ROCKHARZ FESTIVAL 2024 - Ballenstedt
22.07.2024 | 15:2702.07.2024, Flugplatz
Das "Rockharz"-Festival steht an und POWERMETAL.de ist mit dabei. Unser Team, das sind dieses Mal eine Dame und drei Herren, hat keine Mühen gescheut, sich durch das Billing gearbeitet und fast alle Bands gesehen. Erika Becker, Stefan Rosenthal, Frank Wilkens und Andre Schnittker, von dem auch die Fotos stammen, berichten für euch, was sich am Fuße der Teufelsmauer zugetragen hat. Los geht es mit Dienstag, dem 02.07.2024.
Dienstag, 02.07.2024
Geduld ist nicht meine Stärke, doch an diesem Dienstag ist diese Tugend gefragt. Die beste Ehefrau der Welt hat am Montag ein Konzert in Bremen besucht und ist nun mit unserem Wohnmobil auf der Rückreise nach Mittelfranken. Es ist ein fliegender Wechsel geplant und ich bereite schon alles für meine Tour vor. Ziel ist ein Flugplatz in Sachsen-Anhalt, die Herausforderung lautet, diesen vor 22 Uhr zu erreichen. Zudem gibt es die Info, dass mit einem größeren Anreisestau zu rechnen sei. Ich erlebe eine Kombination aus der schönsten und leersten Autobahn 71 in Verbindung mit 46 Kilometer kurvenreichen Landstraßen und die Vorfreude auf die nächsten Tage steigt.
Da bin ich nun angekommen, auf meinem ersten "Rockharz"-Festival. Die Veranstaltung in Ballenstedt unterhalb der Teufelsmauer ist in diesem Jahr nach einem kalten EPIC FEST in Roskilde, einem sehr nassen METALFEST in Pilsen und einem nicht so toll gelaufenen SWEDEN ROCK in Sölvesborg mein viertes mehrtägiges Event und ich bin sehr gespannt, was mich erwartet. Natürlich freue ich mich darauf, einige Kollegen aus der POWERMETAL.de-Redaktion entweder wieder- oder zum ersten Mal zu sehen. Seit einigen Jahren sind zum Beispiel Stefan und Frank Stammgäste auf dem "Rockharz", und auch Erika ist zum zweiten Mal vor Ort. Die Wiedersehensfreude gilt aber auch meinen Fotografenkollegen anderer Magazine. Man läuft sich auf vielen Konzerten und Festivals über den Weg und hat eigentlich nie genug Zeit sich einmal auszutauschen. Das werden wir auf dem Festival im Harz ändern.
Als ich gegen 21:30 Uhr in Ballenstedt ankomme und meine üblichen Formalitäten erledigt habe, werde ich bereits von Flo samt Frau und Dominik erwartet. Sie haben mir einen Platz für mein Wohnmobil freigehalten und unsere im Vorfeld geplante Wagenburg wird mit meinem Bomber vervollständigt. Den Dienstag lassen wir bei ein paar kühlen Getränken im Festivalbereich ausklingen. Wir treffen noch Maik von POWERMETAL.de samt Kumpel Stefan und ich lerne schnell, dass das "Teufelszeug" ein Teufelszeug ist. Dank Dominik finde ich zu früher Morgenstund mein Mobilheim wieder. Junge, Du hast einen gut bei mir.
Mittwoch, 03.07.2024
Der erste offizielle Festivaltag startet für mich gemächlich. Dank meiner schreibenden Kollegen kann ich mich auf dem "Rockharz" überwiegend der Fotografie widmen. Hier gibt es dann direkt mal ein großes Lob an Frank, der sich um die Akkreditierung gekümmert hat und an die Veranstalter, welche uns den Fotopass genehmigt haben. Nach dem Desaster in Schweden sind dies paradiesische Verhältnisse für mich. Ich darf jede Band fotografieren, lediglich bei Bruce Dickinson gibt es ein paar Einschränkungen, doch dazu später mehr.
Um kurz vor 15 Uhr werden wir Fotografen auf das Infield gelassen, um die diesjährige Eröffnung des "Rockharz"-Festivals bildlich festzuhalten. Es bleibt noch etwas Zeit, bis mit POWER PALADIN die erste Band auf der Bühne steht. Dazu erst einmal ein paar Worte von Stefan.
