Perlen der Redaktion: Timo Reisers Highlights 2023

17.01.2024 | 17:33

Meine persönlichen musikalischen Höhepunkte im Jahr 2023 oder "Das Jahr, in dem der Punkrock übernahm"…

… zumindest vorläufig und als Dreigestirn die ersten drei vor 17 anderen Plätzen: Die Rede ist hierbei von meinen "Top 20", meinen Perlen des vergangenen Jahres in Albumform.

Doch zuvor zum vorher verlaufenen Jahr 2023. In vielerlei Hinsicht erlebten wir ein Jahr, über das man den "Mantel des Schweigens" decken könnte, innenpolitisch, weltpolitisch, US-wahlkampftechnisch, auf den Gaza-Krieg bezogen, ökologisch, ökonomisch, klimatechnisch, und ganz lange so weiter. Dazu böte sich ja der hermelinpelzgeschmückte Mantel vom frisch mit der Krone aufgehübschten Prinzen, pardon König, "Öko-Segelohr" Charles an. Schön ist nebenher, "by the way", wie der Brite so sagt, dass nun die wunderbare Hunderasse "Cavalier King Charles"-Spaniel gleich wieder eine ganz andere Lobby besitzt. Diese Hundchen tragen übrigens auch recht lange Ohren mit sich herum. Jedenfalls fand seine (Charles) Krönung und die von Königin Camilla in der Westminster Abbey in London statt und avancierte zu einem der meistgesehenen und somit wichtigsten Medienereignisse des Jahres.

Mein privates Jahr 2023 kann ich ebenfalls getrost auf die "Stille Treppe" setzen, war es neben erquicklicher Livekonzert-Berichterstattung für Powermetal.de und zwei schönen Reisen mit meiner Frau ins Land der Pyramiden und nach Paris doch vor allem von viel Arbeit und mehrfachen, virusbedingten Erkältungen geprägt. Und ja, das geht nervenderweise auch weiterhin noch prächtig ohne Corona! Jenes Virus verschonte mich letztes Jahr gottlob. Solche Alltagsgeschehnisse seelisch und moralisch tröstlich bepflasternde Sport-Ereignisse waren natürlich der verblüffende Weltmeister-Titel der Basketball-Herren sowie der Aufstieg meines heimatlichen Fußballvereins FC Heidenheim (FCH) in die erste Bundesliga.

Was die von mir konsumierten, außermusikalischen Medien angeht, guckte ich, im verglichen mit den Vorjahren etwas schwächeren Jahrgang, die eine oder andere Serie, wobei von den neueren Produktionen vor allem "The Mandalorian", Staffel drei und "Ahsoka" zu nennen sind, die mich als Star-Wars-Fan erfreuen konnten. Die Serie "Will Trent" über einen im Heim aufgewachsenen FBI-Ermittler mit Lese-Rechtschreib-Schwäche war ebenfalls sehenswert. Sehr seltsam, wenn auch semi-unterhaltsam, kam mir "One Piece" vor. Das ist wohl eher etwas für diverse Teenager, die ihre Bücher lieber von hinten nach vorne umblättern. Mein ganz persönlicher Renner, auf den ich aufgrund der rückblickend ganz netten Serien-"Aufwärmung" "Justified - City Primeval" aufmerksam wurde, war eben der von 2010 bis 2015 gedrehte Serienhit "Justified". Sechs Staffeln mit jeweils dreizehn Folgen über einen US-Marshall, der sich unterbewusst als Cowboy fühlt und häufig so benimmt, die ich innerhalb von drei Monaten durchsuchtete. In dieser überaus gelungenen, freien Verfilmung von Stoffen des Western- und Krimi-Autors Elmore Leonard wird auf herrlich rustikale und humorvoll überzogene, aber genauso detallierte Art und Weise mit tollen Schauspielern das klein- oder auch größer kriminelle Kentucky-Hillbilly-Milieu dargestellt, in dessen Kreisen US-Marshal Raylan Givens zuweilen recht harsch und mit locker sitzendem Revolver durchgreift und "aufräumt". Für Liebhaber von oldschool Krimi-Actionserien unbedingt empfehlenswert!

Das Kinojahr 2023 geriet sogar im Vergleich zu diesem solala Serienjahr für mich geradezu spektakulär enttäuschend. Das lag zu nicht geringem Teil sicherlich am fünfmonatigen Streik der Drehbuchschreiber in Hollywood, die Gehaltserhöhungen, bessere Arbeitsbedingungen und höhere Zuschüsse für ihre Alters- und Krankenversorgung sowie eine Regelung des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz (KI-Textgeneratoren, zum Beispiel "Chat GPT", etc.) forderten. Mit "Barbie" und "The Super Mario Bros. Movie" waren zwei, man muss es erst einmal realisieren, "Spielzeugverfilmungen" am erfolgreichsten. Da kommt einem als Schreiberling glatt in den Sinn, dass man doch eigentlich auch gleich das Leben eines Lektors verfilmen könnte: Das wäre bestimmt genauso spannend und sinnvoll. [nö... deutlich spannender und sinnvoller... Anm. d. Lektorats] - Doch Scherz beiseite: Es war echt dünn in jeglichen Belangen, was da über die Leinwände flimmerte, so selten war ich seit etwa dreißig Jahren nicht mehr im Kino! Die aktuelle und vorläufig letzte "Eberhofer"-Krimi-Verfilmung "Rehragout-Rendevouz" geriet leider eher zwiespältig, ebenso wie einige Comicverfilmungen oder auch der weltweit sehr ambivalent aufgenommene fünfte und letzte Teil der "Indiana Jones"-Reihe namens "Indiana Jones und das Rad des Schicksals", der mir persönlich eigentlich gut gefiel. "Oppenheimer" habe ich leider im Kino verpasst, daher kann ich den dritterfolgreichsten Film des letzten Jahres hier derzeit nur erwähnen. Die Ballerorgie "John Wick 4" war zwar unterhaltsam, dabei aber so zeitgemäß wie ein Text der MENTORS. Selbst nach Konsum des relativ anspruchsvollen und visuell äußerst beeindruckenden Animationsfilms "Spider-Man: Across the Spider Verse (Pt. One)" neigte man als regelmäßiger Kinogast zum guten Vorsatz, im nächsten Jahr doch eher mehr Programmkino-Produktionen zu unterstützen und um die immer gleichförmigeren Hollywood-Franchise-Aufgüsse einen größeren Bogen zu machen.

