Perlen der Redaktion: Haris Durakovics Highlights 2018

12.01.2019 | 07:50

Gleich dreimal die Höchstnote und satte 22 Mal mindestens eine 9. Manch einer mag darin inflationäre Lobhudeleien erkennen, aber nachdem ich das vergangene Jahr intensiv Revue habe passieren lassen, lege ich meine Hand aufs Herz: 2018 war halt einfach geil, so what?!

2018 - für den einen ein Jahr voller Highlights, für den anderen hat es eher maue Kost abgeworfen und der Dritte spricht von viel Durchschnitt auf dem Veröffentlichungsmarkt. An dieser Stelle wollen wir unserem Redaktionspoll vorgreifen und lassen unsere Kolleginnen und Kollegen zu Wort kommen. Welche Scheiben haben es in die Top-20 geschafft und warum? Viel Spaß beim Lesen!

Als ich mich hingesetzt habe und mein musikalisches Jahr 2018 habe Revue passieren lassen, kam mir Holg in den Sinn. Als ich den geschätzten Kollegen 2017 im Rahmen unseres Redaktionstreffens bei Hamburg zum ersten Mal traf, meinte er zu mir, er könne mich im Gegensatz zu dem Gros der Redaktion musikalisch kaum einordnen. Was auch immer er damit genau gemeint hat, ich habe es in jedem Fall als Kompliment aufgefasst.

Nachdem ich mit meinem Rückblick nun durch bin, bestätigen sich die weisen Worte Holgs einmal mehr. Denn auch 2018 könnten meine persönlichen Faves nicht diverser ausfallen. Classic Rock, Rock'n'Roll, Prog, Thrash-, Doom-, Black- oder Death Metal - vergangenes Jahr gab es kaum ein Subgenre, in dem es nicht Spannendes zu entdecken gegeben hätte.

Dreh- und Angelpunkt war ohne jeden Zweifel "Down Below" der Schweden TRIBULATION. Mit ihrem mittlerweile vierten Album schafften die Kinder der Nacht das Unmögliche und toppten den fantastischen Vorgänger "The Children Of The Night". Im Gegensatz zum Langspieler aus 2015 ragen weniger einzelne Tracks heraus - vielmehr ist jeder der neun Songs (einschließlich des Instrumentals 'Purgatorio') ein Hit für sich.

Die Messlatte setzte TRIBULATION bereits zu Jahresbeginn und es dauerte knappe fünf Monate, bis ein qualitativ ebenbürtiger Silberling das Licht der Welt erblickte. Im äußerst stark besetzten Juni-Soundcheck hatte THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA mit dem neuesten Werk "Sometimes The World Ain't Enough" kein leichtes Spiel. Dennoch schafften Speed und seine Mitstreiter den Sprung aufs Stockerl. Mich persönlich hatten die Schweden von der ersten Sekunde des Openers 'This Time' im Griff. Das richtige Album für den Sommer, ganz klar. 'Turn To Miami', 'Barcelona', 'Lovers In The Rain' und und und. Ein Sammelsurium an Genialitäten, mit denen uns THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA ab Juni den Rest des Jahres versüßte.

the night flight orchestra

Kurz vor Jahresende dann mein dritter Zehner, diesmal aus heimischen Gefilden: Die Rede ist von den Stuttgartern FARMER BOYS, die mit ihrem Comeback "Born Again" nicht nur mich überzeugten - auch Frank konnte nicht anders, als die Höchstnote zu zücken. Auch wenn sie unterschiedlicher nicht sein könnten, aber eines eint meine absoluten Jahreshighlights: Die Hitdichte ist beispiellos, jeder Song knallt. Egal, ob balladesk, hard as a rock oder groovy, baby! Die FARMER BOYS haben sich die November-Pole jedenfalls redlich verdient.

Das Siegertreppchen war damit besiegelt. Dahinter war es alles andere als einfach, eine faire Reihenfolge zu finden. Blech geht an die Todes-Blackies von NECROPHOBIC, die sich 2014 mit Ursänger Anders Strokirk verstärkt haben und vergangenes Jahr mit "Mark Of The Necrogram" ein Megapfund herausgehauen haben. Dahinter komplettieren die Horror-Classic-Rocker GHOST die Top-5. Vor dem Release von "Prequelle" hätte ich keinen Cent darauf verwettet, dass sich die Schweden in irgendeiner meiner "Top-Listen" vorfinden würden. So langweilig, hüftlahm und aufgeblasen fand ich das bisherige Schaffen von Cardinal Copia/Papa Emeritus. CD Nummer vier kann hingegen einfach alles und ich habe mich bis heute noch nicht daran sattgehört.

