Perlen der Redaktion: Nils Machers Highlights 2022

16.01.2023 | 21:25

Von Häretikern und anderen Halunken.

Eigentlich hatte ich bei meinen Highlights des Jahres 2020 die Hoffnung, dass die nächsten Jahre nicht so sehr von weltumspannenden Krisen gebeutelt sein würden. Doch weit gefehlt, selbst wenn die Pandemie ihren Zenit überschritten hatte, gibt es genug Knallköpfe da draußen, die auch in Wohlstand lebende Menschen im Westen unruhig machen. Doch glücklicherweise ist 2022 kein Jahr gewesen, das ich schlecht in Erinnerung behalten werde. Vor allem die Geburt meines Sohnes war ein großer Lichtblick; und selbstverständlich auch die Musik, mit der wir uns ein Stück weit von der Realität abkoppeln konnten.

Ich war dennoch über viele Monate hinweg fest davon überzeugt, dass im Jahr 2022 zwar viele gute Alben rauskamen, aber keines davon mich nachhaltig aus den Socken hauen würde, wie es in den letzten Jahren immer einige Kandidaten gab. Doch weit gefehlt! Zum einen erschienen in den letzten Monaten noch einige Hochkaräter, andere wiederum entdeckte ich erst spät. Beim Aufstellen der Liste wurde es dann immer knapper für meine lieb gewonnenen Platten. Deswegen braucht es schon eine Top 25, um "mein" Jahr 2022 hier adäquat zu rekapitulieren.

Die ersten beiden Plätze trennt tatsächlich sehr wenig, doch über die letzten Wochen wurde noch einmal klar, dass #1 in quasi jeder Lebenslage funktioniert: abends in aller Ruhe auf dem Plattenteller, bei Familienfeiern im Hintergrund aus der Sonos-Box, beim Sport auf den Kopfhörern und im Auto auf dem Weg zur Arbeit. WUCAN, meine Freunde! Die Dresdener Rocker haben mit "Heretic Tongues" ein fantastisches Album abgeliefert, bei dem ich jeden Takt aufsauge und hier und da auch gerne mitsinge. Die Band groovt krautig, eigenständig und so verdammt kurzweilig, dass mir auf Anhieb kein Release des aktuellen Jahrtausends in dieser Sparte einfiele, der es mit der neuen WUCAN aufnehmen könnte. Ganz weit oben auf meinem Wunschzettel für dieses Jahr steht die Live-Begutachtung der Truppe, nachdem ich schon mit Entzücken die ganz frische Live-Konserve "Live At Deutschlandfunk" verschlungen habe.

Auch Album #2 funktioniert in vielen Lebenslagen und bietet das für mich so wichtige Gesamtkunstwerk. Im Black Metal gab es ja schon einige namhafte Veröffentlichungen, mit ganz großem Abstand zu allen anderen setzt sich aber IMHA TARIKAT an die Spitze des Genres. Songs mit Tiefgang, Emotionen, geilem Geprügel; "Hearts Unchained - At War With A Passionless World" hat bei mir teils tagelang den Plattenspieler, den CD-Schacht, die Playlist dominiert. Nachdem ja der Vorgänger "Sternenberster" bereits 2020 zu meinen Highlights zählte, muss ich meine Erwartungshaltung beim kommenden Album natürlich zügeln. Ach, egal. Das wird geil!

Dass sich zwei Alben aus Deutschland die vordersten Plätze teilen, kommt bei mir nicht so häufig vor. Erst der dritte Platz geht ins Ausland, und zwar nach Norwegen. Ich war in der Vergangenheit kein riesiger IN THE WOODS-Fan, das hat sich mit der Promo zu "Diversum" aber schlagartig geändert. Die komplett geniale Vertonung von Melancholie, Norwegen-Feeling und all dem, was man von der Truppe so erwarten konnte, hat sie abgeliefert. Ein Sängerwechsel, der sich aus meiner Sicht als Glücksgriff erweist und eine toll klingende Produktion runden ein bärenstarkes Album ab, das alleine auf meiner fünftägigen Oslo-Tour im November ein Dutzend Durchläufe für sich in Anspruch nehmen konnte.

Platz #4 geht ebenfalls nach Skandinavien. Tobias Forge und seine Mitstreiter bei GHOST stehen eigentlich seit dem Erscheinen des zweiten Albums ganz oben in meiner Gunst. Und tatsächlich fand ich auch "Impera" so bockstark, dass ich dem Erfolgsrezept der Schweden ohne Sympathieverluste folgen kann. Jeder Song der Band brennt sich in Windeseile ins Trommelfell, da gibt es gar keine Möglichkeit für mich, dieses Album nicht zu lieben.

