Gruppentherapie: HAMMERFALL - "Avenge The Fallen"

04.09.2024 | 13:38

Wie geht es den "Rettern des Metals" aus den 90ern heute?

Auf HAMMERFALL kann man sich als Fanboy oder Fangirl verlassen. So lässt Kollegin Hämmer einmal mehr einen 9,5-Punkte-Hammer für "Avenge The Fallen", ähem, fallen. Und im August-Soundcheck läuft es mit Platz sieben auch rund. Wobei eine Notenspanne von 6,5-8 Punken doch mehr nach solider Hausmannskost als nach sensationeller Mettlerei klingt. Oder? Was Oscar Dronjak von der neuen Scheibe hält (supi natürlich), hat Kollege Maik schon in seinem Interview beleuchtet. Doch wie stehen die Therapeuten zur neuen HAMMERFALL?

[Thomas Becker]

 

"Avenge The Fallen" ist mittlerweile das 13. Studioalben meiner Lieblings-Schweden HAMMERFALL. Manche Leute werfen der Band ja das AC/DC- und MOTÖRHEAD-Syndrom vor. Und da ist auch ein bissl was dran - natürlich klingt die Band seit 1997 durchgehend immer relativ ähnlich. Ich denke, dass die Schweden nach den ersten vier bis fünf Alben gemerkt haben: Auf diesen Sound stehen die Leute. Und seitdem ziehen sie ihren Stiefel durch.

Ja, es gab mal einen leichten Optik-Schwenk beim Artwork (auf dem teils leider unterschätzten "Infected"-Album). Und nach 'Hearts On Fire' wird ihnen ein ähnlich großer Hit sicher nie wieder gelingen; überhaupt gibt es ja kaum noch diese Metal-Hits, die alle Metal-Fans kennen und entweder lieben oder verabscheuen. Aber der Band gelingt es regelmäßig, absolute Ohrwürmer zu produzieren, und auf "Avenge The Fallen" ist die Hitdichte aus meiner Sicht sogar etwas höher als auf dem ebenfalls guten Vorgänger "Hammer Of Dawn". Das liegt vor allem daran, dass man zum Beispiel mit 'Capture The Dream' oder 'Rise Of Evil' ein paar Mega-Hits parat hat, die dem Vorgänger leider abgingen. Zudem ist der Gesang von Joacim Cans noch etwas variabler geworden. Die von Fachkräften wie Marc Lopez (METAL CHURCH) oder John Bush (ARMORED SAINT) aufgewerteten Backing-Chöre überraschen mich allerdings nicht außergewöhnlich; das ist eher ein hübsches Namedropping.

Trotzdem bleibt festzuhalten: "Avenge The Fallen" ist ein verdammtes Hit-Monster geworden, das alle Genre-Fans unbedingt einpacken sollten. Wer bei HAMMERFALL nix mehr erwartet, der wird hier auch nicht fündig werden. Aber wer auch nach dem Debüt oder "Legacy Of Kings" noch Freude am Material hatte und gerne mal "Renegade" oder "Threshold" auflegt, der kann mit der Band eigentlich in keiner Phase etwas falsch machen - denn dann gibt es nur gute oder sehr gute HAMMERFALL-Alben. Dieses gehört eher in die zweite Kategorie.

Note: 9,0/10
[Jonathan Walzer]

 

HAMMERFALL war HAMMERFALL ist HAMMERFALL und wird auch immer HAMMERFALL bleiben. Ich mag die Schweden sehr gerne und auch "Avenge The Fallen" versprüht zwar nicht die gleichen Glückshormone wie "Crimson Thunder" in meiner Teenagerzeit, hat aber dennoch allerlei Querverweise an die eigene, so glorreiche Vergangenheit und schaut voller Power, Schwermetall und hymnischem Arsenal in die Zukunft.