Was tut man also als unterhaltungsmedienaffiner Mensch stattdessen? Man entstaubt seinen schwarzen Monolithen neben dem Fernseher und kauft sich am Erscheinungstag das inhaltlich etwa 100 Jahre vor der seither bekannten Harry Potter-Handlung angesiedelte Spiel "Hogwarts Legacy", das einen für zwei bis drei Monate beschäftigt. Selten, eigentlich nie, konnte mich ein Computerspiel mehr begeistern, fesseln und in seinen verzückenden Bann ziehen, als dieses Meisterwerk! Diesen Superlativ halte ich hier für unbedingt angebracht. Die in den offenen Handlungssträngen der Spielaufträge miteinander verknüpften Beziehungen der Protagonisten und die stetig voranschreitenden Charakterentwicklungen werden durch hervorragende Grafik, sowie sehr opulente, abwechslungsreiche Haupt- und Nebenaufträge und einen, dem Spieler geradezu den Atem raubenden Detailreichtum, was Harry Potter Wissen und Fakten aus den Büchern und Filmen angeht, dargestellt und allgemein in Szene gesetzt, so dass sich nicht nur bei beinharten Fans des Franchises dicke Tröpfchen in den Augenwinkeln bilden. Alles in allem hat das Spiel jedoch einen, jeden Aspekt überragenden, titelgebenden Star: Das Schloss Hogwarts! Hier wurde jedes noch so kleine Detailchen in funkelndem Grafikglanz und wenn erforderlich, technisch perfekt eingebetteter Funktionalität umgesetzt: Die Geister, der "Raum der Wünsche", die lebenden Gemälde, die ganzen unorthodoxen Einrichtungsgegenstände, die vielen geheimen Orte und versteckten Gebäudemechaniken, sowie als i-Tüpfelchen das Dorf Hogsmeade und alle anderen jemals in der Buch- und Filmreihe erwähnten Orte um das Schloss herum: Da ist verdammt nochmal alles, wirklich alles an der richtigen Stelle dabei! Hier wird die "Wizarding World", das fiktive Universum um Harry Potter herum, wahrhaftig zum Leben erweckt. Für das vollständige Erforschen und Entdecken der in diesem Spiel so unwiderstehlich präsentierten Zaubererwelt sorgen unzählige Sammel-, und Suchaufträge, die durch ihren großen Aufforderungscharakter und attraktive Belohnungen hohe Motivation beim Spieler auslösen können. Die Kontroversen um Joanne K. Rowling hin oder her: Harry-Potter-Fans, und Liebhaber von sensationell guten Games kommen hier auf gar keinen Fall drum herum! He, da kann man sogar Niffler und Einhörner züchten! Was will man mehr? Nun, "Quidditch" vielleicht, da man zwar einen super funktionierenden Besen als Haupt-Fortbewegungsmittel fliegen kann, die Produzenten des Spiels im Vorfeld jedoch auf den Besenflieger-Mannschaftssport "Quidditch" im Game verzichteten. Dahinter kann man technische Schwierigkeiten in der Umsetzung als Grund vermuten, oder eben auch den damit dann quasi zwangsläufig wörtlich "ins Spiel" kommenden Online-Aspekt, der vielleicht in diesem Game unerwünscht war.

In literarischer Hinsicht konnte ich den leichten Mangel an guter Film- und Fernsehunterhaltung vor allem mit drei oder vier Bänden - bis hin zum neuesten, "Das strömende Grab" benannten Kriminalroman - um das Detektiv-Duo Cormoran Strike und Robin Ellacott von Robert Galbraith ausgleichen. Letzterer Name ist übrigens, für alle, die es noch nicht wissen, das Pseudonym für Joanne K. Rowling, die seit 2013 aus meiner Sicht sieben recht lesenswerte Detektivromane verfasste.

Genug des Vorgeplänkels, nun komme ich zum Wesentlichen, zu meinen 20 liebsten, meistgehörten Alben! Dieses Jahr möchte ich vorausschicken, dass ich in meiner Platzierungsfindung zum ersten Mal, seit ich das mache, Probleme bekam, weil sich die Anzahl der Hördurchläufe teilweise doch signifikant von meiner letztendlichen qualitativen Einschätzung des betreffenden Albums unterschied. Vor allem betroffen war hierbei, ihr könnt es euch als regelmäßige Leser unserer Gruppentherapien fast denken, ein quietschgelbes Album. Dennoch halte ich die Anzahl der Hördurchläufe, die normalerweise durch ein emotionales Verlangen, die Scheibe unbedingt hören zu müssen, zustande kommt, weiterhin für wichtig bei der Aufstellung einer Bestenliste. Manchmal sind eben derart zwiespältige Kandidaten dabei, die aufgrund gewisser qualitativer Auffälligkeiten und Aspekte viele Durchgänge benötigen. Dort muss ich dann einschreiten und die Platzierung sozusagen "manuell" gegen meine eigenen Regeln vornehmen.

20 der Alben die bei mir Beachtung bekamen, es jedoch, teils ganz knapp, nicht in meine Jahresbestenliste schafften, möchte ich euch hier auflisten, leicht sortiert von "sehr knapp“ bis "auch noch knapp" nicht drin:

- COBRA SPELL – 666
- FIFTH ANGEL – When Angels Kill
- IMMORTAL – War Against All
- ITCHY - Dive
- MEMORIAM – Rise To Power
- HIGH SPIRITS – Safe On The Other Side
- TYGERS OF PAN TANG – Bloodlines
- PRIMAL FEAR – Code Red
- TAILGUNNER – Guns For Hire
- VELVET VIPER – Nothing Compares To Metal
- GIRLSCHOOL – WTFortyfive?
- MARDUK – Memento Mori
- PHIL CAMPBELL AND THE BASTARD SONS – Kingston Of The Asylum
- COREY TAYLOR – CMF2
- KK’S PRIEST – The Sinner Rides Again
- RONNIE ATKINS – Trinity
- ECLIPSE – Megalomanium
- PRIMORDIAL – How It Ends
- IN FLAMES – Foregone
- RAVEN – All Hell’s Breaking Loose