[Andre Schnittker]
Als junge Band ein Festival wie das "Rockharz" zu eröffnen ist sicherlich immer ein echtes Highlight in der aufstrebenden Karriere als Live-Act. In diesem Jahr wurde diese Ehre POWER PALADIN aus Island zuteil. Die 2017 in Reykjavik gegründete Powermetal-Band hat mittlerweile ein Album in petto und das 2022er Debüt "With The Magic Of Windfyre Steel" konnte sofort für einen kleinen Genre-Achtungserfolg sorgen. Und die Jungs nutzen direkt mal die knappen 35 Minuten Auftrittszeit für einen wilden Ritt durch eben dieses Album und sprühen definitiv vor Spielfreude. Je nach musikalischer Sozialisierung verbindet das Publikum entweder alte Helden wie IRON MAIDEN oder HELLOWEEN mit dem eingängigen Kraftstahl oder hört das große Vorbild HAMMERFALL aus der Musik heraus. Und genau dieser Sound passt auf das "Rockharz" wie die Faust aufs Auge. Unbestrittenes Highlight ist allerdings der letzte Song 'Kraven The Hunter'. Hier hat sich POWER PALADIN zwar etwas dreist bei 'Sign Of The Cross' von IRON MAIDEN bedient und das ganze mit charmanter Marvel-Lyrik garniert, aber diese fiese Ohrwurm-Melodie macht auch in der Zweitverwertung höllisch gute Laune. Gelungener Start ins Festival? Klárlega!
[Stefan Rosenthal]
Eher zufällig bin ich 2022 auf "With The Magic Of Windfyre Steel", das Debütalbum von POWER PALADIN gestoßen. Die Scheibe hat mich direkt abgeholt und nachdem ich die isländische Powermetal-Band im Januar auf dem Epic Fest sehen konnte, freue ich mich auf die leider sehr kurze Show auf dem "Rockharz"-Festival. Ich bin immer noch fasziniert von Sänger Atli, der mich extrem stark an Bruce Dickinson in jungen Jahren erinnert. POWER PALADIN legt einen guten Auftritt hin und sorgt für tolle Stimmung bei den Metalheads. Immer wieder schnellen die Pommesgabeln in die Höhe, die Band hat sichtlich Spaß im Harz. Etwas später habe ich noch die Gelegenheit, ein paar Worte mit den symphatischen Jungs zu wechseln. POWER PALADIN hat zuvor noch nie vor so einem großen Publikum gespielt und plant ein Nachfolgealbum für das kommende Jahr. Ich schließe mich der Meinung meines Kollegen an, ein sehr gelungener Auftritt, gerne mehr davon in Deutschland.
[Andre Schnittker]
Als Frischling habe ich das "Rockharz"-Festival innerhalb kürzester Zeit in mein Herz geschlossen. Ein großer Pluspunkt sind für mich die beiden Bühnen, die direkt nebeneinander liegen. Musste ich auf dem Festival in Nordeuropa noch von Pontius zu Pilatus laufen, um die Auftritte zu sehen, geht es hier abwechselnd von rechts nach links in wenigen Metern. Dies erweist sich als sinnvoll, da zwischen den meisten Auftritten gerade einmal fünf Minuten Pause liegen. Somit geht es nach dem Auftritt der isländischen Powermetal-Combo sehr zügig mit GUTALAX auf der anderen Stage weiter. Ich gebe zu, dass ich mit Grindcore absolut nichts anfangen kann. Doch es geht hier nicht um mich, wichtig ist, dass die Festivalgänger ihren Spaß haben. Diese sind mittlerweile zu großen Teilen in weissen Maleranzügen gekleidet und recken Klobürsten!!! in die Luft. Auch Gutalax erscheint komplett in weiß und wirft Unmengen an Klopapierrollen in die Menge. Keine Ahnung, worum es in den Texten geht, dies scheint aber auch zweitrangig zu sein. Fans der Band, welche nicht in den zahlreichen Circle Pits mitlaufen, üben sich im Crowdsurfen und werden von den "Grabenschlampen" sicher zurück auf den Boden der Tatsachen geholt. Ich muss neidlos anerkennen, dass GUTALAX ordentlich Party machen kann. Mal schauen, was Kollege Stefan über den Auftritt denkt.
