AD INFINITUM, BLACKBRIAR und PHANTOM ELITE - München
01.10.2023 | 21:2427.09.2023, Backstage Halle
Diese drei Frauen füllen das Backstage bis an den Rand.
Kaum eine Band hat mir in den letzten drei, vier Jahren so viel Freude bereitet wie BLACKBRIAR. Von daher bitte ich schon jetzt zu entschuldigen, wenn dieser Konzertbericht ein wenig durch die Fanboybrille gesehen erscheint. Insbesondere auch, weil AD INFINITUM und PHANTOM ELITE für mich heute Abend Neuland sind.
Zeit zur Vorfreude blieb mir kaum, da ich von dem Konzert erst kurzfristig überhaupt mitbekommen habe, aber dafür ist es umso schöner, die Band um Rothaar Zora dann endlich das erste Mal zu sehen. Ein paar Überraschungen gibt es aber schon zuvor. Die erste ist, dass die Backstage Halle pickepackevoll ist. Was habe ich verpasst?
Die zweite Überraschung trägt dann gleich den Namen PHANTOM ELITE. Das ist die Band um eine Dame, die auf den klangvollen Namen Marina La Torraca hört. Die könnte man eventuell von EXIT EDEN kennen, oder sie ist einem schonmal live bei AVANTASIA aufgefallen. Mir geht die Stimme aber erst heute ins Ohr und gefällt mir auf Anhieb sehr gut, also assele ich mich mal ganz schnell nach vorne. Bei einem für eine Vorband erstaunlich guten Klang, trumpft die Band mit eher modernem Härtnersound auf, über dem eine kraftvolle Frauenstimme in angenehmer, nicht zu hoher Tonlage schwebt. Ich mag Marinas Klangfarbe sehr, erinnert sie mich doch ein wenig an FOREVER STILL oder REVAMP mit Floor Jansen, und die euphorischen Refrains gehen mir sofort ins Ohr. Diese hören auf den Namen 'Daydark', 'Conjure Rains' oder 'The Race'. Bei den knackig vorgetragenen Songs fallen neben den Vocals auch immer wieder feine Gitarrensoli des niederländischen Flitzefingers Max van Esch auf. Das ist ein Gewürz, das es in diesem Genre ja eher selten gibt. Vollen Fokus auf die Dame gibt es dann wieder bei der Ballade 'Birdcage'. Auch das können die auserwählten Phantome gut. Jawohl, das ist eine Band, die man im Auge behalten sollte. Daumen hoch!
Setliste: Skin Of My Teeth; Daydark; Apex; Conjure Rains; The Race; Birdcage; Inner Beast; Diamonds And Dark
Niemand verlässt die vorderen Ränge nach dem PHANTOM-ELITE-Konzert. Es gibt keine Chance für mich, zu BLACKBRIAR weiter nach vorne zu kommen. Und ein Musiker bleibt gleich ganz auf der Bühne stehen, das ist Siebe Sol Sijpkens, Bassist, Sessionmusiker und mit seinen langen blonden Haaren und Dauergrinsen Blickfang bei PHANTOM ELITE und BLACKBRIAR.
Doch natürlich sind bald alle Augen auf die rote Zora gerichtet. Diese wirkt auf mich zunächst ein wenig in sich gekehrt und voll auf den Gesang konzentriert. Diesen unvergleichlichen, elfengleichen, immer ein wenig zerbrechlich wirkenden Gesang, der mir im Wohnzimmer schon so oft Gänsehaut bereitet hat. Ich brauche aber eine Weile, bis ich verstehe, dass sie jetzt tatsächlich endlich live vor mir steht. Zora wirkt sehr nachdenklich, ob des großen Publikums eventuell auch ein wenig nervös, gesanglich aber soweit ich das hören kann, fehlerlos. Auch die Songauswahl fokussiert sich zunächst auf eher düstere, langsamere Songs, was einen Kontrast zur Vorgängerband (und auch zum Nachfolger) bietet.