"Nu geiht dat los", um es mit Werner zu sagen (Brösel-Kenner mögen meine hierbei verwendete Orthographie gerne im Geiste oder im Forum lektorieren):

Jedenfalls beginnt mein Perlenreigen dieses Jahr französisch – passend zur Neujahrreise von mir und meiner Frau nach Paris – mit den Mörderinnen MEURTRIÈRES, die oldschool, ganz NWoTHM-like filigran, aber roh losholzen, vortrefflich stimmlich nach vorne gelitten von ihrer Sängerin Fiona. Zum Nachteil für die Band hatte ich mich im vergangenen Jahr eher weniger dieser Stilrichtung gewidmet, weil mich vermehrt Crossover, Deathcore und vor allem der gute, sehr alte Punkrock hammerhart durchschüttelten. Daher landet "Ronde De Nuit" nur auf meinem 20. Platz, in anderen Jahren wäre das sicher anders (gewesen). Vielen Dank an dieser Stelle an Götz P., der mich als regelmäßiger Hörer der "Hellraiser"-Radioshow von Danny Keck auf Star-FM-Nürnberg sofort nach dem ersten Hören auf die Vorab-Single 'Rubicon' von MEURTRIÈRES aufmerksam machte. Ab diesem Zeitpunkt lechzte ich bereits nach dem Album. Selbstredend gewinnen die Franzosen dieses Jahr meine Newcomer-Wertung. Das schaffen sie vor den Briten TAILGUNNER und den Griechen TRIUMPHER. Frischmetall goes international!

Jawoll, klebt euch die Elbenohren an und schmeißt euch dekorative, schwarze  Coronamasken ins Gesicht, drückt auch das Robin-Hood-Hütchen auf den Kopf und lasst eure Gewänder in powermetallischen Winden wallen: Hier kommen auf meinem Platz 19 die schwedischen Fantasy-Freaks von TWILIGHT FORCE! Diese kostümierten Helden konnten mich in Wacken beim eher zufälligen livehaftigen Erstkontakt vom Fleck weg begeistern und zum Nachhören ihrer Werke, vor allem des aktuellen Outputs "At The Heart Of Wintervale", beim Streamingdienst meines Vertrauens bringen. Und so brettern sie hochmelodiös, mit stimmungsvoll emotional berührenden Akkordfolgen durch mein Musikverständnis und kleben mit ihren zuckrigen Ergüssen wieder zusammen, was so manch härtere Kapelle in den letzten Jahren zerbröseln ließ. Eine ganz tolle, speedige Zuckerguss-Bombe, herrlich!

 

 

Jau, Volker "Freddy" Fredrich und seine Mannschaft haben es nach zwei Jahren mit "Constant To Death" wieder in meine "Jahresperlen" geschafft, wenn auch nicht mehr auf einen sensationellen zweiten Platz, wie 2021 mit "The Final Chapter". Der melodiöse, rau klingende Thrashmetal der Südbadener kommt diesmal schleppender, schwerfälliger aus den Boxen gekrochen. Dabei wiederholen sich viele Riffs und Phrasierungen sowie Leadansätze häufig und sind einem sogar vom letzten Album noch im Gehör, zumindest wahrscheinlich, wenn man es so oft gehört hatte wie ich. Dennoch: NECRONOMICON macht sehr eigenständig Musik, verdient deshalb Beachtung und hat mit "Constant To Death" trotz gewisser, bemerkbarer Routinen ein sehr hörenswertes Album auf meinem Platz 18 abgeliefert.

 

Mal gucken, aber wenn das mit den fabelhaft vortreffliche Alben produzierenden Spaniern von ANGELUS APATRIDA in den nächsten Jahren so weitergeht, haben wir irgendwann eine Touren headlinende Thrashband von der iberischen Halbinsel! Es gelang der Band auf "Aftermath" erneut, klangliche und songwriting-technische Akzente etwas anders zu gewichten. So wird nicht immer nur auf halsbrecherisches Tempo gesetzt, sondern wie in 'Cold' auch mal begleitend auf melodiöse, wohlklingende Chöre. Dass ihre somit immer abwechslungsreicheren Lieder live großartig funktionieren, haben ANGELUS APATRIDA als Opener der "Night Of The Living Thrash"-Tour mit SACRED REICH und DEATH ANGEL im letzten Herbst überaus eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Mit solchen Alben wie dem vorliegenden "Aftermath" auf meinem Platz 17 und Songs wie 'Fire Eyes', 'Snob' oder dem sich dramatisch steigernden 'To Whom It May Concern' wird ANGELUS APATRIDA sicherlich der nächsten Stufe ihrer Karriere schnell näherkommen. Das Cover wurde in meiner, diesen Aspekt betreffenden Wertung, übrigens nur knapp von gewissen Schweizern namens TRIUMPH OF DEATH mit "Resurrection Of The Flesh" geschlagen…

 

 

Jetzt wird es noch heftiger: Durch Lobeshymnen in Magazinen mit für immer tauben Redakteuren wurde ich vor einigen Jahren auf die deutschen Death Metaller SULPHUR AEON aufmerksam. Damals reagierten feinste Fasern in meinen Gehörgängen allmählich behutsam toleranter gegenüber sehr heftigen metallischen Klängen. Da zur Eingewöhnung natürlich nur das Beste gut genug ist, vertraute ich den Berichten und beschäftigte mich mit den ersten drei Alben der H.P.-Lovecraft-Jünger. Es war schwere Kost für mich, aber mit jedem Durchlauf konnte ich mit den vielschichtigen und anspruchsvoll abwechslungsreichen Songs mehr anfangen. Auch auf dem vierten Album "Seven Crowns And Seven Seals", das auf meinem sechzehnten Platz landet, überzeugen die Death-Metal-Künstler aus deutschen Landen mit atmosphärisch dichtesten Klängen und schaffen es erneut auf einem wieder etwas höheren Level, Melodien, Soundelemente und kompositorische Kniffe zusammenzuführen, von denen andere Bands ihres Genres, von deren musikalischen Möglichkeiten her betrachtet, noch Lichtjahre entfernt sind. Trotz aller Härte und Wucht gelang den Musikern von SULPHUR AEON mit "Seven Crowns And Seven Seals" ein wohlklingendes, berührendes Album! Verrückt, dass man so etwas allen Ernstes über ein Death-Metal-Album schreiben kann.