[Andre Schnittker]
Bei der nächsten Band in der Running Order wird Mitsingen dann dezent schwieriger. In etwa so schwierig wie es einem Außenstehenden möglich ist, mir nachvollziehbar den Hype um die Grindcore-Band GUTALAX (Anspielung auf das Abführmittel Guttalax) aus Tschechien zu erklären. Was um alles in der Welt passiert hier? Das ist so hundsgemeiner Porngrind, dass man tatsächlich überhaupt nix versteht. Vielleicht ist das auch besser so, denn alleine die Erwähnung von Songtiteln, wie 'Anus Ice Cream', 'Robocock' oder 'Fart and Furious' lässt auf den schlimmsten nur denkbaren, infantilen Humor schließen. Unabhängig davon brauche ich sogar einige Zeit, bis meine Ohren sich soweit justiert haben, dass ich erkenne, dass ein Großteil der Lieder auch mit tschechischen Texten daherkommt. Mit dem Zeitpunkt der Aufgabe hier irgendeinen größeren Sinn zu vermuten, fängt die Chose dann aber doch an gute Laune zu verbreiten. Ehrlicherweise trägt zu dieser bizarren Stimmung auch das verkleidete Publikum (analog zur Band im weißen Schutzanzug) bei, welches in bester MANOWAR-Manier die besungene Battle-Axt in den Himmel reckt. Nur dass es hier eben die Klobürste ist. Wer schon mal den unter Verschluss gehaltenen Cousin der DIE KASSIERER hören möchte, sollte diese Truppe mal auschecken. Nie passte "geiler Scheiß" wohl besser.
[Stefan Rosenthal]
Nach dieser musikalischen Darmspülung ist sind nun alle Ohren gen Valhalla gerichtet. BROTHERS OF METAL ist mal wieder in Ballenstedt und schleudert ein wohlbekanntes Programm ins Publikum. Klar gehen die Schweden damit auf Nummer sicher, aber da insbesondere die letzte Single 'Heavy Metal Viking' für viel Gegenwind gesorgt hat, kann man nachvollziehen, dass bei einer solch kurzen Spielzeit (40 Minuten) auf die üblichen Verdächtigen gesetzt wird. Somit zwar ein relativ spannungsarmes Set, das nur mit 'The Other Son Of Odin' einen Ausblick auf das neue Album "Fimbulvinter" gewährt. Aber nun denn. Wer mein Review zu "Emblas Saga" gelesen hat, wird erahnen, dass ich auch mit einem Standard-Set komplett meinen Spaß haben kann, auch wenn ich die Band im Studio immer nochmal deutlich stärker als live finde. Also Enttäuschung? Nein, dafür ist das Songmaterial dann doch zu stark und episch. Trotzdem setze ich meine Hoffnung auf die erste Headliner-Tour im November und hoffe, dass dann auch der Live-Knoten platzt und ich komplett eskalieren kann. Diese Band hat echtes Headliner-Potential und muss das langsam auch mal auf die Bühne bringen.
[Stefan Rosenthal]
Nach einer kurzen Campground-Phase soll mein nächster Auftritt der von OOMPH! sein. Nicht unbedingt, weil ich glühender NDH-Vertreter wäre oder insbesondere mit den Braunschweigern etwas Besonderes verbinde, sondern eher, weil mich interessiert, wie sich der neue Sänger so schlägt. Daniel Schulz alias DER SCHULZ ist nämlich ein bekanntes Gesicht im Harz und zieht somit jede Menge Fans aus der Region vor die Bühne. Und ich würde gerne Positives berichten – aber neee. Der ehemalige UNZUCHT-Sänger passt aus meiner Sicht nicht so richtig zu den doch eher straighteren Nummern von OOMPH! Klaro – Hits wie 'Gott ist ein Popstar' oder 'Augen auf' kommen auch mit ihm als Frontman ins Ziel, aber beim restlichen Material vermisst man Dero dann doch schon spürbar. Das klingt so ungewohnt anders, dass es schon nicht mehr so angenehm in der Kurve liegt, sondern den Hörer spürbar fordert. Hier würde mich wirklich mal die Meinung eines echten Fans der Band interessieren. Meint ihr diese Kombination hat Zukunft?
