WYTCH HAZEL: Interview mit Colin Hendra

21.08.2018 | 12:53

Das beste Album des Jahres war ein zwingender Grund, mit dem Bandchef ins Gespräch zu kommen.

Colin Hendra ist Sänger und Bandchef bei WYTCH HAZEL. Mit dieser Band bringt der ehemalige ELIMINATOR-Drummer "II: Sojourn" auf den Markt, das bisher fraglos beste Album des Jahres. Wer das bezweifelt, möge bitte mein Review lesen oder sich einfach zwanzigmal das Album reinziehen.

Nach einigem Hin und Her kam ich dazu, Colin per Skype zu interviewen. Es kam zu einem schönen Gespräch, das fast 45 Minuten dauerte. Wir sprachen durchaus über das neue Album, aber auch über viele weitere spannende Themen.

Hey Colin, herzlichen Glückwunsch erst Mal - ich habe gehört, dass du Vater geworden bist. Natürlich schreibst du außergewöhnliche Musik, aber das Vater-Sein wird dich ja wahrscheinlich für immer prägen, also noch mal: herzliche Glückwünsche.

Danke dir. Ja, im November bin ich Vater geworden, und es prägt mich schon sehr.

Bevor wir über das neue Album sprechen, noch ein paar Sätze zum Vorgänger. Aus meiner Sicht ist "Prelude" das beste Album des neuen Jahrtausends. Es blockierte monatelang meinen CD-Player wie kein anderes Album der letzten zehn Jahre. Sogar meine Gäste, die mit Metal nichts am Hut haben, erkannten irgendwann, dass schon wieder WYTCH HAZEL läuft. Wie geht es dir damit?

Das ist natürlich großartig zu erfahren, dass wir für Menschen so prägende Musik gemacht haben. Ich höre das schon immer wieder, dass Leute so begeistert von dem Album sind.

Wie geht es euch damit, dass in Großbritannien mit Bands wie DARK FOREST, STEEL TOLEDO oder MIDNIGHT FORCE gerade eine neue Szene entsteht. Fühlt ihr euch als Teil einer Szene?

Ja, absolut. Wir hören die gleiche Musik, spielen gemeinsame Konzerte, und bei ELIMINATOR habe ich in High-School-Tagen sogar gespielt. Am besten finde ich momentan das geniale neue Album von SEVEN SISTERS. Ich würde schon sagen, dass wir eine Szene sind. WYTCH HAZEL passen da aber nur so bedingt rein, da unsere Musiker auf allerlei Musik stehen. Ich bin eigentlich der einzige, der ständig alte BLACK SABBATH-Scheiben hört. Unser Drummer steht total auf die BEACH BOYS.

Du hörst viel Musik, sagtest du - was beeindruckt dich momentan? Welches Album war 2018 bisher am stärksten?

Ich höre so viel alte Musik, dass aktuelle Sachen eigentlich zu wenig Zeit haben. Von dem, was ich 2018 gehört habe, war ich ein wenig enttäuscht von der neuen GHOST-Scheibe, die zwar tolle Songs hat, aber von der Produktion her enttäuschte. Dafür fand ich SEVEN SISTERS umso stärker.

Wenn du also keine aktuellen Scheiben hörst, was läuft dann bei dir? Welche Musik inspiriert dich?

Am Wichtigsten ist immer Classic Rock aus den siebziger Jahren. WISHBONE ASH, THIN LIZZY, JUDAS PRIEST, BLACK SABBATH oder JETHRO TULL sind meine Hauptinspiration. Ich höre sonst auch sehr alte Musik, die in die Zeit vor die Renaissance zurückreicht. Orchestrale und kirchliche Musik aller Epochen prägt mich, gerade auch aus der Zeit, als die aktuelle Form der Notensetzung noch am Entstehen war. Die Melodieführung der Renaissance unterscheidet sich so deutlich von aktueller Popmusik, dass sie sehr inspirierend ist. Geistliche Musik ist dabei immer zentral für mich. Aber ich liebe auch Blues, verschiedene Formen von Jazz, zum Beispiel Swing und Big-Band-Musik, und indische World Music.

Hui, gerade von indischer World Music habe ich noch nie einen Ton gehört, auch wenn manche andere Geschichten mir bekannt vorkommen. Ich springe jetzt ein wenig zu eurem "Keep It True"-Festivalgig 2017 zurück. Der Gig war absolut großartig für mich, aber es fiel auf, dass ihr ohne Bassisten aufgetreten seid. Was ist passiert?

Unser Bassist hatte seinen Pass in Manchester am Flughafen verloren. Wir waren ziemlich durcheinander, weil es unser erster Auftritt in Deutschland war, und wir mussten es ohne Bass durchziehen. Nach dem Auftritt haben wir uns letztlich auch von ihm getrennt, da seine Unzuverlässigkeit mit der Band nicht mehr vereinbar war; es war nicht das erste Vergehen dieser Art gewesen. Aber, bevor sich das zu negativ anhört: Wir sind immer noch gut befreundet. Nur als Band hat es halt nicht gepasst. Der Auftritt selbst war schon begeisternd für uns, weil wir gemerkt haben, wie die Menschen in Deutschland unsere Musik lieben. Wir glauben, dass wir in Deutschland mehr CDs verkaufen als in Großbritannien.