Da ich Schwabe bin, und zudem aus Heidenheim komme, habe ich als Heavy-Metal-Fan zwangsläufig ständig irgendwie mit STORMWITCH zu tun. Sei es in Diskussionen bei Konzerten, sei es bei Gesprächsrunden auf Mahoni Ledls Sofa, wo Ronny Gleisberg dann zuweilen auch gleich dabei sitzt, oder im Smalltalk auf Konzerten einer der 365 von ehemaligen Mitgliedern ins Leben gerufenen Bands, auf die mich Bekannte des Öfteren mitschleppen, oder gar natürlich bei Gigs von Meister Mück und seinen neuesten Schergen selbst: Die weitreichende Bedeutung und der Einfluss dieser ursprünglich aus Gerstetten stammenden Band sind hier auf der Schwäbischen (Ost-)Alb noch ständig allgegenwärtig zu erleben. Eine der erwähnten 365 Bands ist SKULL & CROSSBONES, die 2019 von gleich vier ehemaligen STORMWITCH-Musikern gegründet wurde. Mittlerweile singt Tobias Hübner, der auch schon bei FORENSICK sang, bei den Jungs, und was soll ich sagen: Ich reagierte erst einige Zeit nach Erscheinen des Debutalbums "Sungazer" etwas skeptisch auf Tipps meiner begeisterten Bekannten und testete das Album an, war jedoch vom Fleck weg überzeugt: Mal speediger, selten balladesker, aber immer gut auskomponierter, leicht powermetallischer Traditionsmetal fügt sich in zehn Songs zu einem Must-Have-Album für Fans dieses Genres zusammen. Die neuen HELLOWEEN-Werke sind, ob gewollt oder ungewollt, soundmäßig und manchmal kompositorisch stets deutlich feststellbarer Einfluss, den man zwar zur Kenntnis nehmen kann, der dennoch die musikalische Eigenständigkeit und Klasse von "Sungazer", das es bei mir auf Platz 15 schafft, nicht weiter beeinträchtigt. Hier geht nahezu jeder Song als Anspieltipp durch, ich nenne mal den Opener 'Midnight Fyre', 'Manhunter', 'Tyrant's Rule' und 'Inner Self'.

 

Yesss Babies: Platz 14! Auf den habe ich mich besonders gefreut, ist das Erscheinen einer Scheibe dieses Crossover-Geschwaders um Sänger Benji Webbe in meinen Top 20 doch eine für mich selbst noch am Anfang des letzten Jahres nicht für möglich gehaltene Überraschung! CLAWFINGER, RATM, sehr viel mehr Bands dieses Genres schafften es in den letzten Jahrzehnten eigentlich nicht in meine Abspielgeräte. Tja, und dann kommt da plötzlich ein etwas moppeliger, schillernder und manisch extrovertierter Spinner (im guten Sinne) aus Wales mit seinen Spießgesellen und dreht nachmittags um 17:00 Uhr am ersten Tag des Festivals das Infield in Wacken auf links und scharrt es unter die sowieso nicht mehr vorhandene Grasnarbe! Meine Fresse, was für ein Gig von SKINDRED! Da war es für mich Ehrensache, mir die Werke der seit 1998 bestehenden Waliser, allen voran den neusten Output "Smile", rückwirkend zu Gemüte zu führen. Und siehe da, "Smile" ist mit Songs wie dem sperrigen 'Our Religion', dem energetischen 'Set Fazers' oder dem Ohrwurm 'L.O.V.E (Smile Please)', um nur eine kleine Auswahl zu nennen, eine quietschbunte, groovig unterhaltsame Abwackel-Wundertüte geworden: Ernsthaft, hierbei kann man eigentlich nicht stillstehen. Die absolute Hops-Bombe ist natürlich 'Gimme That Boom', während dem ich hinten auf dem Wacken-Infield stehend dicke Gänsehaut bekam, so eine Energie ging von der Band aus.

Da musste ich im Herbst schon schmunzeln, als Marcel R., meine liebsten Groove  Thrasher PRONG in der Gruppentherapie zum neuen Album "State Of Emergency" doch glatt als "US-amerikanische Alternative-Wundertüte" anpries. Na ja, solange SLIPKNOT bei ihm keinen Heavy Metal machen, ist noch alles in Ordnung, oder? Martin v. d. L. fiel mir im Zusammenhang mit jenem gemeinsam, zu fünft zusammengesetzten Artikel ebenfalls auf: Nämlich durch Offenlegung eines fast dreißigjährigen Powernaps mit kurzen Wachphasen bezüglich der Wahrnehmung stilistischer Entwicklungen von Tommy Victors dreiköpfigem Groove-Thrash-Überfallkommando. Doch lest diese Gruppentherapie zu "State Of Emergency", das auf meinem 13. Rang gelandet ist gerne selbst, indem ihr diesem Link hier folgt!

Wer sich schon wunderte, weshalb ich bereits zu meinen hinteren Plätzen relativ lange Abschnitte schreibe, wird eventuell nun erleichtert aufatmen: Ich halte ab jetzt, wie eben geschehen, die Abschnitte zu Alben, die ich schon selbst reviewt, oder zu denen ich an Gruppentherapien teilgenommen habe, wieder kürzer und verweise jeweils auf einen Link zum dementsprechenden Text.

