Perlen der Redaktion: Tobias Dahs' Highlights 2024
28.12.2024 | 15:33Kaum versieht man sich, ist schon wieder ein Jahr vorbei und die Sortierung der eigenen Bestenlisten beginnt. Dieses Mal hat mir die Liste dabei durchaus Kopfzerbrechen bereitet, denn auch wenn das Podium sehr schnell gefunden war, wurde es auf den hinteren Plätzen ganz schön eng und ich musste zahlreiche Alben aus den Top 20 streichen. Warum die verbliebenen Scheiben meine Lieblinge im Jahr 2024 waren und was das Jahr sonst noch zu einem tollen Musikjahr gemacht hat, möchte ich euch in den folgenden Zeilen erläutern.
Beginnen wollen wir dabei natürlich mit dem Album des Jahres, bei dem es dieses Mal kein langes Überlegen gab, denn "Theories Of Emptiness" von den Schweden EVERGREY thronte schlussendlich doch haushoch über der Konkurrenz. Dabei hat man das Gefühl, Tom S. Englund und seine Kollegen würden mit dem Alter immer besser so wie feiner Wein, denn waren schon "Escape Of The Phoenix" und "A Heartless Portrait" wahnsinnig tolle Alben, gibt es auf dem neuen Langdreher einfach keine Ausfälle, sondern nur Hits. Die Spannbreite reicht dabei von unverschämten Ohrwürmern ('Falling From The Sun', 'One Heart') über vertrackte Prog-Riff-Monster ('Say') und wütende Kracher ('We Are The North') bis hin zu emotionalen Höhepunkten ('Our Way Through Silence'), wodurch eigentlich keine Woche verging, in der die Platte nicht ihre Runden in meinem Player oder auf Spotify gedreht hätte. Das grandiose Konzert in Siegburg im November rundet dann das Jahr für mich persönlich ab, das schlicht und ergreifend von EVERGREY in meinem persönlichen Kosmos dominiert wurde.
Die größte Überraschung meiner Jahresbestenliste folgt dann direkt auf Rang 2, denn ich hätte vor 12 Monaten nicht daran geglaubt, den Namen LINKIN PARK hier noch einmal zu nennen. Doch im September meldeten sich die Nu-Metal-Heroen nach sieben Jahren plötzlich mit der neuen Sängerin Emily Armstrong und dem Kracher 'The Emptiness Machine' zurück, der für mich auch mein Song des Jahres ist. Und auch das zugehörige Comeback-Album "From Zero" ist randvoll gepackt mit Hits, die wohl Fans jeder Phase der vielseitigen Band abholen werden und auch mich gänzlich ins Herz trafen. Mein persönlicher Höhepunkt ist dabei klar 'IGYEIY' und die abschließende Ballade 'Good Things Go', die mir schon bei bloßer Nennung des Titels eine Gänsehaut auf die Arme treibt. Ganz großes Kino! Den gleichen Ausspruch kann man so übrigens auch für den Gewinner der Bronzemedaille verwenden, der auf den Namen IHSAHN hört und für mich seit den Tagen mit EMPEROR zu den genialsten Künstlern des extremen Metals gehört. Auf seinem selbstbetitelten Langdreher findet der Norweger dabei für mich die perfekte Balance zwischen seinem experimentellen Solowerk, orchestraler Epik und den Glanztaten der späten EMPEROR-Werke, was "Ihsahn" zu einer handwerklich grandiosen, kompositorisch dichten und insgesamt schlicht und ergreifend runden Angelegenheit macht, die mich auch gute 10 Monate nach Erscheinen restlos in ihen Bann zieht.
In seinen Bann zieht mich auch "Aurora" auf dem vierten Platz, wobei das neueste BROTHER DEGE-Album durch den Selbstmord von Dege Legg kurz vor Veröffentlichung einen traurigen und tragischen Beigeschmack bekommen hat. Dass die Scheibe, die den Amerikaner so kompositorisch ausgereift und packend wie noch nie präsentiert, gleichzeitig auch der Schwanengesang sein wird, ist für mich auch nach Monaten schwer zu verdauen. Aber wenigstens wird uns die sensationelle Interpretation von Americana und Roots Rock bleiben, die BROTHER DEGE so unnachahmlich zelebrieren konnte. Lange erhalten bleiben wird uns hoffentlich auch noch MYLES KENNEDY mit seinen diversen Projekten, wobei es in diesem Jahr das Solo-Drittwerk "The Art Of Letting Go" auf den 5. Platz meiner Jahrescharts geschafft hat. Mit deutlich mehr metallischen Vibes und ein bisschen ALTER BRDIGE-Einschlag präsentiert die Scheibe Mr. Kennedy als absolut großartigen Sänger, Songwriter und Gitarristen, der sich nun endgültig auch als Solokünstler abseits der erfolgreichen Hauptprojekte etabliert haben sollte.