[Stefan Rosenthal]
Egal – denn jetzt ist Headliner-Zeit in Ballenstedt. Und der olle BRUCE DICKINSON zelebriert seine 80-minütige Messe mit genau der gleichen Agilität, wie wir sie bei IRON MAIDEN immer wieder bewundern dürfen. Entgegen der Erwartung, dass er möglicherweise das neue Album am Stück spielen würde, gibt es einen kompletten Rundumschlag des Backkatalogs. Somit ist auch hier das komplette mit "The Mandrake Project" eher irreführend, aber dazu habe ich mich in unserer Gruppentherapie zu diesem Album schon genug ausgelassen und das soll heute Abend nicht die Stimmung vermiesen. Von eben diesem Album haben es heute drei Songs in die Setliste geschafft. Neben dem unweigerlichen 'Afterglow Of Ragnarok' dürften 'Ressurection Men' und 'Rain On the Graves' (fantastisch gesungen) einen wirklich starken Eindruck hinterlassen. Ebenfalls dürfen sich Fans über Knaller wie 'Tears of The Dragon' und 'Laughing In The Hiding Bush' freuen. Das war nicht zwingend erwartbar. Das ganz große Kino sind allerdings die Göttergaben von "The Chemical Wedding" oder "Accident Of Birth". Allein schon einmal im Leben "Scream For Me Rockharz" zu hören, sollte jede Strapaze der Anreise rechtfertigen. Leider sehen das viele im Publikum nicht so euphorisch, wie der Autor dieser Zeilen. Die Stimmung ist wirklich erschreckend ruhig. Dass es weder an den Songs noch an der Performance der Band liegen kann, ist offensichtlich und selbst der Sound ist für "Rockharz"-Verhältnisse vollkommen in Ordnung. Dass ein Open-Air-Gelände nicht die Elbphilharmonie ist, scheinen viele Besucher halt einfach nicht verstehen zu wollen. Ich befürchte eher, dass Musikfreaks wie wir das Solo-Schaffen von Bruce etwas überschätzen. Meine Vermutung ist, dass viele Besucher sich jetzt ganz gechillt mal den Sänger von IRON MAIDEN angucken wollen und mit dem Songmaterial trotz unendlicher Streaming-Möglichkeiten kaum vertraut sind. Und eine etwas komplexere Angelegenheit als der typische IRON MAIDEN-Banger sind diese Nummern ja definitiv. Somit ein handwerklich starker Auftritt mit fantastischen Songs, der sich aufgrund der unterirdischen Stimmung etwas unter Wert verkaufen musste. Schade!
Wir haben noch einen weiteren Bericht vom BRUCE DICKINSON-Konzert mit Fotos aus München.
[Stefan Rosenthal]
Mittlerweile ist auch unsere Redakteurin Erika auf dem Festival angekommen.
Nachdem es Herrn K. aus M. und mir erst im vergangenen Jahr gelungen ist, das seit 30 Jahren stattfindende Festival auf dem Flughafengelände in Ballenstedt erstmalig zu besuchen, ist schnell klar, dass wir wiederkommen wollen. 2024 sind wir Teil der POWERMETAL.de-Redaktion, die mit drei weiteren Kollegen - Stefan Rosenthal, Andre Schnittker und Frank Wilkens - auf dem Festival vertreten ist, um ihre Eindrücke für die daheim gebliebenen Fans festzuhalten. Die Kollegen sind fast alle schon vor Ort, als wir am Mittwochabend das Gelände erreichen. Wir haben uns im nahegelegenen Quedlinburg eine Ferienwohnung gemietet, da wir uns den Strapazen auf dem Zeltplatz nicht aussetzen wollen. Da fehlt uns doch ein Stückchen Beinhärte.
[Erika Becker]
Oh ja, ich kann Erika absolut verstehen. Auch ich habe mich bereits vor langer Zeit vom Zelten verabschiedet und genieße die Vorteile von den "vier Wänden" des Festivalbombers. Ich bin einfach zu alt für den...