Der Knaller beim von mir stets verfolgten Eurovision-Songcontest, der wie immer Mitte Mai stattfand, kam im letzten Jahr aus Australien: Dort traute man sich Spektakuläres und ordnete eine Progressive-Metal-Band ab, um in Liverpool für "Down Under" ihr Bestes zu geben. Und VOYAGER landete mit 'Promise' wahrhaftig auf einem sensationellen 9. Platz zwischen diversen fragwürdigen Beiträgen aus aller Herren Länder Europas! Zur Erklärung für Uneingeweihte: Aufgrund einer mittlerweile recht stattlichen australischen Fanbase durfte das Land zum Jubiläum der dreißigjährigen Ausstrahlung im dortigen Fernsehen im Jahr 2015 erstmals und zunächst einmalig dabei sein. Danach wurde dann beschlossen, Australien einfach dauerhaft teilnehmen zu lassen. Seitdem muss sich der jeweilige Act aber über die Zuschauerstimmen der anderen Länder in den Halbfinals qualifizieren. 'Promise' schmeckte meinen Öhrchen so gut, dass ich den Release des neuen Albums "Fearless in Love" im Auge behielt. Schlussendlich fand ich an den, wunderbar durch soundmäßig schillernden Keyboardeinsatz poppig gehaltenen, proggigen Rock- und Metalschüben während der 11 Songs des Albums genauso großen Gefallen, so dass "Fearless in Love" von VOYAGER 2023 auf dem 12. Platz meiner "Perlen des Jahres" landete. Dabei hat mich gleich der Opener 'The Best Intentions' recht straff in sein Melodie-Netz eingewebt. Mein Dritter Anspieltipp dieses vortrefflich gut zum Autofahren geeigneten Albums ist 'Dreamer'.

 

Obwohl ich jetzt beim Nebenher-Hören nicht aus dem Stand mit diesem Album warm werde, das ich doch schon einige Monate nicht mehr gehört hatte, erinnere ich mich gut, dass "Scorched" von OVERKILL mein musikalisches Frühjahr recht ordentlich in meiner persönlichen "Heavy Rotation" mitdominierte. Daher perlt das gute Stück auf meinem 11. Platz vor sich hin. Aber lange Rede kurzer Sinn: Hier geht es zur Gruppentherapie von "Scorched".

 

 

 

 

 

Da wird Rüdiger sich ordentlich den Bart zwirbeln: CIRITH UNGOL beim Reiser auf Platz 10, also Top 10? Darf das sein? Ist das noch Heavy Metal? Kann man das zulassen? Keine Ahnung, und während ich mich hier beim Schreiben über meine eigenen Albernheiten beömmle, würde der Kollege mit leicht gelangweiltem Blick nur lässig mit den Schultern zucken und sich immer noch oder immer wieder darüber freuen, dass es mit dem Wirken von CIRITH UNGOL in den letzten Jahren einen so guten, davor völlig auszuschließenden und daher unerwarteten Verlauf mit allem Drum und Dran wie Live-Konzerten und neuen Alben genommen hat. Ab mit euch zur Pflichtlektüre: Gruppentherapie zu "Dark Parade" von CIRITH UNGOL!

 

 

Das BYH-Festival starb im letzten Jahr. So traurig das für mich und tausende andere Metal-Fans auch war: Eine, meiner wichtigsten Band-Entdeckungen der letzten 25 Jahre, die ich in Balingen eben zum ersten Mal live erlebte, hat just im Todesjahr meines Lieblingsfestivals ein neues Album veröffentlicht. Was für ein schöner Hoffnungsschimmer! Um alles Wissenswerte im Rundumschlag abzukriegen, dürft ihr auch hier in der Gruppentherapie zu "The Hallowed" von JAG PANZER weiterlesen, bei dem es sich um das Album auf meinen Platz 9 handelt.

 

 

 

Auf Platz 8 hält eine weitere Ikone meiner ganz persönlichen musikalischen Sozialisation Einzug: Der großartige, einzigartige, unübertreffliche DIRK SCHNEIDER himself mit seiner Band U.D.O.. Das Album heißt "Touchdown", ist musikalisch betrachtet in meinen Ohren nach wie vor genau ein solcher, und darüber lest ihr abermals jetzt einfach ausführlich in der Gruppentherapie dazu.

 

 

 

 

 

Die holde metallische Weiblichkeit aus der Schweiz, im vorliegenden Fall in Personalunion der Band BURNING WITCHES, hat es diesmal beinahe richtig hoch hinaus in meinen Top 10 geschafft! Wenn "Glatzen-Peer" nicht so saufett abgeliefert hätte, und die neue Scheibe der altersgelben Metallicats aufgrund schwieriger Meinungsbildung nicht so unsagbar oft bei mir gelaufen wäre, könnten sich die metallisch rockenden Damen über einen Top-5 Erfolg bei mir freuen. Yessss, here we go again: Gruppentherapie, Ladies!

 

 

 

 

Wenn mir nicht noch am 1. Oktober eine verwegen über die Bühne marodierende Cecilia Boström mit ihrer Pavianbande völlig den Kopf verdreht hätte, wäre der Gig von PETER GABRIEL (aka "Glatzen-Peer") Ende Mai auf dem Königsplatz in München mein bestes Konzert des letzten Jahres gewesen. Auch wenn ich meinem Kollegen Tobias Dahs bezüglich seiner sehr detaillierten und begeisterten Rezension nicht in jeder Formulierung oder seiner vergebenen Note uneingeschränkt zustimme, so hat er doch einen schönen, aussagekräftigen Text geschrieben, der neugierig auf das neue Album des Altmeisters der tanzbaren und poppigen Progressive-(Rock) Musik macht. Mit diesem Review möchte ich euch deshalb hier gerne verlinken. Bei mir bekommt der Meister jedenfalls aufgrund gewisser Längen und manchmal etwas zu typischer, retrospektiver Klänge und Songverläufe einen Punkt weniger und somit 9 Zähler für sein dennoch ohne jeden Zweifel tolles neues Album "i/o", das Platz 6 in meiner Liste einnimmt. Alles weitere dazu erlest ihr euch bitte bei Tobias.

