Perlen der Redaktion: Jens Wilkens' Highlights 2023

04.01.2024 | 10:18

Ist es ein musikalisch enttäuschendes Jahr, wenn die Höchstnote nicht vergeben werden kann? Angesichts der vielen starken Veröffentlichungen in diesem Jahr sollte dieser Umstand nicht ausschlaggebend für die Bewertung des gesamten Outputs im Bereich von Hard Rock und Heavy Metal sein. Denn es gab eine Menge Perlen in 2023.

 

Platz 1: SARAYASIGN "The Lion's Road"

Gerade das Album, das sich ganz oben auf dem Treppchen platzieren konnte, ist der Beweis dafür, dass man denkbar knapp an der Zehn scheitern und dennoch in jeder Hinsicht ein herausragendes Werk vorlegen kann. Die Rede ist von den Schweden von SARAYASIGN, die mit "The Lion's Road" ein emotionales, kompositorisch überragendes und gesanglich unvergleichliches Zweitwerk abgeliefert haben. Diese Band hat definitiv mehr Aufmerksamkeit verdient! Es gehört schon einiges dazu, sich in dieser bärenstarken skandinavischen Phalanx bis zum Jahresende auf der Eins zu behaupten. Jeder Song ist ein Traum, aber 'A Way Back', 'The Lion's Road' und 'Love Will Burn' waren von Anfang an meine besonderen Lieblinge und so ist es bis heute geblieben. Der Nachfolger ist bereits in Arbeit, und da kann einem angst und bange werden, sollten die Schweden nochmal in der Lage sein sich zu steigern.

 

Platz 2: SPIDERGAWD "VII"

Das zweitplatzierte Album erschien zwar spät in diesem Jahr, konnte aber auf Anhieb bis auf SARAYASIGN alle anderen Veröffentlichungen mit fantastischen Songs wie 'Sands Of Time' und 'The Tower' sowie mit in wärmende Klänge umgewandelter Energie hinter sich lassen. Die Norweger SPIDERGAWD sind auf "VII" so stark wie vielleicht nie zuvor. Noch dazu sind sie geschmackssicher, denn das Artwork von Émile Morel ist mir in diesem Jahr das liebste von allen Veröffentlichungen. Besonders die Vinyl-Ausgabe von "VII" ist ein echtes Schmuckstück, der auch noch ein Poster, die CD und eine 7‘‘ beiliegen. Anders als auf dem Download ist das Saxofon auch gut herauszuhören. Pures Glück!

 

Platz 3: COURSE OF FATE "Somnium"

Auch Platz drei geht mit "Somnium" von COURSE OF FATE an Norwegen. Kein anderes Progressive-Metal-Album in diesem Jahr hat mich so sehr fasziniert wie das Zweitwerk des Sextetts. War schon von Anfang an Interesse für das Songmaterial da, so hat sich "Somnium" über die Monate zu einem heißgeliebten Dauerkandidaten in meinem CD-Player gemausert. Diese erhabenen Gesangslinien, die präzise Produktion, gekonnt eingesetzte Akustik-Breaks und die raffinierten Songstrukturen haben es in sich. Und so manches Solo zwingt mich nach wie vor in die Knie. COURSE OF FATE hat auf "Somnium" eindrucksvoll bewiesen, dass Progressive Metal nicht verkopft klingen muss, sondern hochemotional sein kann.

 

Platz 4: Lars Fredrik Frøislie "Fire Foretellinger"

Was Lars Fredrik Frøislie, Keyboarder der norwegischen Progger WOBBLER, auf "Fire Foretellinger" zelebriert, ist eine Verbeugung vor dem Prog der 70er und erreicht mühelos das Niveau der besten Scheiben in diesem Genre. Mein CD-Player verlangt immer wieder nach den vier Tracks, da ihm der Sound so gut gefällt. Das 17-minütige 'Rytter Av Dommedag' enthält so viele fantastische kompositorische Kniffe und großartige Keyboard-Sounds, dass es eine reine Freude ist. Aber auch die anderen drei Stücke können sich absolut hören lassen. Bei jedem Spin ist die Begeisterung sofort wieder da. Das Sahnehäubchen sind die norwegischen Texte. Bitte bald Nachschlag!

