Perlen der Redaktion: Jakob Schnapps Highlights 2019
09.01.2020 | 11:22Ein Jahr mit rauchlosen Feuern und feuerlosem Rauch.
Im zurückliegenden Jahr haben einige Alben das Licht der Welt erblickt, die ich nicht nur einfach sehr gut finde, sondern die mir auf die eine oder andere Weise persönlich viel bedeuten. Insofern ein Unterschied zu 2018, dem ich insgesamt eine höhere Qualität attestiere, wobei die emotionalen Höhepunkte etwas fehlten. Aber richten wir den Blick nun wieder auf die letzten zwölf Monate und vor allem die großartige Musik, die in dieser Zeit veröffentlicht wurde.
Mit großem Abstand an der Spitze befindet sich das zweite Album von LUNAR SHADOW. Ich bleibe dabei, was ich in meiner Rezension zu Beginn des Jahres gesagt habe: "The Smokeless Fires" ist einfach ein Jahrtausendwerk. Im Grunde ist meine Bewunderung für diese 44 Minuten pure Emotionalität nur noch gewachsen. Selbst die Lieder, die ich nach den ersten Hördurchläufen "nur" sehr gut fand, namentlich 'Pretend' und 'Red Nails', halte ich nun für perfekt. Der Rest ist es fraglos ohnehin. Alles, wirklich alles an diesem Album, von der Produktion über den Gesang bis hin zu den einzelnen Instrumenten und natürlich den Kompositionen selbst ist einfach eine Offenbarung. Die Fähigkeit, so viel Kraft, Hoffnung und Trost im und durch das Negative zu erwecken, besitzt in dieser Form für mich keine andere Band. Und dass mit 'Roses' ein kleiner (ach was, großartiger) Hit enthalten ist, der den Jungs hoffentlich noch mehr Beachtung einbringt, ist dem genialen Komponisten Max "Savage" Birbaum so dermaßen zu gönnen.
Ein Album von ATLANTEAN KODEX und dann nur Platz zwei? Nun, das liegt wahrlich nicht an der Schwäche von "The Course Of Empire", als vielmehr an der Stärke des Erstplatzierten. Denn das dritte Album der Oberpfälzer um Manuel Trummer ist - wie zu erwarten war - enorm gut geworden. Zwar fehlen im Vergleich zum Vorgänger (eine gewisse Überbeanspruchung des Wortes "Jahrtausendwerk" drängt sich auf) die ganz großen Hits wie 'Twelve Stars' und 'Sol Invictus', aber insgesamt erscheint mir die neueste Veröffentlichung etwas pointierter und deshalb abwechslungsreicher. Alle zehn Kompositionen sind qualitativ ungefähr auf einer Ebene, wobei kein Lied wirklich heraussticht. Rein handwerklich ist die Band nochmal um einige Stufen gewachsen, emotional (für mich) leider nicht, wobei das auch kaum möglich war. Dennoch: ein unglaublich intensives und mit großer Liebe fürs Detail geschaffenes Album!
Die Band von Platz drei habe ich, bevor ich auch nur einen Ton auf Platte gehört hatte, live auf dem KEEP IT TRUE gesehen. Kollege Jhonny war voll des Lobes über die Amerikaner und so hatte ich durchaus gewisse Erwartungen. Die wurden aber aufs Heftigste enttäuscht. Der Sänger hatte scheinbar keinen Bock auf das Konzert, die Kompositionen oder den Stil der Band habe ich überhaupt nicht verstanden und dann war es auch noch sehr früh am Tag, was irgendwie auch nicht zu IDLE HANDS gepasst hat. Später habe ich dann im Zuge einer Gruppentherapie das Album "Mana" bewusst und mehrmals gehört und war sehr angetan. Ein Gefühl, das mittlerweile einer Begeisterung Platz gemacht hat. Die Mischung aus Heavy Metal, Gothic und Poppigkeit besticht einfach. Und auch wenn es auf dem KIT vielleicht nicht der beste Auftritt der Band war, ich würde ihn zu gern noch einmal erleben.