So viele tolle neue Hymnen sind da am Start, die einerseits zwar typisch HAMMERFALL sind, andererseits aber auch typisch HAMMERFALL sind. 'The End Justifies' hat einen wahnsinnig tollen Refrain, 'Freedom' ist düster und kraftvoll, 'Hail To The King' zieht mit uns in den Kampf und bei 'Time Immemorial' bekomme ich eine epische Gänsehaut. Cans ist gut bei Stimme, die Chöre sitzen wieder wie eine Eins und da auch Hector wieder auf dem Artwork ist, weiß man einfach, dass man gewohnt in Stahl getränkte, durchaus abwechslungsreiche HAMMERFALL-Kost bekommt.

13 Alben und kein bisschen leise; und ich fand sogar das düstere "Infected"-Album genauso toll wie das letzte "Hammer Of Dawn", dessen Klasse im Endeffekt dafür gesorgt hat, dass ich mich wieder auf ein HAMMERFALL-Album richtig gefreut habe. Alte Liebe rostet nicht und die wird zwischen den Schweden und mir immer mal wieder aufflackern. Ich mag "Avenge The Fallen", das im direkten Vergleich sogar noch etwas stimmiger und majestätischer, aber auch kerniger daherkommt als der Vorgänger – ein tolles Album der alten Jugendliebe.

Note: 8,5-9,0/10
[Marcel Rapp]

 

Konstanz im Leben ist was Schönes und bei aller Experimentierfreude auch sehr wichtig. Somit will auch ich, dass HAMMERFALL weiterhin genau das macht, was immer gemacht wurde und weiterhin gemacht wird. Aus meiner Sicht war "Infected" nämlich tatsächlich ein Desaster und die anschließende Korrektur von Seiten der Band erfrischend ehrlich und radikal konsequent.

Aber das war 2011 und nun ist eh 2024. Und hier eröffnet bereits der hervorragende Titeltrack den Langdreher mit einer Trve-Metal-Hymne, wie ich sie nur von ganz wenigen akzeptiere. Klar, das ist nicht fair anderen Bands gegenüber, aber wie sagte schon CAT STEVENS so passend? 'The First Cut Is The Deepest' und das ist bei mir halt "Glory To The Brave". Somit sind Signature-Sounds, wie der Höhepunkt von 'The End Justifies' einfach die perfekte Zeitmaschine in meine Jugend. Da werden sämtliche Kritikpunkte, die ich immer griffbereit in der Tasche habe, pulverisiert.

Leider können die Schweden das Niveau der ersten beiden Tracks im Laufe der Platte nur noch partiell erreichen ('Hail To The King', 'Capture The Dream') und daher bewegt sich "Avenge The Fallen" auch "nur" auf dem Niveau des direkten Vorgängers. Somit bleibt das letzte wirkliche Überalbum "(r)Evolution". Nichtsdestotrotz sind zwei bis drei Songs direkt in meine Jahresplayliste gewandert. Macht bitte noch lange weiter.

Note: 8,0/10
[Stefan Rosenthal]

 

Dann zerschmettere ich einmal mit meinem Hämmer (haha) alles unwürdige "8 Punkte aufwärts-Geschnetz"! Nein, Späßchen, so hart wird es nicht. Erstens sind 6,5 Punkte keine schlechte, sondern schon eine gute Note - alte Pommesgabel-Weisheit - und zweitens trifft dies in meinem Fall besonders zu, da es Zeiten gegeben hat, in denen mir HAMMERFALL-Musik gar nicht erst ins Abspielgerät gekommen, geschweige denn über fünf Punkte bekommen hätte. Zu cheesy, zu dünne-Ärmchen-Metal, zu Kommerz, ja da wäre mir einiges eingefallen, was mir heute unpassend und unsachlich erscheinen würde, und womit ich auch nicht mehr guten Gewissens argumentieren könnte.

Ohne Scheiß: Ich bin HAMMERFALL aus heutiger Sicht unendlich dankbar (schleimiges Pathos: aus!), dass die Band den wahrhaftigen Heavy Metal in kommerzieller und massenrelevanter Hinsicht durch die 90er-Diaspora den Metal betreffend hindurchgerettet hat! Nach "Glory To The Brave" regten sich damals wieder vermehrt zart bangende Pflänzchen.

