Perlen der Redaktion: Jakob Ehmkes Highlights 2021

25.01.2022 | 12:01

Dass 2021 ein gutes Jahr wird, was Veröffentlichungen angeht, hatte ich bei den Vorankündigungen einiger Bands bereits gehofft, dass es dann aber eines der stärksten Jahre seit langem wird, hatte ich nicht gedacht. Zeit für einen Rückblick!

Als erstes möchte ich meinen Dank an Pia und Marcel richten, mit denen ich nicht nur viele Stunden beim Podcast POMMESGABEL verbracht habe, sondern auch den ersten Platz im "New Generation Award" von Impericon belegen konnte - vielen Dank an alle HörerInnen fürs Abstimmen! Podcastfolgen, wie die zum Soundcheck, das Interview mit den Euroblast-Festival-Veranstaltern, die Schlagzeug-Folge oder das Brainstorming in der Folge, welche Bands den aktuellen Headlinern folgen könnten, sind einige Highlights für mich gewesen. Wer den Jahresrückblick als Podcast hören möchte, wird HIER fündig.

Auch musikalisch war 2021 mit Highlights bespickt. Und wenn BETWEEN THE BURIED AND ME ein Album veröffentlicht, dann ist es eigentlich klar, dass es das Album des Jahres wird und wenn die Fortsetzung von einem der besten Alben im Progressive Metal angepriesen wird, sind die Anspannung und Erwartungen kaum zu erfüllen. Denkste! Denn "Colors 2" ist ein ehrwürdiger Nachfolger seines Originals von 2007. Es gibt viele "Easter eggs" und Zitate zu entdecken und zeigt zeitgleich eine Band, die gereift ist und nicht ohne Grund zur Speerspitze des Progressive Metal gehört. Es ist nicht nur das Album des Jahres, sondern auch eines des besten von BETWEEN THE BURIED AND ME.

Ebenfalls vertrackt, aber viel diabolischer geht es mit den Schweden HUMANITY'S LAST BREATH weiter, die mit "Välde" einen ehrwürdigen Nachfolger zu "Abyssal" kredenzt haben, das 2019 die Pole Position einholte. Der vertonte Weltuntergang.

Mit einem lachenden und einem weinenden Auge kann sich FEAR FACTORY mit "Aggression Continuum" auch noch einen Treppchenplatz ergattern. Vielleicht den letzten? Denn Sänger Burton C. Bell hat vor Veröffentlichung seinen Ausstieg verkündet, geht aber mit diesem Album als Gewinner heraus. Was für ein fettes Teil! "Bleed The Future" kenne ich noch gar nicht lang, VÖ war auch erst Ende Oktober, doch ARCHSPIRE konnte in Windeseile meine Gunst erblasten. Es ist das wohl technischste Album in meiner Liste und ich komme aus dem Staunen einfach nicht heraus, wie man Songs mit bis zu 400bpm schreiben kann, die dennoch total eingängig und hörbar sind. Kanadier halt.

Mit VOLA und SOEN wird es nun melodisch, melancholisch, es bleibt proggy. Beide Bands zeichnen sich durch einen einzigartigen Vokalisten aus, die mir mit ihrem eindringlichen und glasklaren Gesang tief unter die Haut gehen.

Es folgen zwei sehr gegensätzliche Bands auf den Plätzen sieben und acht. IRON MAIDEN dürfte die traditionellste Band in meinem Poll sein, denn "Senjutsu" ist nicht nur das beste Album seit "Dance Of Death", sondern hat mit dem Opener und Titeltrack auch einen der Top-Songs des Jahres parat. Bruce Dickinson singt etwas tiefer, wodurch er weniger gequält als zuletzt klingt, das Schlagzeugspiel von Nicko McBrain ist zudem das mit dem meisten Charakter, richtig toll! "Das Album" von WE BUTTER THE BREAD WITH BUTTER ist hingegen mein "Gute-Laune-Album" des Jahres, '20km/h' ist einfach herrlich schräg und eingängig, manchmal brauche ich auch sowas.