AVANTASIA mag nach den ersten Plätzen durchaus überraschen, aber "Moonglow" kann mit seiner feinen englisch-romantischen Gruselatmosphäre durchaus überzeugen. Irgendwie bin ich jedes Mal wieder überrascht, wenn Tobias Sammet ein so dermaßen gutes Album veröffentlicht, auch wenn das durchaus nicht selten vorkommt. "New Organon" von THE LORD WEIRD SLOUGH FEG habe ich eigentlich nur zusätzlich eingepackt, als ich bei Cruz Del Sur bestellt habe (Ihr dürft gerne raten, was der Hauptgrund war, ich sag nur Jahrtausendalbum!). Zwar kannte und schätzte ich die Band, habe mir aber nicht viel erwartet. Nun, ich irrte. Das Album klingt so modern, wie es ein THE LORD WEIRD SLOUGH FEG-Output nur tun kann (oder darf) und knüpft dabei auf schöne Weise an frühere Glanztaten an. Ähnliches, fast gleiches, gilt für "Wars In The Unknown" von TWISTED TOWER DIRE, wobei ich diesem Album noch nicht ganz gerecht wurde. Auf diese Problematik werde ich später aber nochmal eingehen. CHEVALIER hingegen steht für rumpeligen Dungeon-Sound, und den bekommt man auf "Destiny Calls" auch geliefert. Auch haben die Finnen zumindest in den einschlägigen Untergrund-Medien ja durchaus Beachtung gefunden.
Wie das bei ANTIGONE'S FATE und dem Album "Zum Horizont" ist, weiß ich nicht. Ich jedenfalls bin ein Fan dieses atmosphärischen Black-Metal-Ein-Mann-Projekts, das mittlerweile bereits zwei Alben veröffentlicht hat. Der Grund sind die tollen Melodien und die unprätentiöse Attitüde. Wir bleiben bei Black Metal: "Daemon" von MAYHEM hat wohl auch die meisten Fans überrascht. Wer ein wirklich gutes neues Schwarzmetall-Album sucht, das dennoch weit vom Präfix "Post" entfernt ist, wird hier glücklich.
Jean-Pierre Aboud dürfte in vielen Bewertungen zu TRAVELER als Grund für die Qualität genannt werden, er ist aber nicht die einzige Zutat, die "Traveler" zu einem klasse Album macht. Auch die Songs an sich gehen gut ins Ohr und versprühen Energie. Das ist einfach stimmig und damit gut.
Hier kommt das gerade noch unterschlagene "Post" zum Black Metal: DOWNFALL OF GAIA. Welcher Stil es denn nun genau ist, der auf "Ethic Of Radical Finitude" dargeboten wird, ist mir letztlich auch egal, Fakt ist, dass mir die Band nie zuvor so gut gefallen hat wie hier.
Wem TRAVELER gefällt und wer generell auf eine Mischung aus schnellem Heavy Metal und gutem Hardrock steht, wird bei NIGHTFYRE fündig. Die Münsteraner bieten auf "From Fortune To Ruin" genau diese energetische Spielart.
Die nun folgenden Alben sind sicher keine Meisterwerke und nur deshalb in dieser Liste zu finden, weil sie sonst nicht vollständig wäre. Aus meiner Sicht halte ich diese Erwartung auch für illusorisch. Nicht, dass nicht innerhalb eines Jahres zwanzig sehr gute Alben erscheinen könnten, das möchte ich gar nicht in Abrede stellen. Aber ich kann das im Erscheinungsjahr eben nicht erfassen. Auch hier sei angemerkt, dass es durchaus Kollegen gibt, die das bewerkstelligen können, keine Frage. Für mich funktioniert das aber nicht. So werden ich in den nächsten Jahren wohl noch so einige 2019er Alben für mich entdecken, wie etwa die aktuelle RIOT CITY, die mir aller Voraussicht nach gut gefallen dürfte.
