Perlen der Redaktion: Kenneth Thiessens Highlights 2022

14.01.2023 | 19:42

2022 war das erste komplette Jahr, in dem ich mich intensiv mit dem Metal beschäftigte und so habe ich keinen Vergleich zu vorigen Jahren, kann aber sagen, dass es in diesem Jahr Massen an guten Veröffentlichungen, aber auch ein paar sehr gute und und umwerfende Alben gab, wobei da zudem die Schwierigkeit bestand, sich auf 20 Alben für das Ranking zu beschränken. Eine Rückschau auf das vergangene Metaljahr:

 

Beginnen möchte ich aber zunächst mit einem großen Dankeschön an die ganze Redaktion, die mir den Einstieg und das Einleben in selbige so einfach wie es nur möglich war, gemacht hat. Im Januar 2023 geht mein erstes Jahr als Mitarbeiter hier zu Ende und ich kann mich nicht entsinnen, einmal bereut zu haben, mich hier beworben zu haben. Vielen Dank nochmal!

Als die Zeichen sich im Herbst '21 immer mehr verdichteten, dass ein etwaiges Album von MEGADETH erst im Jahr 2022 erscheinen würde, war mir eigentlich schon klar, dass dieses in einer Top 20 auf jeden Fall auftauchen würde, wenn nicht sogar diese anführen würde. Die Kalifornier haben meine Faszination für Metal erst ausgelöst und so fieberte ich "The Sick, The Dying...And The Dead" wie keiner anderen Veröffentlichung in diesem Jahr entgegen. Es war zudem das einzige Album in diesem Jahr, das ich zum VÖ-Tag im Regal stehen hatte. Doch dem allen zum Trotz konnten zwei Alben mich doch noch mehr überzeugen oder mich berühren. Die deutschen Kult-Thrasher TANKARD und die amerikanische Metalcore/Alternative-Metal-Institution DEMON HUNTER mit ihren Werken "Pavlov's Dawgs" und "Exile" stehen auf den ersten beiden Plätzen und und dabei dürfen sich Zweitere die Goldmedaille umhängen. Auch wenn "Exile" in meinem Review nur sieben von zehn Punkten abbekam, überwiegen die Hits des Albums für mich letztendlich jeden Fehler oder jede Unstimmigkeit, die sonst auf dem Album verbrochen wurde. Dabei berührt mich das Material emotional dermaßen, dass man wie so oft jede Objektivität außen vor lässt. Von Außen ist die Begeisterung wohl schwer nachzuvollziehen, jedoch gehört DEMON HUNTER zu meinen absoluten Herzensbands und da muss das einfach sein. 'Heaven Don’t Cry', 'Another Place' und 'Along The Way' gehören für mich alle mindestens zu den zehn besten Songs des vergangenen Jahres. Auf die pavlovschen Hunde auf der anderen Seite habe ich, nachdem ich mich ein paar Monate zuvor zum ersten Mal intensiv mit TANKARD beschäftigte, auch gewartet und so war es dann ein angenehmer Zufall, dass ich das Album zu redaktionellen Zwecken schon früher hören könnte. In seiner Homogenität und seinem durchgehend hohen und mitreißenden Niveau konnte mich das Album dann überwältigen. Auch die Tatsache, dass mir über die 55 Minuten Laufzeit über einige Durchläufe nie langweilig wurde, spricht für die Qualität. Gerade das Schlussfeuerwerk aus den letzten vier Songs ('Metal Cash Machine', 'Dark Self Intruder', 'Lockdown Forever' und 'On The Day I Die') beweist, dass den Frankfurtern im eingängig-melodischen Thrash Metal keiner etwas vormacht.