Wir sind mit den Top 10 fast schon durch, aber nicht, ohne "Angel Or Alien" von BORN OF OSIRIS zu erwähnen (Cover rechts). War das letzte Album "The Simulation" ehrlich gesagt nicht sehr nachhaltig, legen die Amis nun nach und kredenzen 14 Songs, die ultimativ abwechslungsreich sind und vor Kreativität nur so strotzen. Ähnliches kann man über die Engländer HACKTIVIST sagen, die sich mit neuem Shouter/Rapper neu erfunden haben. Moment, Rap? Ja, richtig gelesen. HACKTIVIST spielt einen krassen Crossover aus Rap, Djent und Metalcore. Wer über den Tellerrand hört, muss "Hyperdialect" kennen, klare Sache.

Dass VOLBEAT mal in einer Jahresliste von mir steht  hätte ich niemals gedacht. "Servant Of The Mind" sollte mich eines Besseren belehren, ein herrliches Riff-Feuerwerk, das nicht nur einmal an METALLICA erinnert. Die drei Herren von DIE ÄRZTE haben mich bereits mit "Hell" letztes Jahr überrascht, "Dunkel" legte dieses Jahr gekonnt nach. Damit es von LIQUID TENSION EXPERIMENT nach über 20 Jahren ein neues Album gibt, brauchte es nur eine Pandemie und damit einen leeren Terminkalender der Protagonisten Petrucci/Rudess/Portnoy/Levin. "LTE 3" ist eine Herzensangelegenheit und lässt jenes im 7/4-Takt schlagen. Ebenfalls kamen die Norweger LEPROUS pandemiebedingt früher als geplant zusammen, um mit "Aphelion" ein weiteres Kunstwerk ihrer bereits erstaunlichen Diskografie hinzuzufügen. Hier hätte ich allerdings erwartet, dass das Album in meinen Top 10 rangiert, aber ich habe es dann leider doch nicht so oft gehört.

Nach Australien geht es mit TWELVE FOOT NINJA: "Vengeance" zeigt erneut, wie man gekonnt Genres bricht und neu denkt. Sehr schade ist, dass just bekannt begeben wurde, dass Frontmann Nick Barker die Band verlassen wird. So ist seine Stimme doch sehr einzigartig und dafür verantwortlich, dass man an eine moderne Version FAITH NO MOREs denken muss. Meine Kindheitshelden THE OFFSPRING haben mit "Let The Bad Times Roll" ein ordentliches Album nachgelegt. Auf die Tanzfläche führt THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA mit "Aeromantic II", so geht retro! Jetzt wird's kuschelig, denn ich lege Marcels Lieblings-Schmuser CANNIBAL CORPSE ein. Scherz beiseite. "Violence Unimagined" ist brachial, gnadenlos und nach wie vor die Adresse im traditionellen Death Metal. Auch sehr emotional, allerdings weniger aggressiv, aber umso melancholischer und tiefgründiger ist SWALLOW THE SUNs "Moonflowers" geworden. Kein einfaches Album. Und auch wenn GOJIRA es in meine Top 20 geschafft hat, ist "Fortitude" dennoch auch eine kleine Enttäuschung. Sind die ersten drei Songs noch astreine Hits, verliert mich das Album danach immer wieder und ich habe es mir unterm Strich weniger angehört, als ich erwartet hatte. Den Erfolg gönne ich den Franzosen aber sehr, hier kommt einer der nächsten Headliner!

Ich habe 2021 auch viele Einzeltracks gehört, die ich losgelöst von einem Album empfehlen möchte (die ganze Liste gibt's im Podcast). Ganz vorne dabei ist eine Band, die dieses Jahr erst noch ihr Debüt veröffentlicht, aber auch keine unbekannte ist: Hinter OBSIDIOUS steckt 3/4 von ex-OBSCURA, die mit neuem Sänger nun neue Pfade betreten und mit 'Iconic' den Song des Jahres für mich geschrieben haben und zwar nicht nur wegen Sebastian Lanser an den Drums, sondern auch wegen des neuen Sängers Javi Perera. Dieser Mann kann offenbar alles singen, egal ob Shouts, Growls oder powermetallischen Klargesang, er liefert konsequent ab. Das Debütalbum soll im Frühjahr erscheinen, da bin ich sehr gespannt drauf. Auch, weil die zweite Single 'Sense Of Lust' komplett anders tönt.

