Perlen der Redaktion: Dominik Feldmanns Highlights 2024
04.01.2025 | 13:43Musikalisch gesehen war 2024 für mich ein sehr gutes Jahr. Ich habe so viele Konzerte und Festivals besucht wie schon sehr lange nicht mehr und auch nach einem etwas verhaltenen Jahresbeginn kamen dann doch noch eine Menge erfreulicher Neuerscheinungen heraus. Natürlich gab es ebenfalls die eine oder andere Enttäuschung, aber der Rückblick soll positiv erfolgen.
Zu Platz eins sei vorweg gesagt, dass POWERMETAL.de-Chef Marcel mir schon eine Abmahnung hat zukommen lassen. Deswegen wird auf die öffentliche Steinigung hoffentlich verzichtet. Aber ich stehe hier und kann nicht anders als "Alles muss repariert werden" von der ANTILOPEN GANG nach ganz oben zu setzen. Die erste Scheibe der Doppel-LP ist eher eine Rap-Platte, auf der allerdings immer wieder fantastische Gitarren-Riffs und -licks zu hören sind. Textlich ist sie überragend und sehr tiefgehend. Die zweite Scheibe ortientiert sich dagegen am Punkrock der 70er. Einflüsse von Bands wie THE DAMNED, BUZZCOCKS oder THE BOYS sind deutlich herauszuhören. Dabei kommen Musik und Texte locker und spaßig aus der Hüfte geschossen und bilden so einen herrlichen Kontrast zu den Rap-Songs.
Platz zwei geht an SALTATIO MORTIS. Die Band bewegt sich mit "Finsterwacht" auf völlig ungezwungene Weise "back to the roots", ohne Modernität zu vergessen. Auf skurrile Experimente oder Pop-Songs wie auf dem Vorgänger "Für immer frei" wird Gott sei Dank verzichtet. Das gesamte Konzept mit Roman und Rollenspiel ist dann das Tüpfelchen auf dem i. Im Mittelalter-Rock/Metal-Bereich ist die Band damit für mich endgültig die unangefochtene Nummer eins.
Eine absolute Wohlfühlatmosphäre durch perfekten Fan-Service bietet "Afterlifelines" von RAGE. Es wird an den richtigen Stellen nach vorne galoppiert, gleichzeitg das Melodiöse aber nicht vergessen. Das von Peavy und seinen Mannen herausgebrachte Doppelalbum hat kaum Schwächen und landet somit auf Rang drei.Außerhalb des Treppchens siedeln sich zunächst einige Post-Hardcore-Alben an. Ganz vorne ist hier HIGH VIS zu nennen. Mit "Guided Tour" schmeißt die Gruppe sämtliche Genregrenzen über Bord und lässt sich noch mehr als sonst vom Indierock beinflussen, ohne die Wurzeln zu verraten. HIGH VIS bleibt damit einer der spannendsten jüngeren Acts der Szene.
Jung ist ebenfalls DEATH LENS. Die Band hat mit "Cold World" dank Epitaph Records erstmals ein Album in Europa veröffentlicht und weiß damit direkt zu überzeugen. Die Mischung aus Post-Hardcore und Post-Punk ist spannend und kommt vor allem auch live sehr druckvoll rüber, wie das Quintett bei seiner ersten Europatour (u.a. als Support von BAD RELIGION) bewiesen hat. Der Genrevorreiter TOUCHÉ AMORÉ hat mit "A Spiral In A Straight Line" ebenfalls einen neuen Longplayer am Start. Im Vergleich zum etwas inkonsequent wirkenden Vorgänger "Lament" besinnen sie sich wieder auf sich und schaffen es ihr Potential voll auszuschöpfen. Der noch ältere Genrevertreter HOT WATER MUSIC schafft es erfreulicherweise ebenfalls mit "Vows" passend zum 30-Jährigen eine gute Platte abzuliefern.
Dass APOCALYPTICA mit "Plays Metallica Vol. 2" Metallica covert, ist nicht innovativ, aber das Konzept geht mal wieder voll auf. Die Interpretationen sind spannend, druckvoll und können es problemlos mit dem Original aufnehmen.