 

Platz 5: FLIGHT "Echoes Of Journeys Past"

So, wir wechseln mal eben das Genre, bleiben aber im Land der Fjorde. Kaum ein Album lief in diesem Jahr so oft wie "Echoes Of Journeys Past" der Vintage Rocker und Traditionsmetaller FLIGHT. In der Tat meint man abzuheben und in Hochstimmung zu geraten, wenn die sieben Tracks aus den Boxen tönen. Selten hat eine elektrische Gitarre so herzerfrischend geklungen. Klasse ist, dass FLIGHT den Songs die Zeit gibt, sich zu entwickeln und sie nicht zu gestrafft präsentiert. "Echoes Of Journeys Past" ist eine pure Seelenmassage. Gute Laune ist garantiert. Anspieltipps: 'Comet Of Gold' und 'Mystic Mountain'.

 

Platz 6: WINGS OF STEEL "Gates Of Twilight"

Nun verlassen wir zunächst einmal Skandinavien und wenden uns den USA zu. Würde WINGS OF STEEL lupenreinen US Metal spielen, wie ihn mehrere Tracks auf "Gates Of Twilight" wie beispielsweise 'Liar In Love', das alles überragende 'Fall In Line' oder der Titeltrack bieten, käme durchaus die Höchstnote in Betracht. Aber den Jungs aus der Stadt der Engel gefällt eben auch klassischer Hard Rock sehr gut, was man ihnen noch nicht einmal verübeln kann. Leo Unnermarks klarer Gesang ist im Genre US Metal aktuell wohl nicht zu übertreffen. Die Kalifornier möchte ich unbedingt einmal live hören.

 

Platz 7: BLOOD STAR "First Sighting"

Wir bleiben im Land der unbegrenzten Möglichkeiten und reisen in die Stadt der Mormonen, nach Salt Lake City. War das Debüt von BLOOD STAR zum Erscheinungstermin im April noch ein Kandidat für den Jahresthron, ist der Enthusiasmus mittlerweile ein ganz klein wenig abgekühlt. Aber für die Top Ten reicht es dennoch ganz locker, was vor allem an der großartigen Sängerin Madeline Michelle liegt, die zu den ganz großen Entdeckungen der letzten Jahre zählt. Einige Hymnen zwischen Hard Rock und Heavy Metal hat "First Sighting" natürlich auch zu bieten.

 

Platz 8: SHADOWS "Out For Blood"

Es geht nun etwas weiter in den Süden, denn zu den Neuentdeckungen 2023 zählt für mich ganz klar das finstere Debütalbum "Out For Blood" von SHADOWS. Die Chilenen spielen okkulten Heavy Metal, der gleichzeitig an MERCYFUL FATE und an GHOST erinnert. Wie es sich gehört, spielt die Atmosphäre eine sehr große Rolle. Es passt alles: der durch Effekte leicht verfremdete Gesang mit manchmal dämonisch-garstigem Geraune, Gitarren, Songs, Produktion, Artwork. Wer fährt hier mit dem Zweispänner vor: der Ripper oder der werte Graf aus Transsylvanien?

 

Platz 9: TYRANN "Besatt"

Das schwedische Powertrio TYRANN ist ein Phänomen. Alle Songs, die es bisher rausgebracht hat, zünden praktisch von Beginn an. Die Kombination aus Rotzigkeit, Eingängigkeit und positiver Energie sucht ihresgleichen. Nach wenigen Sekunden ist bereits herauszuhören, dass es sich um ein Stück von TYRANN handelt. Die schwedischen Texte spielen gerne mal mit Klischees aus dem Heavy Metal, aber sie werden mit großer Überzeugungskraft vorgetragen. "Besatt" ist genauso gut wie das Debüt "Djävulens Musik" und umfasst wie dieses acht Songs. Das einzige Manko auf beiden Platten: Sie sind sehr kurz und kommen nicht einmal auf 30 Minuten Spielzeit. Aber dafür wird auch ausschließlich Heavy Metal der Extraklasse geboten, der zum Mitsingen animiert.

