Perlen der Redaktion: Jakob Ehmkes Highlights 2024

12.01.2025 | 16:00

Meine Retrospektive auf ein vielfältiges, aber auch etwas durchwachsenes Jahr.

Beim Zusammentragen der Perlen merkte ich schon, dass das musikalische Jahr 2024 etwas zäh war  was ich aber schon im Vorhinein annahm, denn gemäß meiner im Vorjahr aufgestellten These folgt auf ein starkes Jahr, wie 2023 es war, ein schwächeres. Ich komme daher tatsächlich "nur" auf 15 Neuerscheinungen, was den schönen Nebeneffekt hatte, dass ich mehr Zeit für andere Veröffentlichungen vergangener Jahre unseres schönen Genres hatte.

Doch zurück in die Gegenwart, denn auch 2024 hatte spannendes Ohrenfutter zu bieten: Mein erster Platz überraschte mich selbst etwas, aber der höchsten Benotung die Pole-Position zu überlassen ist letztlich nur konsequent und im Falle von SEVEN HOURS AFTER VIOLET auch voll verdient. Die Band besteht aus SYSTEM OF A DOWN-Bassist Shavo Odadjian, Taylor Barber (Gesang) von LEFT TO SUFFER, Alejandro Aranda (Gitarre und Gesang), der in den USA vor allem aus "American Idol" bekannt ist, sowie Michael "Morgothbeatz" Montoya (Gitarre) und Josh Johnson (Schlagzeug), beide von WINDS OF PLAGUE. Natürlich lässt der SOAD-Vergleich nicht lange auf sich warten, doch was hier auf die Beine gestellt wurde, ist weit mehr als das, nämlich noch 'ne ganze Kante härter und brachialer. Wer auf einen erfrischenden Cocktail aus Nu-Metal und Metalcore steht, sollte hier unbedingt hineinhören!

"Ich bin wieder 15!" Das neue THE OFFSPRING-Werk "Supercharged" löste eine große Euphorie bei mir aus. War der Vorgänger nach elendig langer Wartezeit leider nur halbgar, wurde überraschend zügig der Nachfolger aufgelegt und der ist richtig gut durch! Klar, wir haben hier kein zweites "Smash" vorliegen, die im Vorfeld veröffentlichten Worte der Band, dass das Album von vorne bis hinten "pure Energie" verströmen würde könnten daher schnell fehlinterpretiert werden. Dennoch ist das Album gespickt mit tollen Pop-Punk-Hits, die wir von der Band lieben und die sofort ins Ohr und gut nach vorne gehen. Songs wie 'Looking Out For #1', 'Light It Up', 'Truth In Fiction' sind schöne Uptime-Nummern, dazu gesellen sich das thrashige 'Come To Brazil', das alternativ rockende 'You Can't Get There From Here' und nicht zu vergessen mein Favorit 'Hanging By A Thread'! Auch richtig stark: Die Bandköpfe Dexter und Noodles rockten mit Anfang 60 noch sämtliche Festivals 2024 und klangen frischer denn je  übrigens wurde dann sogar auch mal "Smash" komplett gezockt!

Der letzte Platz meines Treppchens geht an den "PowerNerd", den DEVIN TOWNSEND entfachte. Große Soundwände, majestätische Melodien und fantastisches Songwriting machen dieses Album zu einem wahren Genuss, nachdem der Vorgänger teils etwas sperrig und zu elektronisch tönte. Für Fans geht es zurück in die Klangwelten von "Ocean Machine", "Terria" oder "Epicloud"  anmachen und wohlfühlen! 'Falling Apart', 'Knuckledragger', 'Jainism' und 'Glacier' schaffen es, den Alltag vergessen zu lassen. Einen ganz besonderen Platz bekommt für mich aber ein weiterer Song, nämlich die Ode ans Kaffeetrinken 'Ruby Quaker', weil der mich jedes Mal zum Schmunzeln einlädt. Darauf erstmal 'ne schöne Tasse heben und freuen, dass DEVIN TOWNSEND bereits zwei weitere Alben in petto hat!Von Kanada nach Deutschland.

Zeit für CHAOSBAY! Was für ein Album! "Are You Afraid?" ist eine unglaubliche Machtdemonstration in Sachen Eingängigkeit und Härte. Es ist modern, es knallen Breakdowns und harte, tiefer gestimmte Stakkato-Riffs von allen Seiten, aber auch die glasklaren Vocals von Jan Listing sind ein weiteres Highlight. Es gibt keine Ausfälle, es reiht sich Hit an Hit, alleine die komplette erste Albumhälfte verströmt eine enorme Energie, die einem fast Angst machen kann, daher vermutlich der Albumtitel. Ein sehr bekräftigendes, beeindruckendes Werk!