Nach dem KIT habe ich auch eure Debüt-EP gekauft, die doch noch deutlich schwächer als "Prelude" ist. Wie kam es zu dieser deutlichen Steigerung?

Natürlich sind unsere Songs besser geworden, aber der entscheidende Unterschied ist wohl der, dass ich "The Truth" zu Hause produziert habe, während wir für "Prelude" in einem richtigen Studio mit einem professionellen Produzenten arbeiten konnten. Wenn hier keine Steigerung zu hören gewesen wäre, wären wir auch enttäuscht.

Bei deinen Texten wird es sehr deutlich, dass du Christ bist. Als ich mir eure erste Scheibe anhörte, war mir das noch nicht klar, und nach zwei oder drei Spins dachte ich: Da legt aber jemand mit Liedern den Römerbrief aus. Als Theologe war ich sofort begeistert. Was sagst du zu euren Texten?

Natürlich prägt mein Glaube an Gott meine Texte auf eine wesentliche Weise. Der Römerbrief ist für mich eine zentrale Auslegung des christlichen Glaubens durch Paulus. Ich habe etliche Kommentare dazu gelesen und 'More Than Conquerors' oder 'Slaves To Righteousness' sind stark davon geprägt.

Euer neues Album "II: Sojourn" ist für mich das bisher beste Album 2018. Nach zwanzig Spins bin ich völlig begeistert, und da ich keinen Makel finden konnte, musste ich 10 von 10 Punkten zücken. Am meisten begeistert mich das entspannte 'Barrow Hill'. Bei den Lyrics fällt mir erstmal 'The Devil Is Here' auf. Was kannst du zu diesem Song sagen?

Ich denke, dass der Teufel die Kirche und die Christen hasst und versucht, uns daran zu hindern, in unserer Beziehung zu Gott zu wachsen. Wenn ich versuche, mich in mein geistliches Leben als Christ zu investieren, dann ist der Teufel auch da, und er versucht, mich runterzuziehen und von Gott weg zu bringen. Ich glaube, dass der Teufel real existiert und uns schaden und von Gott trennen will.

Glaubst du auch, dass es eine Hölle gibt?

Ich glaube, dass es Themen in der Bibel gibt, die sehr schwierig sind, bei denen wir theologisch verschiedene Meinungen haben können. Aber dass es einen Himmel und eine Hölle gibt, das ist von der Texten her doch sehr eindeutig. Da gibt es auch einfach schwarz und weiß. Also: Ja, ich glaube absolut, dass es eine Hölle gibt.

Das ist spannend. Ich merke, dass du dich intensiv mit diesen Themen befasst. Gehst du denn auch regelmäßig zu einem Gottesdienst?

Ja, ich gehe jeden Sonntag in die Kirche, es sei denn, ein Familienfest hindert mich daran. Ich besuche die City Church Lancaster, eine evangelikale Gemeinde mit einem charismatischen Touch.

In der Metal-Szene in England gibt es sicher nicht nur gläubige Christen wie dich. Wie haben die Menschen auf deinen Glauben reagiert?

Ehrlich gesagt hatte ich anfangs Angst, dass wir Probleme bekämen, wenn wir mit Bands wie DEMON oder SATAN auftreten würden. Mittlerweile merke ich aber, dass die meisten Leute uns einfach schätzen, weil wir gute Musik machen. Es gab auch ein paar Leute, die unsere Songs nicht anhören wollen, weil sie die christlichen Texte stören, aber das ist ok. Ich kann mich nicht verbiegen und werde keine anderen Texte schreiben, um Leuten zu gefallen. Ich muss auch mit Gott im Reinen sein. Die meisten Leute merken auch, dass sie nicht dem Inhalt der Musik zustimmen müssen, um die Musik zu mögen. Ich muss auch kein Interesse am Satanismus haben, um der Musik von GHOST etwas abzugewinnen. Und auch der Atheist kann große Freude an kirchlicher Musik aller Zeiten haben.

Ich behaupte einfach Mal, dass du von WYTCH HAZEL nicht leben kannst. Was ist dein normaler Job?

(Colin lacht.) Nein, keiner kann von WYTCH HAZEL leben. Wir verdienen damit bisher keinen Cent, und wir wären froh, wenn wir zumindest ein paar Überweisungen bekämen. Ich arbeite als Musiklehrer und unterrichte Schlagzeug und Gitarre.

Wann sehen wir euch wieder in Deutschland? Wird es eine kleine Tour geben?

Bisher sind wir nur für das "Hell Over Hammaburg"-Festival 2019 bestätigt. Wir würden sehr gerne mehrere Gigs spielen, auf Festivals oder in Clubs, aber bisher hat sich nichts ergeben. Das ist durchaus schade, weil wir am KIT gemerkt haben, dass wir sehr leidenschaftliche Fans in Deutschland haben. Wir hoffen, dass für 2019 weitere Shows bestätigt werden können.

Zum Abschluss noch: Welcher Song gefällt dir von "II: Sojourn" am besten, und warum?

Ganz klar 'Angel Take Me'. Ich arbeite seit fünf Jahren an diesem Song und bin froh, dass er so großartig geworden ist, inklusive aller Feinheiten. Kein Song zeigt deutlicher als dieser, wie ich mich selber als Künstler betrachte.

Vielen Dank für das Interview, Colin - und Gottes Segen.

Redakteur:
Jonathan Walzer

Login

Neu registrieren