Um den Titel "Artwork des Jahres" haben bei mir zwei skandinavische Bands gerungen: "Välde" von HUMANITY'S LAST BREATH und "Aphelion" von LEPROUS. Zusammen mit dem sehr wertigen Digibook muss dieser Platz an "Aphelion" gehen, sehr stimmungsvoll, sehr tiefgründig, passend zum Album. Bitteschön:

Es gab 2021 auch eine klare Enttäuschung und die heißt "Glory For Salvation" von einer meinen ehemaligen Lieblingsbands RHAPSODY OF FIRE. Die Band sollte sich vielleicht besser in STAROPOLI'S RHAPSODY umbenennen. Einmal ist der Keyboarder das einzig hinterbliebene Gründungsmitglied, außerdem hat es mit den RHAPSODY, die "Legendary Tales", "Dawn Of Victory" oder "The Frozen Tears Of Angels" geschrieben haben, nichts mehr zu tun. Natürlich darf man sich als Band weiterentwickeln, dann sollte man sich aber nicht zurückentwickeln und austauschbarer denn je klingen. So komme ich zum Schluss, dass RHAPSODY anno 1997 weiter war, als man es 2021 ist. Zum Glück gibt es mit TURILLI/LIONE RHAPSODY noch die Band um die Originalmitglieder, die den RHAPSODY-Sound zuletzt (2019) intelligent weiterentwickelt hat.

Ob ich von der Band oder von meinen vielleicht veränderten Hörgewohnheiten enttäuscht bin, weiß ich nicht, aber "A View From The Top Of The World" von DREAM THEATER packt mich nicht. Dabei hat mich alles von der Band bis "Black Clouds & Silver Linings" noch verzaubert. Es ist dennoch wohl das beste Album, seit Mike Mangini Mike Portnoy am Schlagzeug ersetzt hat und es gibt tolle Momente. Aber der Funke springt nicht über.

Abschließen möchte ich den Rückblick mit einem Ausblick auf 2022. Ich freue mich auf Alben von SLIPKNOT, MESHUGGAH, OBSIDIOUS, AMORPHIS, KORN und ANIMALS AS LEADERS. Ich hoffe, dass Festivals wieder stattfinden, allen voran natürlich das Euroblast-Festival, aber auch, dass SLIPKNOT endlich das Wacken OpenAir 2022 headlined.

Zur Übersicht hier nochmal alle 20 Alben gelistet und auf das Review verlinkt, sofern vorhanden:


Rang

Band Album
01. BETWEEN THE BURIED AND ME
Colors II
01. HUMANITY'S LAST BREATH
Välde
03. FEAR FACTORY
Aggression Continuum
04. ARCHSPIRE
Bleed The Future
05. VOLA
Witness
06. SOEN
Imperial
07. IRON MAIDEN
Senjutsu
08. WE BUTTER THE BREAD WITH BUTTER
Das Album
09. BORN OF OSIRIS
Angel Or Alien
10. HACKTIVIST
Hyperdialect
11. VOLBEAT
Servant Of The Mind
12. DIE ÄRZTE
Dunkel
13. LIQUID TENSION EXPERIMENT
LTE3
14. LEPROUS
Aphelion
15. TWELVE FOOT NINJA
Vengeance
16. THE OFFSPRING
Let The Bad Times Roll
17. THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA
Aeromantic II
18. CANNIBAL CORPSE
Violence Unimangined
19. SWALLOW THE SUN
Moonflowers
20. GOJIRA
Fortitude

Redakteur:
Jakob Ehmke

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