Das Treppchen ist nun besetzt. Kommen wir zum Rest, der dem Dreigespann in Qualität in nicht viel nachsteht. FIUR ist da mit dem fast dreistündigen Epos "Imperium" zuerst zu nennen, da auch dieses Album für mich wie ein "Nach-Hause-Kommen" war, da dieses Projekt eine essenzielle Rolle in meiner Metalsozialisation inne hat. Dieser Verbund der Schroffheit des Black Metal, der Schönheit der Naturlyrik und des epischen und melodischen Moments der folkigen Leadgitarrenmelodien ergeben für mich ein perfektes Album. Es geht mit den Progressive Rockern namens HÄLLAS nun etwas gemächlicher zu. Doch eine ähnliche Melodik wie bei FIUR kann vernommen werden. 'The Wind Carries The Word' fasst die Genialität der Schweden in einem kleinen Longtrack zusammen und lässt das Album in einer Ekstase enden. HÄLLAS und HOT BREATH in familiärer Atmosphäre in einer kleinen Location sehen zu dürfen, war ein ganz besonderes Konzerterlebnis. Auf Platz sechs und sieben folgen zwei schwedische Urgesteine des Black Metal. Einmal DARK FUNERAL, wobei das Werk "We Are The Apocalypse" gerade zum Ende des Jahres stark gewachsen ist und seine volle Wirkung entfalten konnte. Auch wenn der Vorgänger stärker war, kommt das aktuelle Album nah an das Niveau heran und Heljarmadar zementiert hier seinen Status als zurzeit bester Black-Metal-Sänger. Zum anderen konnte "Rapture" von LORD BELIAL schneller zünden, darf in der Endabrechnung aber hinter den Landsmännern Platz nehmen. Hits haben beide Alben zur Genüge, hier seien nur die apokalyptischen 'When I'm Gone' und 'Let The Devil In' und die entrückenden 'Lux Luciferi' und 'Infinite Darkness And Death' genannt. Weiter geht es in Schweden mit einem der meisterwartetsten und meistbesprochenen Alben des Jahres - nämlich das aktuelle Theaterstück der Puppenspieler von GHOST. Das sich irgendwo zwischen Stadionhymnen, Kuschelrock und Traditionsstahl bewegende Album kann vor allem eines: mitreißen; und das über die volle Länge von einer knappen Dreiviertelstunde. 'Call Me Little Sunshine' wurde zurecht für die Kategorie "Bester Metal-Song 2022" nominiert. Das letzte Album in meinem Ranking, das auch aus Schweden kommt, wurde von ARCH ENEMY veröffentlicht. "Deceivers" macht von der ersten Sekunde an Spaß, ist genügend brutal, hat aber auch ordentlich Melodien, die einen packen und die Faust in die Höhe recken lassen. Mit 'One Last Time' hat man einen Überhit komponiert, dessen Refrain wohl zu den schönsten und emotionalsten in diesem Jahr gehört. Ausfälle gibt es unter den zehn Songs sowieso keine.

Aus dem hohen Norden geht es nach Baden-Württemberg zu der nächsten traditionsreichen deutschen Thrash-Metal-Band. DESTRUCTION hat trotz des Ausstieges von Mike Sifringer, der zuvor auf jedem Album die Gitarre bediente, eine Granate abgeliefert, die die Landsleute von KREATOR und TANKARD in Sachen Brutalität klar übertrifft. Kompakte Hochgeschwindigkeitstorpedos wie der Titeltrack, 'No Faith In Humanity' oder 'Servant Of The Beast' lassen keine Fragen offen und zwingen zum Headbangen. Hiernach geht es wieder über den Ozean in die Vereinigten Staaten. So kommt WOLVES AT THE GATE aus dem selben Umfeld wie DEMON HUNTER. Bis vor ein paar Monaten waren auch beide beim selben Label untergebracht (Solid State Records), weswegen die stilistische Ausrichtung sich auch nicht großartig voneinander unterscheidet. Harte Core-Klänge treffen auf die Lockerheit des Alternative Rock und werden mit der Hymnenhaftigkeit des Metals verbunden. Als Beispiel hierfür ist vor allem der Rausschmeißer 'Silent Anthem' zu erwähnen, der als einer der härtesten Tracks auf "Euologies" einzuordnen ist. Mit BELPHEGOR geht es dann nach Österreich und auch in die Richtung des Death/Black Metals, wobei Helmuth und Konsorten anno 2022 eher angeschwärzten Death Metal spielen als andersherum, aber wer kann das schon so genau sagen. Mit acht Tracks und einer Spielzeit von gerade mal 36 Minuten und 18 Sekunden ist das Album das kürzeste in meiner Liste, überzeugt mit hoher Intensität und dunkler, böser Atmosphäre. Drei Death-Metal-Brocken, zwei schwarze Schnellgeschosse und zwei Kitschballaden (und ein Outro) machen den Hörgenuss äußerst abwechslungsreich und erfüllen dem BELPHEGOR-Fan eigentlich alle Wünsche.