Gut, Exkurs beendet, wir wenden uns nun CELTAURO zu, hier bekommt man iberischen Folk in Verbindung mit Melodic Metal, was überwiegend wirklich gut gemacht und unterhaltsam ist. MONASTERIUM hingegen liefert eher traditionellen Doom Metal ab. Nett, aber auf diesem Gebiet gibt es so viele geniale Bands. Die Herren von OVERKILL haben mit ihrer gefühlt 93. Veröffentlichung sehr solide Arbeit geleistet, eine (fast) durchgängig so hohe Qualität nötigt mir schon Respekt ab. Aber keine Begeisterung. Bei AVAVAGO, KINGDOM OF BLOOD, THE BLACK MORIAH und ARCTOS wird, grob gesagt, Black Metal serviert, der mal thrashiger, mal todesmetallischer daherkommt. Alles ordentlich gemacht, hat alles seine Momente, aber nichts für die Ewigkeit oder auch nur etwas für das nächste Jahr. Und die Italiener AEXYLIUM spielen auf "Tales From This Land" zwar latent kitschigen Melodic Folk Metal, haben mit dem Lied 'Radagast' aber einen kleinen Hit im Gepäck.
Live war für mich dieses Jahr neben einem soliden KEEP IT TRUE vor allem das STORMCHRUSHER FESTIVAL bedeutend, wo mich sowohl ATLANTEAN KODEX als auch ULI JON ROTH und NECROS CHRISTOS begeistert haben. AVANTASIA live ist aufgrund der Gastsänger auch immer ein Erlebnis.
Ansonsten hat mich die Rückschau auf die Werke von BLIND GUARDIAN sehr unterhalten, die ich mit meinem Kollegen Jhonny erstellen durfte.
Zudem habe ich Ernie Fleetenkiekers Krachmucker TV kennen und schätzen gelernt und möchte diesbezüglich noch auf ein Anliegen eingehen, das auch er in letzter Zeit häufiger anspricht, und das zumindest bei mir viel zu kurz kommt: das bewusste Hören von Musik. Wenn ich 2020 einen Jahresvorsatz habe, dann Musik nicht nur nebenbei zu konsumieren, sondern ihr den Stellenwert beizumessen, den sie verdient hat. Denn genau dabei trennt sich dann die Spreu vom Weizen, also, um endlich meinen Einleitungstext aufzulösen, die rauchlosen Feuer vom feuerlosen Rauch. Denn noch immer - und das ist jetzt durchaus subjektiv zu verstehen - gibt es viel zu viel rein generische Fließbandmusik, die den Markt überschwemmt. Wer damit glücklich wird, gerne, ich möchte mich in Zukunft aber vermehrt mit Musik auseinandersetzen, die vielleicht auf den ersten Blick wenig spektakulär wirkt (kein Rauch, you know...), unter deren Oberfläche aber ganze Universen zu entdecken sind.
In diesem Sinne, hier meine Top-20-Liste:
Rang | Band | Album |
1. | Lunar Shadow | The Smokeless Fires |
2. | Atlantean Kodex | The Course Of Empire |
3. | Idle Hands | Mana |
4. | Avantasia | Moonglow |
5. | The Lord Weird Slough Feg |
New Organon |
6. | Twisted Tower Dire | Wars In The Unknown |
7. | Chevalier | Destiny Calls |
8. | Antigone's Fate | Zum Horizont |
9. | Mayhem | Daemon |
10. | Traveler | Traveler |
11. | Downfall Of Gaia | Ethic Of Radical Finitude |
12. | Nightfyre |
From Fortune To Ruin |
13. | Celtauro |
Origen |
14. | Monasterium |
Church Of Bones |
15. | Overkill |
The Wings Of War |
16. | Avavago |
Tyrant |
17. | Kingdom Of Blood |
Anthropocene |
18. | The Black Moriah |
Road Agents Of The Blast Furnace |
19. | Arctos |
Beyond The Grasp Of Mortal Hands |
20. | Aexylium |
Tales From This Land |
- Redakteur:
- Jakob Schnapp