Etablieren müssen sich die Ruhrpottler NIGHT IN GALES wohl nicht mehr, stemmen sie nach "The Black Stream" im vergangenen Jahr doch direkt den nächsten Silberling in meine Jahresbestenliste. "Shadowreaper" landet allerdings gleich auf dem 6. Rang und ist für mich glasklar das beste Melodic-Death-Metal-Album des vergangenen Jahres, wobei die Platte nicht nur mit tollen Songs (hört euch bitte mal 'Into The Evergrey' an!) überzeugt, sondern auch mit einer erdigen und sehr oldschooligen Produktion herrlich frische Wege einschlägt. Frisch klingen auch die Hessen APRIL ART, die mit ihrem neuen Langspieler "Rodeo" ebenfalls einen kompletten Volltreffer gelandet haben. Schon zuvor hat die Band um Fronterin Lisa-Marie Watz Alben mit zahlreichen Hits abgeliefert, aber "Rodeo" strotzt von vorne bis hinten nur so vor großartigen Krachern und zeigt, wie man Alternative Metal bzw. Nu Metal im Jahr 2024 zelebrieren sollte. Wenn der Vierer hiermit nicht den Sprung auf die ganz großen Bühnen schafft, müsste es schon mit dem Teufel zugehen.
Wo wir vom Teufel sprechen, mit selbigem muss auch YouTuber Dave Simpson im Bunde stehen, denn nur so lässt sich erklären, wie der Brite mit seiner neuen Band RED GIANT ein so restlos überragendes Debüt abliefern konnte. Das schlicht "Red Giant" betitelte Album verknüpft dabei gekonnt klassischen Hard Rock mit Blues und Britrock zu einer Mixtur, die frisch und gleichzeitig wohlig bekannt klingt und dabei auch noch so viele Hits im Gepäck hat, dass der Titel Newcomer des Jahres ebenfalls an das Blues-Rock-Trio geht. Trio ist auch direkt das nächste Stichwort, denn zu einem solchen ist auch RAGE für "Afterlifelines" geschrumpft, was Mr. Wagner und seinen Mitstreitern aber keinen Stolperstein in den Weg gelegt hat. Im Gegenteil, "Afterlifelines" ist von vorne bis hinten großartiger Heavy Metal, den man als Fan des Genres unbedingt einmal gehört haben muss. Komplettiert werden meine Top 10 schlussendlich vom Meister BRUCE DICKINSON, auf dessen Solo-Comeback "The Mandrake Project" zwar nicht alle Songs Volltreffer sind, doch wenn Mr. Dickinson in Fahrt kommt, dann klingt er anno 2024 ebenso frisch wie auf seinen Paradewerken "Accident Of Birth" oder "Chemical Wedding", womit es dann natürlich auch für einen sehr guten 10. Platz in meiner Endabrechnung reicht.
Der Rest meiner Top 20 füllt sich dann mit einer bunten Mischung aus Blues, Rock, modernem und auch extremem Metal, wobei vor allem SLASHs Solo-Blues-Ausflug "Orgy Of The Damned" mich unheimlich positiv überrascht hat, während ROBERT JON & THE WRECK oder auch BLACK COUNTY COMMUNION auf den jeweils neuen Alben in gewohnter Stärke abgeliefert haben. Oben drauf gibt es ein sehr feines HOT WATER MUSIC-Album namens "Vows", das zwischen vielen anderen Höhepunkten etwas untergegangen ist und mit ein paar mehr Spins vielleicht sogar noch nach oben klettern könnte. Ebenso soll das moderne Metal-Dreigespann am Ende meiner Liste nicht unerwähnt bleiben, wo GHOSTKID mich mit "Hollywood Suicide" überzeugen konnte, P.O.D. mit "Veritas" endlich mal wieder einen restlos starken Langspieler veröffentlicht hat und BODY COUNT mit gewohnter Klasse auf "Merciless" agiert.
