Gruppentherapie: GRAVE DIGGER - "Bone Collector"

23.01.2025 | 21:20

Vom Für und Wider des Alltagsmetals.

Ja, ihr Lieben, die Welt verändert sich, für manchen mehr, als es ihm lieb ist, doch der Metal bietet uns Felsen in der Brandung, die unverrückbar sind. Einer davon ist GRAVE DIGGER und man bekommt von ihm auf "Bone Collector" wieder kräftigen Teutonenstahl auf die Ohren, was auch sonst?

Doch warum zur Hölle muss man hier therapieren? Im Soundcheck kommt man auf einen erwarteten soliden Platz 9, der Notenschitt ist bei sieben, und (fast) alle finden die Musik mindestens gut. Der Neuner vom Boss liegt auf dem Tisch, und das Interview mit Chris Boltendahl ist auch schon in der Tasche. Allerdings muss hier doch noch ganz dringend die Frage geklärt werden, ob "Alltagsmetal" ein positiver oder negativer Begriff ist und natürlich, welche und wie viele Höhepunkte das Album uns beschert. Auf geht's!  



Auf Platte war für mich in den letzten Jahren bei GRAVE DIGGER etwas die Luft raus. Trotzdem bin ich mit recht hohen Erwartungen an "Bone Collector" herangegangen. Warum? Weil GRAVE DIGGER letztes Jahr am "Keep It True"-Festival echt eine mega Partysession abgeliefert hat, die mir klar machte: Da ist noch Energie da!

Während die letzten Alben auf mich alle etwas stumpf und auch zahnlos wirkten, ist "Bone Collector" dann tatsächlich die erhoffte Energie-Scheibe geworden. Tobias Kersting von ORDEN OGAN übernimmt jetzt die Gitarre, und das macht den Sound überhaupt nicht poppiger und symphonischer, sondern sorgt für ordentlich Schmackes! Die Songs gehen gut ins Ohr, machen Spaß, und so ist "Bone Collector" wieder GRAVE DIGGER in reinster Form.

Während ich die letzten Alben schnell ins Regal gestellt habe und mir dachte, dass das halt wieder etwas mehr vom Gleichen ist, freue ich mich jetzt, dass diese Scheibe wohl noch etliche Runden drehen wird. Denn sie zaubert mir ein Lächeln auf die Lippen, lässt den Kopf (haarlos) rotieren. Das ist natürlich simpler Alltagsmetal. Aber er ist super gemacht. Hut ab!

Note: 8,0/10
[Jonathan Walzer]

 

Der Kollege Walzer hat eigentlich schon das richtige Fazit parat, kommt für mich aber zur falschen Schlussnote. Das Zitat "Das ist natürlich simpler Alltagsmetal" würde ich nämlich ganz genau so unterschreiben, womit wir dann auch schon bei der Krux von "Bone Collector" wären, denn auch wenn das hier alles solide gemacht ist, würde ich doch bezweifeln, dass sich ohne das GRAVE DIGGER-Banner jemand zweimal nach dieser Scheibe umdrehen würde. Dabei muss ich Chris Boltendahl und seinen Mitstreitern lassen, dass der neue Langdreher im Vergleich zu den Vorgängern "Symbol Of Eternity" und "Fields Of Blood" einen kleinen Trippelschritt nach vorne in Sachen Energie darstellt, was nicht zuletzt auch an der coolen Gitarrenarbeit von Tobias Kersting liegt.

Richtige Ohrwürmer oder die ganz großen Höhepunkte, die GRAVE DIGGER ja durchaus in der Vergangenheit servieren konnte, fehlen mir aber weiterhin komplett, weshalb ich "Bone Collector" wohl auch nach dem Verfassen dieser Zeilen schnell wieder vergessen haben werde. Und für eine Band mit diesem Status ist simpler und vorhersehbar am Reißbrett konzipierter Alltagsmetal ohne große Hits einfach zu wenig, egal wie gut die handwerkliche Umsetzung ist. Für eben jene und den minimalen Schritt nach vorne im Vergleich zum direkten Vorgänger gibt's dann am Ende gut gemeinte sieben Zähler, enttäuscht bin ich von GRAVE DIGGER aber trotz dieser eher objektiv geprägten Wertung.

