THE FORESHADOWING: Interview mit Francesco Sosto
16.12.2024 | 09:23Auch in Italien stehen Trauerweiden. Nach langer Ruhepause veröffentlichte THE FORESHADOWING vor einigen Wochen mit "New Wave Order" ein sehr starkes Comeback-Album, zu dem Keyboarder Francesco uns Rede und Antwort stand.
Hallo und vielen Dank, dass ihr euch die Zeit nehmt, ein paar Fragen zu beantworten. Zunächst einmal möchte ich euch zu eurem gelungenen Comeback-Album beglückwünschen, dass vor einigen Tagen erschienen ist. Ich habe bisher ausschließlich positive Meinungen zu "New Wave Order" gelesen. Wie ist euer Eindruck?
Hallo und vielen Dank auch! Wir freuen uns sehr über die Kritiken, denn sie sind tatsächlich sehr positiv. Für uns ist das beste Kompliment, das wir oft hören, wenn die Leute uns sagen, dass wir wieder voll ins Schwarze getroffen haben. Das zu hören, heißt, dass es sich gelohnt hat, so viel Zeit und Arbeit in unser neues Album investiert zu haben.
Nachdem ihr mit euren Alben "Oionos" und "Second World" einigen Wirbel verursachen konntet, verschwandet ihr nach der Veröffentlichung von "Seven Heads, Ten Horns" in der Versenkung. Was war passiert?
Nun, in diesen acht langen Jahren ist natürlich viel passiert. Es gab vor allem Ereignisse außerhalb der Musik, die unsere Band-Aktivitäten verlangsamt haben, dann die Pandemie und die EP, der wir nach der Pandemiezeit Priorität eingeräumt haben. Eigentlich hätte das Album schon 2020 fertig sein können, aber was hätte es für einen Sinn gehabt, es zu einer Zeit zu veröffentlichen, in der wir alle zu Hause eingesperrt waren? Gut, wir hätten vielleicht ein weiteres Album in unserer Diskografie gehabt. Aber wir hatten den Eindruck, dass der Musik nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt worden wäre. Ich denke, es war besser, sich etwas Zeit zu nehmen. Jetzt kann dieses Album auch so gewürdigt werden, wie es das aus unserer Sicht verdient.
Umso schöner war es, als ihr uns Vermissenden im letzten Jahr die EP "Forsaken Songs" geschenkt habt. Wie kamt ihr auf die Idee, dass es gerade ein Cover von 'Such A Shame' bedarf, um euch zurückzumelden?
Offensichtlich wollten wir auf der Welle oder besser gesagt, auf der New Wave der Begeisterung mit der Veröffentlichung des kommenden Albums reiten. In der Zwischenzeit hielten wir die Wahl von 'Such A Shame' für treffend, weil der Song noch nicht so oft gecovert wurde. Und dann passte er auch noch perfekt zu der Wave-beeinflussten Stimmung, die unsere kommende Veröffentlichung kennzeichnen würde.
Was verbirgt sich denn hinter der "New Wave Order"? Ein Blick auf den Zerfall der westlichen Gesellschaften? Oder denke ich hier zu groß?
Ich würde eher sagen, dass es um den Zerfall der Konsumgesellschaften überall auf dem Globus geht. Auch in China oder Kairo findet man die gleichen Situationen des Rausches und der Entfremdung wie in den europäischen Ländern oder den USA. Unsere gesamte Gesellschaft ist zum Wegwerfartikel geworden. Die Verantwortung für diesen falschen Lebensstil liegt bei uns, denn wir haben unser Leben auf einen unerbittlichen Kampf gegen die Zeit und die Besessenheit vom Konsum ausgerichtet. All das ist vollkommen unnatürlich. Absurderweise fühle ich mich in weniger industrialisierten Umgebungen, in denen alles etwas langsamer abläuft und man sich mit dem Nötigsten begnügt, viel weniger entfremdet. Die Botschaft von "New Wave Order" ist, dass wir lernen sollten, uns auf das Wesentliche zu beschränken. Auf das, was wir wirklich brauchen. Und nicht nach der Kultur der Begierde zu leben.
Das gesamte Album ist in den lateinischen Sinnspruch "Vox populi vox dei" eingebettet. An diesem Merksatz haben sich im Laufe der Geschichte schon viele Menschen abgearbeitet und wenn man sich Wahlergebnisse weltweit ansieht, darf man schon ins Grübeln kommen, mit was für einer Art Gottheit man es hier zu tun haben mag. Handelt es sich bei eurer neuen Scheibe um ein Konzeptwerk und wie passt Heraklit dazu?