Vom extremen Metal geht es zu sehr atmosphärischem Pop. Mit dem unter dem sehr poetischen Titel "And In The Darkness, Hearts Aglow" veröffentlichten Album bietet die Künstlerin WEYES BLOOD Musik zum Versinken! Dies gelingt durch stimmungsvolle Klanglandschaften und einen gefühlvollen, manchmal flüsternden, manchmal recht emotional in Szene gesetzten Gesang. Ein Pluspunkt ist der Sound des Schlagzeugs, das nicht nach Drumcomputer klingt, sondern sogar recht organisch. Tracks wie 'God Turn Me Into A Flower' benötigen aber gar keine Perkussion, um ihre Wirkung zu entfalten. Zunächst hatte ich die schottischen Piraten von ALESTORM für eine Platzierung in meinen Jahrescharts gar nicht in Betracht gezogen, da ich sie insgesamt nicht ernst nehmen konnte. Ein weiterer Spin des Albums hat mich dann aber umgestimmt. "Seventh Rum Of A Seventh Rum" ist ein Hitfeuerwerk, das man bei aller fehlenden Trueness eigentlich nicht gut finden darf. Aber bei der Masse an Mitgröhlnummern, die auf diesem Album zu finden sind, ist es schwer, nicht in irgendeiner Weise mit der Musik mitzugehen. Alleine die ersten vier Songs haben ein Hitpotenzial und eine Eingängigkeit, für die sich andere Bands den ein oder anderen Arm ausreißen würden. Eine ähnliche fehlende Trueness würden so einige auch RAMMSTEIN attestieren. Denn, wie es mir scheint, wird der Metal-Anteil auf dieser Scheibe weiter zurückgeschraubt. Gewiss hat man auch diese typischen, simplen Stampfer, aber Nummern wie 'Lügen', 'Schwarz' und der Titeltrack weisen eindeutig in eine sehr melodische, atmosphärische und poppige Richtung. Doch genau diese Songs waren es, die für mich wirklich mitreißend waren. Demgegenüber konnte und kann ich mit den oft als Highlights genannten Songs 'OK' und 'Giftig' nicht viel anfangen.

"Electric Elite" von RIOT CITY hat wohl viele Fans, die das erste Album der Kanadier vergötterten, etwas enttäuscht, da irgendwas irgendwie nicht gestimmt haben soll. Mir jedenfalls läuft der Zweitling der Traditionsmetaller besser rein als das Debüt und zeigt einfach schnörkellosen klassischen Heavy Metal, den man wohl besser nicht in Szene setzen kann. Ausfälle oder schlechte Tracks sucht man hier vergebens - von 'Eye Of The Jaguar' bis 'Severed Ties' alles Extraklasse und ein besonderes Highlight ist der Speed-Metal-Track 'Return Of The Force' mit coolen Gangshouts. Auch an klassischen Heavy Metal angelehnt ist das zwanzigste Album der Norweger DARKTHRONE, das mich nicht ganz zufrieden stellen konnte. Nichtsdestotrotz haben wir es mit einem Album mit einem Kauzfaktor von mehreren Millionen zu tun und auch die Produktion sorgt ganz besonders dafür. Wichtig ist am Ende des Tages die Atmosphäre, die aufkommt und "Astral Fortress" kreiert ein unwiderstehliches kaltes Ambiente, das auf der anderen Seite dann doch wohlig warm ist. Schwer zu beschreiben. Das Duo bleibt auch mit dem zwanzigsten Streich faszinierend.