Doch mit jeder Minute genieße ich die Musik mehr. Auch wenn ich immer noch nicht so richtig heiß mit dem neuen Album "A Dark Euphony" werde, das leider den Großteil der gespielten Songs stellt, zieht mich Zoras Aura in den Bann, eine Künstlerin, die offenbar voll in ihrer Musik aufgeht und in ihr aufblüht. Und spätestens mit 'Arms Of The Ocean', von der ersten E.P. "We'd Rather Burn", ist sie da, die BLACKBRIAR-Euphorie. Danach kommt 'Selkie', der beste Song von 2021, wenn auch live in einer leicht rearrangierten Form. Dieses Märchen von einem Mann, der mit allen Mitteln das Herz eines unerreichbaren Weibchens gewinnen möchte und daran zerbricht, wirkt auch live sehr intensiv. Auch wenn ich glaube, dass nur die wenigsten Anwesenden ihn kennen. Als dann ganz am Ende noch 'Until Eternity', der Song mit dem ich BLACKBRIAR entdeckt habe, kommt, ist es mal wieder um mich geschehen. Rund zwei Stunden später gehe ich mit einer Schallplatte und einem T-Shirt der Band nach Hause.
Setliste: Crimson Faces; I'd Rather Burn; Forever And A Day; Deadly Diminuendo; Bloody Footprints In The Snow; Far Distant Land; Thumbelina; Arms Of The Ocean; Selkie; My Soul's Demise; An Unwelcome Guest; Cicada; Until Eternity
Es bleibt für mich die große Unbekannte. Unsere Hanne mag AD INFINITUM ja sehr (zu ihrem Review zu "Chapter III-Downfall") und auch aus dem Publikum höre ich mehr als nur einmal Stimmen, die diese Band (und BLACKBRIAR) auf dem Summer Breeze Festival gesehen haben und deshalb hier sind. Und ja, es dauert keine drei Minuten und es wird mir klar, warum es hier so voll ist. Auch mit Fanbrille kann ich verstehen, warum AD INFINITUM mehr Headlinerpotential hat als Zoras Barden. Die Musik der Schweizer Band ist unheimlich druckvoll und tight, alle Musiker beherrschen die Kunst des Showbusiness perfekt und posen um die Wette, und Sängerin Melissa erscheint auf der Bühne mit einer Riesenportion Selbstbewusstsein. Bezeichnenderweise hört der erste Song auch gleich auf den Namen 'Unstoppable'.
Stilistisch geht es wieder eher in die Richtung der ersten Band PHANTOM ELITE, aber mit deutlich mehr Pop-Appeal. Ein paar fiese Growls setzen zwischendurch Kontraste. So ein kleines bisschen verpufft dieser Hallo-Wach-Effekt aber nach ein paar Songs, denn viele Lieder klingen mir bei diesem meinem Erstkontakt zu ähnlich. Beide Bands zuvor wirkten auf mich - natürlich völlig subjektiv - "echter". Das heißt aber nicht, dass ich genug habe, dafür ist das Gebotene doch zu gut. Und es gibt immer wieder Momente, die in Erinnerung bleiben. Einer ist eine düstere Ballade, die ziemlich unter die Haut geht, 'See You In Hell'. Das hätte Floor Jansen auch nicht besser singen können. Auch der Zugabenblock rockt nochmal gewaltig und wirklich jeder Zuschauer bleibt bis zum letzten Ton in der Halle, dicht gedrängt bis ganz hinten zum Merchstand, der wie oben schon erwähnt, mein letztes Ziel des Abends ist.
Ein wirklich gelungener Abend, der mir zeigt, dass im Female Fronted (Symphonic) Metal, einem Stil, den ich in letzter Zeit etwas vernachlässigt habe, gerade sehr viel Leben ist. Das ist schon sehr hohe Qualität, und das nicht nur wegen meiner aktuellen Lieblinge.
Setliste: Unstoppbale; Eternal Rains; Your Enemy; Somewhere Better; The Underworld; Architect Of Paradise; See You In Hell; Seth; Live Before You Die; New Dawn; Upside Down; Zugaben: Legends; Animals; Into The Night
Fotos: Noah-Manuel Heim
- Redakteur:
- Thomas Becker