Einen sehr positiven Eindruck hat auch OPETH mit "The Last Will And Testament" hinterlassen. Die Growls sind zurück, aber auch das Songwriting à la "Ghost Reveries" oder "Watershed" erstrahlt wieder in seinem vollen Prog-Glanz. Ohne das geschmackvolle Schlagzeugspiel von Neuzugang Waltteri Väyrynen wäre das Ganze aber nur halb so toll ganz große Kunst! Der erste Preis für "Schlagzeug-Performance des Jahres" ist damit klar. Was mir auch sehr gefällt, ist die Aufmachung, die Lyrics in Form des Testaments abzudrucken liegt zwar nahe, ist aber gut umgesetzt. Zudem wächst das Album mit jedem Spin, die Puzzleteile fügen sich nach und nach besser zusammen. Was aber bleibt: "The Last Will And Testament" funktioniert nur als Block, einzeln zünden die Songs für mich nicht so gut. Als ob man einen Film mittendrin anfangen würde. Von daher frage ich mich schon, wie die Live-Umsetzung geschehen soll, aber da lassen sich die Schweden bestimmt was Gutes einfallen.

Wir bleiben in Skandinavien, genauer in Dänemark, und hören VOLAs "Friend Of A Phantom". Auch wenn das Album etwas zu kurz geraten ist, zeigt die Band einmal mehr, wie einzigartig ihre Musik klingt, was man ab dem ersten Ton erkennen kann. Irgendwo zwischen TESSERACT und VOYAGER kann man die Musik grob einordnen, eine moderne, aber auch verträumte Melange mit einer ordentlichen Portion Groove und Melodie.

Musikalisch entfernen wir uns auch beim nächsten Interpreten mit den "Melodies Of Atonement" nicht allzu weit weg. Klar, die Rede ist von LEPROUS. Ähnlich wie VOLA, aber doch ganz anders, ist die Band auch anhand ihres Sängers Einar Solberg sofort erkennbar. Die Norweger sind längst kein Geheimtipp mehr und gehören mit Album Nummer acht (bzw. Nummer neun, wenn man "Aeolia" mitzählt) fest zur Prog-Szene. Ich war total euphorisiert, nachdem ich die ersten drei Vorab-Singles gehört hatte, so heavy klang LEPROUS schon länger nicht mehr. In der Tat war ich dann etwas ernüchtert, als ich realisierte, dass man das "Pulver" an härteren Tracks bereits verschossen hatte. Doch LEPROUS funktioniert auch sehr gut ganz aufgeräumt und minimalistisch, weshalb auch das Album zurecht in meinem Top-10 steht.

Jetzt wird es extremer, mit FLESHGOD APOCALYPSE zieht der Symphonic Death Metal ein. Nachdem Schlagzeuger Francesco Paoli wieder an seine Ursprungsposition hinter dem Mikrofon bereits mit dem letzten Album zurückgekehrt war und Eugene Rabychenko die vakante (und verdammt heftige) Stelle übernahm, ist nun die größte Neuerung, dass die bisherige Background-Sängerin Veronica Bordacchini in den Vordergrund tritt und eine omnipräsente Rolle einnimmt, sei es solo, im Duett oder im Refrain, (die es in dieser "konventionellen" Art auch noch nicht gab). Das funktioniert zwar nicht immer gut, dennoch unterhält das Album formidabel und der Band muss viel Mut attestiert werden, sich immer wieder neu zu erfinden und dennoch nach FLESHGOD APOCALYPSE zu klingen.

Prog und Australien: Wenn diese beide Zutaten alleine stimmen, kann in der Regel nicht mehr viel schief gehen. So auch bei CALIGULA'S HORSE. "Charcoal Grace" lief gerade erst wieder und erneut fällt mir auf, was es außer dem tollen Songwriting und dem gefühlvollen Gesang ausmacht: die Gitarrensoli! Wirklich jedes Solo ist wie eine Explosion, so intensiv wird es inszeniert. Ich habe außerdem einen würdigen Nachfolger in punkto Heaviness und Progressivität des Frühwerks "The Tide, The Thief & River's End" bekommen und habe es in der Gruppentherapie als bisher bestes Album der Australier getauft. Zurecht!

Sooo, nun zum zehnten Platz. Ich musste etwas überlegen, habe aber schließlich ein Album gewählt, dass mich in den Sommermonaten gut unterhalten konnte, genau genommen ist es ein Coveralbum: APOCALYPTICAs "Plays Metallica Vol. 2". Bereits der erste Teil konnte mich Ende der 90er faszinieren, auch die über die Jahrzehnte folgenden METALLICA-Coverversionen  waren stets spannend. Mit dem nun vorliegenden Nachfolger legen die Finnen aber nochmal einen drauf und erschaffen aus neun METALLICA-Songs durch neue Arrangements quasi eigene Versionen, ohne jedoch den Kern des Songs aus den Augen zu verlieren. Mein Highlight ist einer der eher unbeliebten Tracks der Amerikaner: was APOCALYPTICA aus 'St. Anger' gemacht hat, ist mal richtig cool. Hinzu kommt eine cineastische Version von 'One', in der sogar James Hetfield selbst einflog, um den Text nicht zu singen, sondern zu sprechen. Die Umsetzung kam nicht bei allen gut an, ich finde sie gelungen, hatte und habe aber andere Kritikpunkte am Album (siehe Reviewlink unten). Dennoch: wer selbst den beinharten METALLICA-Fan überraschen und begeistern kann, hat vieles richtig gemacht.