 

Jetzt ist es soweit: Der bei mir selbst umstrittenste Platz 5 der letzten vier Jahre, seit ich das hier eben mache, muss besprochen werden. Erinnert ihr euch an den obligatorischen Abschnitt über meine Bewertungskriterien? Das dort erwähnte quietschgelbe Album stammt natürlich von METALLICA und hört auf den Titel "72 Seasons". In der damaligen Gruppentherapie einigte ich mich mit mir selbst auf 6 Punkte dafür und attestierte dem Album aufgrund seines phänomenalen Sounds einen sehr großen Wiederhörwert. Zu diesem Zeitpunkt steckte die CD bereits in meinem Auto-CD-Player und ich hörte sie und hörte. Irgendwann gefiel mir das Gehörte dann etwas mehr, und wie ein auf Musik getrimmter Pawlowscher Hund freute ich mich beim Einsteigen schon sabbernd auf die fett meine Trommelfelle durchwabernden Sounds von Rob, Kirk, James und ihrem kleinen Dänen, und hörte das Teil, und hörte und hörte. "72 Seasons" war beim Fahren einfach eine Zeit lang bei mir zwingend dabei. Irgendwann ersetzte ich die CD dann in einem fast erzwungenen Akt durch "The Hallowed" von JAG PANZER. Inzwischen würde ich 7 Punkte für "72 Seasons" vergeben. Immer noch nicht viel mehr, da ich die Songs nach wie vor viel zu lang und auch qualitativ immer noch diskutierbar finde. Ganz viele gute Melodie- und Riff-Ideen und vor allem der erwähnte "Ado-Goldkante"-Klang der Scheibe führten eben zu dieser ungezählt hohen Zahl an Durchläufen, die wahrscheinlich für den ersten Platz gereicht hätte. Daher musste ich hier einschreiten und den von mir qualitativ wesentlich besser eingeschätzten Alben den Vorzug auf den ersten vier Plätzen geben.

 

Wenn es um Qualität geht, schreit ALICE COOPER mit seiner Tourband, bestehend aus Chuck Garric am Bass, Ryan Roxie an einer Gitarre, Nita Strauss an Lead- & Rhythmusgitarre, Tommy Henriksen an Rhythmus- & Leadgitarre sowie Glen Sobel an den Drums ganz laut "hier"! Diese Band nahm gemeinsam das neue Studioalbum "Road" vollständig auf, selbstredend mit Bob Ezrin hinter den Pulten. Vor zwei Jahren zeigte ich mich vom letzten Studioalbum des Meisters namens "Detroit Stories" in meinen Jahresperlen bereits restlos begeistert. Diese Begeisterung war, ich hätte es selbst nicht für möglich gehalten, steigerbar! Alice Cooper hat mit seinen Stammmusikern eine Scheibe rausgehauen, bei der mir ein wenig die Worte fehlen: Aus tiefstem Herzen und tiefster Brust und mit etwas Morgentau im Augenwinkel muss ich zu Protokoll geben, dass es sich hierbei um ein 10-Punkte-Album handelt, das es nur auf meinen vierten Platz geschafft hat! Leider habe ich es nicht so häufig gehört wie meine ersten 3 Plätze, die allesamt ebenfalls in der 9/10 Punkte Region angesiedelt sind. Mit straightem, fett und tight klingendem, alle Facetten wiederspiegelnden 70er Jahre Rock-Sound zaubern die Dame und die fünf Herren ein bemerkenswertes Stück nach dem anderen aus dem weißen Glitzerhut, angefangen mit dem wohl besten Album-Opener des letzten Jahres, 'I’m Alice' und an dreizehnter Stelle geendet mit der, von Herrn Furnier hochmotiviert eingesungenen THE WHO-Covervariante 'Magic Bus'. Dazwischen häufen sich die Kleinode und Großartigkeiten wie der hoffentlich zukünftige Konzertopener 'Welcome To The Show' und die Pülverchen-Antihymne 'White Line Frankenstein', gleich gefolgt vom mit Piano-Groove versehenen 'Big Boots', das mit einem Text daherkommt, den man heutzutage wohl nur einer Legende der Popkultur wie ALICE COOPER nahezu undiskutiert durchgehen lässt, welche die 70er-Jahre quasi musikalisch mitgeprägt hat. Genau wie auf "Detroit Stories" gibt es auf "Road" keine musikalischen Ausfälle, die sehr typische, durchgängig auf 70er Jahre Rock ausgerichtete Stilistik macht es für langjährige Fans des Schockrockers jedoch sicher einen ganzen Zacken wertiger, ganz zu schweigen vom prachtvollen, schmissig-tighten Gesamtsound, den die ALICE COOPER-Hausband ihrem Chef da ins Pult gerockt hat. Abgerundet wird das ganze Opus von einem Cover, das ich bei der kommenden Tour im nächsten Sommer gerne auf einem Allover-Print-T-Shirt sehen würde, so wie es sich für die Cover der besten Alben eines Künstlers eben gehört!

Jetzt übernimmt, wie im Teaser angekündigt, der Punkrock: Top 3, Ladies & Gentlemen!

Mit zwei Ladies kann ich auf dem dritten Platz auch sogleich beginnen, vielmehr mit einer Band, die aus zwei Herren an Gitarre und Schlagzeug, sowie zwei Frauen an der Frontposition und am Bass besteht. THE BABOON SHOW aus Schweden ist meine ganz persönliche Entdeckung des Jahres! Diese Band hat es aus dem Stand in den Kanon meiner liebsten und wichtigsten Rockgruppen geschafft. Nichts gegen Frida Stahl an den vier Seiten, den Neuzugang Simon Dahlberg an der Gitarre oder Niclas Svensson an der Schießbude: Das Kraftwerk der Band mit dem Irrsinn in weibliche Stimmbänder gezwirbelt, ist ohne Zweifel die Frau, die ab und an mal mit radioaktiven Eisenspänen zu gurgeln scheint (Wendy O‘Williams lässt ein wenig grüßen): Cecilia Boström, ihres Zeichens außerdem aktive Feministin, Marathonläuferin und Mutter. Zu einem Konzert von THE BABOON SHOW komme ich später noch, hier geht es nun erst einmal um die Studiokunst der Schweden. Das bereits im Januar erschienene, bei mir drittplatzierte Album "God Bless You All" lässt, wie bei vielen gewachsenen Bands, die sich über zwei Jahrzehnte den Erfolg erarbeitet haben, verglichen mit weiter zurück liegenden Alben eine deutliche Weiterentwicklung hören, ohne jedoch den eigentümlichen Stil der vier Schweden grundsätzlich zu verändern. Nummern wie das eröffnende 'Made Up My Mind' und 'God Bless You All' rocken erdig mit schönen Melodien los, und obwohl der temporeich flackernde Wahnsinn länger zurückliegender Veröffentlichungen inzwischen fehlt, erkennt der Hörer sofort THE BABOON SHOW, was natürlich nicht zuletzt auch an Cecilias unvergleichlich röhrender Stimme liegt. Die Songs sind inzwischen sehr clever arrangiert und haben radiotaugliche Größe und Klasse, obwohl sie immer noch als lupenreiner Punkrock wahrnehmbar sind. Nun gut, 'Gold', 'Reason To Go On' und 'Prisoners' sind schon eher im meisterlich auskomponierten Pop-Rock anzusiedeln, machen sich aber dennoch sehr gut zwischen den vielen, nicht mehr irrwitzig schnellen, aber dennoch energetisch antreibenden 13 Liedern der Pavian-Bande auf diesem Album. Ich habe auf der Scheibe sehr viele Lieblinge, so dass ich bei jedem Hören andere Lieder in meine Songliste des Jahres setzen würde: 'Midnight', 'Oddball', das phänomenal schiebende 'Rolling', der flotte Punkrocker 'Revolution Avenue' und die geile Feier-Hymne 'Have A Party With Me' hätten es allesamt verdient! Mit "God Bless You All" ist den vier Schweden ein großes, abwechslungsreiches und nicht zuletzt reifes Album gelungen.