Auf dem 18. Platz befindet sich dann ein Deathcore(?!)-Album, das sich aber stark von der Masse jener diesem Stil zuzuordnenden Bands und Alben abhebt. Nämlich durch die Einbindung von Elementen des Black Metal. So hat das Album eigentlich nur drei Modi, zwischen denen es immer hin und her wechselt. Einmal ein Orchester, das für Atmosphäre sorgt, Black-Metal-Blast-Gewitter zusammen mit dem Orchester und Breakdown-Passagen. Aber diese Mischung ist so wohlgelungen - auf der einen Seite so melodiös und episch, auf der anderen Seite aber auch so brutal, was dem Sänger geschuldet sein muss, dass es in meine Jahrescharts musste. Die Rede ist natürlich von LORNA SHORE und "Pain Remains". Puren Black Metal der alten 90er-Schule spielen die Griechen von LUNAR SPELLS. Auf "Demise Of Heaven" wird keinerlei Innovation geboten, denn melodischen Black Metal mit Keyboard und rohem Klang - das konnten Bands wie EMPEROR und DIMMU BORGIR schon vor dreißig Jahren. Nein, hier wird dieser Stil einfach so mitreißend und fesselnd dargeboten, da man die Melodien nach dem ersten Hören im Ohr hat und diese nicht mehr aus jenem gehen wollen. Meine Liste darf dann ein brutaler Death-Metal-Brocken beschließen. ORIGIN kommt aus der Ecke der Bands, die brutalen, aber gleichzeitig technisch sehr ausgefeilten Death Metal spielen und mit so manchen komplexen Riffs, Soli und Songstrukturen aufwarten können. Auf "Chaosmos" zeigen die Amerikaner aber, dass man die Beschreibungen technisch und zugänglich-packend miteinander verbinden kann. Denn beispielsweise der Titeltrack mit seinem unnachahmlichen Riff ist ein echter Ohrwurm (wenn das in dieser Nische überhaupt geht) und die Fähigkeit einen mitzureißen, beweisen sie mit dem mächtigen Rausschmeißer 'Heat Death'.

Natürlich gibt es auch eine ganze Reihe von Alben, die es nicht in meine Jahrescharts schaffen konnten, aber herbe Enttäuschungen gab es in diesem Jahr für mich keine. Mehr erwartet hätte ich aber beispielsweise von Bands wie KREATOR oder BEHEMOTH, deren Alben mich nicht in Gänze überzeugen konnten. Auch gab es dieses Jahr Bands und Alben, mit denen ich mich noch beschäftigen wollte, es aber nicht geschafft habe. So steht ein intensives Hören von Alben wie "Symbol Of Eternity" (GRAVE DIGGER), "Immutable" (MESHUGGAH) oder "Dis Morta" (TOXIK) noch aus.

Zu guter Letzt noch eine Vorausschau auf das Metaljahr 2023: Direkt im Januar werden wir mit einer neuen OBITUARY-Scheibe bedient und auch einige andere Highlights sind schon im Kalender markiert. So gibt es im Februar die neue TULUS und im März das neue Album von NARNIA. Weitere Bands wie DEICIDE, VENOM und ANTHRAX haben auch bekannt gegeben, dass was kommen wird, worauf man natürlich sehr gespannt sein darf.

 

Rang

Band Album
01. DEMON HUNTER Exile
01. TANKARD Pavlov's Dawgs
03. MEGADETH The Sick, The Dying...And The Dead
04. FIUR Imperium
05. HÄLLAS Isle Of Wisdom
06. DARK FUNERAL We Are The Apocalypse
07. LORD BELIAL Rapture
08. GHOST Impera
09. ARCH ENEMY Deceivers
10. DESTRUCTION Diabolical
11. WOLVES AT THE GATE Euologies
12. BELPHEGOR The Devils
13. WEYES BLOOD And In The Darkness, Hearts Aglow
14. ALESTORM Seventh Rum Of A Seventh Rum
15. RAMMSTEIN Zeit
16. RIOT CITY Electric Elite
17. DARKTHRONE Astral Fortress
18. LORNA SHORE Pain Remains
19. LUNAR SPELLS Demise Of Heaven
20. ORIGIN Chaosmos

Redakteur:
Kenneth Thiessen
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