KATATONIA - The Fall Of Hearts
Auch im Soundcheck: Soundcheck 05/2016
Mehr über Katatonia
- Genre:
- Progressive Metal
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Peaceville (Edel)
- Release:
- 20.05.2016
- Takeover
- Serein
- Old Heart Falls
- Decima
- Sanction
- Residual
- Sarac
- Last Song Before The Fade
- Shifts
- The Night Subscriber
- Pale Flag
- Passer
Zeit für Neues, Zeit für Umbruch, Zeit für Aufbruch?
KATATONIA ist eine der wenigen Bands, deren musikalischer Entwicklung ich schon seit mehr als fünfzehn Jahren kompromisslos folge. Auch das letzte Album "Dead End Kings" und darauf folgenden Streifzüge in akustische Territorien ("Dethroned & Uncrowned" und "Sanctitude") habe ich mit tiefer Hingabe ausgekostet, allen voran die tollen Konzerte.
Doch nun ist endlich Zeit für Neues, Zeit für Umbruch, Zeit für Aufbruch. KATATONIA selbst wurde personell in den letzten Jahren ja arg durchgeschüttelt, und auf "The Fall Of Hearts" hören wir zum ersten Mal Daniel Moilanen (Drums) und Roger Öjersson (Git). Bringt das neue Personal also frischen Wind in die Musik oder bleibt das Traumpaar Renkse/Nyström dem stilistisch konsolidierten Weg treu, den es ab "Night Is The New Day" eingeschlagen hat?
Da mir die Antwort auch nach Dutzenden Hördurchgängen nicht leicht fällt, zitiere ich unseren Chef, der auf diesem Album seine alte Zuneigung für KATATONIAs Musik wiederentdeckt: "Gravierend sind die Änderungen nicht, aber doch spürbar und wichtig. Ich mag die Platte." sagt er. Und nicht nur weil es das redaktionsinterne Credo ("Peter hat immer recht") ist, stimme ich dem Kollegen hier voll zu.
Ich finde ja Änderungen - ganz besonders bei meinen Lieblings-Band immer sehr wichtig. So frage ich mich, ob ich wirklich eine "Dead End Kings II" feiern würde?
Diese Frage erübrigt sich Gott sein Dank, denn "The Fall Of Hearts" gibt sich viel Mühe, neue Territorien zu erkunden, ohne jedoch den seit 25 Jahren gewählten den Pfad der Dunkelheit zu verlassen. So ist es in der Tat die progressive Herangehensweise bei der Beleuchtung der schwermütigen Gedanken, die von den Vorgängern aufgegriffen und weiter ausgebaut wird.
Dies führt diesmal allerdings bei den ersten Spins dazu, dass die neue Musik nicht wie sonst immer als die große Emotions-Bombe bei mir einschlägt. Mein Hirn arbeitet eher im Modus einer ablaufenden Bestandsaufnahme: "Ah, so sieht das hier aus." "Oha, dort will man also hin." "Huch, wo sind wir denn hier gelandet?" Ohrwürmer manifestieren sich anfangs nur sehr unterschwellig, der Blick für Einzelheiten entwickelt sich nur langsam und wird erst klarer, wenn man es schafft, die Gesamtheit zu überblicken. Und dies dauert diesmal ungewöhnlich lange. Woran liegt das?
Gerade bei "Dead End Kings" und den Akustik-Alben war es in erster Linie Sänger Jonas Renkses Stimme, die mich so nachhaltig abgeholt hat. Doch mir erscheint es, als sei dieser nun nicht mehr der große Haupt-Emotionsträger der Band. Was so viel heisst, dass sich die anderen Katas diesmal besonders in Zeug legen. Gerade im rhythmischen Bereich hat man sich spielerisch sehr verbessert und verstärkt, und es scheint mir, als würden die Drums nach der langen Akustik-Phase endlich mal wieder total ausbrechen wollen. Wo die proggig-vertrackten Passagen früher bei kritischer Betrachtung vielleicht noch etwas hölzern wirkten, was bei manchem einen verkopften Eindruck entstehen ließ, fließt hier alles wunderbar ineinander und bietet folglich den anderen Mitgliedern einen wunderbaren Teppich für ihre Kreativität. Denn auch Blakkheims Gitarrenspiel war selten versatiler und innovativer als auf "The Fall Of Hearts". Das alles verwirrt mich anfangs ein wenig, doch diese Unklarheit weicht nun immer mehr einer Faszination. Und diese wächst mit jedem Mal, mit dem ich mich mehr mit den wie immer sehr emotionalen Gesangslinien Renkses beschäftigen kann, weil die Musik drum herum immer klarere Konturen gewinnt.
Ist "The Fall Of Hearts" also ein Album für ausgewiesene Prog-Wühler? Nein, ist es nicht. 'Serein' entpuppt sich bald als fast unverschämt eingängig, 'Decima' ist eine gefühlvolle Ballade im Stile von 'The Racing Heart' (von "Dead End Kings") und 'Sanction' ruft wohlige Erinnerungen an "Viva Emptiness" hervor. Daneben stehen aber auch Stücke wie das über siebenminütige 'Serac', mit denen sich die Katas auf eine neue Ebene hieven und Bands wie SOEN oder LEPROUS näher sind als sich selbst auf "Last Fair Deal Gone Down".
Und was ist mit dem guten alten Metal? Nun, beim abschließenden 'Passer' staune ich nicht schlecht über die Doublebass-Attacken und das Flitzefinger-Solo des neuen Mannes Roger. Auch für den Rest des Albums gibt es Entwarnung für alle, die nach "Dethroned & Uncrowned" Angst hatten: die tiefen, schweren, verzerren Riffs sind nach wie der Kitt für KATATONIAs wie immer atemberaubend tolle Musik.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Thomas Becker