 

Platz 10: MEGATON SWORD "Might & Power"

Die Schweizer Epic Metaller MEGATON SWORD konnten mich schon mit ihrem Erstling "Blood Hails Steel – Steel Hails Fire" begeistern. Mit dem aktuellen Werk "Might & Power", das etwas seltener gelaufen ist als das Debüt, zementieren die Gewaltigen aus dem Fantasiereich Niralet ihren Status als eine der besten Epic-Metal-Bands in Europa. Songs, an die man sich erinnert, große Spielfreude und eine Portion Verschrobenheit sorgen für einen Platz unter den zehn besten Scheiben in diesem Jahr.

 

Da WINGS OF STEEL und BLOOD STAR zuvor schon mit einer EP beziehungsweise Singles am Start waren, würde ich sie jetzt nicht unbedingt als Newcomer titulieren. Deshalb würde ich neben SHADOWS noch unbedingt AMETHYST aus der Schweiz mit der EP "Rock Knights" als interessanteste Neuentdeckung in diesem Jahr nennen wollen. Die vier Songs sind der NWoBHM verpflichtet und transportieren den Spirit dieser Phase mit viel Leidenschaft in die Jetztzeit. Erfreut hat mich auch FIRMAMENT aus Leipzig, und das sowohl mit dem Longplayer "We Don't Rise We Just Fall" als auch mit der Split-EP "Gathered Under Open Skies", auf der auch MIDNIGHT PREY aus Hamburg vertreten ist. Ach ja, und nicht zu vergessen das formidable "Order Of The Mist" von HYLDR aus Belgien, das mich fast das ganze Jahr über begleitet hat. Der Song 'Heart Of Soil' ist auch nach vielen Monaten jedes Mal ein Garant für eine Gänsehaut de luxe.

Viel Freude gemacht hat mir Melodisches von CARE OF NIGHT, HOUSE OF SHAKIRA, HOUSTON, MECCA, RIAN, WINGER, Traditionelles von AIR RAID, JAG PANZER, KERRIGAN, SIREN, TAILGUNNER, TANITH und WYTCH HAZEL, Progressives von HEX A.D., ICE AGE, OK GOODNIGHT, PENDRAGON, SEVEN IMPALE, SUBSIGNAL und Ray Alder, Doomiges von THE GRIEF, NINE ALTARS, STYGIAN FAIR und THRONEHAMMER, Psychedelisches von MOUTH, SVARTANATT und THE SUN OR THE MOON sowie Extremes von SULPHUR AEON. Dass sich WYTCH HAZEL mit "IV: Sacrament" nicht unter den besten zehn Langspielern platzieren konnte, war für mich als großer Fan der Briten eine Überraschung, zumal ich den Vorgänger für das beste Album der letzten zwanzig Jahre halte.

Die Vorfreude auf die neue CHAPEL OF DISEASE lässt die Spannung für das kommende Jahr übrigens schon kräftig steigen.

 

Rang

Band Album
01. SARAYASIGN
The Lion's Road
02. SPIDERGAWD
VII
03. COURSE OF FATE
Somnium
04. Lars Fredrik Frøislie Fire Fortellinger
05. FLIGHT
Echoes Of Journeys Past
06. WINGS OF STEEL
Gates Of Twilight
07. BLOOD STAR
First Sighting
08. SHADOWS
Out For Blood
09. TYRANN
Besatt
10. MEGATON SWORD
Might & Power
11. TANITH
Voyage
12. HYLDR
Order Of The Mist
13. WYTCH HAZEL
IV: Sacrament
14. HOUSTON
Relaunch III
15. SULPHUR AEON
Seven Crowns And Seven Seals
16. NINE ALTARS
The Eternal Penance
17. TAILGUNNER
Guns For Hire
18. KERRIGAN
Bloodmoon
19. WINGER
Seven
20. SIREN
A Mercenary's Fate

 

Redakteur:
Jens Wilkens
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