 

James Osterbergs neueste Studioproduktion zeigt sich, wie große Teile seines Schaffens, erhaben über punktgenaue stilistische Einteilungen. Als eine der ganz großen Musikikonen, die dennoch auf eine gewisse Art und Weise stets dem Underground verhaftet war, konnte der besser als IGGY POP bekannte Musiker sich immer eine große Wandelbarkeit erhalten. Anders gesagt verweigerte er sich in seiner gesamten Karriere seit 1967 zu großen Anbiederungen, machte jedoch vor allem in fortgeschrittenem Alter absolut, was er wollte, was ihm einige seltsame Alben in seiner Diskographie verschaffte, jedoch immer die ihm eigene künstlerische Eigenständigkeit und Unberechenbarkeit in den Vordergrund stellte. Der "Godfather Of Punk", Gründungsmitglied der STOOGES, verfügt auch heute noch über eine starke Persönlichkeit, die nicht richtig fassbar ist. Vom freundlichen, nahbaren und witzigen Gesprächspartner, bis hin zum extrovertierten aggressiv tobenden und fast bösartig blickenden Bühnenperformer, der in seinen dunkelsten Drogenphasen in den 80er Jahren sogar zu Selbstverletzungen vor Publikum fähig war und sich, wohl als erster, selbst auf der Bühne Brust und Arme ritzte, ist bei IGGY POP alles möglich gewesen. Ich erinnere mich noch daran, als er sich anfangs des neuen Jahrtausends seine schönen polangen Haare auf einmal hellblond gefärbt hatte… . Ähnlich wie sein Freund DAVID BOWIE gilt James Osterberg als Chamäleon, besser gesagt als "Iguana" oder "Rock Iguana", was Eidechse bedeutet und sich wie bei BOWIE auf sein künstlerisches Wesen beziehen soll. Ich durfte den bis heute immer oberkörperfrei auftretenden IGGY seither zweimal live erleben und da er einmal dort ins Publikum sprang, wo ich gerade darum kämpfte, stehen zu bleiben, kann ich es bestätigen: Er fühlt sich zumindest während eines schweißtreibenden Auftritts nass und vor allem ledrig wie eine Eidechse an und hat einen starren, und undurchdringlichen Blick… So viel Vorrede halte ich bei einer der ganz großen Legenden, wie IGGY POP einfach eine darstellt, für angemessen und komme nun inhaltlich zum aktuellen Album "Every Loser", das Anfang Januar des letzten Jahres bereits erschien. Leider ist dieses Alterswerk des Sechsundsiebzigjährigen, soweit ich es einschätze, medial etwas untergegangen. Dennoch wurde es ein schönes, facettenreiches und oftmals überaus guttuendes und wohlklingendes Album. Ähnlich wie die in dieser Liste vorher platzierten Neuproduktionen von ALICE COOPER, PETER GABRIEL oder auch THE BABOON SHOW handelt es sich um ein Album im klassischen Sinne, auf dem völlig unterschiedliche Stücke in weitestgehend derselben Stilistik ein künstlerisches Ganzes bilden und der Interpret dennoch zu jedem Zeitpunkt erkennbar bleibt. Das Gerüst bilden aufpeitschende Rocknummern wie 'Frenzy', 'Modern Day Ripoff', und 'Neo Punk'. Etwas vertracktere Stücke in ähnlichem Stil kredenzt der Meister, zusammen mit seinen, einen sehr akzentuierten und guten Job abliefernden Studiomusikern, mit 'The Regency' und 'All The Way Down'. Die riesige Strahlkraft und schillernde Atmosphäre des zwanzigsten Soloalbums von IGGY POP wird aber durch bestens musikalisch durcharrangierte Lieder wie 'Strung Out Johnny', 'New Atlantis', 'Comments' oder auch das wunderschöne 'Morning Show' aufgebaut. In diesen Songs kommt die altgewordene, jedoch nun wohlklingend tief und angerauht klingende Stimme von IGGY POP voll zur Geltung. Wie sein verstorbener Freund DAVID BOWIE besitzt IGGY Klanganteile, ja eine stimmliche Aura, die einzigartig ist und von niemandem reproduziert werden kann. Genau dieser eigentümliche Stimmklang konnte auf den knapp 37 Minuten und 11 Liedern von "Every Loser" dankenswerterweise oft und intensiv für die Ewigkeit festgehalten werden. Einige der Songs erinnern durchaus an die bekannteren Aufnahmen von LOU REED, und nicht zuletzt die von Osterwald mit Musikbegleitung eingesprochenen "Interludes" namens 'The News for Andy' und 'My Animus' verleihen dem Album einen kunstvollen Nachhall. Man reiche mir jetzt bitte ein Glas Wasser und ein Taschentuch! Das war mein Platz 2 des Jahres 2023.

 

Bevor hier nun amtlich meine "Numero Uno" gekrönt wird, komme ich noch kurz zur Schattenseite der Medaille, der Album-Enttäuschung des Jahres. In ihrem großformatigen Jubiläumsjahr hatte ich von DORO in der Tat vieles erwartet, aber kein Album wie "Conqueress, Forever Strong And Proud", dem man als Metalfan mit zwei funktionierenden Ohren auch mit sehr viel gutem Willen nichts, aber auch gar nichts abgewinnen kann. Sorry Doro, in Seebronn, Wacken und in der Posthalle zu Würzburg warst du trotzdem super mit deinen Jungs!