[Andre Schnittker]
Dort wo DIRKSCHNEIDER drauf steht, sind die ACCEPT-Evergreens drin. Und obwohl man genau weiß, welche Hits bei der anberaumten Spielzeit von einer Stunde unausweichlich kommen müssen, sehne ich den Ritt durch die 80er Jahre geradezu herbei. 'Balls To The Wall', 'Midnight Mover', 'Breaker', 'Restless And Wild', 'Fast As A Shark' und 'Metal Heart' waren damals für mich einige der musikalischen Argumente für den Einstieg in das Heavy-Metal-Universum und sind heute für mich immer noch unverwüstliche Garanten bester Hartwurst-Unterhaltung. Da ist es mehr als praktisch, dass der personifizierte Garant für authentischen 80er-Jahre-Metal auch noch mit über 70 Jahren selbst auf der Bühne steht und der Meute das gibt, was sie verlangt. Eigentlich wollte Udo Dirkschneider irgendwann einmal einen Schlussstrich unter die alte ACCEPT-Vergangenheit ziehen, hat sich aber wegen der hartnäckigen Nachfrage breitschlagen lassen, unter dem Banner DIRSCHNEIDER den Altmetallern doch noch ab und an den nostalgischen ACCEPT-Aufguss zu verpassen. Heute ist es dann also wieder soweit. Für einen gelungenen Abend wird man auch ordentlich zum Mitmachen animiert (genötigt). Die einschlägigen Gitarrensoli gehen regelmäßig in einen "Ohoho"-Chor über und das unvermeidliche "Heidi Heido Heida" muss natürlich auch mit mehrfacher Wiederholungsschleife intoniert werden. Alles gut, bevor man tatsächlich den Verdacht hat, man wohnt einer Aufzeichnung des Musikantenstadels bei, sorgen auch schon Udos Schrei und die einsetzende Gitarre für klare metallische Verhältnisse. Und dann ist es irgendwann wie in der Schule: Die Geschichtsstunde ist zu Ende und die Metalschüler strömen in Richtung Pausenhof, um sich die wohlverdiente Schulmilch (oder so eine ähnlich gelbliche Flüssigkeit mit Schaum drauf) abzuholen.
[Gastbeitrag Herr K. aus M.]
Meine erste Sternstunde an diesem Festivalabend soll mit AMORPHIS beginnen. Die finnische Band ist bei mir immer wieder für Gänsehautmomente gut. Als die Bühne in violettes Licht getaucht ist und der kühle Abendwind mir durchs Haar weht, hoffe ich, dass sich auch heute wieder so ein Gänsehautmoment einstellt. Aber dann bin ich doch erst einmal irritiert, denn dort, wo ich stehe, relativ dicht an der Bühne, ist der Sound nicht so, wie ich es mir wünsche. Wenn man das Schlagzeug im Brustkorb spürt, ist das zwar ein intensives Gefühl, aber dass ich die Gitarren und das Keyboard kaum hören kann, stört mich so sehr, dass ich meinen Platz direkt vor der Bühne aufgebe und mich etwas nach hinten zurückziehe. Hier versuche ich einzutauchen in den Klangteppich und beobachte, wie der lässige Tomi Joutsen uns durch das einstündige Programm führt. Neben Songs der aktuellen Scheibe "Halo" präsentiert die Band auch ältere Stücke. Den Zauber früherer Auftritte kann das Konzert am heutigen Abend für mich aber nicht entfalten. Mein Kollege Stefan Rosenthal hat das allerdings ganz anders erlebt.