Wir haben es einfach mehr mit Idolen zu tun als mit irgendetwas anderem, denn ein Idol ist für ignorante Gesellschaften immer nützlich. Berlusconi war in unserem Land eine vergötterte Figur und dieses Bild von ihm als transzendentem Charakter ermöglichte es ihm, an die schlimmsten Instinkte der italienischen Bevölkerung zu appellieren. Ich weiß nicht, wie das in Deutschland läuft, aber in Italien ist es so, dass alle, die an die Macht kommen, ihre Wahlkampagnen auf populistische Botschaften stützen. Das ist einfach das beste Mittel sind, um die Emotionen der Bürger zu manipulieren und sie so von jeglichem Denkprozess abzuhalten. Das übernimmt das Idol ja ohnehin für sie. Und sobald das Idol dann für einen Moment abgelenkt ist, kann diese Herde hinter ihm ihn zerfleischen. Wie Wilhelm Reich sagte: "Wenn der Erlöser der Menge den Rücken kehrt, wenn der Hirte seine Herde auch nur für einen einzigen Tag verlässt, verwandelt sich das Schaf in einen heulenden Wolf und zerfleischt ihn." Was Heraklit betrifft, so bezieht sich diese Passage auf einen berühmten Satz des Philosophen: "Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen. Denn der Fluss fließt ständig und auch wir verändern uns ständig". Ausgehend von diesem Konzept ist das Lied eine bittere Reflexion über die Tatsache, dass wir Veränderungen akzeptieren müssen, in Bezug auf die Veränderungen in dieser Gesellschaft. Aber es ist dann immer noch traurig, diese Gesellschaft zu akzeptieren, weil sie sich schließlich sehr stark verändert hat.
Von wem stammt das fantastische Artwork zum neuen Album?
Von Fabio Timpanaro, einem engen Freund von uns. Wir wählten ihn wegen seines unbestrittenen Talents und weil sein Stil perfekt zu unserer Vorstellung passte. Als wir ihm sagten, dass das Artwork an Alben aus den 80ern erinnern sollte, verstand er sofort, was wir wollten. Wir gaben ihm nur ein paar Referenzen und er machte alles genau so, wie wir es wollten.
Zwar ist das neue Album weit weg von New Wave, aber eine kleine Anpassung im Gesamtsound habe ich im Vergleich zu eurem früheren Schaffen durchaus feststellen können. Das symphonische, theatralische Element war schon immer ein großer Bestandteil von THE FORESHADOWING, aber mir scheint, dass ihr diesen Aspekt mit dem neuen Album sogar noch ausgebaut habt. Dafür finde ich weniger Bezüge zum Doom Metal. Ein bewusster Schritt oder natürliche Entwicklung?
Das war auf jeden Fall eine natürliche Entwicklung. Im Grunde ist es bei uns immer so gelaufen. Wir entscheiden doch nicht im Voraus, was wir als nächstes ausprobieren und worum es gehen soll. Darüber haben wir sicher mal im Vorfeld diskutiert, aber im Grunde haben wir es dann doch immer anders gemacht. Unser Ausgangspunkt ist das Material, das wir zur Verfügung hatten. Erst im Prozess finden wir dann allmählich heraus, in welche Richtung wir gehen. Wir haben in den letzten Jahren alle irgendwie viel 80er-Jahre-Musik gehört. Diese musikalischen Rückgriffe kommen oft vor und wahrscheinlich hat dieser zufällige Umstand dem Album erst diesen Charakter gegeben. Die Tatsache, dass es weniger Doom-Elemente gibt, ist meiner Meinung nach genauso Zufall. Wobei ich aber nicht verhehlen will, dass wir schon lange weniger Doom und lieber etwas anderes, eigenes sein wollen.
Nachdem euer zweiter Gitarrist Andrea Chiodetti vor ein paar Jahren ausgestiegen ist, wurde auch die Position des Bassisten vakant. Wurden die leeren Stellen in der Zwischenzeit wieder besetzt?
Nein, und ich denke, wir werden noch lange Zeit nur zu viert arbeiten. Das ist bei Konzerten zwar etwas komplizierter, aber rein aus praktischer Sicht bereitet uns das viel weniger Probleme. Es ist viel einfacher, Entscheidungen zu viert zu treffen als damals, als wir noch zu sechst waren. Außerdem war es für uns schon immer schwierig, einen konstanten Bassisten zu finden. Im Moment ist es gut so, wie es ist.
Nicht nur im Studio ging es in diesem Jahr weiter, ihr habt auch einige Konzerte spielen können. Dürfen sich eure deutschen Fans auf eine Tour freuen oder bleibt es bei ausgewählten einzelnen Auftritten? Ich kann mir vorstellen, dass das Tourbusiness inzwischen schwieriger geworden ist als vor 15 Jahren.
Da sagst du was! Es ist total schwierig, es gibt so viel Konkurrenz und manchmal ist es wirklich schwer, Zugang zu einigen Touren zu bekommen, wenn man nicht die richtigen Kontakte oder die richtige Agentur hat. Wir sind quasi Außenseiter und haben uns deshalb immer auf unsere eigenen Ressourcen verlassen, um aufzutreten. Das heißt, die Bereitschaft, auf Tournee zu gehen, ist groß, aber es liegt nicht nur in unserer Hand. Wir arbeiten auf jeden Fall daran, irgendwo eine Tournee zu organisieren. Eines unserer Hauptziele ist es, gerade in Deutschland so viele Shows wie möglich zu spielen.
Na, das macht doch leise Hoffnung! Nochmal vielen Dank für das Gespräch, Francesco! Die letzten Worte gebühren natürlich euch. Also: Gibt’s noch was, das ihr loswerden möchtet?
Ich danke auch für das Interview! Und den Lesern sage ich: Hört euch "New Wave Order" an! Erstens weil es ein großartiges Album ist und zweitens, weil wir mit diesem Album die Augen der zukünftigen Generationen öffnen wollen. Wehrt euch gegen diese Welt, die uns alle zu Gefangenen macht!
Fotos: Marzia Troiani & Marco Soellner
- Redakteur:
- Marius Luehring