen konnte er die Tour zum aktuellen Album "Der Wahrheit die Ehre" nicht umsetzen und musste diese immer wieder verschieben, zum anderen kollidierte diese Terminverschiebung nun mit seinem 40. Jubiläum und der Tatsache, dass dieses nach Best-of schreien musste. Also eine Herkules-Aufgabe für eine sinnvolle Setlist, wenn man weiß, dass eine Tour zum neuen Album immer bedeutet, fast das komplette Album live zu spielen. Was soll ich sagen, HRK hat es perfekt geschafft alle Essentials zu integrieren (Gott sei Dank nicht in den "Werdegang"-Versionen), das neue Album entsprechend zu würdigen und noch ein paar Überraschungen aus dem Hut zu zaubern. Dann muss man halt fast drei Stunden spielen.

Fehlt noch das Artwork des Jahres, oder? Hier bin ich tatsächlich zwiegespalten, da ich zwei Ansätze fantastisch finde. Zum einen ist das Coverartwork zu "Erebos" von VENOM PRISON grandios und fängt die Brutalität der Musik kongenial ein und schafft es die Todesangst so intensiv darzustellen, dass es fast für Unbehagen beim Betrachter sorgt. Hier hat sich der Künstler Eliran Kantor mal wieder selbst übertroffen. Das andere Artwork des Jahres ist auf den ersten Blick nicht nur unscheinbar, sondern wirkt geradezu uninspiriert. Und zwar meine ich das Cover von "Yearbook" - dem neusten Indie-Pop-Knaller von RJ THOMPSON. Das Artwork und die Bonusinhalte ändern sich abhängig von den einzelnen Tagen, Uhrzeiten oder Wettersituationen durch richtig knuffige Augmented-Reality-Technologie. Über eine begleitende iOS- oder Android-App gibt es über 300 verschiedene, lebendige Artworkversionen, welches es gilt zu entdecken. Solltet ihr 2022 nur eine Vinyl kaufen wollen, ist das definitiv mein Tipp. Noch nie wurde ein physischer Tonträger so schön mit der digitalen Welt verheiratet.

Doch bei all diesen Großartigkeiten muss ich feststellen, dass diesen Jahr tatsächlich eher im Zeichen von alten Großtaten stand. Durch die Hochzeit (Motto: 'Märchen von Morgen' - VERSENGOLD) und meinen 40. Geburtstag habe ich mich so intensiv und umfangreich mit verschiedenen Klassikern beschäftigt, dass doch weniger Zeit für neue Musik übrig geblieben ist. Den DJ zu überzeugen, dass man ruhig auch mal NEAL MORSE oder AMON AMARTH auf der Hochzeitsfeier spielen darf und zu erleben wie Freunde und Familie zusammen zu ROGER WHITAKER, HAMMERFALL, MICKIE KRAUSE, CHILDREN OF BODOM und GAMMA RAY abfeiern, ist einfach wunderbar. Musik ist und bleibt das Schönste der Welt.

Wenn ich daran denke, wie ich mit meiner Frau die Choreografie zu 'Blood Brothers' von IRON MAIDEN als Hochzeitstanz eingeübt habe und 'Der Abend vor dem Morgen danach' von HEINZ RUDOLF KUNZE als Hymne für den Brauteinzug erleben durfte, dann bin ich mir sicher, dass dies Momente sind, die noch deutlich stärker strahlen als alle neuen Hits des Jahres zusammen.

"Freeze this moment
A little bit longer
Make each sensation
A little bit stronger"
(RUSH - 'Time Stand Still')

Die Top20-Alben in der Übersicht. Mit einem Klick auf den Albumnamen gelangt ihr - soweit vorhanden - zur Rezension.

Rang Band Album
1. SOILWORK Övergivenheten
2. BLIND GUARDIAN The God Machine
3. GGGOLDDD This Shame Should Not Be Mine
4. TAYLOR SWIFT
Midnights
5. HYBOID Sequencing The Apocalypse
6. ZEAL & ARDOR Zeal & Ardor
7. PORCUPINE TREE
Closure / Continuation
8. LORNA SHORE
Pain Remains
9. DEVIN TOWNSEND Lightwork
10. CHAOSBAY 2222
11. NORDIC UNION
Animalistic
12. MIKAEL ÅKERFELDT Clark - The Original Soundtrack
13. GHOST Impera
14. THE SPIRIT Of Clarity And Galactic Structures
15. BLOODBATH Survival Of The Sickest
16. THE HELLACOPTERS
Eyes Of Oblivion
17. KRAFTKLUB Kargo
18. GIANT HEDGEHOG
Im Siel
19. THE SLEEPER
Radiant
20. ALLIGATOAH Rotz & Wasser

Redakteur:
Stefan Rosenthal
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