Ein bisschen mehr von diesen Eigenschaften hätte "Charismatic Leaders" von WHEEL gut getan. Manchmal kommt es für meinen persönlichen Geschmack etwas zu weich daher. Trotzdem bieten die Finnen eine Menge spannender Kompositionen im Prog-Metal-Bereich. Gleiches gilt übrigens für DVNE, THERAPHOSA und VESTIGE, die alle drei meine persönliche Neuentdeckung des Jahres im Post- und Prog-Metal-Bereich sind. Erfreulich ist ebenfalls, dass UNTO OTHERS den Weg auf hohem Niveau mit "Never, Neverland" weitergeht.In Sachen Punkrock führt momentan wohl kein Weg an AMYL & THE SNIFFERS aus Australien vorbei. Vor allem Frontfrau Amy Tylor weiß auf allen Ebenen zu überzeugen und zeigt sich gesanglich äußerst flexibel. Aber auch altgediente Gruppen wie THE OFFSPRING und STRUNG OUT legen mit "Supercharged" bzw. "Dead Rebellion" erfreuliche Spätwerke hin. Während THE OFFSPRING auch aufgrund der beachtlichen Hallengrößen für die kommende Tour auf einer Welle des Erfolgs zu schwimmen scheinen, haben STRUNG OUT wieder ordentlich Metal-Einflüsse dabei und grüßen mit 'Owl' ganz stark die eisernen Jungfrauen. Nicht ganz so punkig ist natürlich KETTCAR unterwegs, aber Marcus Wiebusch und Reimer Bustorff zeigen auf "Gute Laune ungerecht verteilt", dass sie einfach zu den besten Textern Deutschlands gehören.
Abschließend noch einmal zurück zum Metal. Positiv überrascht hat DUST BOLT mit einer neuen Ausrichtung des Sounds. Weniger Thrash, dafür mehr moderne Einflüsse. Es war ein Wagnis, das aufgegangen ist. Erfreulich ist ebenfalls FUTURE PALACE. "Distortion" bewegt sich auf dem schmalen, aber derzeit sehr angesagten Grat zwischen Metalcore und Power-Pop. Die Balance ist dabei geschickt gewählt und verhilft der Gruppe verdientermaßen zu weiterer Bekanntheit. Es wird spannend zu sehen sein, wie weit die Band noch kommen kann. Alte Recken sind dagegen die Jungs von SONATA ARCTICA, die mit "Clear Cold Beyond" gefühlt wieder wie Anfang der 00er Jahre klingen. So macht es Spaß!
In Sachen Konzerte war es für mich eines der besten Jahre überhaupt. Es gab unfassbar viele Highlights, von denen einige wenige ausgewählte kurz genannt sein sollen. Eine vollständige Liste würde den Rahmen sprengen. An erster Stelle steht die erste eigene Europatour von ORBIT CULTURE. Die Jungs machen mit ihrem modernen Groove Metal einfach ordentlich Dampf. Auch das Ende des ersten METALLICA-Konzertes in München mit Blitz und Donner während 'Master Of Puppets' – "Stranger Things" lässt grüßen – wird wohl immer unvergesslich bleiben. PASCOW und FJØRT enttäuschen sowieso nie und sind für mich nach wie vor die besten deutschsprachigen Bands im Punkrock-/Hardcore-Bereich aktuell. HIGH VIS und DEATH LENS haben gezeigt, wie intensiv ihre Musik sein kann. Eine besondere Freude waren ebenfalls die Dreier-Kombinationen aus DOMINUM, ORDEN OGAN und FEUERSCHWANZ sowie TESTAMENT, ANTHRAX und KREATOR.
Nach einem tollen 2024 ist die Vorfreude auf 2025 groß, aber auch die Angst vor Enttäuschung besteht. Insbesondere dann, wenn mit MACHINE HEAD eine meiner All-Time-Top-5-Bands ein neues Album angekündigt hat. Aber nach der ersten Single 'These Scars Won't Define Us' zusammen mit IN FLAMES, LACUNA COIL und UNEARTH bin ich optimistisch gestimmt und auch sonst werden sicher viele Bands wieder viele gute Scheiben herausbringen.
Rang |
Band | Album |
01. | ANTILOPEN GANG |
Alles muss repariert werden |
02. | SALTATIO MORTIS |
Finsterwacht |
03. | RAGE |
Afterlifelines |
04. | HIGH VIS |
Guided Tour |
05. | TOUCHÉ AMORÉ |
A Spiral In A Straight Line |
06. | DEATH LENS |
Cold World |
07. | APOCALYPTICA |
Plays Metallica Vol. 2 |
08. | THERAPHOSA |
Inferno |
09. | STRUNG OUT |
Dead Rebellion |
10. | WHEEL (FIN) |
Charismatic Leaders |
11. | UNTO OTHERS |
Never Neverland |
12. | DVNE | Voidkind |
13. | HOT WATER MUSIC |
Vows |
14. | FUTURE PALACE |
Distortion |
15. | DUST BOLT |
Sound & Fury |
16. | KETTCAR |
Gute Laune ungerecht verteilt |
17. | AMYL & THE SNIFFERS |
Cartoon Darkness |
18. | THE OFFSPRING |
Supercharged |
19. | SONATA ARCTICA |
Clear Cold Beyond |
20. | MAKEWAR |
A Paradoxical Theory Of Change |
- Redakteur:
- Dominik Feldmann