 

 

 

 

Ähnlich wie bei THE BABOON SHOW handelt es sich bei der Punkrock-Band auf meinem diesjährigen ersten Platz der persönlichen Album-Top-20 für Powermetal.de um eine solche, die es in den illustren Kreis meiner Lieblingsbands geschafft hat. PASCOW ist ein hochmusikalisches Punkrock-Geschwader, wie es sich jemand, der auf Melodien sowie schnell und leidenschaftlich gut gespielte Gitarren steht, nur wünschen kann! Wenn diese ins Herz treffende Musik dann noch clevere Texte in herrlich rotziger, nicht alltäglicher Präsentation untermalt und das Ganze mit einem brachial ausmergelnden Bühnenauftreten gekrönt wird, hat man eine bemerkenswerte Band, in diesem Fall PASCOW aus Gimbweiler! 'Monde' ist aufgrund seines treibenden Charakters und dem sehr gesellschaftspolitischen guten Text übrigens mein Song des Jahres geworden. Da ich im letzten Jahr bereits ein ausführliches Review zum auf meinem Platz 1 befindlichen aktuellen Album "Sieben" von PASCOW geschrieben habe, gibt es hier den Link dazu. Ein ausführlicher Konzertbericht aus dem letzten Frühjahr existiert bereits ebenso, auch hier gibt es den Link. Viel Spaß mit beiden Texten!

 

Das Jahr 2023 war ein großartiges Livekonzert-Jahr für mich. So bekam ich unter sehr viel anderem wieder mal fast drei Stunden lang vom Boss das Leben erklärt und eiserne Jungfrauen ließen mir meinen Platz im Schlamm hinter einem Schleswig-Holsteinischen Bauernkaff wie den Himmel auf Erden erscheinen. Gerre und seine Bierkrüge durfte ich ebenso erleben, wie eine nach einer Farbe benannte Frau, die inwischen ständig über ihr Publikum fliegt [Häh? - Anm. d. Lektors]. Thrashgötter, Punkhelden, und ans Herz gewachsene, regelmäßig stattfindende Heavy-Metal-Klassentreffen in Lauda-Königshofen und Würzburg standen ebenso auf meiner Agenda wie seltenste Auftritte von englischen Hardrock-Ikonen oder Vampiren aus Los Angeles. Auch das letzte erreichbare Konzert von Demon, Starchild, Spaceman und Catman oder eine dreiundsiebzigjährige Rentnerin, die trotz umgehängtem Bass noch neckisch mit dem Popo wackelt, habe ich nicht verpasst. Dem Röcheln des Todes vor 6000 Besuchern durfte ich ebenso lauschen, wie einer Metalkriegerin mit ihren Untergebenen vor 60 Leuten. Beides habe ich überlebt! Bevor ich kein Ende finde, beende ich diese Aufzählung einfach und komme zu meinen fünf Bestplatzierten:

1. THE BABOON SHOW, Karlsruhe – Ein Traum von einem Konzert. Hier ist der Link zu meinem Livebericht.

2. PETER GABRIEL, München – Der Großmeister konnte auf allen Ebenen begeistern. Meinen Bericht gibt es hier.

3. AMORPHIS, Wacken – Der feuchte Traum eines Metal-Konzerts der leicht härteren, melodischen Gangart. AMORPHIS sind inzwischen auch als Live-Performer eine Klasse für sich!

4. BRIAN DOWNEY’S ALIVE & DANGEROUS, KIT-Rising-Festival, Würzburg - Das war ein Gig, der viele Herzen überlaufen ließ! In der Posthalle war für etwas mehr als eine Stunde quasi irische Heimaterde ausgelegt, das Bier schmeckte nach Guinnes, und wenn man genug davon getrunken hatte, standen die verdammten THIN LIZZY auf der Bühne!

5. THE INTERRUPTERS, Giebelstadt – Auch wenn der Alkoholpegel im Publikum der zur besten Zeit, so gegen 19:00 Uhr, als drittletzte auftretenden Band beim "Mission Ready"-Festival in Giebelstadt etwas half: Aimee Allen und die drei Bivona-Brüder haben eine Energie ins Publikum schwappen lassen, nach der man als Ska-Punk-Fan lechzt, dementsprechend drehte das Publikum standesgemäß am Rad!

THE CULT war im Longhorn zu Stuttgart außerdem absolut platzierungswürdig, ebenso wie die auf Platz 14 in meiner Albumliste gechartete Band SKINDRED in Wacken, oder MEGA COLOSSUS in der Göppinger Zille, genau wie viele der oben umschriebenen Bands auch. Ich erspare euch und mir jedoch eine weitere Top 20 Liste.

"Den Längsten" hatte dieses Jahr zuguterletzt mal wieder der Kollege Holger Andrae, dessen in liebevoller Fleißarbeit aus zig Listen ermittelte Charts zu Longtracks mit über 10 Minuten Länge inklusive akribischster Erläuterungen mein POWERMETAL.de-Artikel des Jahres sind. Vollständiger Titel  mit Link gefällig? "Listig: Wer hat den Längsten? Die besten Longtracks mit einer Spielzeit über 10 Minuten."

Vielen Dank für eure Zeit! Ich hoffe ihr hattet Spaß mit diesem Text über mein musikalisches und mediales Jahr 2023.

 

Meine besten Alben des Jahres:


Rang Band Album
1. PASCOW Sieben
2. IGGY POP Every Loser
3. THE BABOON SHOW God Bless You All
4. ALICE COOPER Road
5. METALLICA 72 Seasons
6. PETER GABRIEL i/o
7. BURNING WITCHES The Dark Tower
8. U.D.O. Touchdown
9. JAG PANZER The Hallowed
10. CIRITH UNGOL Dark Parade
11. OVERKILL Scorched
12. VOYAGER Fearless In Love
13. PRONG State Of Emergency
14. SKINDRED Smile
15. SKULL & CROSSBONES Sungazer
16. SULPHUR AEON Seven Crowns And Seven Seals
17. ANGELUS APATRIDA Aftermath
18. NECRONOMICON Constant To Death
19. TWILIGHT FORCE At The Heart Of Wintervale
20. MEURTRIERES Ronde De Nuit

Redakteur:
Timo Reiser

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