Durchaus überraschend stammt mein Doom-Album des Jahres aus Griechenland. "Unorthodox" ist nicht nur aufgrund des Titels ein wahrlich unorthodoxes Doom-Album, denn die Jungs von DOOMOCRACY lassen weitaus mehr als die klassischen Einflüsse in ihre Köpfe, wenn sie aus Geschichten so großartige Songs stricken. Hier gibt es so viele Details zu entdecken, dass man sich einfach ausgiebig mit der Platte beschäftigen muss. Musik top, Texte top, in jeder Hinsicht eine sympathische Truppe.

Die weiteren Plätze der Top 10 bestehen eigentlich hauptsächlich aus Bands, die bei mir mit hoher Wahrscheinlichkeit gut abschneiden. Sei es das neue DISILLUSION-Album, das seinem Vorgänger in nichts nach steht, oder eine erneut total abgefahrene und interessante Scheibe aus dem Hause BLEEDING. Auch SLÆGT und WATAIN haben genau die richtigen Rezeptoren getroffen. Durchaus überraschend ist die neue BLIND GUARDIAN geworden, die ich für eine der besten seit locker 20 Jahren halte. Nachdem mit THRESHOLD, VOIVOD und DARKTHRONE noch zahlreiche größere Namen ihre Spuren in meiner Bestenliste hinterlassen haben, möchte ich einige Alben von Lieblingsbands vorstellen, die vielleicht nicht ganz so mainstreamig sind.

B.S.T. ist vermutlich eine der kauzigsten Doom-Bands, die derzeit ihre Runden dreht. Der deutschsprachige Gesang ist nicht für jeden etwas, doch "Herbst" ist für meinen Geschmack das bislang beste Album der Norddeutschen. Dann hatte ich noch recht lange das neue Akustik-Album von HAAVARD für diese Liste auf meinem Zettel - bis OFDRYKKJA den Weg in meine Promo-Liste fand. Nun, seit WEH hat mich kein Album aus dem groben Umfeld Neofolk so gepackt wie "After The Storm". Die gesamte Atmosphäre, das perfekt inszenierte Kammerspiel der akustischen Instrumente sowie die runde Produktion machen hieraus das passende Album für den ruhigen Abend. Meine mickrigen acht Punkte im Review sollte ich mir sonstwo hinschieben! Nicht zu vergessen: Mit SEVENTH WONDER und MICHAEL ROMEO haben es zwei sehr geradlinige Progmetal-Alben in die Liste geschafft, die zwar das Rad beide nicht neu erfinden, dennoch erfrischend gut auf den Punkt kommen und einen ordentlichen Faustfaktor aufweisen.

Black Metal gab es auch außerhalb der Top-10-Platzierungen noch in vielen Facetten. Eher klassisch mit WIEGEDOOD oder MISTHYRMING, rituell mit DØDSENGEL, andersartig-großartig mit NUBIVAGANT oder halt einfach wie bei NEGATIVE PLANE. Dazu noch die Verrückten von (DOLCH) mit ihrem nächsten Kapitel "Nacht" und wir haben eine Top 25, die unter dem Strich nahezu die gesamte Bandbreite meines Musikgeschmacks mit Stromgitarren abbildet.

Rang Band Album
1. WUCAN Heretic Tongues
2. IMHA TARIKAT Hearts Unchained - At War With A Passionless World
3. IN THE WOODS Diversum
4. GHOST Impera
5. DOOMOCRACY Unorthodox
6. DISILLUSION Ayam
7. BLEEDING Universe 25
8. SLÆGT Goddess
9. WATAIN The Agony & Ecstasy Of Watain
10. BLIND GUARDIAN The God Machine
11. THRESHOLD Dividing Lines
12. SEVENTH WONDER The Testament
13. VOIVOD Synchro Anarchy
14. B.S.T. Herbst
15. RIOT CITY Electric Elite
16. (DOLCH) Nacht
17. DEATHSPELL OMEGA The Long Defeat
18. OFDRYKKJA After The Storm
19. NEGATIVE PLANE The Pact...
20. NUBIVAGANT The Wheel And The Universe
21. DARKTHRONE Astral Fortress
22. DØDSENGEL Bab Al On
23. WIEGEDOOD There's Always Blood At The End Of The Road
24. MICHAEL ROMEO War Of The Worlds Part 2
25. MISTHYRMING Med Hamri

Redakteur:
Nils Macher

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