"Avenge The Fallen" gefällt mir insgesamt ganz gut, der Titelsong kann was, 'Hail To The King' (, Baby!) wäre mir jetzt aber als Soundtrack-Liedchen für ein neues "Duke Nukem"-Game zu seicht, obwohl es dessen Motto (fast) im Titel trägt; passt aber schon. Aber ja, ich muss sagen, fragt mich Anfang Dezember abermals, wenn es auf die Jahresperlen zugeht, vielleicht ist dann ein winziges schwedisches Metal-Bäumchen innerhalb meines dicht bewaldeten Musikgeschmacks herangewachsen. In konzertanter Hinsicht habe ich ja schon seit dem "Bang Your Head!!!"-Auftritt 2017 und spätestens seit der Doppel-Headliner-Tour mit HELLOWEEN meinen Frieden mit der Band machen können, das war jeweils gut bis ordentlich. Doch wo es gerade nebenher läuft: Die Ballade 'Hope Springs Eternal' ist trotz allem, was ich weiter oben schrieb, allerschädlichster Ohrenzucker, schlimm!

Note: 6,5/10
[Timo Reiser]

 

Als einer, der diese Formation und ihre Entwicklung seit nunmehr fast 30 Jahren mitverfolgt hat, erlaube ich mir auch zum jüngsten Elaborat meinen Senf beizutragen. Nun, die Scheibe ist sicher nicht schlecht und beinhaltet einmal mehr auch sämtliche Trademarks. Dennoch werde ich das Gefühl nicht los, dass die Schweden während des Entstehungsprozesses so manche Idee lieber verworfen haben, um nur ja nicht Gefahr zu laufen die Fans nicht rundum zufriedenstellen zu können. Das ist an sich zwar sogar löblich, schließlich dürfte sich das Interesse an den letzten Scheiben doch ein wenig in Grenzen gehalten haben. Doch so sehr man es auch gutheißen mag, dass einmal mehr von "hart" bis "zart" nahezu alles auf dem Album zu finden ist, mangelt es "Avenge The Fallen" an Überraschungsmomenten und der Lockerheit früherer Scheibletten.

Zugegeben, vorhersehbar ist das Material der Schweden schon öfter gewesen, dermaßen auf Nummer sicher getrimmt wie 'Hail To The King' oder 'Freedom' klangen die Jungs aber bislang auch nur selten. Doch keine Bange, im Endeffekt hat auch dieser Dreher so ziemlich alles, wofür man die Schweden kennt, und ihre Alben zu schätzen gelernt hat. Dennoch wird man auf Dauer den Eindruck nicht los, man hätte weniger Wert auf Unerwartetes gelegt und die Tracks stattdessen so geradlinig und stromlinienförmig wie nur möglich angelegt. Dadurch macht "Avenge The Fallen" eher den Eindruck eines Albums, das nicht unbedingt aus persönlicher Überzeugung so ausgefallen ist, wie es ist, sondern die Band – aus welchem Grund auch immer – die Aufnahmen eher im Sinne von "Dienst nach Vorschrift" erledigt hat. Dass HAMMERFALL damit immer noch spannender klingt als der Großteil der Soundcheck-Konkurrenz in diesem Monat ist zwar nicht mehr als meine ganz persönliche Meinung, doch zu der stehe ich!

Note: 7,0/10
[Walter Scheurer]

 

Ich mag sie auch. Diesen Sommer auf dem "Graspop" haben die Schweden einen sympathischen Auftritt hingelegt, wobei die Publikumsspiele manchmal kaum mehr als Teletubbies-Niveau hatten (wer HAMMER sagt, der muss danach FALL sagen, das üben wir jetzt gemeinsam fünf Minuten lang). Und ein bisschen so geht es mir bei "Avenge The Fallen". Ich habe ein gutes Gefühl beim Hören, die Musik ist so weit weg von Alltagssorgen, fast zu arglos für diese Welt. Und obwohl die Grenze zur Naivität doch hin und wieder überschritten wird, gefällt mir das Gehörte gut, vor allem wegen Joacim Cans, dem ich einfach gerne zuhöre. Selbst wenn er Bullshit labert.

Note: 7,0/10
[Thomas Becker]

Fotocredits: Andre Schnittker

Redakteur:
Marcel Rapp

Login

Neu registrieren