Reinrassiger, roher Death Metal, was eigentlich mein Steckenpferd ist, hat tatsächlich keinen Einzug unter meine Lieblinge 2018 gehalten. REVOCATION kommt dem noch am nächsten, auch wenn die Amis wesentlich technischer zu Werke gehen und "The Outer Ones" für meinen Geschmack eigentlich fast schon zu glatt poliert produziert wurde. Aber die Songs knallen und reißen mit - und das ist gut so. Daneben überzeugten mich im Todessektor im entferntesten Sinne die Dresdner DEATHRITE mit ihrem AUTOPSY-Worship "Nightmares Reign" - ein tolles Stück Musikgeschichte. AT THE GATES muss hier auch genannt werden, wenn auch im negativen Sinn. "To Drink From The Night Itself" ist per se alles andere als ein Rohrkrepierer geworden. Doch zum einen fällt hier der Weggang von Anders Björler hinsichtlich der Gitarrenarbeit deutlich ins Gewicht und zum anderen kaufe ich dank Routine und Kalkül Tompa und Co. nicht mehr ab, dass sie das Projekt AT THE GATES wirklich noch aus den "richtigen" Beweggründen weiterführen.

deathrite

In punkto Prog in all seinen wunderschönen Facetten war das Jahr aus meiner Sicht nicht ganz so stark und geprägt von HAKENs neuem Album, das meine hohen Erwartungen leider nicht erfüllen konnte. Aushelfen mussten RIVERSIDE, THE OCEAN, DARK MILLENNIUM und BETWEEN THE BURIED AND ME - letztgenannte Band mit ihrem zweiten Output 2018. Im Düsterbereich bin ich jetzt einfach mal so dreist und werfe SLÆGT, PRIMORDIAL und BEHEMOTH in einen Topf. Wenn auch musikalisch und konzeptuell unterschiedlich, aber düster sind die drei Bands allemal. Die jungen Dänen hatten dabei die Nase vorn mit ihrer Heavy-Metal-Version von TRIBULATION. Für den schwarzen Anstrich in meiner sonst recht bunten Liste sorgen die Kölner ULTHA mit dem ultha-... sorry, dem ultradüsteren und vielschichtigen Silberling "The Inextricable Wandering". Auch SKELETONWITCHs neuer Output hat sich als Langzeitgenuss entpuppt.

Thrashig überzeugte mich 2018 eigentlich nichts so recht. HATESPHERE dafür umso mehr. "Reduced To Flesh" feiere ich heute noch ab wie zum Release im Oktober. Die Dänen haben AT THE GATES und THE HAUNTED mal so richtig gezeigt, wie man geile Riffs schreibt. In der Welt der Langsamkeit gab es immer wieder Alben, die mich überrascht haben. Langfristig restlos überzeugen konnte mich allerdings nur KHEMMIS mit "Desolation" und spät die Deutschen DAWN OF WINTER mit "Pray For Doom", die den Einzug in die Top-20 nur knapp verpasst haben. Im locker-flockig rockigen Bereich sorgte HARDCORE SUPERSTAR für die entscheidenen Akzente, im retro-lastigen Rock, der 2018 eher maue Kost abwarf, war es der BLACK TRIP-Nachfolger VOJD mit dem klasse Debüt "The Outer Ocean".

hardcore superstar

Um abschließend noch einmal auf Holgs Worte zu kommen... Es gibt tatsächlich einen roten Faden in meinem musikalischen Kosmos: Acht der 20 Scheiben stammen von skandinavischen Bands, darunter fünf Alben schwedischen Ursprungs. Das kann kein Zufall sein - und ist es auch nicht. Die Art und Weise, wie Mucker aus dem hohen Norden ihre Musik zelebrieren, hat immer eine eigene Note, die mich immer und immer wieder packt und nicht loslässt - ganz gleich, in welchem Genre sich die Bands austoben. Selbst Gute-Laune-Mucke wie auf HARDCORE SUPERSTARs "You Can't Kill My Rock 'N' Roll" hat diesen unvergleichlichen melancholischen Unterbau, der mich seit Jahren fesselt. So, jetzt ist das endlich raus - verdammt, das fühlt sich gut an!

Und was wäre ein Jahresrückblick ohne ein Postskriptum? Denn es gab tatsächlich noch ein spätes Glanzlicht des Death Metal. Die deutschen Hopefuls SULPHUR AEON haben mit "The Scythe Of Cosmic Chaos" 2018 mit einem Donnerschlag abgeschlossen. Herrlich technisch, wenn nötig, abwechslungsreich und mit einem genialen Wechsel aus cleanem und aggressivem Gesang. Für mich die todesmetallische Version von SECRETS OF THE MOONs letztem Meisterwerk. Großartig!

Rang Band Album
01. TRIBULATION Down Below
02. THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA Sometimes The World Ain't Enough
03. FARMER BOYS Born Again
04. NECROPHOBIC Mark Of The Necrogram
05. GHOST Prequelle
06. REVOCATION The Outer Ones
07. SLÆGT The Wheel
08. RIVERSIDE Wasteland
09. HATESPHERE Reduced To Flesh
10. THE OCEAN Phanerozoic I - Palaeozoic
11. HARDCORE SUPERSTAR You Can't Kill My Rock 'N' Roll
12. SKELETONWITCH Devouring Radiant Light
13. DARK MILLENNIUM When Oceans Collide
14. ULTHA The Inextricable Wandering
15. PRIMORDIAL Exile Amongst The Ruins
16. BEHEMOTH I Loved You At Your Darkest
17. BETWEEN THE BURIED AND ME Automata II
18. DEATHRITE Nightmares Regin
19. KHEMMIS Desolation
20. VOJD The Outer Ocean

+ Bonusperle

SULPHUR AEON The Scythe Of Cosmic Chaos

Redakteur:
Haris Durakovic

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