Bei so vielen tollen Alben musste ich dann im Falle der Album-Enttäuschung des Jahres auch länger grübeln, kam aber am Ende zu dem Ergebnis, dass mir OPETH mit "The Last Will And Testament" die größte Enttäuschung beschert hat. Dabei spielt die Band eigentlich schon seit "Heritage" recht konsequent an meinem Musikgschmack vorbei, jedoch ließ die erste Single des neuen Langeisens '§1' doch wieder auf ein härteres und bissigeres Album hoffen. Selbiges wurde auch in Teilen geliefert, doch wirklich überzeugen wollte mich der Langspieler in Gänze nicht, auch wenn wir es hier natürlich beileibe nicht mit einem wirklich schlechten Album zu tun haben.
Eindeutiger war da schon die Frage nach dem Newcomer des Jahres, denn dort räumt klar RED GIANT mit dem schon auf Rang 8 platzierten Debüt "Red Giant" und der eingangs bereits beschriebenen Mischung aus Blues, Rock und Britrock auf ganzer Linie ab. Bei meinen beiden weiteren Nennungen im internen Poll kann man sich dabei allerdings über den Begriff "Newcomer" streiten, denn GHOSTHER gibt es schon seit einigen Jahren, für mich hat die Band allerdings mit der selbstbetitelten EP nochmal eine ordentliche Schippe draufgelegt, und auch CEMETERY SKYLINE besteht natürlich aus alten Hasen des Musikgeschäfts, die allerdings mit "Nordic Gothic" (mein Platz 20) überaus spannende neue Wege gehen.
Enttäuschungen waren dagegen bei den Konzerten des Jahres sehr rar, denn ein wirklich schlechtes Konzert habe ich im Jahr 2024 nicht gesehen. Unschlagbar bleiben allerdings die Prog-Heroen TOOL in dieser Kategorie, die mich in der Lanxess Arena erneut für gute zwei Stunden mit einer visuell und musikalisch absolut makellosen Show in eine andere Dimension entführt haben. Ähnliches gelang auch den Schweden EVERGREY, die in Siegburg mit einer schlagkräftigen Hit-Setliste komplett abgeräumt haben und damit verdient auf dem zweiten Platz landen. An gleicher Stelle zelebrierte auch RAGE im Mai eine packende Werkschau mit monströs guter Setliste, während APRIL ART mich noch Anfang Dezember mit einer energiegeladenen, sympathischen und ebenfalls mit Krachern gespickten Show im Kölner Gebäude 9 überzeugen konnte.
Bleibt noch die Frage nach dem Artwork des Jahres, wo erneut der Pokal in den Ruhrpott bzw. eigentlich nach Italien geht, denn dort lebt Künstler Paolo Girardi, der "Shadowreaper" von NIGHT IN GALES mit einem wunderschönen Werk verziert hat. Und auch die Frage nach meiner liebsten Zusammenarbeit mit meinen Kollegen will ich nicht unbeantwortet lassen, wobei mir vor allem die Diskografie-Checks zu KORN (Teil 1 und Teil 2) und GENESIS (Teil 1, Teil 2 und Teil 3) besonders viel Freude bereitet haben.
Und damit sind wir auch schon am Ende meines persönlichen Blicks auf das Jahr 2024 angekommen. Bleibt mir nur, euch allen einen guten Rutsch ins neue Jahr zu wünschen. Hoffen wir, dass uns 2025 mit genauso viel toller Musik und großartigen Konzerten versorgen wird wie die letzte Sonnenumrundung. Die Vorzeichen stehen jedenfalls schon mal nicht schlecht, denn THE HALO EFFECT wird das Jahr mit einem Knall eröffnen. So viel verrate ich schon einmal vorweg...
Rang |
Band | Album |
01. | EVERGREY | Theories Of Emptiness |
02. | LINKIN PARK | From Zero |
03. | IHSAHN | Ihsahn |
04. | BROTHER DEGE | Aurora |
05. | MYLES KENNEDY | The Art Of Letting Go |
06. | NIGHT IN GALES | Shadowreaper |
07. | APRIL ART | Rodeo |
08. | RED GIANT | Red Giant |
09. | RAGE | Afterlifelines |
10. | BRUCE DICKINSON | The Mandrake Project |
11. | SLASH | Orgy Of The Damned |
12. | HOT WATER MUSIC | Vows |
13. | ROBERT JON & THE WRECK | Red Moon Rising |
14. | THE COLD STARES | The Southern |
15. | WOLFHEART | Draconian Darkness |
16. | BLACK COUNTRY COMMUNION | V |
17. | GHOSTKID | Hollywood Suicide |
18. | P.O.D. | Veritas |
19. | BODY COUNT | Merciless |
20. | CEMETERY SKYLINE | Nordic Gothic |
Fotocredit: Das Foto von mir wurde von Barna Tanko gemacht.
- Redakteur:
- Tobias Dahs