Ehrlich gesagt, variieren die nächsten fünf Plätze noch ganz schön untereinander, aber wie alles Subjektive ist auch diese Liste nur eine Momentaufnahme. Ich war nie ein großer LINKIN PARK-Hörer, besitze kein Album und habe bisher auch kein Album bewusst durchgehört. Der letzte Punkt sollte sich mit Release von "From Zero" ändern, so rotierte das Album des Öfteren, zumindest digital. Es reihen sich quasi Hits an Hits mit dem tollen Ohrwurm 'The Emptiness Machine' der quasi über allem thront. Aber auch 'Heavy Is The Crown' oder 'Two Faced' sind durchaus eingängig, machen Spaß und sind einfach gut komponiert.

Traditioneller, dennoch nicht altbacken wird es mit BRUCE DICKINSON, der mit "The Mandrake Project" ein tolles Solo-Album veröffentlicht hat. 'Rain On The Graves', 'Eternity Has Failed' und 'Face In The Mirror' konnten mich nachhaltig begeistern.

Den nächsten Titel hätte ich selbst in den Top 10 erwartet, aber "Phenomena II" von WITHIN THE RUINS konnte mich diesmal nicht so begeistern wie der Vorgänger. Breakdowns und Gefrickel geben sich die Klinke, hinzu gesellen sich, wie beim ersten Teil, Lyrics über Superhelden von Marvel und Co. Aber Platz 13 ist aufs Jahr gesehen mitnichten ein schlechter Platz.

MOON SHOT hat mit "Metal" eigentlich bis auf die Besetzung des CHILDREN OF BODOM-Bassisten nichts am Hut. Geboten wird eingängiger, aber tiefgründiger Alternative-Rock, der es mir vor allem mit dem Hit 'Yes!' angetan hat. Ein unglaublich positiver und bekräftigender Song mit schöner Botschaft.

Abgerundet werden meine "Perlen" mit nochmal ganz gegensätzlicher Musik und zwar der Death-Metal-Supergroup VLTIMAS um Gitarrist Rune "Blasphemer" Eriksen (ex-MAYHEM, AURA NOIR), Sänger David Vincent (ex-MORBID ANGEL) und CRYPTOPSYs Flo Mounier am Schlagzeug. Mit "Epic" wurde ein  ehrwürdiger Nachfolger zum starken Debüt geliefert, das vor allem durch den starken Spielcharakter der Protagonisten geprägt ist und durch und durch eigenständig überzeugt.

Außer bei HELGE SCHNEIDER war ich abgesehen von meinen eigenen Konzerten leider auf keinem anderen Gig. Das wird sich 2025 aber definitiv ändern, da ich bereits für DREAM THEATER Karten habe. Die Reunion mit Mike Portnoy ist eines der größten Highlights für mich, daher ist auch folgerichtig der vorab veröffentlichte Song 'Night Terror' vom Album "Parasomnia", das im Februar veröffentlicht wird, mein meistgehörter Song 2024.

Im Stream hat mich dafür erneut MESHUGGAH mit der Show auf dem Summer Breeze 2024 in den Bann gezogen, aber auch METALLICA konnte mich wieder gut mit der Setlist auf der Charity-Show "Helping Hands" überraschen (ich sag nur 'The Shortest Straw'!) und die ersten Shows von DREAM THEATER auf der Tour zum 40-jährigen Jubiläum habe ich stets begeistert verfolgt.

Auf POWERMETAL.de wurden viele gute Artikel veröffentlicht, der GENESIS-Diskografie-Check war dabei ein I-Tüpfelchen, da er es zusammen mit dem Interview mit PHIL COLLINS auf dem YouTube-Schlagzeug-Kanal "Drumeo" geschafft hat, dass ich mich endlich mit den Frühwerken von GENESIS auseinandergesetzt habe.

Hier nochmal meine Top 15 aus 2024 in tabellarischer Form. Ein Klick auf den Albumnamen führt zur jeweiligen Rezension:

Rang

Band Album
01. SEVEN HOURS AFTER VIOLET
Seven Hours After Violet
02. THE OFFSPRING
Supercharged
03. DEVIN TOWNSEND
PowerNerd
04. CHAOSBAY
Are You Afraid?
05. OPETH
The Last Will And Testament
06. VOLA
Friend Of A Phantom
07. LEPROUS
Melodies Of Atonement
08. FLESHGOD APOCALYPSE
Opera
09. CALIGULA'S HORSE
Charcoal Grace
10. APOCALYPTCA
Plays Metallica Vol. 2
11. LINKIN PARK
From Zero
12. BRUCE DICKINSON
The Mandrake Project
13. WITHIN THE RUINS
Phenomena II
14. MOON SHOT
The Power
15. VLTIMAS
Epic

Redakteur:
Jakob Ehmke

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