Note: 7,0/10
[Tobias Dahs]



"Simpler Alltagsmetal" sagen die Kollegen. Darüber muss ich erstmal nachdenken. Ich verstehe, was sie meinen, aber kann ich dem zustimmen? Ja, vielleicht. Wobei, simpel finde ich die Musik eher nicht. Schon oft gehört vielleicht. Und Alltagsmetal ist durchaus auch ein Kompliment, man kann es eigentlich im Alltag immer hören.

Aber jetzt will ich mal zu "Bone Collector" kommen, denn die Scheibe ist in meinen Augen Alltagsmetal der von mir eben genannten Marke. Die Platte erinnert mich immer wieder an glorreiche "Knights Of The Cross"-Zeiten. Und lieber Tobi, GRAVE DIGGER liefert keine Höhepunkte auf diesem Release? Hmm, das sehe ich anders, denn der Titeltrack, 'Kingdom Of Skulls' und 'Killing Ist My Pleasure' sind eben solche. Insgesamt habe ich GRAVE DIGGER lange nicht mehr so zwingend und straight gehört wie hier. Richtig toll.

Note: 8,5/10
[Mario Dahl]

Vor zwanzig Jahren hatte ich die wohl intensivste GRAVE DIGGER-Phase meines Lebens. "Rheingold" und "Grave Digger" gehören immer noch zu meinen Bandlieblingen, auch wenn sie nicht mehr so oft laufen. Nach einigen Alben, zu denen ich aus unterschiedlichen Gründen nie einen Draht hatte, läuft mir "Bone Collector" wieder gut rein. Die Songs klingen irgendwie frisch, auch wenn mich gerade beim namensgebenden Song der sehr trockene Drumsound nicht so abholt.

Davon abgesehen kann ich mich in vielen Punkten dem Fazit von Tobias anschließen. Ich finde zwar nicht, dass dem Alben die Höhepunkte komplett fehlen, aber so zahlreich wie auf den von mir genannten Lieblingen sehe ich sie hier nicht. Folgerichtig, dass meine Bewertung sich auch zwischen Tobias und Mario findet, der der Scheibe mehr abgewinnen kann. Eventuell werde ich einfach sentimentaler, wenn Bands wieder mehr wie früher klingen, ich weiß es nicht. Was ich weiß, ist, dass 'Killing Is My Pleasure' und 'Forever Evil & Buried' deutlich stärker sind als alles, was ich in den letzten Jahren von den Mannen gehört habe. Noch ein Album mit dieser Tendenz und wir haben uns wieder versöhnt!

Note: 7,5/10
[Nils Macher]

Natürlich kenne ich GRAVE DIGGER seit den Anfangstagen und habe die Band über Jahrzehnte mit gebührendem Abstand verfolgt. Ein Fan war ich noch nie wirklich und vor allem die letzten Scheiben waren ereignisarm und für mich langweilig. Die Band wiederholte sich ständig auf sehr überschaubarem Niveau. Mir war das oft einfach zu simpel und arg vorhersehbar. Umso überraschender kommt diese Energieleistung mit "Bone Collector", die ich Boltendahl und Kollegen niemals mehr zugetraut hätte. Vielleicht ist es tatsächlich so einfach und der Neuzugang Tobias Kersting alleine hat die Band noch einmal angezündet. Wenn dem so ist: Chapeau. Die Gitarrenarbeit ist jedenfalls richtig stark, die Soli ebenfalls großartig.

Ich will es jetzt allerdings nicht übertreiben, denn es ist nicht alles Gold, was glänzt und die Herangehensweise bleibt grundsätzlich auch die Gleiche. Wie bereits erwähnt, bringen die Grabschaufler jedoch deutlich mehr Energie und Tempo auf die Festplatte, was von Haus aus schon einmal kein schlechter Schachzug ist. Immerhin haben die Herrschaften in diesen Phasen ihre stärksten Momente. Final muss ich aber auch konstatieren, dass sich die vielen schnellen Songs auf Strecke dann doch etwas zu sehr ähneln. Einzeln durchaus super, im Kollektiv wenig Abwechslung. Das soll aber den positiven Gesamteindruck von "Bone Collector" nur minimal schmälern, denn noch einmal: Diese Energieleistung hätte ich der Band nicht mehr zugetraut. Glückwunsch zum scheinbar x-ten Frühling.

Note: 7,5/10
[Chris Staubach]

Fotocredits
: Jens Howorka

Redakteur:
Thomas Becker

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