[Erika Becker]
Nach einem kleinen Besuch der Getränkemeile, geben ich und meine Begleiter uns noch die letzten großen ACCEPT-Nummern von DIRKSCHNEIDER und sind dann aber voller Vorfreude auf das persönliche Tageshighlight AMORPHIS. Und der Auftritt macht richtig Laune. AMORPHIS gehört zu den Bands, welche die Setlist von Tour zu Tour relativ stark verändert und heute steht alles im Zeichen von "Halo". Gleich vier Songs haben sich in das Set gemogelt und besonders der Einstieg mit der dreifachen Vollbedienung von 'Northwards', 'On The Dark Waters' und 'The Moon' sorgt zumindest bei dem Teil im Publikum für Begeisterung, welcher mit der neuen Scheibe stark vertraut ist. Der Rest der Zuschauer ist leider grade zu Beginn noch etwas verhalten. Der weitere Verlauf ist dann ein bunter Best-Of-Mix, wobwi mich immer wieder erstaunt, wie homogen doch die alten Klassiker der Tales-Erä mit neueren Chartstürmern harmonieren. Das zeugt einfach von durchgehend hohem Niveau beim Songwriting. Einen kleinen Überraschungseffekt gibt es dann doch noch zum Ende, denn nach dem obligatorischen 'House Of Sleep' ist noch nicht Ende und die Jungs liefern mit 'The Bee' einen ungewöhnlichen, aber ziemlich fetten Schlusspunkt.
[Stefan Rosenthal]
Manchmal kommt doch das Beste zum Schluss. Von der Euphorie des AMORPHIS-Auftrittes beseelt, kann man sich ja ohne große Erwartungen noch ne Runde deutschen Black Metal geben und somit lassen wir uns von KANONENFIEBER noch die Ohren freipusten. Und für diese Truppe gab es Entertainment mit der Muttermilch. Das sorgt selbst in unseren Reihen für Stirnrunzeln und die erstmal berechtigte Frage, ob das in der geballten Form sein muss. Stacheldraht- und Schützengräben-Romantik haben auch viele andere Bands in ihren Texten, doch hier treffen halt deutschsprachige Weltkriegspoesie und EISREGEN-Provokationen auf jede Menge Show und Audioaufnahmen aus der entsprechenden Zeit. Das mag durch die zusätzlichen Uniformierungen und Gestiken schon grenzwertig sein, aber textlich ist alles im grünen Bereich. Eher ist es wie die Black-Metal-Version von MACBETH oder eine deutsche Alternative zu MARDUK. Wer das immer noch kritisch sieht, dem empfehle ich einfach mal Texte von SABATON zu übersetzen. Da finde ich Auswüchse wie 'The Final Solution' oder 'The Attack Of The Dead Men' deutlich grenzwertiger. Summa summarum gibts Entwarnung von uns und man darf mit KANONENFIEBER also ohne schlechtes Gewissen Spaß haben. Das heißt ja noch lange nicht, dass man es gut finden muss. Dafür ist das ganze Songwriting und der für Schwarzmetal-Verhältnisse extrem polierte Sound schon sehr auf Party-Modus gebügelt. Doch dieser Widerspruch macht die Sache für mich grade so herrlich erfrischend. Dazu kommt der Faktor, dass in absolut jedem Song eine Besonderheit auf der Bühne passiert. Sei es jede Menge Pyro, kleine schauspielerische Elemente oder eben die atmosphärisch integrierten Original-Aufnahmen aus der Zeit. Definitiv mein Highlight des Tages und ein guter Fingerzeig für ein abermals hervorragendes Festival. We will see.
[Stefan Rosenthal]
Die Geschmäcker sind bekanntlich verschieden und nachdem mir im letzten Jahr einige Fotografen KANONENFIEBER empfohlen haben, bin ich natürlich neugierig, was mich bei der Band erwartet. Ich stehe also im Graben und sehe erst mal nichts. Scheinbar war im Kreis Bamberg das Nebelfluid im Angebot, bis auf ein paar mit Pickelhauben und Sturmmasken verkleidete Musiker ist wenig zu erkennen. Okay, ab und zu züngeln noch ein paar Flammen, doch insgesamt hab ich irgendwie mehr erwartet. Ich tauber Uhu verstehe recht wenig von den Texten und meine Redaktionskollegen informieren mich noch in der Nacht, dass diese nicht "schlimm" seien. Na gut, sei's drum. Die Meute vor der Bühne hat einen Riesenspaß und für mich wird es Zeit, den ersten "Rockharz"-Tag mit einem Hopfentee ausklingen zu lassen. Geil wars.
[Andre Schnittker]
Photo Credit: Andre Schnittker
Hier geht es zum Donnerstag.
- Redakteur:
- Andre Schnittker